Teamstrukturen in Bibliotheken

ein Entwicklungsprozeß am Beispiel der Stadtbücherei Münster

Monika Rasche

Die Ausgangssituation

1993 bezog die Stadtbücherei Münster ein neues Gebäude, das fast fünfmal so groß war wie das alte Gebäude. Gleichzeitig erfolgte die Automatisierung aller Betriebsabläufe von der Ausleihe bis zur Erwerbung. Die Ausleihzahlen entwickelten sich rasant. Inzwischen liegt die Steigerungsrate bei 75 % gegenüber 1992. Gleichzeitig vollzog sich ein Wandel der Stadtbücherei von einer Ausleihstelle zu einem Kommunikations- und Kulturzentrum mit einem vielfältigen Veranstaltungs- und Ausstellungsangebot.

Nahezu unverändert blieb jedoch die Aufbau- und Ablauforganisation der Stadtbücherei. Es handelte sich um eine klassisch-hierarchische Organisationsstruktur mit drei Abteilungen. Die Zentralabteilung war zuständig für Erwerbung, Katalogisierung, buchtechnische Arbeiten und Schlußstelle. Die Aufgabe der Lektoratsabteilung war die Auswahl der Bücher und Medien sowie deren sachliche Erschließung. Alle publikumsbezogenen Funktionen waren in der Benutzungsabteilung gebündelt.

Diese Organisationsstruktur war den neuen Herausforderungen nicht gewachsen. Die funktionsbedingte Trennung zwischen Zentralabteilung und Lektorat hatte im laufenden Geschäftsprozeß einen hohen Abstimmungsbedarf an den Schnittstellen zur Konsequenz und war infolgedessen konfliktträchtig. Es gab keine eindeutigen Zuständigkeiten für das Ergebnis des Geschäftsprozesses „Medieneinarbeitung". Die Benutzungsabteilung zog zur Bewältigung des hohen Besucher- und Ausleihaufkommens ständig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den beiden internen Abteilungen ab, was von den Betroffenen als hohe Belastung empfunden wurde.

Kinderbücherei als Vorreiter

In dieser Situation stellte sich heraus, dass kleine Organisationseinheiten mit einem auch räumlich deutlich erkennbaren Zuständigkeitsbereich ein hohes Maß an Funktionsfähigkeit entwickelt hatten wie z.B. die Kinderbücherei. Deren Mitarbeiterinnen sind zuständig für das Medienangebot sowie die Auskunfts- und Beratungstätigkeit in der Kinderbücherei. Ihnen obliegt für ihren Bereich die Öffentlichkeitsarbeit, die insbesondere Führungen und Veranstaltungen umfaßt.

Während die Erfolge der Stadtbücherei Münster von den meisten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eher als Belastung empfunden wurden, setzte in der Kinderbücherei die Freude an gemeinsamen Erfolgen ein hohes Maß an Kreativität bei der Entwicklung von Ferienprogrammen und Projekten mit Institutionen außerhalb der Bücherei frei.

 

Ähnliche Entwicklungen - wenn auch in anderer Form - gab es in der Mediothek - ebenfalls ein Bereich mit eigener räumlicher Zuordnung. Hier entwickelten sich für die Einarbeitung neuer Medien, die im alten Haus noch nicht angeboten wurden, eigene Einarbeitungsprozesse die ausschließlich in der Verantwortung der Mitarbeiterinnen der Mediothek lagen.

Qualitätszirkelarbeit im Rahmen des Projekts „MiO"

So bildeten sich zunächst innerhalb der überkommenen Organisation - sozusagen als „freie Radikale" - erste Teamstrukturen, indem innerhalb dieser Bereiche abteilungsübergreifend Funktionen gebündelt wurden. Einen weiteren Schub erhielt diese Entwicklung durch ein Projekt zur Mitarbeiterorientierung in der Stadtbücherei Münster.* Ausgelöst durch eine Mitarbeiterbefragung im Rahmen eines Leistungsvergleichs der Bertelsmann Stiftung (Projekt: Effiziente Strukturen im Kulturbereich) artikulierten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwei Jahre nach Eröffnung des neuen Gebäudes ihren Unmut über die vorhandenen Situationen im Betrieb.

Um hier Verbesserungen zu erzielen wurde das Projekt „MiO" (für Mitarbeiter-Orientierung) initiiert. In einem Infomarkt hatten alle die Gelegenheit aus ihrer Sicht die Schwächen und Stärken der Stadtbücherei zu benennen und zu werten, welche Probleme am drängendsten waren. Für deren Lösung wurden sodann Qualitätszirkel gebildet.

 

Weitreichende Selbstorganisation des Ausleihdienstes in „Quartetten"

Der erste Qualitätszirkel „Dienstplan" setzte sich mit den Diensten in der Ausleihe auseinander. Fehlende Transparenz bei der Diensteinsatzplanung hatte häufig zu dem Gefühl geführt, Einsätze seien ungleich verteilt, persönliche Belange nicht berücksichtigt worden. Heute planen die Ausleihdienstmitarbeiter in Kleingruppen bestehend aus vier Personen (sogenannten Quartetten) ihren Diensteinsatz an großen Magnettafeln weitestgehend eigenverantwortlich. Die neue Selbstorganisation hat die Arbeitsmenge zwar nicht reduziert. Aber durch die Transparenz und die Möglichkeiten zur eigenen Gestaltung des Diensteinsatzes stiegen Zufriedenheit am Arbeitsplatz und das Verständnis für dienstliche Belange.

 

Appell zur Reorganisation

In einem weiteren Mitarbeiterzirkel wurde Ende 1996 ein Appell zur Verbesserung der Aufbau- und Ablauforganisation an die Leitung der Stadtbücherei gerichtet. Die Mitarbeiter sahen diesen Verbesserungsbedarf, weil für sie nicht klar war, welche Zuständigkeiten und welche Verantwortungsbereiche von den einzelnen Beschäftigten wahrgenommen wurden und der Organisationsaufbau nicht immer mit inzwischen veränderten Arbeitsabläufen kompatibel war.

 

Herausforderungen der Verwaltungsreform

Ungefähr zur gleichen Zeit hat sich die Stadtverwaltung in Münster für ein neues Steuerungsmodell entschieden. Ziele dieser Verwaltungsreform sind

- mehr Bürgerorientierung

- mehr Mitarbeiterorientierung durch mehr Eigenverantwortung, Stärkung der Eigeninitiative und Abbau hierarchischer Entscheidungswege

- Transparenz durch klare Zuständigkeitsregelungen und Zielvereinbarungen

- höheres Maß an Effizienz und Effektivität des verwaltungsinternen Handelns.

Um diese Ziele erreichen zu können wurden als Instrumente eingeführt:

- Produktbildung

- Jahresgespräche zur Realisierung eines Führungsstiles mittels Zielvereinbarung

- Kosten-Leistungs-Rechnung als Voraussetzung für eine zukünftige dezentrale Ressourcenverantwortung.

Die hergebrachte Organisationsstruktur der Stadtbücherei erwies sich auch als nicht kompatibel mit diesen Anforderungen. Die funktionsorientierte Abteilungsgliederung widersprach dem Prinzip der Ergebnisverantwortung. Der Geschäftsprozeß „Einarbeitung von Büchern" durchlief mehrere Stationen wechselnd zwischen zwei verschiedenen Abteilungen.

Führen durch Zielvereinbarung war praktisch nicht möglich, da eine Vielzahl von Personen in zwei verschiedenen Abteilungen für das Arbeitsergebnis verantwortlich waren. Entscheidungen betreffend den Geschäftsprozeß konnten praktisch nur auf der höchsten hierarchischen Ebene getroffen werden. Anstelle der Eigenverantwortung waren im Geschäftsprozess wiederholte Kontrollen vorgesehen.

Die Leitungsebene der Stadtbücherei hat sich daraufhin einer Reorganisation der Stadtbücherei gewidmet. Ergebnis war Ende 1997 der Entwurf einer neuen Organisationsstruktur für die Stadtbücherei Münster. Aufgrund der guten Ergebnisse der bereits existierenden Gruppen treten zukünftig an die Stelle der Abteilungen überschaubare Arbeitseinheiten - die Gruppen (entsprechend Teams).

 

 

Führung im Team

Zunächst hat sich auch die Bibliotheksleitung bestehend aus der Leiterin und den ehemaligen drei Abteilungsleitern und -leiterinnen als Gruppe „Führung und Organisation" konstituiert. Innerhalb dieser Gruppe wurden sodann klare Zuständigkeiten für die Führungsaufgaben und Verantwortlichkeiten für die Gruppen formuliert. Zugleich hat die Gruppe eine Generalklausel hinsichtlich der Entscheidungsverantwortung formuliert. Diese lautet wie folgt:

 

 

„Ziel ist es, dass alle Entscheidungen auf der Führungsebene einvernehmlich getroffen werden. Läßt sich im Einzelfall ein Einvernehmen nicht herstellen, so ist der Amtsleiterin die endgültige Entscheidung vorbehalten, wenn sie die Verantwortung dafür Dritten gegenüber tragen muß, - z.B. in Fragen des rechtmäßigen Handelns, der ordnungsgemäßen Mittelbewirtschaftung, bei Beschlußvorlagen für die parlamentarischen Gremien, bei Fragen mit erheblicher Außenwirkung - oder wenn die Entscheidung erheblich von den vereinbarten Zielen abweicht.

In allen anderen Fällen kann eine Entscheidung nur mit Zustimmung desjenigen Mitglieds der Gruppe „Führung und Organisation" getroffen werden, in dessen Zuständigkeitsbereich die Verantwortung für die Konsequenzen fällt. Die Zustimmung kann von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht werden.

Tritt eine Situation ein, in der die Mitglieder der Gruppe nicht in der Lage sind, eine Entscheidung herbeizuführen, kann die Möglichkeit einer externen Moderation in Anspruch genommen werden."

 

Auf dieser Grundlage arbeitet das Leitungsteam seit ca. einem Jahr erfolgreich zusammen.

 

 

Teamarbeit in der Zweigstelle

Ebenfalls Ende 1997 ergab sich die Gelegenheit ein weiteres Team zu bilden. In einer Zweigstelle war die Stelle der Zweigstellenleiterin vakant. Sie wurde in dieser Form nicht wieder besetzt. Stattdessen wurde drei Kolleginnen (qualifizierten Assistentinnen bzw. Buchhändlerinnen) zu gleichen Teilen die Verantwortung für die Zweigstelle übertragen.

Unter dem Aspekt, dass Teamarbeit nicht bedeutet, dass alle alles machen, erhielten die drei den Auftrag, die Zuständigkeiten hinsichtlich der Aufgaben festzulegen. Die Basisaufgaben (Auskunft, Verbuchung, Buch- und Medienpflege) werden von allen in gleichem, ihren Arbeitszeitanteilen entsprechendem Umfang erledigt. Die Leitungsaufgaben (Bestandsaufbau und Öffentlichkeitsarbeit) wurden nach Bestandssegmenten und Zielgruppen untereinander aufgeteilt. An den Zweigstellenleiterbesprechungen nimmt entweder abwechselnd je eine Kollegin teil oder es nimmt diejenige Kollegin teil, deren Zuständigkeitsbereich in besonderer Form betroffen ist. Eine Hierarchie zwischen Zweigstellenleiterin und Assistentin wie in den anderen Zweigstellen gibt es hier nun nicht mehr.

Da es sich um ein Experiment handelte, wurde zunächst ein Probejahr vereinbart. Das Team erwies sich als außerordentlich erfolgreich. Alle Mitglieder, die vorher als Assistentinnen in hierarchisch gegliederten Zweigstellen gearbeitet hatten, begrüßten es, innerhalb fest umrissener Zuständigkeiten Handlungsspielräume zu haben und Entscheidungen selbständig treffen zu können. Alle betonten Freude an der Arbeit zu haben und sich auf die anderen Teammitglieder verlassen zu können.

Es soll nicht verschwiegen werden, dass es auf dem Weg dorthin auch Schwierigkeiten gegeben hat. Die drei Kolleginnen hatten zunächst eine sehr kleinteilige Aufgabenverteilung vorgenommen, die einen hohen Koordinierungsaufwand befürchten ließ und die daher weder für die Leitung der Stadtbücherei noch für die Lektorin, die den Bestandsaufbau in den Zweigstellen koordiniert, akzeptabel war. Ebensowenig wäre die Aufgabenteilung für die Bewohner des Stadtteils transparent gewesen. Heute wissen diese genau, wer Ansprechpartnerin für die Schulen und wer dies für die Gruppen und Vereine ist.

Auch die Gewöhnungsphase gestaltete sich für die Kolleginnen als anstrengend, da sie zunächst noch von Zweifeln und fehlendem Vertrauen geprägt war.

Die erfolgreiche Arbeit der Kolleginnen spiegelte sich auch in deutlich steigenden Ausleihzahlen, einer zunehmenden Zahl von Klassenführungen und einer erhöhten Akzeptanz im Stadtteil wider. Trotz des Erfolges kann das Modell zurzeit nicht auf andere Zweigstellen übertragen werden, da es personelle Veränderungen voraussetzt.

 

 

ReO - das Projekt zur Reorganisation der Stadtbücherei

Im Zuge der gesamten Reorganisation der Stadtbücherei soll es zukünftig zwei Arten von Gruppen geben: Medien- und Funktionsgruppen.

Die Mediengruppen beziehen sich auf Angebotssegmente und bilden daher auch aus Benutzersicht zusammengehörige Einheiten. Mediengruppen sind:

- Sachliteratur 1

- Sachliteratur 2

- Nahbereich, Schöne Literatur

- Infothek (mit dem Broschürenangebot)

- Informationszone (mit Nachschlagewerken und den elektronischen Medien wie Internet und CD-ROM an PC-Arbeitsplätzen)

- Kinderbücherei

- Mediothek

- Zweigstellen

Funktionsgruppen sind solche, deren Zusammengehörigkeit sich an systemübergreifenden Funktionen orientiert. Sie sind zentrale „Dienstleister", die für die Mediengruppen Aufgaben übernehmen, bei denen eine Bündelung rationeller erscheint als eine Dezentralisierung.

Hierbei wird nach internen und externen Funktionsgruppen unterschieden. Externe Funktionsgruppen leisten ihre Dienste unmittelbar gegenüber den Benutzern bzw. der Öffentlichkeit. Sie gewährleisten, dass die Angebote der Stadtbücherei ihre Abnehmer erreichen. Es handelt sich um die Gruppen

 

- Zentrale Auskunft

- Ausleihe

- Erstinformation / Servicecenter

- Öffentlichkeitsarbeit

Interne Funktionsgruppen haben keine direkten Publikumskontakt, sie schaffen die innerbetrieblichen Voraussetzungen für ein Funktionieren der Stadtbücherei. Interne Funktionsgruppen sind

- Allgemeine Verwaltung mit Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen

- EDV

- Haustechnik

- Erwerbung, Zeitschriften

- Buchtechnik

Für die Gruppen wurden folgende Essentials formuliert:

Die Aufgabe der Gruppen

Im Rahmen ihrer Zuständigkeit und der jeweiligen Zielvereinbarung organisiert jede Gruppe selbständig ihre Angelegenheiten.

Wieviel und welche Aufgaben innerhalb oder außerhalb der Gruppe erledigt werden, kann von Gruppe zu Gruppe variieren. Bereits heute gibt es Beispiele für eine dezentrale Aufgabenwahrnehmung (Mediothek mit Einarbeitung; Kinderbücherei mit Öffentlichkeitsarbeit; Zweigstellen mit Ausleihe)

Die Eigenständigkeit findet ihre Grenzen in der Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes der Stadtbücherei.

Über Möglichkeiten der dezentralen Ressourcenverantwortung wird im Laufe des ReO- Prozesses - in Abhängigkeit der Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung in der Verwaltung - verhandelt werden.

 

Die Organisation innerhalb der Gruppe

Jede Gruppe wird einen Gruppensprecher haben. Die Funktion dieses Gruppensprechers kann abhängig von der Aufgabe und der Zusammensetzung der jeweiligen Gruppe sehr unterschiedlich sein, d. h. er kann Vorgesetzter für die übrigen Gruppenmitglieder sein, er kann jedoch auch nur Ansprechpartner sein.

Der Gruppensprecher ist Kontaktperson zur Führungsebene und zu den anderen Gruppen.

Ein Mitarbeiter kann mehreren Gruppen angehören. Dies ist z.B. erforderlich, um die Publikumsdienste zu gewährleisten. So sind alle Bibliothekare der Zentralbibliothek - sofern sie nicht in einer Mediengruppe mit eigenen Auskunftsplatz arbeiten (z.B. Kinderbücherei) auch Mitglieder der Funktionsgruppe Auskunft, während die meisten Assistenten immer auch zur Gruppe Ausleihe gehören. Dabei ist genau definiert, in welcher Gruppe sie Stammmitglied sind und in welcher Gruppe nur „versetztes" Mitglied.

Die Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppen ist Vereinbarungssache, wobei jedoch zwischen bibliothekarischen und Assistenztätigkeiten zu unterscheiden ist, um dem BAT Rechnung zu tragen.

Für die Hierarchie innerhalb der Gruppe gilt grundsätzlich auch die für das Verhältnis innerhalb von F + O gebildete Generalklausel. Bei Konfliktfällen innerhalb der Gruppe ist es die Aufgabe von F + O zu moderieren.

Die Kommunikationsstruktur

Ist eine andere Gruppe bzw. sind mehrere Gruppen betroffen, sprechen sich die Gruppen untereinander auf gleicher Ebene ab (netzartige Kommunikation).

Konflikte zwischen den Gruppen sind durch Vereinbarungen und Abstimmungen zu lösen. Ggf. sind die betroffenen Führungskräfte als Moderatoren hinzuziehen. Konfliktlösungskompetenz tritt an die Stelle hierarchischer Entscheidungen.

Es gibt keine durch die Organisation bedingte Vorrangstellung zugunsten von Funktions- bzw. Mediengruppen.

Es besteht eine Berichtspflicht der Gruppen gegenüber der Gruppe

F +O, die sich insbesondere auch auf Planungen bezieht.

Zu diesem Zweck findet jährlich ein Planungsgespräch der Gruppe mit den zuständigen Führungskräften statt, in denen die Ziele für das nächste Jahr vereinbart werden.

Zwischengespräche in viertel- oder halbjährlichen Abständen (in Abhängigkeit von den Aufgaben der Gruppe) zwischen Führungskräften und Gruppensprechern dienen der Kontrolle der Zielerreichung und der Zielkorrektur.

Darüber hinaus können Rücksprachen (regelmäßig oder nach Vereinbarung) zwischen Gruppensprechern und erster Führungskraft stattfinden.

Der Reorganisationsprozeß

Nachdem die Grundlagen der Reorganisation und die neue Organisationsstruktur allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vorgestellt worden waren, erhielt eine Projektgruppe den Auftrag am Beispiel der Sachliteratur

- Struktur, Aufbau und Zusammensetzung einer Gruppe zu erarbeiten

- effektive Arbeitsabläufe und sinnvolle Arbeitsverteilung vorzuschlagen.

Die Tätigkeiten aus Katalogisierung, Koordinierung, Lektorat und Schlußstelle sollten durch Vereinfachung von Arbeitsabläufen und Reduzierung von Kontrollarbeiten konzentriert werden, die Erwerbung sollte teilweise integriert werden, Bestandsvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit sollten an die Mediengruppen angebunden werden.

Die Arbeit der Projektgruppe erwies sich als problematisch. Während des Projekts stellte sich heraus, dass zu Beginn der Projektarbeit versäumt worden war, gemeinsam das Ziel des Projekts zu vereinbaren, den Nutzen zu benennen und sich auf einen Maßstab für die zukünftige Qualität zu einigen.

Während die Projektgruppe nach wie vor einem möglichst fehlerfreien Katalog und einer einwandfreien Sacherschließung die höchste Priorität einräumte und für sich selbst als Ziel noch die schnellere Einarbeitung der Medien benannte, entwickelte die Gruppe „Führung und Organisation" zwischenzeitlich andere Qualitätsmaßstäbe. Es sollten Kapazitäten frei werden, um die Auskunftstätigkeit insbesondere im Bereich der Neuen Medien optimieren zu können durch die Einrichtung eines speziellen Auskunftsplatzes in der Informationszone. Die zentrale Information sollte von den eingehenden Telefongesprächen entlastet werden, um sich auf die Beratung der Nutzer im Haus konzentrieren zu können. Dies sollte durch Einrichtung eines Telefonservices an einem internen Arbeitsplatz erfolgen.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Zielvorstellungen entsprachen die Vorschläge der Pilotprojektgruppe nicht denen der Leitungsebene. Die Krise im Projekt war damit vorprogrammiert. Sie wurde überwunden durch eine kritische Aussprache zwischen den Projektmitgliedern und der Leitungsebene, in der das Versäumte nachgeholt wurde.

Danach machte sich die Projektgruppe erfreulicherweise wieder mit erheblichem Engagement an ihre Aufgabe, strukturierte die Arbeitsabläufe, entwickelte Schulungskonzepte, so daß zukünftig in den Gruppen alle einarbeitungsrelevanten Tätigkeiten verrichtet werden können. Für Arbeitsabläufe, die sich als zu kompliziert für eine Integration in die Mediengruppen erwiesen (z.B. Ansichtsabonnements von Taschenbuchserien) wurden Alternativen entwickelt.

Januar 1999 gehen die Mediengruppen an den Start, die Abteilungsgliederung ist überwunden. Am 01.02.1998 nimmt das sogenannte Servicecenter seine telefonische Auskunftstätigkeit auf. Ebenfalls im Februar 1999 soll die Auskunft in der Informationszone zunächst für einige wenige Wochenstunden geöffnet werden. Dieser Dienst soll in der zweiten Jahreshälfte noch ausgeweitet werden.

Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich die neue Gruppenstruktur in der Praxis bewährt und ob sie die gewünschten Effizienzeffekte für die Arbeitsabläufe mit sich bringt und die Stadtbücherei den neuen Herausforderungen dann besser gewachsen ist als mit der alten Organisationsstruktur. Schließlich stand die Reorganisation unter dem Motto

„So wird die

Stadtbücherei Münster

fit für’s nächste Jahrtausend."

 

 

Begleitende Maßnahmen

Ein solcher Reorganisationsprozeß ist für alle Beteiligten belastend. Für die Mitarbeiter bedeutet er eine massive Veränderung des Arbeitsumfelds einschließlich kollegialer Beziehungen und ein Abschied von liebgewordenen Tätigkeiten, wodurch teilweise in Frage gestellt wird, was bisher mit großem Engagement und Überzeugung geleistet worden ist. Auch für die Führungsebene ist die Initiierung und Begleitung eines solchen Prozesses ein Novum. Nicht in allen Situationen verhält man sich angemessen und muß oft auch aus Fehlern lernen. Um das Ziel zu erreichen müssen auch Entscheidungen getroffen werden, die nicht unbedingt immer auf die ungeteilte Zustimmung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stoßen.

Begleitende Maßnahmen im Rahmen eines solchen Prozesses sind daher von großer Bedeutung. Besonders hervorzuheben sind hier die folgenden Fortbildungen

Moderationstraining als Voraussetzung für die qualifizierte Begleitung von Qualitätszirkelarbeit

Besprechungstechnik um ergebnisorientiert und effektiv Besprechungen führen zu können

Teamschulungen um deutlich zu machen, wie wichtig es ist im Team eindeutige Zuständigkeiten zu formulieren und Teambildungsprozesse kennenzulernen

Führungsfortbildungen wie „Jahresgespräche effektiv führen" und „Leistung durch Kommunikation" insbesondere um die Technik des Führens durch Zielvereinbarungen kennenzulernen.

Projektmanagement zur Steuerung von Projekten (Das entsprechende Seminar wurde leider erst durchgeführt, nachdem das Pilotprojekt im Rahmen des Reorganisationsprozesses nahezu abgeschlossen war. Es führte uns die Mängel bei dem Projektverlauf deutlich vor Augen.)

Hierbei handelte es sich in fast allen Fällen um Fortbildungen aus dem Fortbildungsprogramm des Personalamtes der Stadt Münster, das eine große Hilfe bei derartigen Veränderungen bietet.

 

Im Rahmen des Prozesses wurde auch deutlich, welche Bedeutung Ziele für eine Institution haben und dass der Erfolg eines solchen Prozesses auch von der eindeutigen Formulierung messbarer Ziele abhängt. Unter externer Moderation wurde daher ein Workshop „Ziele bilden und ableiten" durchgeführt, an dem neben den vier Führungskräften der Stadtbücherei acht weitere Mitarbeiterinnen teilnahmen. Ergebnis dieses Workshop war die Formulierung einer „mission" für die Stadtbücherei Münster, die wie folgt lautet:

 

 

1. Unsere Aufgabe ist es,

- Bücher

- Zeitschriften

- audiovisuelle Medien

- elektronische Medien

- Spiele

- Noten

- und andere Medien

anzubieten!

2. Wir zeichnen uns aus durch

- aktuelle Bestände

- ein nachfrageorientiertes Angebot

- Präsenz im gesamten Stadtgebiet

- sehr hohe Erreichbarkeit bei großzügigen Öffnungszeiten sowie

- permanente Verbesserung unserer Dienstleistungen!

3. Wir eröffnen unseren Kunden individuellen Zugang zu Medien und Informationen!

4. Wir bieten Raum für Ausstellungen und Veranstaltungen und ein Forum für kulturellen Austausch!

5. Die Erfüllung unserer „mission" verstehen wir als Beitrag zur Stärkung des kulturellen Lebens und der Attraktivität der Stadt Münster!

 

Um den hier formulierten Ansprüchen gerecht zu werden, wurden hieraus Ziele abgeleitet und Kriterien für den Erfolg bei der Zielerreichung festgelegt, z.B. „Der Kunde erhält qualifiziert Auskünfte". Erfolgskriterium hierfür ist u.a. die Reduzierung der Störungen durch Telefonanrufe an der Auskunftstheke.

Gerade auch in diesem Workshop wurde deutlich, dass Veränderungen in der Steuerung einer Bibliothek auch veränderte Organisationsstrukturen voraussetzen. Die Klarheit, mit der hier über Ziele gesprochen werden konnte, wäre bei der alten Abteilungsgliederung mit ihren an vielen Stellen ungeklärten Zuständigkeitsfragen nicht möglich gewesen.

 

 

Ausblick

Mit der Auflösung der Abteilungsstruktur ist der Teambildungsprozess in der Stadtbücherei Münster mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen. In vielen Punkten müssen noch die Rahmenbedingungen verändert werden, damit die Gruppen tatsächlich eigenverantwortlich handeln können. Es müssen noch Wege gefunden werden wie die traditionell knappen Mittel auf die Gruppen verteilt werden und Transparenz

zwischen allen Beteiligten geschaffen werden kann bei gleichzeitiger Einhaltung aller haushaltsrechtlichen Restriktionen. Geklärt werden muß auch die Form der Zusammenarbeit der Gruppen untereinander insbesondere zwischen den Funktionsgruppen als Dienstleistern und den Mediengruppen. Die Frage, ob der Reorganisationsprozess erfolgreich war und die Teamstrukturen sich bewährt haben, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden. Aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen zeichnet sich jedoch ab, dass Teams das halten, was betriebswirtschaftliche Lehrbücher versprechen, nämlich

effiziente und effektive Erledigung der Arbeiten

Motivation durch gemeinsame Ziele und Freude durch gemeinsame Erfolge

Lösungen von Problemen in der Gruppe

Innovation durch Gruppenkreativität.

 

* s. hierzu: Rasche, Monika: MiO, unser MiO in BuB 1998, S. 380f.