Beratung Hierarchiestufe hoeher
Vierwöchiger Fach- und Studienaufenthalt in Grossbritannien


Die Cambridge Central Library

Vom 30. August bis 24. September 1999 hatte ich im Rahmen eines Fachaufenthaltes die Gelegenheit, die größte öffentliche Bibliothek in Cambridgeshire, die Cambridge Central Library, kennenzulernen.

1. Vorplanungen:
Mein Arbeitsschwerpunkt in der Stadtbücherei Heidelberg liegt im Auskunftsdienst. Die Organisation in Heidelberg ist von daher ungewöhnlich, als zwei Bibliothekarinnen für den Nachschlagebestand und spezielle Anfragen verantwortlich sind, also unabhängig von anderen Lektoren der Sachgebiete ein eigenes Lektorat betreiben. Dies geht inhaltlich über sämtliche Buchsachgruppen zu CD-ROMs und einer großen Linksammlung auf der Homepage der Bücherei im Internet sowie selbsterstellten Sammlungen von Zeitungsausschnitten, Geschäftsberichten etc.
Folglich suchte ich nach einer öffentlichen Bibliothek in England, die einen Schwerpunkt im Auskunftsbereich hat und neue Informationstechnologien einsetzt. Dabei stieß ich auf die Cambridge Central Library, die zudem die Bibliothek der Partnerstadt Heidelbergs ist. Die Bevölkerungsstruktur von Cambridge als Wissenschaftsstadt ist der von Heidelberg sehr ähnlich, das schlägt sich auch auf Bestand und Auskunftstätigkeit der Stadtbücherei nieder.

Ich bewarb mich direkt in Cambridge und hatte nach der positiven Antwort der Bibliothek das große Glück, auch von der Bibliothekarischen Auslandsstelle eine Zusage zu bekommen.
In meiner Bewerbung hatte ich mein Interesse für die Reference Library bekundet, um sowohl am Auskunftsplatz mitzuarbeiten und zu sehen, wie mit Anfragen umgegangen wird, als auch die Internas kennenzulernen, wie Aufbau des Präsenzbestandes, Zusammenstellungen von CD-ROMs auf dem Server, Angebote im Internet, Datenbanken für Benutzer etc.

2. Bibliotheksgebäude und Bibliotheksgeschichte:
Wie viele öffentlichen Bibliotheken in Großbritannien befindet sich auch die CCL seit 1976 in einem modernen Einkaufszentrum. Das hängt mit Auflagen an die Bauunternehmen zusammen, in solch kommerziellen Zentren einen gewissen Prozentsatz Quadratmeter für öffentliche Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, ohne dass bereits feststeht, welche Einrichtung genau das sein wird. Im Fall der CCL bedeutet dies, dass sich der Eingang der Bücherei in einer Ladenpassage des "Lion Yard" befindet ohne jeglichen Extrazugang für Anlieferungen oder Personal. Im ersten Stockwerk ist dann die "Lending Library" untergebracht, im zweiten Stockwerk die "Reference Library" und im dritten Stockwerk die Verwaltung mit internen Büros. Alle Stockwerke werden durch das Treppenhaus zerschnitten und man merkt sofort, dass es sich nicht um einen speziell für die Bedürfnisse einer Bibliothek geplanten Bau handelt.

Gegründet wurde die Bücherei 1855 von John Pink, dem ersten, bereits sehr fortschrittlichen Bibliothekar, der sich gegen einen Kutscher (!) als weiteren Bewerber für die Stelle durchsetzen konnte. Er warb mit Zeitungsanzeigen für die öffentliche Bibliothek und es gab sehr schnell Bücher auch in Braille für Blinde. Er begründete die "Cambridgeshire Collection", die ich noch vorstellen werde. Damals befand sich die CCL in einem Teil der Guild Hall direkt gegenüber des heutigen Lion Yard, wo nun die Tourist Information logiert.

3. Einige Fakten müssen sein:
Organisatorisch ist die CCL im Gegensatz zu deutschen öffentlichen Bibliotheken nicht eine Einrichtung der Stadt Cambridge (des City Councils), sondern des Cambridgeshire County Councils, also der Verwaltung des Countys Cambridgeshire, was in etwa einem deutschen Landkreis entspricht. Folglich ist die Bibliothek zwar die Größte, aber dennoch nur eine von vielen im County, und manche Entscheidungen werden für das ganze Bibliothekssystem getroffen. Auch der Etat muss unter den Bibliotheken nach bestimmten Schlüsseln verteilt werden. Die Mehrzahl der CD-ROMs im Netz oder Datenbanken im Internet werden zentral für alle Bibliotheken angeschafft. Es gibt eine zentrale Stelle des Countys in Cambridge, die für alle Bibliotheken zuständig ist. Ungeachtet dessen sticht die CCL durch die Struktur der Stadt Cambridge aus den ansonsten eher ländlichen Bibliotheken hervor und hat daher eigene Aufgaben und Ziele, die in der Bibliothek selbst diskutiert und entschieden werden.

Ganz kurz ein bisschen Statistik: die CCL hat einen Bestand von ca. 250000 Medien, hinzu kommen die Bestände der Cambridgshire Collection. Allein in der Reference and Information Library sind 123000 Medien zu finden, wobei Microfiches einzeln gezählt wurden. Der reine Buchbestand dort sind 103000 Bände, ca. die Hälfte davon im Magazin. In der Lending Library sind 127000 Medien zu finden. Schon allein diese Zahlen verdeutlichen, wieviel Gewicht dem Präsenzbestand beigemessen wird.

1998 wurden 757000 Besucher gezählt, die für 1291725 Entleihungen sorgten.
Der CCL standen 1999 folgende Finanzmittel zur Verfügung: 112030 Pfund für Erwachsene in der Lending Library, 26000 Pfund für Kinder und Jugendliche sowie 132400 Pfund für die Reference Library, die auch die Zeitschriften und Zeitungen bezieht.

4. Reference and Information Library:
http://www.camcnty.gov.uk/library/ver1/lib1/refres.htm

Dass der Präsenzbibliothek in Cambridge ein besonderer Stellenwert eingeräumt wird, sieht man bereits an der räumlichen Gewichtung: die Reference Library ist mit dem eigenen Stockwerk genauso groß wie die Lending Library. Die Öffnungszeiten sind einheitlich 48,5 Stunden / Woche.

Unmittelbar vor meiner Ankunft hatte ein "Refurbishment" der Reference Library stattgefunden. Grund war eine erfolgreiche Bewerbung für Mittel aus dem National Lottery Fund, die der Bibliothek einen Geldsegen von ca. einer halben Million Pfund bescherte. Damit erstand die CCL unter anderem 50 Multimedia PC´s für Benutzer, die räumlich untergebracht werden mussten. Die Reference Library erhielt den großen Teil der PC´s, teilweise für ihr IT and Learning Centre. Dafür mussten ältere Buchbestände ins Magazin weichen, um große Flächen zu gewinnen. Ich wurde häufig von verwirrten Benutzern angesprochen, wo denn nun was sei, und die Ansichten über die Betonung der neuen Medien gingen auch sehr auseinander.
Auf den kostenlos nutzbaren PC´s sind Bibliothekskatalog und CD-ROMs installiert, außerdem besteht der Zugang zum Internet. Auch kostenpflichtige Datenbanken im Internet wie "Know UK" sind von der Bibliothek abonniert und stehen den Benutzern ohne Gebühren zur Verfügung.
Von den vorhandenen frei zugänglichen PCs sind 4 ausschließlich zum Empfangen und Versenden von E-mails gedacht, während dies auf den anderen PCs nicht gestattet ist. Die tägliche "E-mail-Queue" war ein Quell ständigen Erstaunens: relativ diszipliniert saßen und standen Menschen aus aller Herren Länder teilweise stundenlang, um dieses kostenlose Angebot zu nutzen.

Von den 123000 Medien, die zur Reference Library gehören, stehen ca. 50% im Magazin. Überhaupt ist der Begriff Reference weiter gefasst, als wir das in Heidelberg mit dem Präsenzbestand praktizieren. Außer den im engeren Sinne klassischen Nachschlagewerken gibt es Literatur, die wir eher im Ausleihbestand haben. Dies hängt aber auch mit der räumlichen Trennung von Lending und Reference Library in Cambridge zusammen. Häufig gebrauchte Nachschlagewerke wie "Whitakers Almanack" oder "The Grants Register" stehen direkt hinter der Auskunftstheke in einem Regal. In räumlicher Nähe zur Theke befinden sich auch Werke zu Firmen- und Produktinformation, zum Thema Europa, Telefonbücher (Großbritannien komplett sowie wichtige Städte aus aller Welt), Fahrpläne sowie Verbraucherinformation.
Der große Teil der Präsenzbibliothek befindet sich relativ weit entfernt auf der anderen Seite des Stockwerks hinter dem Treppenhaus, und ist dann nach Dewey Classification angeordnet.

4.1 Mitarbeit im Auskunftsdienst:
Ich war jeden Tag mit am sogenannten "Help Desk" in der Auskunft. Die Angestellten in Cambridge arbeiten dort in zweistündigen Schichten, wobei die Regel eher Doppelschichten von vier Stunden sind. Die Auskunft ist für Heidelberger Verhältnisse, wo wir meistens alleine sitzen, großzügig mit 3-4 Personen besetzt. Das sind 1-2 BibliothekarInnen und 1-2 BibliotheksassistentInnen, die allerdings auch gut beschäftigt sind: im Jahr 1998 wurden (in der gesamten Bibliothek) 180000 Anfragen gezählt. Außer im engeren Sinne Informationen gebende Personen sind die Angestellten Ansprechpartner für relativ viele rein formale Aufgaben, so laufen z.B. alle Ausdrucke, die Benutzer machen, zentral über die Auskunftstheke umd werden dort abgerechnet und bezahlt. Es müssen Zeitungen und Zeitschriften aus dem Magazin geholt oder die uns allen bekannte Hilfe bei Kopiervorgängen geleistet werden.
In diesen 4 Wochen wurde ich von James Yardley, einem Reference Librarian, betreut, der mir vieles zeigte und erklärte. Interessant war für mich die Selbstverständlichkeit, mit der auch längeren Suchaufwand bedeutende telefonische Anfragen im laufenden Betrieb beantwortet wurden, was eben nur durch die Besetzung des Auskunftsplatzes mit mehreren Personen möglich ist.

Innerbetriebliche Umstrukturierungen der letzten Jahre brachten es mit sich, dass hier nicht mehr die reinen Spezialisten, die "Reference Librarians" arbeiten, sondern jeder Bibliothekar und jede Bibliothekarin im Haus sowohl in der Reference, als auch in der Lending Library eingesetzt wird. Dies hat Vor- und Nachteile. Für die Dienstplangestaltung ist es einfacher, jeder weiß zumindest grob überall Bescheid und alle können vertreten werden. Doch die echten Fachkenntnisse ausgebildeter Reference Librarians werden so weniger genutzt als zuvor. Spezialisten finden sich heute eher bei der Betreuung von CD-ROM-Netzwerken etc. wieder und vermissen die Zeiten, die sie früher in der Auskunft verbracht haben. Sie fürchten, ihre speziellen Kenntnisse langsam zu verlieren, da sie weniger Kontakt zu Benutzern haben und kaum Zeit, sich noch mit Nachschlagewerken zu beschäftigen.

4.2 Eigene Aufgaben und Interessen:
Da ich in Heidelberg für Internet zuständig bin und dort eine relativ große Linksammlung der Stadtbücherei gestalte und pflege http://www.heidelberg.de/stadtbuecherei, lag es mir sehr am Herzen, diese Links auch von England aus aktuell zu halten. Bereits am zweiten Tag konnte ich dann mit einem englischen Kollegen sowohl das gewohnte FTP-Programm, als auch ein Linkcheck-Programm aus dem WWW herunterladen und nutzen. Damit war es mir möglich, genau wie in Heidelberg auch jederzeit Links auf Änderungen zu überprüfen und geänderte oder neue Links auf unserem Server abzulegen. Auch eine Rubrik "Hotlinks", in der es um gerade aktuelle Themen geht, konnte so in diesen 4 Wochen für Nutzer attraktiv gehalten werden.
Dies tat ich im gemeinschaftlichen Großraumbüro der BibliothekarInnen, der "Professional Team Base". Im Gegensatz zur Stadtbücherei Heidelberg gibt es in der CCL nur für einige wenige Personen eigene Büros, alle anderen teilen sich den großen Raum. Die EDV-Ausstattung mit 3 PC´s ist verglichen mit der bombastischen Ausstattung für Benutzer sehr dürftig, und jeder muss zusehen, wann und wie er/sie einen Platz an einem PC ergattert. Dass ich nun auch noch dazukam, machte die Arbeitsorganisation für alle nicht einfacher.

Außerdem wollte ich gerne möglichst viele Bereiche der Reference Library kennenlernen und Zeit mit den einzelnen BibliothekarInnen verbringen. Ich war halbe oder ganze Tage z.B. in der Wirtschaftsinformation "Data Direct" oder in der Cambridgeshire Collection, und auch bei zahlreichen Meetings in anderen Bibliotheken in Cambridgeshire dabei. Es ging dann um den Bibliotheksplan für die nächsten Jahre oder um Treffen der "Information Services Group" bzw. der "InfoCam Support Group".

4.3 Besondere Dienste innerhalb der Reference Library:
Innerhalb der Reference Library gibt es einige interessante Sonderbereiche, die ich gerne kurz vorstellen möchte:

IT and Learning Centre:
http://www.camcnty.gov.uk/library/ver1/lib1/itlc.htm

Im Gegensatz zu den frei zugänglichen und kostenlos nutzbaren PC´s mit Bibliothekskatalog, Internet, CD-ROMs sind die 6 PC´s und 2 Mac´s im nun sehr vergrößerten IT and Learning Centre gebührenpflichtig. Den Benutzern stehen dort als Software Word, Excel, Powerpoint, Adobe Photoshop, Quark Express sowie Illustrator zur Verfügung. Sie können Farbdrucker und Scanner benutzen, und dank spezieller Hilfsmittel auch als Sehbehinderte arbeiten. Mit Hilfe von "Teach yourself"-CD-ROMs können Benutzer sich in Programme einarbeiten. Anmeldung im Voraus ist möglich.

InfoCam:
http://atoz1.camcnty.gov.uk/cambscc/infocam/cid.nsf/searchfront?Openform

Bei InfoCam handelt es sich um eine Datenbank mit über 5000 Einträgen zu Vereinen, Organisationen, Institutionen, Clubs, Selbsthilfegruppen in ganz Cambridgeshire. Diese Datenbank war bisher in den öffentlichen Bibliotheken für alle Bürger zugänglich und ist seit September 1999 auch über die Seiten des County Councils im Internet abrufbar. Betreut und gepflegt wird sie durch etliche Bibliotheksangestellte in verschiedenen Orten. In Cambridge selbst sind zwei Personen 24 Stunden / Woche damit beschäftigt, all die enthaltenen Adressen und Ansprechpersonen auf Änderungen zu überprüfen (Anschreiben einmal jährlich), sowie neue Gruppen aufzunehmen. Bezahlt wird dieser Service vom County Council. Da wir in Heidelberg gerne eine noch in Kartenform gehaltene sogenannte "Institutionenkartei" in eine Datenbank bringen möchten und ich diese oft schwer zu ermittelnden Adressen unschätzbar wertvoll finde für die Einwohner einer Stadt, war mein Interesse an InfoCam sehr groß.

Data Direct:
http://www.datadirect.org.uk/datadirect/

Bei Data Direct handelt es sich um die professionelle und kostenpflichtige Wirtschafts information innerhalb der CCL. Selbstverständlich erhalten Benutzer auch in der normalen Auskunft jede Menge Wirtschaftsinformationen und der Bestand an aktuellen Nachschlagewerken zu Firmen und Produkten etc. lässt nichts zu wünschen übrig. Dennoch gibt es eben Anfragen von Firmen oder Existenzgründern, die so speziell sind, dass aufwendige Recherchen in Datenbanken notwendig werden, die ihrerseits Kosten verursachen. Data Direct wurde 1992 von einem findigen Bibliothekar namens Nick Parsons gegründet, der die finanzielle Rückstufung von Reference Librarians zum Anlaß nahm, einen ungewöhnlichen Vorschlag zu machen: die eingesparten Mittel sollten in eine separate Wirtschaftsinformation fließen, die er aufbauen wollte. Von Anfang an sollte sich Data Direct selbst tragen. Sowohl die Gehälter der Angestellten (zunächst nur seines), als auch die Ausstattung musste erwirtschaftet werden. Dies gelang mit großem Erfolg: bereits 1994 kam Susan Woods dazu und das Team war nicht nur in der Lage, Data Direct tatsächlich selbst zu finanzieren, sondern macht erhebliche Gewinne und bekam mehrere Wirtschaftspreise.
Nick Parsons hat im Sommer eine andere Stelle angenommen, seither leitet Susan Woods Data Direct. Es ist eine Arbeit, die sich doch deutlich von der der anderen Angestellten der CCL unterscheidet, schon durch den ständigen Termindruck.

TAP (Training Access Point):
http://dialspace.dial.pipex.com/town/terrace/fe37/tap/home.htm

Dieser spezielle Service befindet sich rein räumlich innerhalb von Data Direct und damit der CCL, hat jedoch streng genommen nichts mit der Bibliothek an sich zu tun. Es handelt sich um einen Service des County Councils und CambsTEC zur Aus-, Fort- und Weiterbildung in Cambridgeshire. Sämtliche angebotenen 7700 Kurse (Voll- und Teilzeit, Abendkurse, Fernstudien etc.) werden in einer Datenbank erfasst und über das Internet den Nutzern zur Verfügung gestellt. Ein Auszug daraus mit den "Adult Evening Classes", unserem Volkshochschulangebot entsprechend, wird als Heft veröffentlicht.

Cambridgeshire Collection:
http://www.camcnty.gov.uk/library/ver1/lib1/cambs.htm

Ein Traum! Die Cambridgeshire Collcetion ist das Archiv für den Süden von Cambridgeshire. Wie bereits erwähnt, wurde sie schon 1855 begründet. Hier befinden sich echte historische Schätze ebenso wie aktuelle Bücher, auch Romane, die sich mit Cambridge und Cambridgeshire beschäftigen. Nachdem die BibliothekarInnen und ArchivarInnen in East Anglia einen Schock erlitten, als im vergangenen Jahr die Norwich Library mitsamt ihrem Stadtarchiv innerhalb kürzester Zeit niederbrannte, wurde die Cambridgeshire Collection mit den Mitteln aus dem National Lottery Fund im Sommer mit einem feuersicheren Raum ausgestattet, der allen Anforderungen an Licht, Luftfeuchtigkeit und Temperatur entspricht. Seine Größe soll für die nächsten 20 Jahre ausreichen. Daher zog die Cambridgeshire Collection im Rahmen des "Refurbishments" in den zweiten Stock und ist nun Teil der Reference Library.

Derzeit werden 65000 Bücher, Poster, Handzettel, Zeitungen (zurück bis 1762), Zeitschriften und Karten (die älteste von 1574) archiviert. Außerdem gibt es 400000 Drucke, Zeichnungen, Gemälde, Photographien und Videos, der älteste Druck stammt aus dem Jahr 1680. Zudem werden seit 30 Jahren Zeitungen ausgewertet sowie die Erzählungen älterer Mitbürger zur Lokalgeschichte als "Oral History" in Tonbandaufnahmen dokumentiert.
Die Bestände sind durch einen Buch- und Illustrationenkatalog als Datenbank erschlossen. Zusätzlich gibt es Zettelkataloge, in denen selbst nach solchen Themen wie "Spuk in Cambridge" gesucht werden kann und jede einzelne Quelle angegeben wird.
Betreut wird die Sammlung durch Chris Jakes, der vermutlich in jeder Danksagung eines Autors genannt wird, der etwas über Cambridge oder Cambridgeshire schreibt. Es ist unglaublich, über welches Wissen dieser Bibliothekar verfügt und welche Freude er an seinem Beruf und an "seinen" Schätzen offensichtlich hat.

CCG Cambridgeshire Careers Guidance Shop:
http://www.camcnty.gov.uk/library/ver1/lib1/guide.htm#Training

Auch bei dieser Dienstleistung handelt es sich nicht um eine ursprüngliche Aufgabe der Bibliothek, sondern um eine Kooperation mit der Organisation Cambridgeshire Careers Guidance Ltd. Ein sog. "Guidance Advisor" oder "Information Officer" berät während der öffnungszeiten der CCL alle Interessierten zu Aus-, Fort- und Weiterbildung in Cambridgeshire, zu Förderungsmöglichkeiten, Arbeitslosenunterstützung etc. Eine umfangreiche Sammlung von Broschüren, Informationsschriften, Vorlesungsverzeichnissen sämtlicher entsprechender Einrichtungen und Universitäten in Großbritannien ergänzen hervorragend das Angebot der Reference Library. Durch die öffnungszeiten der Bibliothek ist es so unbürokratisch möglich, sich beraten zu lassen.

5. Gemeinsamkeiten und Unterschiede:
Ich fand mich schnell in dieser britischen Bibliothek zurecht, was die täglichen Anfragen und Anforderungen betraf, da vieles meinem Arbeitsalltag in Heidelberg sehr ähnlich war. Natürlich kannte ich die speziell englischen Nachschlagewerke zunächst nicht, aber ich konnte die Kollegen wenigstens mit einigen "Hilfsarbeiten" entlasten, bis ich besser Bescheid wusste. Und die lästigen Probleme von Benutzern mit Kopierern und Druckern sind scheinbar überall gleich.
Was die Informationsanfragen betrifft, gibt es viele sehr ähnliche Fragen wie in Heidelberg, und einige wohl "typisch englische" Auskunftsbedürfnisse.
Benutzer in Cambridge wie in Heidelberg suchen nach Adressen von Botschaften, Organisationen, Firmen, interessieren sich für Zeitungsartikel zu bestimmten Themen, Normen, Statistiken, Verbraucher- und Wirtschaftsinformation. Sie möchten über lokale Veranstaltungen und Heimatgeschichte Bescheid wissen oder in Datenbanken nach Herstellern bestimmter Produkte suchen, Verkehrs- und Telefonverbindungen erfragen oder schlichtweg nur ihr Herz ausschütten.
Englische Benutzer werden selbstverständlich Nachschlagewerke wie "Ports of the World" in ihrer Stadtbücherei erwarten und auch finden, was Benutzer in Heidelberg nicht so brennend interessiert. Diese widerum erkundigen sich nach dem Verbrauch an Streusalz in Tonnen im Winter.
Regelmäßige Anrufe einer in Tränen aufgelösten älteren Dame, die es nicht fassen kann, dass der Sprecher der BBC ein englisches Wort nicht korrekt ausgesprochen hat und von der Bibliothek Unterstützung erwartet, bringen die Bibliothekare in Cambridge nicht aus der Fassung. Dafür erwarten Benutzer in Heidelberg, dass ein Wanderführer, der sie auf Mallorca ins völlige Aus beförderte, umgehend von der Bibliothekarin korrigiert wird.
Insgesamt ist das Nutzen einer Bibliothek in Grossbritannien sehr viel selbstverständlicher als in Deutschland, und auch das Wissen, welch vielfältigen Informationen dort zu bekommen sind, viel verbreiteter. In Heidelberg sind Benutzer immer wieder überrascht, welche Fragen sie stellen können und auch beantwortet bekommen.

Der Umgangston der Benutzer unterscheidet sich für mein Empfinden allerdings. Britische Bibliotheksbenutzer haben hohe Erwartungen an ihre Bibliothek als solche, begegnen den Angestellten aber mit mehr Achtung und Höflichkeit, als ich das aus Heidelberg kenne. Auch Wartezeiten wurden in Cambridge mit mehr Geduld und Verständnis hingenommen. Der berühmte englische Humor war für mich wirklich im Alltag spürbar, und sei es, dass Beschwerden ironisch verpackt wurden. Mit sogenannten "Complaints" wird auch sehr offensiv umgegangen: die britischen Benutzer werden mit Handzetteln und Plakaten ermutigt, ihre Beschwerden zu äußern.

Auffallend ist der Unterschied in der rein räumlichen Gestaltung der Bibliotheken und der Präsentation der Bestände. Dem Bibliotheksdesign kommt in Heidelberg ein hoher Stellenwert zu, und wir versuchen, sowohl die Bibliothek als Ganzes, als auch die einzelnen Bestände möglichst attraktiv zu präsentieren. Im Cambridge war dieses nicht besonders wichtig, und auch andere Bibliotheken, die ich besuchte, legten offensichtlich nicht viel Wert darauf. Ein nicht sehr ansprechender Teppichboden in dunklem Braun, dunkle, alte Holzregale oder moderne, nicht sehr schöne Metallregale, und diese geradezu vollgestopft mit Büchern, die sich auch quer stapelten. Weder besonders übersichtlich, noch Gegenstand langer überlegungen. Der Ansatz in Cambridge war offensichtlich rein pragmatisch, und ja auch berechtigt: englische Benutzer suchen Informationen in der Reference Library, und das ist deren Hauptaufgabe. Leute kommen in großer Zahl und mit vielfältigen Fragen, und solange diese beantwortet werden, ist alles andere nebensÄchlich. In Deutschland bemühen wir uns wohl so um ein attraktives äußeres, weil die Nutzung der Bibliotheken lange nicht so selbstverständlich ist wie in England. Engländer reagieren auch viel empfindlicher, wenn der Etat ihrer Bibliothek beschnitten wird, da Bücher und Informationen in einer öffentlichen Bibliothek für sie ohne Frage zur Grundversorgung zählen, für die ihre Kommunalverwaltung zuständig ist.

Im Allgemeinen ist die Art, wie in beiden Bibliotheken gearbeitet wird, sehr ähnlich. BibliothekarInnen beider Städte brauchen sowohl Kenntnisse über Nachschlagewerke, als auch über Datenbanken auf CD-ROMs oder müssen Recherchen im WWW beherrschen. Sie brauchen Geschick im Umgang mit (teilweise exzentrischen) Bibliotheksbenutzern aus sämtlichen Bevölkerungsgruppen. Auch der Konflikt, ob die neuen Medien "klassisches" bibliothekarisches Fachwissen und geschätzten Service früherer Zeiten verdrängen, kennen sie alle. Kollegen aus Cambridge und Heidelberg sehen dennoch ihren Beruf ziemlich positiv, da er niemals langweilig wird und sind sehr engagiert.

6. Fazit:
Ich bin rundherum zufrieden mit diesem Arbeitspraktikum und kann so eine Auslandserfahrung nur empfehlen. Wichtig scheint mir, im Vorfeld zu ermitteln, welche Bibliothek zum eigenen Arbeitsgebiet gut passt. Der Blick über die Landesgrenzen bereichert beide: sowohl die Bibliothekarin, die Neues kennenlernt, Anregungen bekommt und mitnimmt, auch die eigene Bibliothek anschließend mit anderen Augen sieht, positiv wie negativ. Als auch die gastgebende Bibliothek, die von einem Blick von außen ungemein profitieren kann.
Der nötige zeitliche - und Energieaufwand bis zur Realisation eines solchen Aufenthaltes lohnt sich auf jeden Fall. Ich z.B. wurde durch das Kennenlernen von InfoCam darin bestärkt, das zur Zeit bestehende Projekt, eine Institutionenkartei in Karteikartenform in eine Datenbank für das Internet zu bringen, weiter zu verfolgen. Der pragmatische Ansatz in Cambridge hat mir gut gefallen, und optimal fände ich eine Kombination der Stärken beider Bibliotheken.
Auf diesem Weg möchte ich mich sowohl bei der Bibliothekarischen Auslandsstelle in Berlin, als auch beim British Council in Köln und natürlich bei den Kollegen der Cambridge Central Library für die Unterstützung meines Praktikums bedanken. Die gewonnenen Erfahrungen werden mir sicher lange Zeit im Gedächtnis bleiben.

Heike Zekau, Bibliothekarin im Info-Dienst der Stadtbücherei Heidelberg


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