Weitere Materialien zur ASB 1999
Informationen zur neuen Version der Eine Systematik ist ein Instrument, mit dessen Hilfe man Ordnung in die Bibliothek bringt. Und Ordnung erleichtert dem Personal wie den Benutzern das Auffinden von Büchern und Medien. So sorgt eine Systematik beispielsweise dafür, daß Bücher zum gleichen Sachgebiet beieinanderstehen. Da man auf unterschiedliche Weise "Ordnung schaffen", also nach unterschiedlichen Kriterien Gruppen schaffen und benennen kann, gibt es natürlich verschiedene Systematiken für Bibliotheken. Im süddeutschen Raum arbeiten aber fast alle Öffentlichen Bibliotheken seit Jahrzehnten mit der ASB. Vorgeschichte Die ASB ist ein Kind der 50er Jahre, was man ihr auch deutlich anmerkt. In ihr spiegelt sich die Welt (einschl. Büchereiwesen) und die Weltsicht dieser Zeit. Da die ASB nie kontinuierlich "gepflegt", d.h. aktualisiert wurde, konnten auch die beiden kleinen Überarbeitungen in den 60er und 70er Jahren den Prozeß der Veraltung nicht aufhalten. Die Kluft zwischen dem Bedarf und den Möglichkeiten der ASB wurde immer größer. Erst 1992 faßten der Deutsche Bibliotheksverband (DBV) und der Verein der BibliothekarInnen und Bibliothekare an Öffentlichen Bibliotheken (VBB) auf der gemeinsamen Jahrestagung den Beschluß für eine Überarbeitung der ASB. 1993 wurde dann ein Vertrag mit dem Deutschen Bibliotheksinstitut (DBI) geschlossen, das unverzüglich mit den Vorarbeiten begann. Das DBI hatte unmittelbar zuvor die Systematik der vormaligen DDR-Büchereien umgearbeitet und konnte nun auf diese Erfahrungen zurückgreifen. Die Umarbeitung der ASB erfolgte in ständiger und enger Zusammenarbeit mit Öffentlichen Bibliotheken und den BibliothekarInnen und Bibliothekaren aus der Praxis:
"Allgemeine Systematik für Bibliotheken (ASB)"
Die Aufgabe erwies sich als umfangreich: So wurde die neue Version der ASB erst im Spätsommer 1999 fertiggestellt und im November dann als Buch ausgeliefert.
Veränderungen
"Pragmatische Lösungen statt formeller Eleganz" war die Forderung des damaligen VBB-Vorsitzenden Prof. Umlauf vor Beginn des Projekts. Und so erfolgte die Überarbeitung der ASB auch nach dem Grundprinzip: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Denn allen Beteiligten war bewußt, daß jede Änderung erhebliche praktische Folgen haben und für die Bibliotheken mit viel Arbeit verbunden sein würde.
Wie sieht die neue ASB nun also im Vergleich zur alten aus?
Seit den Entstehungstagen der ASB hat sich vieles in unserer Sprache verändert bzw. weiter-entwickelt. Veraltete Namen, überholte oder nicht mehr tragbare Bezeichnungen in der ASB wurden daher gegen heutige Namen und Begriffe ausgetauscht.
Beispiele:
alte ASB:      Ggm 7 "Versehrten-, Schwachsinnigen- und Krüppelfürsorge"
neue ASB:    Ggm 7 "Behindertenarbeit, -hilfe"
alte ASB:      Cgm 3 "Formosa"
neue ASB:    Cgm 3 "Taiwan"
Die Anpassung der ASB an die Verhältnisse der heutigen Welt war das Kernstück des Projekts: In fast allen Systematikgruppen waren politische, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen, besonders aber auch wissenschaftlich-technische Entwicklungen einzuarbeiten.
Beispiele:
Wcb | Theorie und Grundlagen. Computerrecht |
Wcc | Kommunikation von Computersystemen |
Wce | Software- und Systementwicklung. Organisation der Datenverarbeitung |
Wcg | Aufbau, Arbeitsweise und Betrieb von Datenverarbeitungssystemen |
Wcm | Programmierung, Programmiersprachen |
Wco | Betriebssysteme und graphische Benutzeroberflächen ... |
Wcr | Standardanwendungssoftware ... |
Wct | Branchensoftware ... |
Sbn 7 | Popularmusik einschließlich Jazz und Volksmusik (Allgemeines) |
Sbn 71 | Jazz |
Sbn 72 | Rockmusik, Popmusik |
Sbn 73 | Volkslied, Volkstanzmusik |
Sbn 75 | Chanson. Protestsong, Politisches Lied |
Sbn 76 | Bänkelsang, Moritat, Straßenlied, Küchenlied |
Sbn 77 | Schlager, Tanz- und Unterhaltungsmusik |
etc. |
In ihrer Grundstruktur hat sich die ASB nicht verändert: Die Zahl der Hauptgruppen, ihre Abfolge und ihre Zuordnung zu den Sachgebieten sind gleich geblieben. Auch auf der zweiten Gliederungsebene gibt es nur an einer Stelle etwas Neues: die Gruppe Wc "Informatik, Datenverarbeitung".
Obwohl die ASB viele Ungenauigkeiten und Fehler im Gliederungsaufbau und in der sachlichen Zuordnung aufweist, wurden nur die gröbsten Schnitzer verbessert und besonders schlecht auffindbare Gruppen in ein passenderes Umfeld gesetzt.
Beispiele:
alte ASB:      Ubn "Astrologie": Untergruppe zur Astronomie, einer seriösen Naturwissenschaft.
neue ASB:    Mdo "Astrologie": Untergruppe zur Esoterik.
alte ASB:      Vk "Tierheilkunde": Gruppe ging im Umfeld der Humanmedizin unter.
neue ASB:    Xbp ... "Tierzucht und Tierhaltung einschl. Tiermedizin".
Eine Reihe von Untergruppen konnte gestrichen werden, entweder weil sie nicht (mehr) benötigt werden oder weil sie mehrfach vorkamen.
Beispiele:
alte ASB:      Cdm "Kolonialgeographie": entfällt
alte ASB:      Xdo 4 "Tiefseefischerei": entfällt
alte ASB:      Ocn "Redekunst", Ogm "Redekunst" in deutscher, Ofk 3 in englischer Sprache etc.
neue ASB:    Ocn "Rhetorik"
Dagegen wurden die Gruppen, die in vielen Bibliotheken überfüllt sind, untergliedert: z. B. Ngk "Häusliche Erziehung - Erziehungsberatung", Uas "Naturschutz", Xeo 2 "Kochen", Yd "Basteln".
Da man die Grundstruktur beibehalten wollte, war es an einigen Stellen unumgänglich eine weitere, zusätzliche Gliederungsebene zu schaffen. Daher können die Zahlen, die der Buchstabenkombination folgen, jetzt auch dreistellig sein.
Beispiel:
neue ASB:    Xeo 2       "Kochen, Backen"
Auf allen Gliederungsebenen wurde jeweils eine Gruppe "Sonstiges" eingeführt für Themen, die selten vorkommen oder neu sind. Diese Gruppen sind eine Art Zukunftsicherung.
Beispiel:
neue ASB:    Ybx Weitere Sportarten
In vielen Bereichen hat man Untergruppen geschaffen, in denen die Literatur alphabetisch nach dem behandelten Gegenstand, nicht nach Verfasser oder Titel, geordnet wird. ‚Gegenstände‘ können Personen (s.u.), Länder, Orte oder auch Produkte sein.
Beispiele:
neue ASB:    Wcr 21 Einzelne Textverarbeitungsprogramme (alphabetisch bzw. alphanumerisch)
neue ASB:    Rfk 1 Kunst einzelner europäischer Länder und Landesteile (alphabetisch)
Schon in der alten ASB gab es Biographiegruppen, in denen die Bücher primär nach dem Namen der behandelten Person sortiert wurden. Diese Biographiegruppen, von denen es sehr viele gab, wurden nun zu nur einer pro Hauptgruppe zusammengefaßt und ans Ende gestellt.
Beispiel:
alte ASB:      Hauptgruppe E (Geschichte) enthält 61 Untergruppen für Biographien
neue ASB:    Ey    Über Leben und Werk von Persönlichkeiten (Sammelbiographien)
Die Bezeichnungen für die Gruppen wurden nicht nur (wo möglich) präziser gefaßt, die Zuordnung wird außerdem durch den umfangreichen Apparat an Erläuterungen und Verweisungen erleichtert, mit dessen Hilfe der Inhalt der Gruppen eingegrenzt wird.
Beispiel:
neue ASB:   Ngk 5   Freizeitgestaltung
Während der alten ASB nur ein kleines, im Grunde unbrauchbares Stichwortverzeichnis beigegeben war, gehört zur neuen ASB ein 320 Seiten umfassendes alphabetisches Schlagwortregister. Das umfangreiche und sehr differenzierte Register ist eine wichtige Hilfestellung bei der Systematisierung. Beispiel:
Die neue ASB bietet auch die Möglichkeit zur Systematisierung der Schönen Literatur in der neu eingeführten Hauptgruppe Z. Es handelt sich um eine recht grobe Ordnung, vornehmlich nach formalen Kriterien, die die Verwendung von Interessenkreisen nicht grundsätzlich ausschließt.
neue ASB:
Kleinkind / Bewegungserziehung / Familie
Ngk 1
Kleinkind / Pädagogische Jugendforschung / Allgemeines
Nbl
Kleinkind / Psychologie
Mbl 20
Kleinkind / Schlafstörung
Vcm 2
Kleinkind / Unfallverhütung / Elternratgeber
Ngk 1
Kleinkinderturnen / Vorschulpädagogik
Ngl 3
etc.
Folgen
In der Fachwelt ist man sich einig, daß die Überarbeitung der ASB unumgänglich war, daß das Ergebnis dem Arbeitsauftrag entspricht und daß diese neue Version – soweit derzeit absehbar – gelungen ist. Testbibliotheken berichten von deutlichen Verbesserungen bei der praktischen Arbeit mit der Systematik.
Aufgrund der breiten Zustimmung aus den fachlich geleiteten Anwenderbibliotheken zur überarbei-teten ASB hat sich die EKZ für eine schnelle und konsequente Einführung der neuen Version bei ihren Angeboten entschieden: Seit dem 1. Januar 2000 werden Bücher und Medien standardmäßig nur noch nach der neuen ASB systematisiert. Signaturen nach der alten ASB sind seither nur noch auf Anfrage und gegen Aufpreis erhältlich.
Die von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren geleiteten öffentlichen Bibliotheken führen derzeit die neue ASB ein. Diese Umstellung kann auf verschiedene Weise erfolgen, sie ist aber in jedem Fall mit zusätzlicher Arbeit verbunden, da ein, wenn auch kleiner Teil der Sachliteraturbestandes umgearbeitet werden muß. Mit der Einführung auf breiter Front wird sich die neue ASB als Standard etablieren, die alte Version läuft aus.
Auch die kleinen Büchereien kommen an der neuen ASB nicht vorbei: Ab Heft 2/ 2000 wird die "Liste Neue Bücher" nur noch Titel enthalten, die nach der neuen ASB systematisiert sind. Ausleihfertig bearbeitete Bücher und Medien werden ebenfalls mit neuer Systematik geliefert (wenn dem nicht ausdrücklich und rechtzeitig widersprochen wurde). So sind alle öffentlichen Bibliotheken gezwungen, sich mit der neuen Situation zu befassen.
Susanne Thiele
Diplom-Bibliothekarin
Das Projekt: Aktualität und Kundenorientierung - Einführung der
"Neuen ASB"
In der Stadtbücherei Reinheim wurde stets Wert auf einen aktuellen und breitgefächerten Medienbestand gelegt: Die letzte Bestandsreorganisation der Belletristik fand 1996, die der Kinder- und Jugendliteratur 1997 statt. Neben dem Medium "Buch" stehen den Leserinnen und Lesern CDs, CD-ROMs, Videos, Hörbücher, Kinderkassetten, Spiele und 30 Zeitschriften-Abos zur Verfügung. Im Zuge der Aktualisierung und Reorganisation des Sachbuchbestandes entschloß sich die Stadtbücherei Reinheim 1998 zur Umstellung auf die benutzerfreundlichere "Neue ASB" und wurde damit eine der Test-Bibliotheken des Deutschen Bibliotheksinstituts in Berlin. Als eine der ersten Bibliotheken dieser Größenordnung in Deutschland führte die Stadtbücherei Reinheim die überarbeitete Fassung der "Allgemeinen Systematik für Öffentliche Bibliotheken (ASB)" ein. 1998 wurden die Systematikgruppen A, D, E, F, H, K, L, O, Xeo 2 und Yd vollständig umsystematisiert, aktualisiert und mit ansprechender Regalbeschriftung präsentiert. Für 1999 verblieben die restlichen 12 Systematikgruppen und X und Y zur Aktualisierung und Umsystematisierung.
Dieser Entscheidung vorausgegangen waren folgende Überlegungen:
"Lohnt sich der Aufwand für diese doch ziemlich bibliotheks-interne
eher 'unsichtbare' Arbeit? Sind nicht publikumswirksame, groß angelegte 'tolle'
Veranstaltungen viel wirkungsvoller für ein positives Bild der Stadtbücherei
Reinheim in der Öffentlichkeit?"
Aufgrund der Erfahrungen bis zur "Halbzeit" der Umsystematisierungsphase meinen wir: Die Entscheidung war völlig richtig. Der Aufwand lohnt auf jeden Fall! Durch die Umsystematisierung erhielt jedes im Bestand verbliebene Buch einen neuen Wert. Bücher, die bisher in groben Systematikgruppen untergingen oder systematikbedingt versteckt bzw. "falsch" standen, waren auf einmal präsent und leichter auffindbar. Die übersichtlichere Aufstellung und kundenfreundlichere Regalbeschriftung motivierte die Leser sowohl bei gezielter Suche als auch beim ungezielten Schmökern am Sachbuchregal. Ihre selbständige und individuelle Suche wurde zum Erfolgserlebnis. Die positiven Reaktionen der Leser und die deutlichen Umsatz- und Ausleihsteigerungen rechtfertigen diesen immens hohen Arbeitsaufwand parallel zur "normalen" Bibliotheksarbeit. Die Stadtbücherei Reinheim widerstand außerdem damit dem Verlangen, die z. T. ja völlig veraltete ASB mit hausinternen Änderungen zu modifizieren und wartete die für alle Öffentlichen Bibliotheken einheitliche Überarbeitung der Systematik ab. Die Leserinnen und Leser wurden somit nicht mit "selbstgestrickten" Lösungen verwirrt, sondern können sich auch zukünftig problemlos in anderen Öffentlichen Bibliotheken zurechtfinden - auch dies ist Kundenorientierung!
(aus dem Konzept der Stadtbücherei Reinheim) Susanne Kinmayer
Diplom-Bibliothekarin
Nachsatz:
Die Stadtbücherei Reinheim erhielt den Hessischen Bibliothekspreis 1999 für
ihr durchdachtes und kundenorientiert umgesetztes Bibliothekskonzept.