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Rechtskommission des DBI
Veröffentlichungen

Bibliotheksrechtliche Aspekte des EG-Binnenmarktes
Vorträge der Rechtskommission des DBI auf dem 80. Deutschen Bibliothekartag in Saarbrücken am 8. Juni 1990.
Monika Rasche
EG-Recht und europäischer Binnenmarkt
Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 26, (1992), S. 1716

"Europa 1992" - bis zu jenem denkwürdigen 9. November 1989 füllte dieses Schlagwort die Wirtschafts- und Politikteile der Magazine, Tages- und Wochenzeitungen. Kaum eine Nachrichtensendung, die nicht von diesem zukünftigen Ereignis berichtete. Doch nur wenige kennen genau die Hintergründe und Grundlagen dieses fast magisch anmutenden Datums.

Seine Wurzeln liegen im sogenannten EWG-Vertrag, dessen Ziel bereits 1957 die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für alle Mitgliedsstaaten war. 1968 wurde er mit Abschaffung aller Zölle zwischen den Partnerstaaten und einem einheitlichen europäischen Zolltarif gegenüber Einfuhren aus Drittländern Realität. Dennoch blieben zahlreiche technische, juristische und bürokratische Hindernisse für den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital bestehen.

Anfang der 80er Jahre geriet - trotz Beitritts weiterer Staaten und erster Direktwahl zum Europäischen Parlament 1979 - die europäische Entwicklung ins Stocken. Angesichts der drohenden "Euro-Sklerose" der Volkswirtschaften in der EG wurde nach Auswegen gesucht. Im Juni 1984 setzte der Europäische Rat einen ad-hoc-Ausschuß zur Ausarbeitung von Reformvorschlägen ein. 1985 trat eine Regierungskonferenz zusammen, die unter Berücksichtigung dieser Vorschläge konkrete Fortschritte auf dem Weg zur Europäischen Union herbeiführen sollte. Ergebnis war die 1985 vom Europäischen Rat in Luxemburg verabschiedete und 1987 ratifizierte "Einheitliche Europäische Akte" - das wichtigste Dokument zur Änderung und Ergänzung der gemeinschaftlichen Verfassung seit Abschluß der Römischen Verträge.

Das Reformwerk erweiterte die Kompetenzen der EG um die Bereiche Forschung, technologische Entwicklung und Umweltschutz, es schaffte die Voraussetzung für die Staffelung von Beschlußverfahren und für eine verstärkte Mitwirkung des Europäischen Parlaments bei der Gesetzgebung der Gemeinschaft. Die Europäische Politische Zusammenarbeit als gemeinsame Außenpolitik wurde vertraglich verankert - und - es wurde die Vollendung eines gemeinsamen Binnenmarktes festgeschrieben.

Der EWG-Vertrag wurde um einen Art. 8a ergänzt. Demnach trifft die Gemeinschaft die erforderlichen Maßnahmen, um bis zum 31. Dezember 1992 den Binnenmarkt zu verwirklichen. "Der Binnenmarkt umfaßt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gem. den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist."

Die Realisierung des Binnenmarktes bedeutet nicht nur den Fortfall der innereuropäischen Grenzen, sondern einen radikalen ökonomischen Umbau der EG. Weitreichende Maßnahmen sind erforderlich:

Ca. 300 EG-Richtlinien müssen bis 1992 von den EG-Mitgliedsländern in staatliches Recht umgesetzt werden. Mindestnormen müsen aufgestellt werden, um Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltschutz zu gewährleisten. Ein einheitliches Wettbewerbs- und Kartellrecht ist zu schaffen. Mittelfristig muß eine Angleichung der Mehrwertsteuersätze in den EG-Mitgliedsstaaten erfolgen, die zwischen 0% (für Lebensmittel in Großbritannien) und 38% (für Luxusartikel in Frankreich) differieren. Die Folgen des Binnenmarkts werden unterschiedlich eingestuft. Der von der EG-Kommission in Auftrag gegebene Bericht des italienischen Bankiers und Wirtschaftswissenschaftlers Paolo Cecchini kommt ausschließlich zu vorteilhaften Konsequenzen:

Demgegenüber befürchten die Kritiker des Binnenmarkts den Abbau erworbener Arbeitnehmerrechte, Verminderung des Arbeits-, Verbrau?cher- und Umweltschutzes durch eine Nivellierung nach unten. Auch erscheint fragwürdig, ob die Interessen der wirtschaftlich schwachen Regionen in der EG ausreichend berücksichtigt wurden.

Mit dem 31.12.1992 wird die Vollendung des Binnenmarktes nicht abgeschlossen sein, es ist jedoch ein wesentlicher wirtschaftspolitischer Schritt vorwärts auf dem Weg des europäischen Einigungsprozesses.

Hinweis:

Die Verfasserin weist darauf hin, daß die neueste Entwicklung aufgrund des "Vertrages über die europäische Union" (Vertrag von Maastricht) in einer Broschüre der Bundesregierung dokumentiert ist:

Auf dem Wege zur Europäischen Union: die Beschlüsse d. Europ. Rates von Maaastricht / Hrsg.: Presse- u. Informationsamt d. Bundesregierung. - Bonn, 1992. (Reihe Politik-Information).

Die Broschüre ist kostenlos zu beziehen beim
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Welckerstr. 11
5300 Bonn 1
Telefax: 0228 / 2 08 - 25 55


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