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Bibliotheksdienst Heft 10, 96

Computergestützte Auftragsvergabe bei der Zeitschriftenbindung in der Bibliothek der Hochschule der Künste Berlin

Uwe Meyer-Brunswick

Wie wohl die meisten Hochschulbibliotheken hat die Bibliothek der HdK mit dem Problem der immer knapper werdenden Mittel zu kämpfen. Angesichts des völlig unzureichenden Erwerbungsetats fiel im Zusammenhang mit einer Ausschreibung 1994 die Entscheidung, die Zeitschriftenbindung mit Hilfe der EDV zu rationalisieren, da ein entsprechendes Angebot eine erhebliche Kosteneinsparung versprach. Jenes setzte jedoch im günstigsten Fall voraus, daß die Bindeanweisungen nicht mehr konventionell über Musterpappen, sondern in digitalisierter Form auf Diskette geliefert werden, um unmittelbar für die automatisierte Deckenfertigung sowie die Behandlung des Buchblocks verwendet werden zu können.

Erforderlich war dafür das PC-Programm LTITEL der Firma L.0.S. in Nittenau, das in Zusammenarbeit mit der Buchbinderei Schmidkonz in Regensburg als Teil eines ganzen Buchbindesystems entwickelt wurde. Mit diesem System, das inzwischen bei verschiedenen Buchbindebetrieben im Einsatz ist, werden auch Zeitschriftenbestände anderer Bibliotheken gebunden, so daß ein vorheriger Erfahrungsaustausch über die Verarbeitungsqualität möglich war. Neu war nun aber, daß der Computer nicht erst in der Buchbinderei, sondern bereits in der Bibliothek zum Einsatz kommen sollte.

Der Umstieg von der herkömmlichen Auftragsvergabe auf die elektronische Form bedingte zunächst die Erfassung der erforderlichen Grunddaten am PC - eine Aufgabe, die üblicherweise in der Buchbinderei erledigt werden sollte, von der Bibliothek der HdK jedoch selbst durchgeführt wurde. Das WIND0WS-gestützte Programm stellt entsprechende Bildschirmmasken zur Verfügung, in deren Felder die erforderlichen bzw. gewünschten Angaben direkt oder per Auswahl über Menüleisten eingegeben werden. Im wesentlichen fallen beim Aufbau des Datenbestandes folgende Arbeitsschritte an:

Für jedes zu bindende Zeitschriftenkonvolut, das später einen Band darstellen soll, müssen zunächst die Nettomaße des Buchblocks (nach Beschnitt) erfaßt werden. Bei Höhe und Tiefe kann man sich in der Regel am letzten gebundenen Band orientieren, die Dicke wird direkt am Zeitschriftenstapel abgemessen. Dazu reicht ein normales Zentimetermaß, man kann aber auch komfortabel mit einem am PC angeschlossenen Maßbestimmungstablett arbeiten. Bei der Eingabe der Rückenbeschriftung, für die verschiedene Schrifttypen,

-größen und -farben, Quer- oder Längsrichtung sowie die Höhe der jeweiligen Grundlinie gewählt werden können und die ohne vorherige Angabe der Schnittmaße nicht möglich ist, meldet das System dann automatisch, wann der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht. Nach Auswahl der Einbandfarbe kann die Decke mit Beschriftung zur Kontrolle auf dem Bildschirm gezeigt werden. Der Auftrag, gegebenenfalls ergänzt durch spezifische Bindeanweisungen (Klebebindung, Fadenheftung, Behandlung von Titelblättern oder Beilagen usw.) sowie bibliotheksinterne Ordnungskriterien (Abteilungsbezeichnungen o.ä.), wird dann unter einer individuellen Nummer abgespeichert, unter der er später wieder aufgerufen werden kann. Hier ist auch der Einsatz von Strichcodes möglich.

Insgesamt wurden in der HdK-Bibliothek die Daten für knapp 500 Zeitschriftenbände eingegeben - wegen der verschiedenen Standorte der einzelnen Bibliotheksabteilungen jeweils vor Ort auf einem Laptop. Alle erfaßten Daten wurden schließlich zur Kontrolle ausgedruckt und von den jeweils bislang mit Buchbindeaufträgen befaßten Kolleginnen und Kollegen gegengelesen - hauptsächlich im Hinblick auf korrekte Beschriftungs- und Farbangaben, da diese Produktionsdaten vor der Deckenfertigung in der Regel wohl nicht mehr überprüft werden bzw. auch nicht überprüft werden können. Schnittmaße werden dagegen in der Buchbinderei routinemäßig kontrolliert, so daß keine halbierten Zeitschriften befürchtet werden müssen; natürlich kann es jedoch bei falschen Maßen passieren, daß der Rückenaufdruck in der vorgesehenen Form nicht mehr möglich ist (wenn etwa der Band schmaler wird, als gedacht). Die korrigierten Auftragsdaten wurden schließlich auf Disketten abgespeichert und diese den Zeitschriftenheften mitgegeben. (Das zum Programm LTITEL gehörige Datenbankmodul mit vielfältigen Recherchemöglichkeiten wurde in diesem Stadium noch nicht benutzt.)

Der Rücklauf zeigte, daß die Befürchtungen in der Bibliothek angesichts der neuen, für manche vielleicht etwas unheimlichen Technik grundlos gewesen waren. In den allermeisten Fällen sahen die Bände wie vorgesehen aus; auch die vielen verschiedenen Einbandfarben, die bei dem sonst oft üblichen Magazineinerlei schmunzelnd als typisch für eine Kunstbibliothek kommentiert wurden, aber durchaus auch praktische Gründe haben, waren kein Problem. Einige wenige falsche Beschriftungen ließen sich mit eigenen Fehlern bei der Datenkorrektur erklären, gelegentlich wurden die allerdings auch ziemlich spröden Ausdrucke der Produktionsdaten nicht ganz verstanden. Handwerkliche Mängel waren selten, kamen natürlich auch beim herkömmlichen Verfahren mitunter vor und wurden nach Reklamation beseitigt.

Bei der diesjährigen Zeitschriftenbindung war das Verfahren sehr viel einfacher und schneller, da auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen werden konnte. Die durch die Produktion überprüften und gegebenenfalls korrigierten, also fehlerfreien Auftragsdaten des letzten Jahres waren nach Rücklauf der Auftragsdisketten in die systemeigene Datenbank eingespielt worden und ließen sich nun nach verschiedenen Kriterien (Titel, Signatur etc.) suchen und aufrufen. Für schon einmal gebundene Zeitschriften reichte es dann meist, Bandzählung und Jahrgang für den Rückenaufdruck zu aktualisieren und den Datensatz für den neuen Bindeauftrag abzuspeichern. (Mit der Übertragung der so aktualisierten Datensätze in die Datenbank wird wieder bis zur Rückkehr der Auftragsdisketten aus der Buchbinderei gewartet, deren Angaben ja exakt den dann vorliegenden Bänden entsprechen. Allmählich entsteht so eine elektronische Bindekartei.)

Der bisherige Rücklauf hat die positiven Erfahrungen des Vorjahres bestätigt, so daß beschlossen wurde, nur noch in wenigen Einzelfällen Zeitschriften von Hand binden zu lassen. Geplant ist weiter ein Testlauf mit verschlissenen Monographien aus dem Ausleihbestand. Die so eingesparten Mittel stehen nicht nur für Neuerwerbungen zur Verfügung, sondern können auch dazu verwendet werden, Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an dem bedeutenden Altbestand der Bibliothek der HdK durchzufahren, die sonst vielleicht nicht möglich wären.


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