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Bibliotheksdienst Heft 6, 1996

Das Bibliothekswesen in Argentinien

Petra Arzbach

3. Der Bibliothekar in Argentinien

3.1. Bibliothekarische Aus- und Fortbildung in Argentinien

Bibliothekswissenschaft kann in Argentinien sowohl an staatlichen als auch an privaten Universitäten bzw. Fachhochschulen ("carrera terciaria no universitaria") studiert werden. Insgesamt gibt es dafür ca. 20 Ausbildungseinrichtungen im gesamten Land. Nach 2 Jahren Ausbildung schließt man als "Auxiliar de Bibliotecas", nach 4 Jahren entweder als "Bibliotecario" oder "Documentario" und nach 5 Jahren Studium sowie Anfertigung einer eigenständigen Forschungsarbeit als "Licienciado en Bibliotecología y Documentación" ab.

Man wird mit einer Vielzahl von Titeln, Abschlüssen und stark differierenden Studieninhalten im gesamten Land konfrontiert. Hier zeigt sich das Nichtvorhandensein einer nationalen Bibliotheksgesetzgebung besonders deutlich. Die Ausbildungseinrichtungen konkurrieren um jeden Bewerber, wobei das Fachgebiet Bibliothekswesen zumindest an der Universität von Buenos Aires zu den eher selten gewählten Bereichen gehört.

3.2. Das Berufsbild des Bibliothekars

Das Berufsbild des Bibliothekars ist in Argentinien einem allmählichen Wandel unterworfen: Erstmals wurde es 1962 auf der nationalen Versammlung der Bibliothekare öffentlich thematisiert. 7) Der Bibliothekar zeichnete sich demnach durch ein breit angelegtes kulturelles Interesse, der Liebe zum Buch sowie durch korrektes ethisches Verhalten aus. Diese Eigenschaften sollte er, unterstützt durch eine humanistische Ausbildung, auch den Benutzern vermitteln.

1993 fordert eine Forschergruppe des CAICYT für den Bibliothekar u.a. folgende Attribute: 8)

Er solle den Einsatz moderner Technologien in Bibliotheken voranbringen können, wozu neben Fachkenntnissen auch betriebswirtschaftliches Wissen erforderlich sei. Darüber hinaus solle er bibliothekarische Dienstleistungen vermarkten und die Bedeutung von Bibliotheken der Öffentlichkeit vermitteln können.

Den Status Quo des Berufsstandes hat Rodríguez Pereyra anhand von Umfragen in Argentinien und Uruguay geschildert.9) Unter den argentinischen Bibliothekaren habe sich demnach eine große "Müdigkeit" breitgemacht, sich mit der eigenen beruflichen Situation auseinanderzusetzen. So sei beispielsweise die Mitarbeit in Berufsorganisationen sehr gering, ebenso herrsche ein mangelndes Interesse der argentinischen Kollegen an Fort- und Weiterbildung. Eine mögliche Erklärung sieht er in der fehlenden öffentlichen Anerkennung des Berufs des Bibliothekars: Denn, obwohl jährlich um den 10. September der "Día del Bibliotecario" gefeiert wird, hat dieser Beruf noch keinen offiziellen Eintrag in das Berufsregister erfahren. Das Fehlen einer staatlichen Bibliothekspolitik, unzureichende finanzielle Entlohnung und fehlende Aufstiegsmöglichkeiten haben die argentinischen Bibliothekare in die Resignation getrieben, schreibt Rodríguez Pereyra.

Hinzu kämen noch strukturelle Mängel, wie beispielsweise die fehlende Koordination von Fortbildungsveranstaltungen und Weiterbildungskursen innerhalb von Buenos Aires sowie im gesamten Land, die ungeklärten Fragen der Finanzierung bzw. Bezuschussung solcher Tagungen, aber auch die nur singuläre Weitergabe von Tagungsergebnissen an die Kollegen. Hier macht sich sicherlich auch das Fehlen eines landesweiten bibliothekarischen Berichtswesens in einem Fachorgan bemerkbar.

Die "Asociación de Bibliotecarios Graduados de la República Argentina (ABGRA, Corrientes 1642, segundo cuerpo, 2 piso, oficina 21, 1010 Buenos Aires)" nimmt seit 1953 die landesweite Interessenvertretung der Bibliothekare wahr. Kontaktpflege zu ausländischen Vereinigungen sowie die Organisation des jährlich stattfindenden Bibliothekskongresses gehören daneben zu ihren Haupttätigkeiten. Seit 1986 wird die Mitgliederzeitschrift "Boletín informativo ABGRA" herausgegeben. Derzeit erarbeitet ABGRA ihr erstes Mitgliederverzeichnis.10)

Die Versammlungen der Bibliothekare finden in der Regel in Buenos Aires zeitgleich mit der jährlichen Buchmesse statt. Die in den letzten Jahren diskutierten Themenbereiche zeigen, daß auch in Argentinien ähnliche Fragen aufgeworfen werden wie bei uns: Arbeitsplatz Bibliothek und neue Technologien, Serviceverbesserung, Jugendliche und Leseverhalten. 11)

7) Primera Reunión Nacional de Bibliotecarios: Informe y conclusiones. - Buenos Aires, 1962

8) ?Cómo lograr un nuevo profesional de la información en un país en desarrollo?. - Buenos Aires: CAICYT 1994

9) Rodríguez Pereyra, Ricardo: Situación profesional del bibliotecario Rioplatense. - Buenos Aires, 1992

10) Interview mit der Secretaria von ABGRA , Frau Claudia Rodríguez: Danach existieren folgende bibliothekarische Vereinigungen im Land:

11) Reunión Nacional de Bibliotecarios. - Buenos Aires