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DIE SICHT
VON AUSSEN
Die Deutsche Nationalbibliothek sammelt nicht nur Veröffentlichungen
aus
, sondern auch fremdsprachige Werke
über
Deutschland. Die
„Germanica“ aus allen Teilen der Welt geben Aufschluss darüber,
wie Deutschland im Ausland gesehen wurde und wird.
TEXT: CHRISTIAN SÄLZER
Wie schauen die anderen auf mich?
Was verbinden sie mit mir? Werde ich
geschätzt, gar gemocht? Solche Fragen
beschäftigen nicht nur Individuen, auch
Staaten wollen wissen, wie es um ihren
Ruf bestellt ist. Und so werden allent-
halben mal fundierte, mal eher halbgare
Meldungen darüber veröfentlicht, wie
Deutschland in anderen Ländern wahrge-
nommen wird. Als Land der Dichter und
Denker oder der preußischen Säbelrass-
ler, der bierseligen Oktoberfest-Schunkler
oder der ernsten Gartenzwergsammler –
oder ganz anders? So berichtete die BBC
jüngst von einer Umfrage, derzufolge
Deutschland seinen Spitzenplatz als be-
liebtestes Land 2011 noch ausgebaut hat.
In Österreich sollen ungeheuerliche 46
Prozent den Piefkes den Sieg bei der Fuß-
ball-EM gegönnt haben. Die deutsche
Botschaft in Paris wiederum hat heraus-
gefunden, dass nur noch sechs Prozent
der befragten Franzosen mit Deutschland
„Nazis“ und „Hitler“ verbinden.
Wer jenseits schnelllebiger Trendbarome-
ter und Straßenumfragen Genaueres über
die Außensicht auf Deutschland wissen
will, könnte sich auch an die Deutsche
Nationalbibliothek wenden. Denn hier
lagern rund 126.000 Bücher und andere
Medien aus allen Teilen der Welt, in de-
nen es ausschließlich oder vornehmlich
um Deutschland geht. 1942 wurde der
Sammelauftrag der damaligen Deutschen
Bücherei in Leipzig um fremdsprachige
Übersetzungen und eben um solche
„Germanica“ erweitert. Paradox der
Geschichte: In einem Jahr, in dem das
„Dritte Reich“ ganz Europa mit Mord
und Gräueln des Zweiten Weltkriegs
überzog, wollte man wissen, was im
Ausland über Deutschland geschrieben
wurde. Aufgrund der kriegsbedingten
Schwierigkeiten wurden schließlich erst
1948 weltweite Kontakte wiederherge-
stellt oder neu geknüpft und mit der sys-
tematischen Sammlung begonnen. Die
1946 in Frankfurt am Main gegründete
Deutsche Bibliothek tat das Gleiche. Seit
der Vereinigung ist ausschließlich der
Leipziger Standort für die Germanica
zuständig.
Die heutige Sammlung ist somit das
vorläufge Ergebnis einer mehr als sechs
Jahrzehnte dauernden internationalen
Beziehungsarbeit. Das Herkunftsland
mit den meisten Werken im Leipziger
Bestand ist die USA, gefolgt von den
Landesnachbarn Frankreich, Polen und
den Niederlanden, daneben fnden sich
Werke aus Chile, Südafrika oder Kasachs-
tan. Ebenso breit ist das inhaltliche Spek-
trum, von Romanen über Biografen und
Reiseführer bis zu Wissenschaftsbänden.
Wenig verwunderlich stellen Veröfentli-
chungen, die die Jahre 1933 bis 1945 be-
trefen, den größten Themenbereich dar,
auch zum Mauerfall und zur Wendezeit
sind Hunderte Publikationen archiviert.
Spezialthemen lassen sich ebenfalls fn-
den, seien es die Schrift der australischen
„Anti-Dumping Authority“ über Nitrilo-
triethanole aus Deutschland oder das in
London erschienene Buch „The best of
enemies“ über die Fußballrivalität „Eng-
land vs. Germany“.
Was genau als Germanicum gilt, ist in-
des nicht immer leicht zu beantworten.
Doch die Deutsche Nationalbiblio-
thek hat klare Regeln. So fällt ein Buch
zur Geschichte Europas unter den
g

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