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Rechtskommission des DBI
Veröffentlichungen

Gabriele Beger
Outsourcing - Privatisierung - Bibliothek
Rechtliche Aspekte

Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 28. (1994), S. 1066.

Privatisierung, Outsourcing, Lean Production werden in Sparzeiten als Lösungen aller Probleme gehandelt.

Outsourcing und Lean Production, in der Wirtschaft als Managementmethode schon lange bekannt, finden nun in wirtschaftlichen Krisenzeiten auch im "Unternehmen öffentliche Hand" Beachtung.

Unternehmen, die in Konjunkturzeiten nach diesen Grundsätzen handeln, sind i.d.R. auch in Krisenzeiten stark. Das Geheimnis ist eine kritische Sicht aller Arbeitsabläufe, das Verhindern des Aufblähens einzelner Bereiche und des gesamten Unternehmens (auch ihrer Verwaltungen). Das Ergebnis ist Flexibilität, produktive Arbeitsteilung, gewinnbringende Kosten-Nutzen-Analyse, überschaubare dezentrale arbeitsfähige Verantwortungsgebiete.

Outsourcing bietet sich an, wenn

Ohne Frage können auch Bibliotheken in öffentlicher Trägerschaft durch diese Managementmethoden flexibler, benutzerfreundlicher und sparsamer arbeiten.

Outsourcing von Aufgaben einer öffentlichen Bibliothek bietet sich an, wenn

diese Aufgaben wirtschaftlicher in einer anderen Rechtsform betrieben werden können,

Entsprechend der "wörtlichen" Übersetzung des Wortes Outsourcing geht es um ein Ausgliedern/ Herausverlagern. In Bezug auf öffentliche Bibliotheken (meist nichtrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts) kommen folgende Varianten in Betracht:

1. Verfassungsrechtliche Aspekte

Das Grundrecht auf freie Information (Art. 5 GG)1) , wie auch das Recht auf Bildung, sind nach der Konzeption der deutschen Verfassung Rechte des einzelnen Staatsbürgers. Gleichwohl nehmen sie die Träger der öffentlichen Gewalt (Staat, Land, Gemeinde) in die Pflicht. Hinsichtlich des Rechts auf freie Information und des Rechts auf Bildung bedeutet dies, daß alle notwendigen Voraussetzungen zu treffen sind, um den Zugang zu Informationen und die gewünschte Bildung jedem Staatsbürger zu ermöglichen. Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß Bibliotheken in besonderem Maße dazu geeignet sind. Durch die Beteiligung der öffentlichen Hand kann sichergestellt werden, daß das Grundanliegen der Informationsfreiheit, "der freie ungehinderte Zugang zu den Informationsquellen", jedermann zukommt. Reine wirtschaftliche Interessen könnten u.a. den Betrieb zwingen, bestimmte Leistungen einzustellen und Benutzergruppen auszuschließen. Bei der Anwendung von Outsourcing gilt es, dies gleichermaßen zu berücksichtigen.

Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen erstreckt sich auch auf die Befugnis, die Organisation der Kommunalverwaltung einschließlich der gemeineigenen Einrichtungen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen eigenverantwortlich zu gestalten. Die Rechtsgrundlage dafür ist im Grundgesetz festgeschrieben.2) Das Selbstbestimmungsrecht schließt das Recht ein, sowohl die vom allgemeinen Gesetzesrecht zur Verfügung gestellten Organisationsformen des öffentlichen Rechts als auch die des privaten Rechts anzuwenden.

Das Selbstbestimmungsrecht der Kommunen findet seine Grenzen in dem "wichtigen Interesse der Allgemeinheit", d.h., die Gründung und die Beteiligung an einer bestehenden privatrechtlichen Betriebsform muß die Wahrnehmung wichtiger Kommunalaufgaben gewährleisten und sich "nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lassen" (§ 65 BHO).3)

2. Datenschutzrechtliche Aspekte

Die Erfüllung von Bibliotheksaufgaben im weitesten Sinne ist meist unverzichtbar mit Datenerhebung, -verarbeitung, -nutzung und -übermittlung i.S. des Datenschutzrechtes verbunden.

Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)4) gilt für den gesamten nicht-öffentlichen Bereich sowie für den öffentlichen Bereich des Bundes. Für den öffentlichen Bereich der Länder ist grundsätzlich das einschlägige Landesdatenschutzgesetz anzuwenden. Dies ist selbst dann der Fall, wenn Bundesrecht ausgeführt wird.

Mit der Übertragung von Aufgaben an Dritte werden fast regelmäßig datenschutzrechtliche Tatbestände tangiert.

Hierbei sind insbesondere zwei Tatbestände zu unterscheiden:

  1. die "Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten im Auftrag" (§ 11 BDSG) von der

  2. "Datenspeicherung, -übermittlung und -nutzung für eigene Zwecke" (§ 28 BDSG).

Bei der Datenverarbeitung im Auftrag richtet sich die Zulässigkeit nach der Zweckerfüllung des Auftraggebers. Der Auftraggeber trägt demzufolge auch die Verantwortung des Datenschutzes. Die Datenverarbeitung des Auftragnehmers ist stets Datenverarbeitung des Auftraggebers.

Die Datenverarbeitung im Auftrag ist von der Funktionsübertragung und dem remote-batch-Betrieb zu unterscheiden. Diese Fälle liegen vor, wenn die Bibliothek z.B. ihre gesamte Datenverarbeitungsanlage einem anderen zu dessen Nutzung (remote-batch-Betrieb) und Erfüllung einer bestimmten Gesamtfunktion für die eigene Bibliothek (Funktionsübertragung) überläßt. Bei dem Auftragnehmer handelt es sich nunmehr um eine "eigene Datenverarbeitung". Die Verantwortung des Datenschutzes liegt originär bei ihm. Die Zulässigkeit der Datenspeicherung und -verarbeitung richtet sich nach der Zweckbindung des Vertragsverhältnisses mit der Bibliothek.

3. Haushaltsrechtliche Aspekte

Von dem i.d.R. notwendigen Staatsakt (Gesetz oder Beschluß) zur rechtsverbindlichen Gründung eines Unternehmens (vgl. u.a. StiftungsG, AktienG) zu unterscheiden ist die unter bestimmten Bedingungen notwendige Einwilligung des Parlaments zur Beteiligung an der Gründung, zur Veräußerung von Anteilen und zur Auflösung und Umwandlung von Unternehmen (vgl. u.a. § 65 Abs.7 BHO und § 65 Abs. 6 Bln LHO.5)

Werden bei der Überführung - auch von Teilbereichen - in eine private Rechtsform gleichfalls Vermögensgegenstände veräußert, so darf die Veräußerung grundsätzlich nur zum vollen Wert erfolgen und wenn die Gegenstände "in absehbarer Zeit nicht zur Erfüllung der Aufgaben" der Kommune benötigt werden (§ 63 BHO, § 63 Bln LHO).6)

Nach § 26 BHO haben Betriebe, Sondervermögen und Zuwendungsempfänger i.d.R. einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der als Anlage dem Haushaltsplan der Kommune beigefügt wird. Die Gewährleistung des Prüfungsrechts nach § 53 Haushaltsgrundgesetz (HGrG)7) , sowohl bei Mehrheits- als auch bei Minderheitsbeteiligung, findet seine Regelung in den §§ 66,67 BHO.

Liegt Outsourcing in Form der Übernahme von Fremdleistungen - ohne Veräußerung und Überführung eines Betriebsteils - vor, so haben o.g. Kriterien keine Bedeutung. Hier gilt es lediglich den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Ausschreibung zu folgen (§ 30 HGrG). Dabei ist zu unterscheiden zwischen der notwendig EG-weiten Ausschreibung, der öffentlichen und der beschränkten Ausschreibung, die sich aus Gründen der Sache nur an einen bestimmten Kreis infragekommender Anbieter richtet.

Des weiteren sind etwaige Strukturveränderungen und personalrechtliche Folgen zu berücksichtigen, die verbindlich vom jeweiligen Rechtsträger einer Lösung zuzuführen sind.

Eine gesetzlich zugesicherte Konkursunfähigkeit kommt nur den juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Staatsaufsicht unterliegen, zu (§ 1 Gesetz über die Konkursunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts vom 27.03.1990 (GVBL S.682) verkündet am 03.04.1990).

Für privatrechtlich organisierte Unternehmen kann ein Konkursverfahren - bei überwiegender Beteiligung der öffentlichen Hand und durch Stiftungsaufsicht - ebenfalls abgewendet werden. Wobei zu beachten ist, daß dies nur das Vermögen betrifft, nicht das Unternehmen selbst.

4. Steuerrechtliche Aspekte

Die steuerrechtlichen Auswirkungen können hier auf Grund der Fülle der Fakten nicht umfassend behandelt werden. So sei lediglich eine globale Aussage erlaubt. Zu berücksichtigen sind (entsprechend dem Einzelfall) die Körperschaftssteuer (Einkommenssteuer der juristischen Personen, Personenvereinigungen und Vermögensmassen sowohl des privaten als auch des öffentlichen Rechts), die Gewerbesteuer, die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), die Vermögenssteuer, die Lohnsteuer und die Sozialversicherung.

Steuerrechtlich dürften sich bei der Privatisierung einer Bibliothek keine gravierenden Konsequenzen ergeben, solange die Bibliothek weiterhin als "Einrichtung der öffentlichen Hand" betrieben wird. Die damit verbundene Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht bietet nicht nur finanzielle Vorteile, da somit auch keine Abschreibungen möglich sind.

5. Personalrechtliche Aspekte

Bei der Umwandlung einer Einrichtung und auch von Teilbereichen der Einrichtung ist gemäß PersVG der Personalrat zu beteiligen. Dabei steht ihm ein Mitwirkungsrecht bei der Auflösung zu (§ 78 Abs.1 Ziff.2 BPersVG) und ein Mitbestimmungsrecht bei den damit verbundenen personellen Maßnahmen (§ 75 BPersVG und entspr. PersVG der Länder).8)

Die Ausgliederung einer Einrichtung bzw. eines Teilbereiches und ihre/seine Überführung in ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen ist als Betriebsübergang i.S. des § 613a BGB 9) zu qualifizieren. Nach § 613a Abs.1 BGB gehen bestehende Arbeitsverhältnisse von Angestellten und Arbeitern inhaltsgleich auf den neuen Arbeitgeber über. Gleiches gilt für die tarifgebundenen Inhalte des Arbeitsverhältnisses. Eine Änderung der Inhalte kann erst nach Ablauf eines Jahres arbeitsvertraglich erfolgen. Dessenungeachtet bleibt das Vorrangs-Prinzip auf Grund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen. D.h. die Arbeitsvertragsparteien sollen im Zweifel Tarifvorschriften anwenden, die den Besonderheiten der Branche besonders entsprechen.10) Die Kündigung von Arbeitnehmern auf Grund des Betriebsübergangs ist sowohl von Seiten des "alten" als auch des neuen Arbeitgebers gemäß § 613a Abs. 2 BGB ausgeschlossen.

Die Arbeitnehmer (Angestellte und Arbeiter), deren Arbeitsverhältnisse zur Übernahme anstehen, können dem Übergang innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Monat widersprechen. In diesem Fall greift das o.g. Kündigungsverbot nicht, d.h. der Widerspruch könnte bei Vorliegen der Voraussetzungen eine betriebsbedingte Kündigung durch den "alten" Arbeitgeber nach sich ziehen.11)

Besondere Probleme ergeben sich bei der Überführung von Beamten in ein privatrechtliches Unternehmen. Hier eröffnen sich drei Möglichkeiten: Der Beamte beantragt gemäß § 30 BBG12) seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis und begründet danach ein Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber. Oder er wird auf dem Wege der Beurlaubung (§ 13 Abs.2 SUrlV)13) in dem privatrechtlichen Unternehmen tätig. Beide Möglichkeiten sind vom Einverständnis des Beamten abhängig und können materielle Verluste (Besoldung, Pension) für den Beamten zur Folge haben, die es durch einzelvertragliche Regelung abzufangen gilt.

Abschließend sei noch auf die Form der Dienstüberlassung hingewiesen. Hierbei wird durch Vertrag zwischen einem privatrechlichen Unternehmen und dem öffentlichen Arbeitgeber vereinbart, daß bestimmte Arbeitnehmer und Beamte unter Fortbestand ihrer Dienst- und Arbeitsverhältnisse, ihre Arbeitsleistungen in dem privatrechtlichen Unternehmen erbringen.

6. Auswirkungen auf den Sammelrevers

Nicht unberücksichtigt sollten die möglichen Auswirkungen auf die Gewährung des Sammelrevers (Bibliotheksrabatt) bleiben, die sich aus einer privatrechtlichen Organisationsform ergeben können. Der "Sammelrevers für den Verkauf preisgebundener Verlagserzeugnisse"14) bestimmt im Abschnitt B "Erlaubte Nachlässe und Sonderbedingungen", daß wissenschaftlichen Bibliotheken öffentlich-rechtlicher Träger 5% Rabatt zu gewähren sind, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:

1. die Öffentlichkeit der Bibliothek i.S. des freien Zugangs und der freien Benutzung durch jeden wissenschaftlich Arbeitenden und

2. ein jährlicher Vermehrungsetat von mindestens 30.000.-DM.

Bezugsberechtigte Bibliotheken, die nicht ausschließlich oder nur begrenzt öffentlich zugänglich sind, werden abschließend im Sammelrevers benannt. Den Volksbüchereien (Öffentliche Bibliotheken) wird ein Rabatt in Höhe von 10% zugesprochen, wenn sie für jedermann zugänglich und sich in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft befinden. Damit ist kein Auslegungsspielraum gegeben.

Der Sammelrevers definiert jedoch nicht den Umfang der öffentlichen Trägerschaft. Daraus kann abgeleitet werden, daß Bibliotheken, die in eine privatrechtliche Organisationsform mit Beteiligung der öffentlichen Hand überführt sind, sich weiterhin auf die Gewährung des Rabattes berufen können. Dagegen ist die Bewilligung des Rabattes ohne Beteiligung der öffentlichen Hand regelmäßig auszuschließen.

Anmerkungen:

1) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.Mai 1949 (BGBl I S. 1, BGBl III 100-1) zuletzt geänd. durch Einigungsvertrag vom 23.09.1990 (BGBl II S. 885)

2) Art. 28 und 83 GG, ebenda

3) Bundeshaushaltsordnung (BHO) vom 19.8.1969 (BGBl I 1284) zuletzt geänd. 6.8.1986 (BGBl I 1275)

4) Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom 29.12.1990 (BGBl I, S.2955)

5) ebenda und (Berliner) Landeshaushaltsordnung vom 5. Okt. 1978 (GVBl S. 1961) zuletzt geänd. durch Gesetz vom 31.12.1990 (GVBl 1991, S. 9)

6) ebenda

7) Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz - HGrG) vom 19. Aug.1969 (BGBl I S. 1273) zuletzt geänd. durch Einigungsvertrag vom 31.08.1990 (BGBl II S. 889, 990)

8) Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) vom 15. März 1974 (BGBl S. 693) zuletzt geänd. durch Gesetz vom 16.01.1991 (BGBl I S. 47); Berliner Personalvertretungsgesetz (PersVG) vom 26. Juli 1974 (GVBl S. 1669) zuletzt geänd. durch Gesetz vom 02.04.1990 (GVBl S. 721).

9) Bürgerliches Gesetzbuch. Gesamtred. Otto Palandt.- 53., neubearb. Aufl.- München 1994.

10) vgl. BAG-Urteil vom 1.4.1987, AP Nr. 64 zu § 613a BGB.-In: BAGE 53, 154.

11) Bolck, Winrich: Personalrechtliche Probleme bei der Ausgliederung von Teilbereichen des öffentlichen Dienstes und Überführung in eine private Rechtsform.- In: Ztschr. f. Tarif-, Arbeits- u. Sozialrecht d. öffentl. Rechts. 1/ 1994, S. 14.

12) Bundesbeamtengesetz (BBG) vom 27.Febr. 1985 (BGBl I S. 479) zuletzt geänd. durch Gesetz vom 11.6.1992 (BGBl I S. 1030)

13) Verordnung über Sonderurlaub für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst (Sonderurlaubsverordnung- SUrlV) vom 29.April 1992 (BGBl I S. 977, Neubekanntmachung der SUrlV vom 15.5.1991 BGBl I S. S. 1122 in der ab 1.6.92 geltenden Fassung).

14) Sammelrevers für den Verkauf preisgebundener Verlagserzeugnisse


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