Publikationen

Harald Müller
Internet - neueste Rechtsentwicklungen

Das Internet ist längst zu einem festen Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. Alle Bereiche des täglichen Lebens finden darin ihre Resonanz. Selbst die der Computertechnologie noch etwas distanziert gegenüber stehenden Teile der Bevölkerung beschäftigen sich mit dem Internet, wie man den verschiedenen Werbeslogans entnehmen kann: Schulen ins Internet! Kinderseiten im Internet! VHS-Kurs Internet für Senioren. In großen Öffentlichen Bibliotheken gehört ein allgemein zugänglicher Internet-Anschluß zum üblichen Standardangebot. Sogar viele kleine Bibliotheken bieten heutzutage ihren Benutzern einen öffentlichen Internet-Zugang an. Die Vision vom freien Informationszugang für breite Schichten der Bevölkerung scheint über das Medium Internet Realität geworden zu sein.

Gleichzeitig entwickelt sich die Technologie des Internet beständig weiter. Die Rechner, die Software und die Datennetze werden beständig schneller und leistungsfähiger. Andauernd denken sich findige Tüftler neue Dienste und pfiffige Techniken aus. Zur gleichen Zeit wachsen aber auch die Gefahren für das Internet. Längst schon haben sich kriminelle Elemente die weltweiten Datennetze für ihre illegalen Machenschaften nutzbar gemacht. Aber auch der normale Bürger sieht - vielleicht mit etwas erstaunten Augen -, daß das Internet keineswegs der rechtsfreie Raum ist, für das es zunächst von vielen in anfänglicher Naivität gehalten wurde. Natürlich können Gesetzgebung und Rechtsprechung einer gesellschaftlichen Entwicklung stets nur mit einer gewissen Verzögerung nachfolgen. Dennoch wird es vielleicht manche Bibliothekarin, manchen Bibliothekar erstaunen, welche Antworten die Rechtsentwicklung in Deutschland bereits jetzt auf neueste Entwicklungen im Internet bereit hält. Die folgenden Abschnitte berichten über die aktuelle Rechtslage in den Bereichen Beschimpfung, Musik und Zeitschriften, eine sicherlich höchst buntgemischte Zusammenstellung.

1. Strafrechtliche Haftung wegen Beleidigung

Durch das am 13. Juni 1997 verkündete Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG)1) traten zum 1. August 1997 wichtige Änderungen im Strafgesetzbuch (StGB) und Ordnungswidrigkeiten-Gesetz (OWiG) in Kraft. Der Gesetzgeber hat durch Ergänzung und Neuformulierung dieser Gesetze dafür gesorgt, daß die für Computer und speziell für Datennetze wie das Internet typische Art der Bildschirmdarstellung von Schrift, Bild und Ton dem im Gesetz bisher gebräuchlichen Begriff "Schriften" gleichgestellt wird. Die Strafverfolgungsbehörden haben es dadurch wesentlich einfacher, ein Strafverfahren z.B. wegen sogenannter "Äußerungsdelikte" einzuleiten, wenn die Tat im Internet begangen wird.

Aus der Tatsache der uneingeschränkten Erstreckung des Strafgesetzbuchs auf Handlungen im Internet ergeben sich allerdings einige Konsequenzen, die manche Surfer des Cyberspace immer noch nicht wahrhaben möchten. Als vor etwa 10 Jahren die Idee des Internet begann, Gestalt anzunehmen, träumten die damaligen Pioniere von einem weltumspannenden Informations- und Kommunikationssystem, das alle technischen und natürlichen Grenzen überwinden würde. Einige gaben sich sogar der Illusion hin, die totale Freiheit der Datennetze schließe die Anwendung mancher, als lästig und irgendwie hinderlich angesehenen Gesetze einfach aus. Die juristische Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt heutzutage wegen des Verdachts einer Straftat genauso im Internet wie sonstwo. Und wer gar glaubt, in den Diskussionsgruppen des Internet würden die allgemeinen Regeln über strafbare Beleidigung (§ 185 StGB) nicht gelten, muß sich eines besseren belehren lassen. Bereits 1996 erkannte das Amtsgericht Rheinbach auf strafbare Beleidigung, als ein Teilnehmer eines Diskussionsforums eine andere Mitwirkende als "Schlampe" bezeichnete.2) In den USA gilt nichts anderes. So war jüngst im Internet zu lesen, daß die Bezeichnung "liar" ( = Lügner) in einer Internet-Diskussion mit einer Strafe von $ 5.000,- geahndet wird.3) Selbst ein Link auf eine Webseite mit beleidigenden Inhalten kann für den Verantwortlichen schmerzhaft teure Konsequenzen nach sich ziehen, wie der im Sommer 1998 entschiedene Fall Steinhöfel gegen Best zeigt.4)

Wenn Bibliotheken öffentlich zugängliche Internet-Arbeitsplätze anbieten, sollten sie stets die potentiellen strafrechtlichen Konsequenzen im Auge behalten. Bietet eine Bibliothek ihren Benutzern die Möglichkeit, vom PC innerhalb der Bibliothek E-Mails zu verschicken, so sollte darauf geachtet werden, daß der Benutzer stets eindeutig zu identifizieren ist. Dies kann etwa dadurch geschehen, daß jeder Benutzer eine eigene E-Mail Adresse bekommt. Die Bibliothek sollte auf jeden Fall verhindern, daß Benutzer E-Mails unter dem Absender der Bibliothek versenden. Wenn nämlich eine E-Mail Beleidigungen zum Inhalt hat, muß stets mit einem Strafverfahren gegen den Absender gerechnet werden, wie obige Beispiele eindrucksvoll belegen. So kann sich z.B. aus dem Zusammenhang ergeben, daß bereits die Bezeichnung "Schmalspurbibliothekar/in" als rechtswidriger Angriff auf die Ehre des solchermaßen Betitelten durch vorsätzliche Kundgebung der Herabwürdigung empfunden wird. Bei Strafanzeige des Betroffenen erfolgt eine Verurteilung. Eine Bibliothek kann zwar faktisch nicht verhindern, daß Benutzer eines öffentlichen Internet-PC beleidigende Äußerungen ins Internet versenden. Sie sollte aber auf jeden Fall dafür sorgen, daß der mögliche Täter eindeutig identifiziert werden kann. Wenn dies nicht möglich sein sollte, weil etwa der technische oder Verwaltungsaufwand zu hoch wäre, empfiehlt sich, die Mail-Funktion der Browser-Software zu deaktivieren.

Teilweise betreuen Bibliothekare als sogenannte Listowner (Listen-Eigentümer) Internet-Diskussionslisten. Seit August 1997 müssen solche Personen den § 5 Abs. 4. Teledienstegesetz (TDG) beachten.5) Wenn ein Listowner Kenntnis davon erhält, daß Diskussionsteilnehmer andere Listenmitglieder mit beleidigenden Äußerungen bedenken, so ergibt sich aus dieser Vorschrift eine Pflicht des Listowners, dagegen vorzugehen. Unterläßt er jegliche Maßnahme, um zukünftige Beleidigungen zu verhindern, besteht für den Beleidigten durchaus die Möglichkeit, gegen ihn über § 185 StGB i.V. mit § 5 Abs. 2 TDG strafrechtlich vorzugehen.

2. Musik im Internet

a) Webradio

Im Internet stößt der Web-Surfer nicht nur auf Texte und Bilder, sondern auch auf vielfältige Multimedia-Angebote. Seit einiger Zeit kann man im Internet sogar Radioprogramme empfangen. Der Sender "Radio Regenbogen" in Mannheim behauptet, als erster deutscher Radiosender im Frühjahr 1997 mit Webradio begonnen zu haben.6) Seit Sommer 1998 verbreiten bereits eine ganze Anzahl deutscher Radiosender ihre regulären Programme zusätzlich auch im Internet.7) Um diese Radio-Programme empfangen zu können, benötigt man lediglich einen PC mit Soundkarte und Lautsprecher, sowie eine spezielle Software.8) Öffentliche Bibliotheken haben in der Vergangenheit ihren Benutzern zum Teil im Rahmen einer Mediothek das Anhören von Rundfunkprogrammen an Einzelabhörplätzen ermöglicht. Warum also nicht auch Internetradio? Technische Probleme ergeben sich dabei jedenfalls nicht.

Aus juristischer Sicht stellt sich allerdings die Frage, ob für den Empfang von Webradio eine Rundfunkgebühr zu bezahlen ist. Seit 1991 bildet der Rundfunkstaatsvertrag9) die rechtliche Grundlage für das duale Rundfunksystem der Bundesrepublik. Art. 4 dieses Staatsvertrages enthält den Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV). Der Pflicht zur Zahlung von Rundfunkgebühren liegt eine technische Sichtweise zugrunde. Demnach gilt gemäß § 1 Abs. 1 RGebStV jede technische Einrichtung, die zum Empfang von Rundfunksendungen geeignet ist, als Rundfunkempfänger. Wer ein solches Gerät betreibt, gilt als Teilnehmer und hat hierfür eine Gebühr zu bezahlen (§§ 2 Abs. 2, 4 RGebStV). Es spielt keine Rolle, ob ein Teilnehmer Rundfunkprogramme auch tatsächlich konsumiert. Allein entscheidend für die Entstehung einer Gebührenpflicht ist die Tatsache des Bereithaltens eines zum Rundfunkempfang geeigneten Geräts. Deshalb besteht unter Juristen auch kein Zweifel, daß ein PC mit Internet-Anschluß, Soundkarte und spezieller Software als Rundfunkempfangsgerät im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrages anzusehen ist. Obwohl die Zahl der über Internet zu empfangenden Radiosender im Sommer 1998 - verglichen mit der Masse der über Antenne oder Kabel ausgestrahlten Sender - noch gering ist, ändert dies nichts an der gesetzlich begründeten Rundfunkgebührenpflicht für Internet-PC. Bedeutet diese rechtlich eindeutige Feststellung nun, daß eine Bibliothek für ihren Internet-Arbeitsplatz auch noch eine Rundfunkgebühr bezahlen muß, selbst wenn dort kein Benutzer jemals Rundfunkprogramme anhört?

Die Frage kann glücklicherweise derzeit noch verneint werden. Als im Frühjahr 1997 die ersten deutschen Webradios auf Sendung gingen, dauerte es gar nicht lange, bis sich die Juristen der Rundfunkanstalten und der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) öffentlich zu Wort meldeten. Unter Bezug auf den insoweit eindeutigen Wortlaut des Rundfunkgebührenstaatsvertrages forderten sie eine Gebührenzahlung für am Internet angeschlossene PC. In der anschließenden, öffentlich ausgetragenen politischen Diskussion über die Gebührenproblematik behielt aber am Schluß eine andere Gruppe, nämlich die Befürworter von Multimediatechnologie, die Oberhand. Sie argumentierten mit zu befürchtenden erheblichen Behinderungen für weitere technische Innovation, wenn bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine Rundfunkgebührenpflicht für Internet-PC durchgesetzt würde. Deshalb einigten sich die Ministerpräsidenten der Länder "in Übereinstimmung mit ARD und ZDF" im August 1997 darauf, bis Ende des Jahres 2000 ( = Ende der Laufzeit des derzeitigen Rundfunkgebührenstaatsvertrages) keine Rundfunkgebühr für PC mit Internet-Anschluß zu erheben.10) Für Bibliotheken besteht also derzeit kein Anlaß, sich über mögliche Rundfunkgebühren für Webradio Sorgen zu machen. Vielmehr sollten sie ihren Nutzern die Möglichkeit einräumen, auch das neueste Serviceangebot des Internet, das Netradio ausprobieren zu können.

b) Zahlungen an die GEMA

Der experimentierfreudige Nutzer wird auch nicht lange brauchen, um festzustellen, daß ein Internet-Browser mit der Zusatzsoftware Real-Player noch eine weitere, für den Musikfreund höchst erfreuliche Möglichkeit eröffnet. Immer mehr Anbieter von Webseiten, vorzugsweise Hersteller von Musik-CD, bieten auf ihren Web-Seiten den direkten Zugriff auf Musikdateien.11) Man kann sich die Stücke direkt anhören oder auf Datenträger abspeichern.

Die Tatsache, daß an einem Multimedia-Arbeitsplatz in einer Bibliothek auch Musikdateien von CD-ROM wiedergegeben werden können, hat die GEMA zum Anlaß genommen, hierfür eine Vergütung zu fordern. Eine GEMA-Bezirksdirektion hatte sich unlängst an eine große deutsche Bibliothek gewandt und verlangt, für jeden Multimedia-PC sei wegen einer "Wiedergabe im Sinne (i.S.) von § 15 UrhG" eine Zahlung zu leisten.12) Mit der gleichen Begründung könnten natürlich auch Zahlungen für das Anhören von Musikdateien im Internet gefordert werden.

Die GEMA muß sich jedoch entgegenhalten lassen, daß ihre Forderung weder eine gesetzliche Grundlage hat, noch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung festgestellt wurde. Bei der Wiedergabe von Musikdateien aus dem Internet oder von CD-ROM am Multimedia-Arbeitsplatz einer Bibliothek findet nämlich keine öffentliche Wiedergabe von Musik i. S. des § 15 UrhG statt. Gemäß § 15 Abs.3 UrhG muß eine Wiedergabe "für eine Mehrzahl von Personen bestimmt" sein, um als "öffentlich" zu gelten. In der Rechtsprechung deutscher Gerichte besteht jedoch Einigkeit darüber, daß Einzelarbeitsplätze in Bibliotheken nicht dem Öffentlichkeitsbegriff des § 15 UrhG unterfallen. Dies gilt für Abhörplätze für AV-Medien genauso wie für Internet-PC. Solange der deutsche Gesetzgeber die Definition in § 15 UrhG nicht ändert, oder etwa der BGH eine Neuinterpretation des urheberrechtlichen Öffentlichkeitsbegriffs vornimmt, solange müssen Forderungen der GEMA nach Vergütungen als abwegig und vollständig ohne rechtliche Grundlage bezeichnet werden. Bibliotheken brauchen derzeit nicht befürchten, womöglich erhebliche Zahlungen an die GEMA leisten zu müssen, wenn der Nutzer die technische Möglichkeit hat, von ihren Internet-PC aus Musik im Internet anzuhören.

3. Elektronische Zeitschriften (E-Journals) und Urheberrecht

Zu Beginn des Jahres 1998 sind im Urheberrechtsgesetz Regelungen zum Schutz von Datenbanken in Kraft getreten. Der deutsche Gesetzgeber hat damit die Datenbank-Richtlinie der EG13) in deutsches Recht umgesetzt. Die neuen Bestimmungen sind ziemlich umständlich formuliert, so daß sie sogar für durchschnittliche Juristen nicht ohne weiteres zu verstehen sind. Erst eine sorgfältige Lektüre des neuen Gesetzestextes macht deutlich, wie der Schutz von Datenbanken im Urheberrechtsgesetz geregelt ist.14) Zunächst einmal unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Varianten des Schutzgegenstandes, die auch unterschiedlich bezeichnet werden:

Die Gegenüberstellung von zwei Typen von Datensammlungen im Urheberrechtsgesetz bedeutet aber nicht, daß z.B. auf einer CD-ROM entweder nur ein Datenbankwerk nach § 4 Abs. 2 UrhG oder nur eine Datenbank nach § 87 a Abs. 1 UrhG enthalten sein kann. Vielmehr dürfte es die Regel sein, daß ein Datenbankwerk sowohl eine originäre Schöpfung darstellt, als auch eine wesentliche Investition erfordert. Im Gegensatz dazu kann in einer Datenbank der umgekehrte Fall, d.h. eine Investitions-, jedoch keine Geistesleistung enthalten sein. Aus dieser Erkenntnis heraus muß der Schluß gezogen werden, daß für Datenbankwerke gemäß § 4 Abs. 2 UrhG im allgemeinen auch die Vorschriften der §§ 87 a UrhG ff. zur Anwendung kommen.15)

Im Internet findet der Netsurfer eine Unzahl von Datenbanken im Sinne des Urheberrechts. Bibliothekskataloge, Fahrpläne und Telephonverzeichnisse stellen typische Beispiele für Datenbanken dar. Sie unterfallen auf jeden Fall der Definition des § 87 a Abs. 1 UrhG, da ihre Zusammenstellung eine wesentliche Investition erfordert. Die Auswahl der in ihnen enthaltenen Einzeldaten erfolgt willkürlich, ohne ein intellektuelles Grundmuster. Es werden schlichtweg alle verfügbaren Daten erfaßt, gespeichert und wiedergegeben. Deshalb wird man einen Bibliotheks-OPAC in seiner Gesamtheit nicht als persönliche geistige Schöpfung ansehen können.

Hingegen sieht die Situation bei den elektronischen Zeitschriften (E-Journals) ganz anders aus. Wie bei einer Zeitschrift in gedruckter Form auch handelt es sich bei den einzelnen Beiträgen (Artikeln) durchweg um persönliche geistige Schöpfungen. Die Zusammenstellung einer Zeitschrift erfordert die konstruktive Bewertung, Gliederung und Bearbeitung durch einen oder mehrere Redakteure. Jede Zeitschrift erfüllt somit die Voraussetzungen für die Qualifikation als ein urheberrechtliches Sammelwerk gemäß § 4 Abs. 1 UrhG. Ein E-Journal, dessen Beiträge einzeln zugänglich sind, muß demnach als Datenbankwerk im Sinne von § 4 Abs. 2 UrhG angesehen werden. Somit kommt für E-Journals im Internet der seit Anfang 1998 geltende urheberrechtliche Rechtsschutz für Datenbanken in seiner Gesamtheit zur Anwendung.

Aus dem Bereich des Urheberrechts sind für Bibliotheken und ihre Nutzer stets zwei Sachverhalte von herausragender Bedeutung, nämlich die verschiedenen Vergütungsregelungen und die Kopiermöglichkeiten. Wie sieht es insoweit bei den E-Journals aus?

a) Vergütungsregelungen für E-Journals

Für die klassischen Printmedien hält das Urheberrechtsgesetz folgende Vergütungsregelungen bereit:

Die neue gesetzliche Regelung für Datenbanken setzt für die ausschließlich im Internet angebotenen E-Journals einige dieser Vergütungen außer Kraft:

b) Kopiermöglichkeiten für E-Journals

Der seit Anfang 1998 geltende urheberrechtliche Rechtsschutz für Datenbanken hat auch die Erlaubnistatbestände für das Kopieren aus und von Datenbanken bzw. Datenbankwerken neu gefaßt. Leider muß die sprachliche Fassung der neuen Vorschriften als verunglückt bezeichnet werden. Sie ist derart komplex angelegt, daß selbst Urheberrechtsexperten die Kopiermöglichkeiten völlig unterschiedlich darstellen. Erst eine außergewöhnlich sorgfältige Lektüre des Gesetzes offenbart folgende Einzelheiten:

An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, daß ein E-Journal zumeist aus einzelnen Beiträgen und Artikeln besteht. Solche "Zeitschriftenbeiträge" stellen urheberrechtlich gesehen persönliche geistige Schöpfungen dar, genießen also einen eigenen Urheberrechtsschutz. Es handelt sich bei ihnen jedoch nicht um Datenbankwerke, sondern um einfache Werke im Sinne des Gesetzes (§ 2 Abs. 1 UrhG). Das bedeutet aber, daß für das Anfertigen von Kopien solcher Zeitschriftenbeiträge der § 53 UrhG vollständig zur Anwendung kommt. Jeder Benutzer darf sich einen Artikel aus einem E-Journal komplett ausdrucken bzw. abspeichern, da ihm z. B. § 53 Abs. 1 UrhG (privater Gebrauch) dies ausdrücklich gestattet.

Der "sui generis" Rechtsschutz für Datenbanken gemäß § 87 a UrhG wird ergänzt durch weitere Bestimmungen für das Anfertigen von Kopien.

Was bedeutet dies alles für das Kopieren aus E-Journals im Internet? Faßt man die bisherigen Erkenntnisse zusammen, so spielt die Frage, ob es sich bei einem E-Journal um ein Datenbankwerk gemäß § 4 Abs. 2 UrhG oder um eine Datenbank nach § 87 a Abs. 1 UrhG handelt, nur eine minimale Rolle. Lediglich bei einer vollständigen Kopie eines Datenbankwerks muß beachtet werden, daß sie nur zu wissenschaftlichen Zwecken erfolgen darf. Ansonsten kann man davon ausgehen, daß ein E-Journal auf jeden Fall Rechtsschutz gemäß § 87 a Abs. 1 UrhG genießt. Somit kommen die §§ 87 c, 87 e UrhG zur Anwendung. Beim Kopieren stellt sich deshalb stets die Frage, ob ein wesentlicher oder ein unwesentlicher Teil des E-Journals vervielfältigt werden soll. Das Gesetz schweigt hierzu. Gabriele Beger schlägt vor, einen unwesentlichen Teil dann anzunehmen, "wenn dieser nicht geeignet ist, die Systematik, den Aufbau oder die Auswahl der Datenbank abzubilden".17) Dieser Definition kann nur uneingeschränkt zugestimmt werden. Für E-Journals bedeutet das, der Benutzer kann sich ohne Einschränkungen Teile davon abspeichern bzw. ausdrucken. Erst wenn diese Teile Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des E-Journals erkennen lassen, liegt ein Kopieren wesentlicher Teile im Sinne von § 87 c UrhG vor. Im diesem Fall ist das Kopieren nur noch unter den beschriebenen Voraussetzungen statthaft. Ingesamt ist aber das Kopieren von Teilen aus E-Journals weder gesetzlich verboten, noch darf es vertraglich untersagt werden. Für die bibliothekarische Praxis ist im Vergleich zu gedruckten Zeitschriften eigentlich kein gravierender Unterschied erkennbar. Der Benutzer darf sich im Ergebnis aus gedruckten Zeitschriften und aus E-Journals die gleiche Art und Menge an Kopien anfertigen.

1) Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz vom 13. Juni 1997, in: BGBl I 1997, S. 1870.

2) http://www.netlaw.de/urteile/agrb_1htm.

3) During a typically passionate discussion on the Net, Stacy McCahan called someone a liar--and to her surprise, she was slapped with a $5,000 libel lawsuit. Legal experts say the case is not the first lawsuit to address online libel, and it won't be the last. But it does cement a growing realization by Net users who are accustomed to shooting from the hip: what they say in chat rooms, email, or on Web sites is not exempt from the laws of the offline world. (www.news.com/News/Item/Textonly/0,25,20058,00.html?pfv)

4) vgl. Link-Haftung. // In: Internet Intern, Ausgabe 11/98 (28.05.98), http://www.intern.de/98/11/01.shtml.

5) (§ 5 Abs. 4 TDG) Verpflichtungen zur Sperrung der Nutzung rechtswidriger Inhalte nach den allgemeinen Gesetzen bleiben unberührt, wenn der Diensteanbieter unter Wahrung des Fernmeldegeheimnisses gemäß § 85 des Telekommunikationsgesetzes von diesen Inhalten Kenntnis erlangt und eine Sperrung technisch möglich und zumutbar ist.

6) http:// www.radio-regenbogen.de/real/index.htm.

7) z.B. SWF3, Bayern5, WDR4, Das Ding, Radio Regenbogen.

8) z.B. Realplayer, kostenlos erhältlich bei http://www.real.com.

9) Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31.8.1991. // In: SaBl. 1991 Nr. 46 S. 2628.

10) vgl. Die dpa-Meldung "Keine Rundfunkgebühr" http:// schwabach.net/aktuelles/970806a.html.

11) Sounddateien mit digitalisierten Musikdaten sind an ihren Endungen erkenntlich, z.B. wav, au, mpe, rp.

12) vgl. Harald Müller: GEMA-Abgabe für Multimedia-Arbeitsplätze. // In: Bibliotheksdienst 32 (1998) S. 945.

13) Richtlinie 96/6/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken vom 11. März 1996. //In: Amtsblatt der EG 1996 Nr. L 77, S. 20.

14) Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die wichtigen Erläuterungen von Gabriele Beger: Kopieren aus Datenbanken. // In: Bibliotheksdienst 32 (1998) S. 942-944.

15) Genauso auch Gabriele Beger, wie FN 8, S. 943.

16) Der WIPO Urheberrechtsvertrag vom Dezember 1996 und der Entwurf der EG-Richtlinie vom Dezember 1997 wollen diese Gesetzeslücke durch das (neue) Recht des Zugänglichmachens von Werken ausfüllen.

17) wie FN 8.


Stand: 29.1.99
Seitenanfang