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Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates
Wissenschaftspolitische SteIlungnahme zum Deutschen Bibliotheksinstitut (DBI), Berlin

(Drs. 3248/97, Köln, 14. 11. 1997)

Vorbemerkung

Der Wissenschaftsrat ist von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) im April l994 gebeten worden, alle Einrichtungen der Blauen Liste, beginnend mit dem 1. Januar 1995, innerhalb von fünf Jahren auf der Grundlage seiner Empfehlungen zur Neuordnung der Blauen Liste vom November 1993 zu bewerten.

Bei den Einrichtungen der Blauen Liste handelt es sich um selbständige Forschungseinrichtungen, Trägerorganisationen oder Service-Einrichtungen für die Forschung von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse, die auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die gemeinsame Förderung der Forschung nach Artikel 91b des Grundgesetzes vom 28. November 1975 (Rahmenvereinbarung Forschungsförderung) gefördert werden.

Seit 1978 gehört das Deutsche Bibliotheksinstitut (DBI), Berlin, zu den Serviceeinrichtungen der Blauen Liste. Der Wissenschaftsrat hat in der Vergangenheit bereits einmal - im Jahre 1989 - zum DBI Stellung genommen und empfohlen, die gemeinsame Bund-Länder-Förderung weiterzuführen.1)

In seiner Sitzung am 19. Januar 1996 hat der Wissenschaftsrat beschlossen, das Bewertungsverfahren zum DBI in der zweiten Jahreshälfte 1996 durchzuführen und eine entsprechende Arbeitsgruppe eingesetzt. In dieser Bewertungsgruppe haben auch Sachverständige mitgewirkt, die nicht Mitglieder des Wissenschaftsrates sind. Ihnen ist der Wissenschaftsrat zu besonderem Dank verpflichtet. Die Arbeitsgruppe hat am 28./29. Oktober 1996 das DBI besucht und am 19. Dezember 1996 und 28. April 1997 den vorliegenden Bewertungsbericht vorbereitet.

Der Ausschuß Blaue Liste hat auf der Grundlage dieses Bewertungsberichts am 16. September 1997 die Wissenschaftspolitische Stellungnahme erarbeitet.

Der Wissenschaftsrat hat die Stellungnahme am 14. November 1997 verabschiedet.

A. Kenngrößen des Instituts

Das DBI ist als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin organisiert. Organe des Instituts sind das Kuratorium, der Direktor und der Fachbeirat. Zuwendungsgeber sind der Bund (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, BMBF) und die Länder. Sitzland ist das Land Berlin (Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung).

Im Grundhaushalt (institutionelle Förderung) standen im Jahr 1996 14,4 Millionen DM zur Verfügung. Hinzu kommen 2,6 Millionen DM an Eigeneinnahmen des Instituts. Das DBI verfügt insgesamt über 140 grundfinanzierte Stellen, davon 36,5 Stellen für Wissenschaftler und 103,5 Stellen für nichtwissenschaftliches Personal. Eine Wissenschaftlerstelle ist befristet besetzt.

Von 1993 bis 1995 hat das DBI insgesamt 11,8 Millionen DM an Drittmitteln eingeworben, wobei die Tendenz in diesen Zeitraum fallend war. Die Drittmittel stammen in erster Linie vom BMBF, ferner vom Land Berlin und anderen Ländern sowie der DFG.

In den Jahren 1993 bis 1995 war das DBI Gastgeber von 23 internationalen und fünf nationalen wissenschaftlichen Veranstaltungen.

Die Leitung des DBI wird von dem Direktor wahrgenommen, der an die Beschlüsse des Kuratoriums gebunden ist. Das DBI verfügt über einen 15köpfigen Fachheirat, der mindestens einmal jährlich tagt.

B. Auftrag

Das Institut hat laut Gesetz über das DBI (§ 2) und Satzung (§ 3) die Aufgabe der Erforschung, Entwicklung und Vermittlung bibliothekarischer Methoden und Techniken mit dem Ziel der Analyse, Entwicklung, Normierung und Einführung bibliothekarischer Systeme und Verfahren. Es soll diese Aufgaben in engem Zusammenwirken mit bibliothekarischen und dem Bibliothekswesen verwandten Einrichtungen erfüllen.

C. Serviceleistungen

Die gemäß Gesetz und Satzung vom DBI zu erbringenden Leistungen der Erforschung, Entwicklung und Vermittlung bibliothekarischer Methoden und Techniken bilden die Grundlage für die Bewertung durch den Wissenschaftsrat. Bereits in seiner Stellungnahme aus dem Jahre 1989 hat der Wissenschaftsrat festgestellt, daß sich Entwicklungsaufgaben und Dienstleistungen gegenseitig bedingen und Routineaufgaben dabei kaum auftreten, da insbesondere im Bereich der Datenverarbeitung auch Dienstleistungen ständig weiterzuentwickeln und anzupassen sind.2) Diese Serviceleistungen sind auch weiterhin unerläßlich.

Das Aufgabenspektrum des DBI umfaßt Beratungsdienstleistungen für das gesamte wissenschaftliche und öffentliche Bibliothekswesen, die Koordinierung von übergreifenden bibliothekarischen Aktivitäten, die Bereitstellung von Informationsdatenbanken und Katalogen, bibliotheksbezogene Entwicklungsleistungen, z. B. auf dem Gebiet der Retrokonversion, die Organisation von Meinungsbildungsprozessen im Bibliothekswesen sowie der Öffentlichkeitsarbeit. Im Rahmen des deutschen Einigungsprozesses hat das DBI durch seine Beratungsaktivitäten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau funktionsfähiger Bibliotheksstrukturen in den neuen Bundesländern geleistet. Für diese Aufgabe hat das DBI zusätzliche Stellen erhalten.

Als insgesamt gut zu bewerten sind die Beratungsleistungen des DBI im Bereich des öffentlichen Bibliothekswesens. Im Hinblick auf seine Kernaufgaben wurde das DBI in der Vergangenheit seinem satzungsgemäßen Auftrag der Erforschung, Entwicklung und Vermittlung bibliothekarischer Methoden und Techniken aber nicht in ausreichendem Maße gerecht; dies gilt vor allem bezüglich der Serviceleistungen für die wissenschaftlichen Bibliotheken. Hinsichtlich der neueren Entwicklungen auf dem Sektor der Kommunikations- und Informationsmedien nimmt das DBI seine innovatorische Rolle ebenfalls unzulänglich wahr.

D. Organisation, Struktur und Ausstattung

In Relation zum Kuratorium und Fachbeirat ist die satzungsgemäße Position des Direktors des DBI zu schwach. Die Einrichtung von Fachkommissionen zur Herstellung des Praxisbezuges und zur Ausschöpfung vorhandener Kompetenzen in den jeweiligen Fachgebieten hat sich bewährt. Die Kommissionen, die keine Organe des DBI sind, entbinden es aber nicht von der Erbringung institutseigener Leistungen. Unbefriedigend ist die mangelnde Einbindung der Kommissionen in die Programmplanung des DBI.

Die personelle Ausstattung des DBI ist überwiegend großzügig bemessen, der relativ geringe Anteil an Stellen für Wissenschaftler im Verhältnis zu den Stellen für nichtwissenschaftliches Personal ist jedoch angesichts des Aufgabenspektrums des DBI nicht adäquat. In einem unausgewogenen Verhältnis zueinander stehen unbefristete und befristete Beschäftigungsverhältnisse. Die DV-Ausstattung im Arbeitsplatzbereich ist weder quantitativ noch qualitativ ausreichend. Auch im Netzwerkbereich behindert die unzureichende Ausstattung die Arbeit des Instituts.

Mit Blick auf die Arbeitsweise des DBI gilt generell, daß das Institut zu wenig abteilungsübergreifend und projektbezogen arbeitet. Hinsichtlich seiner Prioritätensetzung konzentriert sich das DBI nicht in ausreichendem Maße auf die aus gesamtstaatlicher Sicht bedeutsamen Initiativen für das deutsche Bibliothekswesen.

Die Kooperationsbeziehungen, die das DBI zu den mittel- und osteuropäischen Staaten aufgebaut hat, sind vielfältig und intensiv. Eine Zusammenarbeit mit denjenigen Institutionen in Westeuropa und den USA, die sich durch Innovationen im Bibliotheksbereich auszeichnen, findet dagegen kaum statt.

E. Stellungnahme und Förderempfehlung

Das DBI wird dem Anspruch an eine überregional tätige Serviceeinrichtung für das Bibliothekswesen, Beratungs- und Dienstleistungen gesamtstaatlich und spartenübergreifend zu erbringen sowie innovative Konzepte anzuregen, zu entwickeln und zu realisieren, nicht in ausreichendem Maße gerecht. Der Wissenschaftsrat hatte bereits in seiner Stellungnahme aus dem Jahre 1989 zentrale konzeptionelle, personelle und infrastrukturelle Veränderungen angemahnt. Während die organisatorische Zusammenführung der Abteilungen des Instituts eingeleitet wurde, blieben die Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Publikationen und zu der Einbindung der Fachkommissionen weitgehend unberücksichtigt. Ebensowenig ist erkennbar, daß die Empfehlungen zur personellen Flexibilisierung und zur notwendigen Weiterentwicklung der EDV-technischen Infrastruktur aufgegriffen wurden.

Angesichts der bisherigen Entwicklung ist nicht zu erwarten, daß das DBI die dringend erforderlichen Initiativen ergreifen wird, neue bibliothekarische Methoden, Techniken und Systeme zu entwickeln und den Bibliotheken zur Verfügung zu stellen.

Die weitere Förderung des DBI als Serviceeinrichtung für die Forschung mit überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse wird nicht empfohlen.

Der Wissenschaftsrat ist der Auffassung, daß in einem föderal strukturierten Staat wie der Bundesrepublik Deutschland mit einem stark ausdifferenzierten Bibliothekswesen Serviceleistungen, die sich an den länderübergreifenden Interessen der deutschen Bibliotheken und damit auch an den Bedürfnissen des Gesamtsystems der überregionalen Literatur- und Informationsversorgung ausrichten, unerläßlich sind. Er empfiehlt daher Bund und Ländern, unverzichtbare Dienstleistungen wie z. B. die Zeitschriftendatenbank mit den Dokumentlieferdiensten DBI-Link und Subito in anderer Trägerschaft fortzuführen. Die Bedeutung der Fachkommission und die Koordinierung der internationalen Kooperation kann und soll von anderer Stelle aus erfolgen.

Angesichts der rasch fortschreitenden technischen Entwicklung im Bereich der Information und Dokumentation empfiehlt der Wissenschaftsrat, die Chance zu einer organisatorischen Erneuerung der überregionalen Koordinierung und Entwicklung des Bibliothekswesens zu nutzen.

1) Wissenschaftsrat: Stellungnahme zum Deutschen Bibliotheksinstitut (DBI) in Berlin, in: Wissenschaftsrat: Stellungnahmen zu Einrichtungen der Information und Dokumentation, Köln 1990, S. 9-41.

2) Wissenschaftsrat: Stellungnahme zum Deutschen Bibliotheksinstitut (DBI) vom Januar 1989, in: Wissenschaftsrat: Stellungnahmen zu Einrichtungen der Information und Dokumentation, Köln 1990, S. 27-28.


Stand:26.11.97
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