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Rechtskommission des DBI
Veröffentlichungen

Monika Rasche
Verfahren bei unaufgefordert zugesandten Buchgeschenken bzw. -lieferungen
Veröffentlicht in: BibliotheksInfo 2. (1992), S. 395.

Im Herbst vergangenen Jahres erhielten nahezu alle Öffentlichen Bibliotheken sowohl im Osten als auch im Westen der Bundesrepublik Deutschland eine Geschenksendung mit deutschnationalem Schrifttum eines österreichischen Verfassers, erschienen im Selbstverlag.

Aus diesem Anlaß möchte die Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksinstituts auf die Rechtslage in diesem und vergleichbaren Fällen hinweisen.

Bei unaufgefordert zugesandten Büchern und anderen Materialien handelt es sich um das Angebot auf Abschluß eines Schenkungs- oder, wenn der Lieferung eine Zahlungsaufforderung beiliegt, eines Kaufvertrages.

Damit der Vertrag rechtswirksam zustandekommt, bedarf es einer Annahmeerklärung durch die Bibliothek. Diese muß nicht ausdrücklich gegenüber dem Anbietenden erklärt werden, sondern kann gem. § 151 BGB auch durch eine Aneignungs- oder Gebrauchshandlung bzw. eine Erfüllungshandlung erfolgen, z.B. durch Stempeln des Buches oder Überweisung des Rechnungsbetrages. Hierin ist zugleich auch die für die Eigentumsübertragung neben der bereits erfolgten Übergabe der Sache erforderliche Einigung zu sehen. Ist auf diese Weise der Vertrag zwischen Anbieter und Bibliothek zustandegekommen, hat der Anbieter gegenüber der Bibliothek bei einem Kaufvertrag Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises. Bei einem Schenkungsvertrag muß die Bibliothek eventuell mit der Schenkung verbundene Auflagen erfüllen, z.B. das Buch in ihre Bestände aufnehmen, wenn der Schenker dieses verlangt hat.

Wenn die Bibliothek weder die Annahme des Vertragsangebotes erklärt, noch entsprechende Handlungen vorgenommen hat, kommt weder ein Schenkungs- noch ein Kaufvertrag zustande. Das übersandte Buch bleibt Eigentum des Absenders.

Die Bibliothek hat dann keinerlei Pflichten gegenüber dem Anbieter des Buches. Sie ist vor allen Dingen nicht zur Aufnahme des Buches in ihren Bestand verpflichtet - und zwar auch dann nicht, wenn sie im Anhang des Buches in einem Verteiler ausdrücklich genannt wird.

Der Bibliothek erwachsen auch keine anderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen, etwa der Aufbewahrung oder Rücksendung.

Da der Absender jedoch noch Eigentümer der Sache ist, kann er gem. § 985 BGB Herausgabe von der Bibliothek verlangen, wobei er die Kosten der Rücksendung übernehmen muß.

Die Bibliothek kann ein unaufgefordert zugesandtes Buch jedoch nicht ohne weiteres wegwerfen, da es nicht ihr Eigentum ist. Nach herrschender Meinung in der Rechtsliteratur haftet sie für den dann entstandenen Schaden bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (§ 823 BGB i.V.m. § 300 BGB analog). Nach einer angemessenen Wartezeit (3 Jahre) kann die Bibliothek jedoch, ohne daß ihr schuldhaftes Handeln vorgeworfen werden kann, davon ausgehen, daß der Absender kein Interesse an der Rücksendung hat, und sie darf das Buch wegwerfen. Hier trifft den Absender letztendlich die Verantwortung für die unaufgeforderte Zusendung und das Unterlassen einer rechtzeitigen Rückforderung.


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