Seite 20-21 - DNB_Leseraum_FINAL

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einmal Comic-Hefte gesammelt haben, deren Inhalte sich mit
dem Leben in Entenhausen, der Heimat der Familie Duck,
beschäftigen, und dann angefangen haben, sich wissenschaft-
lich mit dem zu beschäftigen, was in Entenhausen geschieht.
Die daraus resultierenden Studien werden im „Donaldisten“
abgedruckt, aber dort ist natürlich auch Platz für Vereinsin-
terna. Ein solches Internum ist die Stiftung Entenhausener
Kulturbesitz, die unter dem Motto „Nicht denken, schenken“
alle Donaldisten dazu aufruft, mäzenatisch aktiv zu werden
und durch Spenden zum Aufbau einer eigenen Sammlung der
D.O.N.A.L.D.
beizutragen. Wie
alles im Donaldismus hatte
auch diese Idee ihre Wurzel in
Entenhausen selbst, wo sich ein
stadtbekannter Sonderling mit
dem Namen „Wüstenwastel“ als
großer Philanthrop entpuppt,
der all seinen Reichtum den
Pfadfndern stiftet. Also lag es
nahe, die Rubrik der Stiftung
Entenhausener Kulturbesitz in
der Zeitschrift „Der Donaldist“
nach diesem Vorbild zu benen-
nen.
Warum dieser lange Exkurs
über eine Gesellschaft, die den
meisten Lesern bizarr vorkom-
men könnte (die Donaldisten
natürlich, keinesfalls Enten-
hausen)? Weil die Rubrik „Der
Wüstenwastel“ ein Schreiben der
Deutschen Nationalbibliothek
provozierte, als sie einmal in
humoristischer Absicht auf dem
Titelblatt der Zeitschrift landete,
wodurch „Der Donaldist“ Nr. 90
im Dezember 1994 ausnahms-
weise die Bezeichnung „Der Wüstenwastel Nr. 3“ trug. Nur we-
nige Monate später lernte der Verfasser als Kuratoriumsmitglied
der Stiftung den langen Arm der Nationalbibliothek kennen.
Im erwähnten Schreiben teilte ihm die Abteilung Erwerbung/
Referat Periodika mit: „Gemäß dem Gesetz über die Deutsche
Bibliothek
(BGBl. I 1982 S. 265)
und der Pfichtstückverordnung
(BGBl. I 1982 S. 1739)
bitten wir Sie um kostenlose Lieferung
des Pfichtexemplars ‚Der Wüstenwastel‘ ab Jahrgang 1995 fort-
laufende Lieferung und Früheres, soweit verfügbar. Die Nr. 3
liegt vor.“
Das war einerseits hochsympathisch, weil es nicht nur bewies,
dass die scherzhafte Umbenennung des „Donaldisten“ über-
zeugend gelungen war, sondern mehr noch, weil jeder Sammler
das Komplettierungsstreben eines anderen Sammlers versteht,
schätzt und billigt. Andererseits war es hochproblematisch,
denn außer der Nr. 3 des „Wüstenwastels“ gab es ja nichts –
weder fortlaufende Lieferungen noch Früheres –, was man der
Nationalbibliothek hätte zukommen lassen können. Und eines
ist Sammlern nur zu bewusst: Sammler verstehen keinen Scherz,
wenn es um die Sammlung geht.
Sie kennen ja nicht einmal mehr eigenes Vergnügen, wenn es
um die Sammlung geht. Dafür ist das beste Beispiel die Per-
vertierung jenes Sammelns, das, wie dem Verfasser vor mehr
als anderthalb Jahrzehnten vorgeführt wurde, auch die Nati-
onalbibliothek betreibt: des Sammelns von Comics. Auch sie
sind Schriftgut, also müssen sie in
Leipzig und Frankfurt am Main ver-
treten sein, und man darf vermuten,
dass sie dort dieselbe Sorgfalt bei der
Aufbewahrung und Konservierung
erfahren wie die anderen Bücher.
Aber eine der vornehmsten Aufga-
ben der Nationalbibliothek besteht
darin, ihre Bestände auch zugäng-
lich zu machen. Das könnte man
mit dem ganz zu Anfang erwähnten
typischen Sammlerstolz begründen,
der sich daran erfreut, wenn andere
die eigenen Schätze würdigen. Es ist
aber auch eine dem üblichen Samm-
lerinteresse entgegentretende Praxis,
weil die Nutzung von Büchern die-
se notwendig in ihrer Substanz be-
einträchtigt: Aufschlagen gefährdet
Bindung oder Heftung, Umblättern
belastet die einzelnen Seiten. Für
einen normalen Sammler, der seine
Objekte bewahren will, wären diese
Gefahren ein Albtraum.
Nun ist die Nationalbibliothek
kein normaler Sammler, und das
zeigt sich an keinem anderen ih-
rer Sammelgebiete so deutlich wie an Comics. Denn es gibt
einen grundlegenden Unterschied zwischen Bücher- und Co-
micsammlern. Erstere sind meist Bibliophile im klassischen
Verständnis: Sie lieben Bücher, und diese Liebe zeigt sich darin,
dass sie Bücher lesen. Comicsammler dagegen lieben ihre Hefte
auch, aber die meisten lesen sie nicht. Denn Lektüre droht die
Sammelobjekte wertmindernd zu beschädigen.
Um zunächst ein wenig Verständnis für diese seltsame Aufassung
vom Sammeln zu erzeugen, sei darauf hingewiesen, dass Comics
lange über ihre Anfangszeiten hinaus auf billigstem und somit
wenig alterungsbeständigem Papier gedruckt wurden. Ihr erster
Publikationsort waren am Ende des neunzehnten Jahrhunderts
amerikanische Tageszeitungen, und heute schlagen Sammler und
Archivare sich mit den bekannten Problemen des damals leider
sehr säurehaltigen und im Falle von Zeitungen zusätzlich be-
sonders dünnen Papiers herum. Der ganz überwiegende Teil
g

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