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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 6, 97

Hi-Tech und Lowcost: Allegro unter Windows, Unix und NT
Eindrücke vom Expertentreffen '97 in Braunschweig

Heinz Bork

Frühling, Aufbruch, Allegro - das paßt gut zusammen. Erstmals im April und erstmals im neuen Anbau der UB Braunschweig trafen am 10. und 11. April 1997 fünfzig Fachleute aus Deutschland, Österreich und England zu ihrem achten Erfahrungsaustausch zusammen.

Die PCs sind gekauft, die Zeiten des großen Geldes sind vorbei, auch in den neuen Bundesländern. Wer jetzt keinen Pentium hat, wird keinen mehr bekommen, wohl wahr. Wer jetzt kein Bibliothekssystem hat, kann sich aber doch ein sehr effizientes bauen, auf eigenen Füßen und bis zum Herbst, Herr Rilke. Es gibt ja Allegro, für die großen und die kleinen: mehrere Universitätsbibliotheken betreiben ihren OPAC damit, sechs österreichische UBs ihr Ausleihsystem, andere ihren Gesamtkatalog (mehr unter http://www.biblio.tu-bs.de/allegro/ac-dbs.htm), das VD17 und Landesbibliographien und werden so erfaßt - auch die von Rheinland-Pfalz; Sinologen katalogisieren damit und mit HANS ebenso die Handschriftenbibliothekare. Den aktuellen Stand konnte man auf dem diesjährigen Expertentreffen erfahren:

Was will man mehr - Allegro tut's mit DOS, Windows 3.11 und 95, Novell Netware, Unix, und Windows NT

Einleitend dankte Bernhard Eversberg zunächst dem Direktor der UB Braunschweig, Prof. D. Brandes, für seine unentbehrliche Unterstützung und stellte das Leistungsspektrum der neuen Version 15 vor. Wer es nur aus der Ausbildung kennt, wird es kaum wiedererkennen, Allegro hat sehr gewonnen.

Es ist der Name eines ganzen Paketes von Programmen, die umfangreiche Anwendungen möglich machen. Der neben dem günstigen Preis größte Vorteil ist, daß man Veränderungen selbständig vornehmen kann, jedes Format im- und exportieren.

Presto und das Cockpit-Menü verwalten bibliographische und Katalogdaten, presto-G mit graphischer Oberfläche unter Windows. alf ist das Ausleihsystem, mit order kann man Bücher erwerben. APAC heißt der Allegro-OPAC. Multimedia -Daten, also Bilder von Titelseiten und Musik von CDs, lassen sich mit den Flips von opus in Kataloge und Bibliographien einbinden und aufrufen, mit presto-G geht das natürlich auch.

Wie man leicht mit seinem Netscape-Browser feststellen kann, setzen den WWW-OPAC auch große Bibliotheken erfolgreich ein, etwa die UB Leipzig mit SWB-Daten und die Universität Hamburg. Seit Ende 1995 gibt es in der Allegropalette eine CGI-Schnittstelle zur Datenbank, als WWW-OPAC. Die vom FTP-Server gelieferten Muster- CGI-Skripte in Perl und C kann man natürlich wie immer selber den eigenen Wünschen anpassen.

Avanti ist der leistungsstarke Datenbank-Server für die Client-Server-Arbeitsweise. Sie minimiert den Datenverkehr, weil der avanti -Server die Hauptarbeit übernimmt, nur die Nettodaten übers Netz gehen und vom lokalen PC bloß noch der Bildschirmaufbau ausgeführt wird. Avanti läuft im Novell-Netz ebenso wie unter Unix (Internet), Clients gibt es auch für Windows 95 und Windows NT.

Besonders interessant ist, daß nun jedermann avanti-Clientprogramme schreiben kann - in der Programmiersprache seiner Wahl.

Die Suche nach Schillers Räubern

Eine AND-Suchfrage zielte bisher immer auf Textteile in einem Datensatz. Sucht man nun Schiller AND Räuber als Teil eines mehrbändigen Werkes, dann wurde man bisher nicht fündig, wenn sich die Angabe "Schiller" im Gesamttitelsatz findet, die "Räuber" aber im Stücktitelsatz stehen. Das ist nun gelöst durch die erweiterte, satzübergreifende Suche. Sie bezieht auch alle Untersätze in das primäre Ergebnis ein, mit dem die Resultate des zweiten Suchwortes geschnitten werden.

Und noch eine Lösung: Man sucht in einem großen Katalog ein häufiges Stichwort mit über 16.000 Treffern und möchte einschränken auf Titel, die seit 1992 erschienen sind. Für Jahreszahlen hat man meist keinen Index angelegt, und Allegro verwaltet nicht mehr als 16.000 Treffer, wenn auch das Gesamtergebnis eigentlich weit darunter läge. Die neue Restriktionstechnik erlaubt es nun, die laufende Auswertung mit "nach 1992" einzuschränken. Jetzt kann man nach Inhalten von solchen Feldern suchen, deren Wertebereich nur klein ist und einen Index nicht lohnt. Typische Felder dieser Art sind Erscheinungsjahr oder Sprachvermerk. Eversberg erläuterte, wie man Restriktionen in presto, APAC und avanti anwendet.

Glossar, Z39.50, WWW und VD17

Endlich gibt es ein Allegro-Glossar, gedruckt und im WWW unter www.biblio.tu-bs.de/allegro/glossar/index.htm. Auf 36 Seiten hat Dr. Tews(UB Leipzig) 220 Begriffe aus der Allegro-Welt kurz erläutert und zu jedem Begriff eingetragen, ob er zum Grundwissen, Fachwissen oder Systemwissen gehört. Zu Details der Parametrierung wird auf die ausführlichen Kapitel 10 und 11 des Systemhandbuches verwiesen. Damit gibt es übersichtliche Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) für alle Einsteiger. Die Allegro-Gemeinde dankt.

M. Evers erläuterte die vielfältigen Plattformen, für die man Allegro bekommen kann. Es läuft unter DOS, Windows 3.11 (presto-G, wie graphisch), OS/2 und Windows 95. Die Betaversion Allegro für Windows NT wurde vorgestellt und wird noch 1997 freigegeben. Der Allegro-Quellcode ist quasi öffentlich. Da es seit 1996 eine plattformunabhängige Klassenbibliothek C++ gibt, läßt sich Allegro mit verhältnismäßig geringem Aufwand auf neue Plattformen übertragen. Es läuft nicht nur auf Pentium-, 486er- und 386er-PCs, sondern unter Unix auch auf Workstations, Installationen gibt's auf/unter PC/Linux, IBM RS6000/AIX, Digital Alpha, SUN/Solaris, HPUX und Sinix (presto-X).

C. Veltkamp unternahm einen Ausflug in die OSI-Welt und stellte den Protokollstandard Z39.50 und die bestimmende Normungsinstitution LoC vor. Er ist dabei, im Rahmen eines DFG-Projektes den Z39.50-Server für Allegro zu entwickeln. Voraussichtlich ab Ende 1997 sind Allegro-Datenbanken mit jedem Z39.50-Client abfragbar, wie man es vom Projekt DBV/OSI kennt.

Eine Multimediaverwaltung mit Allegros opus zeigte A. Wegelt von der UB Greifswald. Zu bibliographischen Daten sind Bilder, Titelseiten, Illustrationen oder Musikstücke abgespeichert, die mit einem einfachen Flip von einem Viewer dargestellt werden oder über die Soundkarte zu hören sind.

D. Höppner erläuterte, wie man den die Datenbankserver avanti als WWW-OPAC einsetzen kann. Ein Grundproblem beim Suchen im WWW ist, daß Anfragen an eine Suchmaschine einfach gestellt werden. Eine Frage hin - eine Antwort zurück. Es gibt im WWW keine sessions, keine "Sitzungen", mit Zwischenergebnissen und Nachbearbeitung, wie man sie von Online-Datenbanken und CDs kennt. Schließlich wäre es für jede weltweit gebührenfreie Datenbank sehr schwer, Tausende von Zwischenergebnissen und Sessiondaten mal eben aufzubewahren. Und nach welcher Wartezeit sollte denn ein Server eine Sitzung als abgebrochen betrachten, bei den heutigen Datenstaus im Netz? Cookies sind für sicherheitsbewußte Internetter keine Alternative, vielleicht bieten Allegro-Clients als Java-Applets eine Lösung. Man wird sehen. Einstweilen gibt es die bewährten CGI-Skripts.

Dr. Pfeiffer aus Wolfenbüttel schilderte die Arbeitsweise für das VD 17. Angeboten wird es mit der Datenbank Omnis Myriad, die nur dem Retrieval dient. Die Erfassungsarbeit findet mit Allegro unter Unix in den bekannten Bibliotheken BSB, SBPK,HAB, MLU Halle und Gotha statt. Zu Pfeiffers Arbeitsergebnissen gehören u. a. die xterm-Anbindung von allegro-x und der Einsatz benannter Pipes.

Schulungen und Support

In der Allegro-Gemeinde gilt das Selbsthilfeprinzip auf Gegenseitigkeit, wie man es so fruchtbar aus der Unix-Welt kennt. Wichtigen Anteil daran hat nicht nur die telefonische Hotline der Entwicklergruppe in Braunschweig, sondern auch die Mailliste maiser@buch.biblio.etc.tu-bs.de, bei der man sich wie üblich mit dem Text "subscribe allegro" anmelden kann.

Mehrere Teilnehmer unterstützten den Wunsch nach regionalen Fortbildungen. So viel Initiative und Interesse an selbstgestalteter Datenverarbeitung lohnt, denn lokale DV-Kompetenz innerhalb einer Bibliothek ist wirtschaftlich. Und das beste Kompliment, das man einem Produkt wie Allegro machen kann.

In den Diskussionen und der Abschlußbesprechung entwickelte der persönliche Ideenaustausch ganz eigene Dynamik, weitaus kompakter und schneller als über die Mailliste möglich ist. Die Teilnehmenden waren sich darum einig, daß Expertentreffen notwendig und nicht zu ersetzen sind. Ganz besonders in einer Zeit, in der es Bibliotheken gibt, die aus finanziellen Gründen nicht so bald über einen Internetzugang verfügen werden. So rasch, wie die Entwicklung voranschreitet, darf man auf das Treffen im nächsten Frühjahr schon gespannt sein. Das Land Niedersachsen und die UB Braunschweig bieten dem deutschen Bibliothekswesen eine sehr flexible HiTech-Alternative: Mit Allegro kann man Routine- und Spezialaufgaben im eigenen Hause und zum Lowcostpreis lösen, auf jenem kurzen Weg, der hauseigene EDV-Kompetenz mit bibliothekarischem Sachverstand verbindet.

Wer mehr über Allegro wissen möchte, dem sei www.biblio.tu-bs.de/allegro/index/htm anempfohlen und zur Wiedervorlage im Juli 1997 die Allegro-CD-ROM V 15, die alle Informationstexte enthält.


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