Publikationen Hierarchiestufe höher Vorherige Seite

BIBLIOTHEKSDIENST Heft 2, 97

Neues von "Barcode"

Mehr Inhalt pro cm²

Clemens Deider

Barcode ist für Bibliotheken wahrhaftig kein Neuland, doch auch dort ist die Entwicklung seit 1973 nicht stehengeblieben. Damals wurden auf einem Symposion, zu dem die Arbeitsstelle für Bibliothekstechnik (ABT) einlud, das Angebot von Strich- oder Balkencodeverfahren und deren Einsatz in Bibliotheken, diskutiert. Numerische und alpha/numerische Verschlüsselungen wurden gefordert, wobei letzte an die Grenzen der sinnvoll technischen Machbarkeit stießen; kurz, die Etiketten wurden recht lang, d. h. die Kapazität der Verschlüsselung könnte höher sein. Hier versuchte nun Kodak 1987 mit softstrip, einem neu geschaffenen Verfahren, Abhilfe zu schaffen. Dort wurden Inhalte von Dateien mit einem speziellen Decodierprogramm in einem maschinenlesbaren Code streifenförmig per Matrixdrucker auf Papier ausgedruckt. Die sogenannte StripMaker Software-Familie von Kodak machte es möglich, beliebige Computerdaten, also Text, Grafik, Tonsignale und sogar Unterschriften in die Form von computerlesbaren SOFTSTRIP Data-Streifen umzusetzen, die auf handelsüblichen Matrix- oder Laserdruckern gedruckt werden konnten. Wiedergaben einer derartigen Codierung sind in den Heften von ABI-Technik 1) abgedruckt. Je nach verwendetem Druckertyp ließ sich die codierte Datendichte eines SOFTSTRIP-Streifens erhöhen. Ein Streifen von 24 cm Länge - 8 Streifen konnten auf einem Blatt DIN A4 plaziert werden - hatte eine Speicherkapazität von 1000 bis 3800 Bytes. Ein SOFTSTRIP-Ausweisstreifen, z. B. eines Benutzerausweises konnte bei Ausdruck über einen Thermodrucker 388 Bytes und 660 bei Matrixdrucker, bis zu 1134 Bytes bei Laserdruckern verschlüsseln. Kodak sah Einsatzgebiete überall dort, wo PC-Datenbestände preisgünstig in maschinenlesbarer Form auf Papier übermittelt werden sollten. Die Vorteile gegenüber anderen Speichermedien lagen in den niedrigen laufenden Kosten, in der einfachen und schnellen Vervielfältigung, in der magnetischen und weitgehend mechanischen Unempfindlichkeit und im unproblematischen Versand der Softstrip-Datenbestände. Um nun die Softstripangebote nutzen zu können, benötigten die Bezieher einer derart verschlüsselten Datei lediglich ein relativ preiswertes Lesegerät, das über jede V24-Schnittstelle an einen Computer angeschlossen werden konnte. So die von der Firma Kodak 1987 verbreiteten Angaben.

In den Jahren 1991 bis 1994 verschlüsselte der Franzis-Verlag/München in seinen "mc" Heften dort alphanumerisch abgedruckte EDV-Hilfsprogramme.

"Klingt verrückt, nicht? Aber auf den folgenden Seiten sehen Sie es schwarz auf weiß. Die wilden und scheinbar ungeordneten Punktmuster auf dem Papier ist die Software, die wir jeden Monat für Sie in dieser Form abdrucken. Alles was Sie in der mc an Programmen sehen, ist in diesen Blöcken gespeichert. Um die Software wieder aus den Blöcken herauszuziehen, brauchen Sie einen Scanner und unseren "mcreader"." So der Text in jedem mc-Heft unter der Überschrift mc-Paperdisk. Ein Vergleich zwischen den im mc-Heft März '93 in kleinsten Buchstaben abgedruckten Programmen und deren Verschlüsselung ergab ein Verhältnis des jeweiligen Platzbedarfes von etwa 9 zu 1. Dort ist auf den Seiten 116 bis 119 das dazugehörige "Punktemuster" zu finden.

Im Mai 1992 stellte die US-Firma Symbol Technologies einen neuen hochverdichteten Barcode für größere Informationsmengen vor, den PDF 417 (Protable Data File). Er sollte den besonderen Nachteil der bisherigen Barcodierungen, die geringe Speicherkapazität, kompensieren. Der neue zweidimensionale Code verspricht durch Datenstapelung eine Zeichendichte bis zu 300 Codewörtern pro Quadratinch, dies entspricht 46,5 Zeichen pro Quadratzentimeter. Die Informationskapazität und der Aufbau der Informationsspeicherung bei PDF 417 ist eine Kombination des Dateninhaltes (binary, integer, numeric und ASCII). Die für den Code PDF 417 benötigten Barcode-Labels können wie bei den oben aufgeführten Beispielen auf einem normalen Strichcode- oder Laserdrucker erzeugt werden. Bis zu 9 verschiedene Sicherheitsstufen können gewählt werden. Diese Sicherheitsstufen haben den Vorteil, daß alle Daten auch nach einer 50%igen Zerstörung des Datenträgers (Verschmutzung, Zerreißen oder Überkleben) noch vollständig wiederhergestellt und gelesen werden können. Letzteres die Aussage einer Presseinformation von Symbol Technologies.

Auf der Hannover Messe CEBIT 096 präsentierte die Firma Marco/Augsburg 2) das STOCKOSS-System, ausgehend von der Symbologie PDF 417 der Firma Symbol Technologie. Das System bietet eine komplette Anwendungsreihe von der Drucksoftware, für die Verschlüsselung unterschiedlichster Datenarten, deren Vertraulichkeit auch durch die PDF-Codierung besonders gesichert wird, bis hin zu einer Auswahl von Lesegeräten. Bei letzten wird betont, daß alle PDF-Lesegeräte auch die herkömmlichen Stabcodes lesen können.

Den endgültigen Anstoß zu dem vorliegenden Bericht gaben zwei Anwenderbeispiele für die PDF-Codierung in der neuen Fachzeitschrift ident 3). So wurden Anfang 1991 Entwickler bei dem Pharmaunternehmen Boehringer Mannheim GmbH 4) auf den dann dort Matrix-Barcode genannten PDF 417 aufmerksam. Integrierte Fehlerkorrektur bzw. Redundanz und begrenzt diagonale Lesbarkeit, d. h. der Lesestrahl muß nicht exakt Zeile für Zeile parallel abtasten, gaben letztlich den Ausschlag für eine Entscheidung zu Gunsten der neuen Codierung; Vorteile, die für die Boehringer Labordiagnostik neben der Verschlüsselungskapazität von Bedeutung sind. Das zweite Anwenderbeispiel betraf den Barcodeeinsatz im Paketdienst und Speditionsbereich, sein Nutzen betraf Sendungsverfolgung, Qualitätskontrolle und Kundenservice 5). Hier gaben neben der hohen Kapazität der Verschlüsselung Paketstück-Identifikation und Datensicherheit den Ausschlag für den Einsatz der PDF-basierenden Codierung.

In den Umschlagzentren der Speditionen werden die Pakete mit Hilfe der im barcodierten Routingslabel hinterlegten Daten gesteuert. Im Durchlauf wird das Label von stationären Lesegeräten erfaßt, dessen Routingsinformationen an die Sortieranlage weitergeleitet werden. Hier kommt es besonders auf eine fehlerfreie und schnelle Lesung des Barcodes an - typische Sortiergeschwindigkeit 2 bis 2,5 m/s. Die hier Maxi-Code (Abbildung) genannte PDF-Verschlüsselung erlaubt eine gleichzeitige Erfassung des üblichen Barcodes wie des Maxi-Codes. Hiermit können bestehende Barcodesysteme problemlos erweitert bzw. modifiziert werden. In den USA setzt der Paketdienst UPS diesen Code im Format einer Briefmarke ein, der dort bis zu 93 alphanumerische Zeichen enthält.

Maxi Code

Maxi Code

Neben dem Routinglabel setzt die in dem Bericht genannte Spedition das CodeMix auch in der Frachtbriefverschlüsselung ein.

Angeführte Beispiele zeigen, daß sich diese zweidimensionale (2D) Verschlüsselung des PDF 417 in der Praxis durchsetzt. Auch Bibliotheken dürften aus der Verschlüsselungskapazität, Sicherheit und deren Mixanwendung mit dem eindimensionalen Stabcode ihren Nutzen ziehen können. In Heften von ABI-Technik, in denen das Thema Barcode behandelt wurde, sind verschiedene Anregungen zu finden. So waren es 1987 CIP-Kurztitelaufnahmen Ausleih- oder Vermittlungsdienstleistungen, die auf der Basis von Softstripausdrucken diese effektiver gestalten sollten. 1991 wurde vorgeschlagen, Korrespondenzschreiben, Antwortabschnitte auf Fragebögen, Antwortkarten z. B. bei Mahnungen für eine sichere Rücklaufkontrolle mit Barcode zu versehen. Verschiedene Anwendungen im Geschäftsgang der Bibliotheken bzw. auch im Verkehr zwischen den Bibliotheken könnten mit Hilfe dieser Codierung verbessert werden. Dazu zählt auch die bundesweit einheitliche Codierung der Bibliothekssigel. Die neue Kodierung könnte überall dort zusätzlich zu einer höheren Produktivität der Bibliotheken beitragen, wo auch größere Datenmengen schnell und fehlerfrei vom Medium in die automatische Datenverarbeitung übermittelt werden müssen. In der Ausleihe könnten größere Datenmengen den Benutzerausweis (STOCKOSS-System/Marco) aufwerten, da datenschutzrelevante Angaben im Entscheidungsbereich des Benutzers blieben. In seiner Identifikationsfunktion könnte der Ausweis als eine Alternative zu der jetzt modernen Chipkartendiskussion stehen. Ganz sicher aber als Hybridkarte mit Chip, Magnetstreifen, Prägedruck oder eben Barcode in Stabform bzw. als PDF 417-Code. Ein aktuelles Beispiel der passiven Fernleihe bietet die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen mit der Einführung (Okt. 1996) der Endnutzerfernleihe OPENCAT in der SUB 6). Dort erhält der Benutzer nach Zahlung der Gebühr für eine Fernleihbestellung einen Aufkleber mit seiner barcodeverschlüsselten Benutzernummer; Benutzername, Bibliothekssigel und -namen bleiben unverschlüsselt. Diesen Aufkleber klebt der Benutzer auf den Buchbegleitabschnitt des Fernleihscheins. Anstelle dieses von der UB-Göttingen verwandten briefmarkengroßen Aufklebers mit eindimensionaler Stab/Barcodierung allein der Benutzernummer könnten auf gleicher Fläche, ähnlich dem UPS-Maxicode, alle restlichen und möglicherweise noch zusätzliche Daten verschlüsselt werden.

Ferner könnte eventuell das Büchertransportsystem der Bibliotheken aus den Erfahrungen der Spedition Nedlloyd Unitrans GmbH 7) Nutzen ziehen. Da laut der beiden angesprochenen Berichte bestehende Barcodesysteme problemlos mit dem PDF 417 erweitert bzw. modifiziert werden können, dürfte dessen gleitende Einführung keine größeren Probleme aufwerfen. Wie weit das System SUBITO von dieser Kodierung profitieren könnte, sollte diskutiert werden.

Aufgeschlossene und findige Bibliothekarinnen und Bibliothekare werden sicher noch weitere erfolgversprechende Anwendungen für diesen elektronischen Brückenschlag zwischen Benutzer, Medium in der Ausleihe bzw. Begleitformulare im Geschäftsgang der Bibliothek und der ADV erkennen.

1) Softstrip
Maschinenlesbarer Datenträger "Papier" ; Clemens Deider, in: ABI-Technik 7, 1987, Nr. 3, S. 291
Strich-/Barcode in der Bibliothek nicht allein für die Buchausleihe ; Clemens Deider, in: ABI-Technik 11, 1991, Nr. 4, S. 305

2) Auf der CEBIT für Bibliotheken Gesammeltes Clemens Deider,in: ABI-Technik 16, 1996, Nr. 2, S. 171 (181)
Marco Systems ; Herr Langer, Postf. 410088, 86165 Augsburg,Tel.:(08 21) 79 30 86

3) Matrix-Barcode in der Labordiagnostik K.H. Mann (S. 26)
Barcodeeinsatz im Paketdienst und Speditionsbereich (46) Cornelius Schürer ; in: ident Das Forum für Automatische Datenerfassung 2/96 (November/Dezember) Umschau Zeitschriftenverlag S. 26 und 46

4) Boehringer Mannheim GmbH K.H. Mann, Werk Tutzing Abt. LI-S Bahnhofstr. 9-15, 82324 Tutzing,Tel.: (0 81 58) 22-0

5) Parcel Logistics + Systems GmbH Cornelius Schürer, Tiegelstr. 3, 58093 Hagen, Tel.: (0 23 31) 35 90 90

6) Organisation der passiven Fernleihe Axel Halle, Reinhard Harms, Antje Niemann ; in: mb Heft 102, 1996, s. 1

7) Nedlloyd Unitrans GmbH Herr Dr. Loos, Karlstr. 76, 40210 Düsseldorf, Tel.: (02 11) 1 69 20


Seitenanfang