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VERSPROCHEN IST VERSPROCHEN
Sieben Jahre ist es her, da äußerte die Generaldirektorin Dr. Elisa-
beth Niggemann ihre Sorgen über den Umgang mit sogenannten
verwaisten Werken. Wie wollen wir die Deutsche Digitale Biblio-
thek zu einem Portal des kulturellen Erbes werden lassen, wenn
wir Massen an Werken in den Bibliotheksarchiven bewahren,
deren Urheber wir nicht ermitteln können, um zu erfragen, ob
wir ihre Werke digitalisieren und öfentlich zugänglich machen
dürfen? Die Deutsche Nationalbibliothek war wie keine andere
Bibliothek von diesem Problem betrofen, da ihre Bestände auf-
grund ihrer Gründung im Jahr 1912 und dem mit Erscheinungs-
jahr 1913 beginnenden Sammelauftrag ganz überwiegend noch
dem Urheberrechtsschutz unterliegen. Wir, die Bibliotheksjuris-
ten des Deutschen Bibliotheksverbandes, versprachen Elisabeth
Niggemann, das Problem in ihrem Sinne zu lösen. Und nun
liegen auf dem Gabentisch gleich zwei gesetzliche Normen!
Der Wahrheit zuliebe muss erwähnt werden, dass wir die Ge-
duld der Generaldirektorin sehr strapaziert haben und sie auch
kräftig am Gelingen mitarbeiten ließen. Und ob das Geschenk
nun auch den Wünschen und Vorstellungen in vollem Umfang
entspricht, darf etwas bezweifelt werden. Wie bei allen Gesetz-
gebungsprozessen spielen viele unterschiedliche Faktoren eine
Rolle und nicht zu unterschätzen ist der Einfuss des Europä-
ischen Parlaments. Das Problem der verwaisten Werke gibt es
schließlich nicht nur in Deutschland, sondern es existiert welt-
weit. Ausgenommen harmonisch verlief der Abstimmungspro-
zess in Deutschland: Die in der Deutschen Literaturkonferenz
vereinten Interessenverbände waren sehr schnell davon zu über-
zeugen, dass wir eine Urheberrechtsänderung benötigen, um
nicht Gefahr zu laufen, dass weite Teile des kulturellen Erbes in
der digitalen Welt in Vergessenheit geraten. Gesagt, getan: Der
Konsens brachte sogar einen Formulierungsvorschlag für eine
gesetzliche Norm hervor. Der Erfolg war im Jahr 2009 also
zum Greifen nah, doch dann kam die Nachricht aus Brüssel:
Wir arbeiten an einer Richtlinie zu den verwaisten Werken. So-
mit war der deutsche Gesetzgeber nicht mehr gewillt, im Allein-
gang Fakten zu schafen. Nun hieß es wieder warten und mit
dem europäischen bibliothekarischen Dachverband EBLIDA
und Frau Niggemann im Kanon mit den anderen europäischen
Nationalbibliotheken gemeinsam Einfuss auf das Europäische
Parlament zu nehmen. Die EU ging dann in ihrer Richtlinie
sogar einen Schritt weiter als wir es in Deutschland geplant
hatten: Sie schuf eine gesetzliche Schranke, die es erlaubt, nach
einer erfolglosen sorgfältigen Suche nach den Rechteinhabern
ein Werk als verwaist in der EU an das Europäische Harmoni-
sierungsamt zu melden und öfentlich zugänglich zu machen.
Für den Fall, dass ein Rechteinhaber sich meldet, ist das Werk
vom Netz zu nehmen und der Berechtigte angemessen zu
entschädigen. Diese Schranke umfasst bereits veröfentlichte
Text-, Musik- und Filmwerke sowie andere Schutzgegenstände,
die zu ihrem Inhalt gehören. Der deutsche Gesetzgeber setzte
die EU-Richtlinie mit der Änderung des Urheberrechtsgesetzes
vom 1.10.2013 in den §§61, 61a bis c i.V.m. 137n UrhG um.
Seit dem 1.1.2014 können somit Gedächtnisorganisationen ein
Werk, dessen Urheber „nicht festgestellt oder ausfndig gemacht
werden konnte“, im Internet öfentlich zugänglich machen.
Der Wermutstropfen dabei ist, dass die sorgfältige Suche (§61a
UrhG) nicht profan ist. Derzeit beraten unter Federführung des
BMJ Vertreter von DDB, DNB, dbv, Verwertungsgesellschaften
und DPMA über schlanke Prüf- und Meldeverfahren. Dabei
verfolgen wir vor allem den Ansatz, dass möglichst unsere Ka-
talogdaten als Grundlage für die notwendigen Suchläufe und
die Führung des Registers zu den verwaisten Werken beim Eu-
ropäischen Harmonisierungsamt genutzt werden.
Einige dieser Vertreter trefen sich zugleich zu Beratungen,
wenn es um die Neuregelung zu den vergrifenen Werken geht.
Die Richtlinie hat auf eine explizite Regelung dazu verzichtet,
jedoch empfahl die Europäische Kommission den Mitglieds-
staaten, dazu gesetzliche oder vertragliche Lösungen zu fnden.
Das deutsche Parlament hat sich hier den im Jahr 2009 von der
Literaturkonferenz vorgetragenen Vorschlag zu Eigen gemacht.
Das Urheberwahrnehmungsgesetz sieht nunmehr in den §§13d
und e vor, dass die Verwertungsgesellschaften berechtigt sind,
Lizenzen zur öfentlichen Zugänglichmachung an Gedächt-
nisorganisationen zu vergeben, wenn ein Werk (in Büchern,
Fachzeitschriften, Zeitungen, Zeitschriften oder in anderen
Schriften) aus ihrem Bestand vor dem 1.1.1966 veröfentlicht
wurde und als vergrifen gilt. Da die meisten verwaisten Werke
auch vergrifene sein dürften, können die Bibliotheken alterna-
tiv die öfentliche Zugänglichmachung ihrer verwaisten Werke
als vergrifene über die Verwertungsgesellschaften lizenzieren
lassen. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass eine sorgfältige
Suche nach dem Rechteinhaber entfallen kann. Dafür aber ist
die Lizenz kostenpfichtig (einmalig) und der Eintrag in das
Register der vergrifenen Werke beim Deutschen Patent- und
Markenamt ebenfalls. Die Änderung des Urheberwahrneh-
mungsgesetzes tritt am 1.4.2014 in Kraft. Bis dahin muss die
Arbeitsgruppe dem BMJ einvernehmliche Lösungen vorlegen.
Die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen werden dann in amtli-
chen Durchführungsbestimmungen münden.
Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen!
Wir hatten nicht versprochen, dass es dieses Geschenk ohne
zusätzliche und komplizierte Aufgaben geben wird. Wir hofen
aber, dass Sie, liebe Frau Niggemann, und Ihr Haus diese mit
Bravour meistern werden und wir bei der Deutschen Digitalen
Bibliothek bald einen großen Teil des Bestandes der Deutschen
Nationalbibliothek bewundern dürfen. Dass die Herstellung des
Geschenks nun doch sieben Jahre gedauert hat, bitten wir aus-
drücklich zu entschuldigen. Mit einem herzlichen Dank für die
gute Zusammenarbeit, Ihre Professionalität und Ihre stets char-
mante Art gratuliere ich Ihnen zu Ihrem heutigen Ehrentage.
PROF. DR. GABRIELE BEGER ist Bibliotheksjuristin, Direktorin
der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg und Vorsitzende des
Fachausschusses Urheberrecht des Deutschen Kulturrats.
DIE LIEBE FÜR BÜCHER VERBINDET UNS
Bücher wecken Emotionen, nicht nur durch ihren Inhalt, son-
dern auch durch ihr Erscheinungsbild – ganz so wie Schönheit,
in welcher Erscheinungsform und an welches Objekt auch im-
mer gebunden, Wahrnehmung und Empfndung steigert.
Die Bemühungen um das schöne Buch als handelsübliches
Gebrauchsbuch werden entscheidend getragen und gefördert
von der Stiftung Buchkunst. Elisabeth Niggemann ist seit
1999 in derem Vorstand tätig und hat als stellvertretende Vor-
sitzende lange Jahre als Hausherrin wie als kluge Beraterin mit
fundierter Verwaltungserfahrung entscheidend zum Erfolg der
Stiftungsarbeit beigetragen.
Die schönsten Begegnungen und Gespräche ergaben sich aber
durch gemeinsame Tätigkeit in den Jurys für den Preis der Stif-
tung Buchkunst und dem für junge Buchgestalter. Gerade in
Fällen unterschiedlicher Einschätzung konnte Elisabeth Nigge-
mann durch ein eigenständiges, nicht von einer „déformation
professionelle“ geprägtes Urteil beeindrucken und die Willens-
bildung steuern: locker und zugleich westfälisch beharrlich
vertrat sie ihren Standpunkt und öfnete einem den Blick. Das
ist ja generell das Bereichernde am Gespräch, dass man Neues
erfährt, eine andere Sichtweise versteht und nicht selten auch
überzeugender fndet als die bisherige eigene. Ohne viele Worte
und deshalb umso klarer kann Elisabeth Niggemann so wirken –
was ich auch in manchen anderen Gremien und persönlichen
Gesprächen immer wieder erfahren habe.
Büchermenschen fühlen sich gewiss leichter einander verbun-
den als die in anderen Berufsgruppen, und die schönen
Bücher schafen das besonders wirksam. Ich wünsche mir
noch viele gute Begegnungen dieser Art. Wie die Antiquare
sagen: amor librorum nos unit.
PROF. DR. WULF-DIETRICH VON LUCIUS ist wissenschaft-
licher Verleger in Stuttgart und seit über 30 Jahren sowohl im Ver-
waltungsrat der Deutschen Nationalbibliothek wie im Vorstand der
Stiftung Buchkunst tätig.