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Rechtskommission des DBI
Veröffentlichungen

Harald Müller
CD-ROM in Bibliotheken und das geltende Recht
Einige kritische Bemerkungen aus Sicht der DBI-Rechtskommission

Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 26. (1992), S. 677.

1. CD-ROM in Bibliotheken

Als vor einigen Jahren die ersten CD-ROM durch Initiative innovationsfreudiger Bibliothekare ihren Einzug in deutsche Bibliotheken hielten, wurden sie mit überschäumendem Enthusiasmus begrüßt. Mancher sah in ihnen ein Medium, dem im Bibliothekswesen eine große Zukunft bevorstünde. Die anfängliche Begeisterung legte sich jedoch nach einiger Zeit und wich einer gesunden Skepsis. Der praktische Umgang mit CD-ROM in Bibliotheken offenbarte nämlich andauernde technische Schwächen und inhaltliche Probleme1). Die Bibliothekare stellten ferner mit einer gewissen Verblüffung fest, daß für CD-ROM-Produkte offensichtlich andere Gesetze im Hinblick auf Preisgestaltung, Bezugsmodalitäten und Nutzungsmöglichkeiten gelten als für Druckwerke. Bei genauer Betrachtung erkannten weitblickende Bibliothekare rasch, daß sich im Gefolge von CD-ROM verschiedene Entwicklungen anbahnten, die geeignet waren, das Bibliothekswesen zu seinem Nachteil zu verändern. "Die Zeichen stehen auf Sturm"2).

Die Rechtskommission verfolgt seit Jahren die Rechtsentwicklungen im Umfeld von CD-ROM mit großer Aufmerksamkeit und informiert die Berufsöffentlichkeit über ihre Erkenntnisse3). Sie möchte die kürzlich erfolgte Einsetzung einer von DBI, BDB und Börsenverein gemeinsam getragenen Arbeitsgruppe CD-ROM4) zum Anlaß nehmen, einige der aus ihrer Sicht wichtigsten Rechtsprobleme im Zusammenhang mit CD-ROM darzustellen. Damit sollen zugleich die rechtlichen Forderungen der Arbeitsgruppe begründet werden.

2. Preisbindung

Anfang 1989 war im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel ein Artikel vom damaligen Justitiar des Börsenvereins erschienen, der sich grundsätzlich mit der Frage der Preisbindung für AV-Medien beschäftigte5) und den Wunsch zum Ausdruck brachte, sie in das System des festen Ladenpreises einzubeziehen. Insbesondere Kombinationsängebote, z. B. ein Buch mit Tonkassette, Buchsubstitute, wie Lernsoftware anstatt eines Lehrbuchs und Parallelausgaben, etwa das VLB als CD-ROM neben der Druckausgabe, lassen sich unschwer als Verlagsprodukte identifizieren, da sie von bekannten Verlagshäusern produziert und vertrieben werden. Die sogenannte Preisbindung, d. h. der vom Verlag festgesetzte Endverkaufspreis für sein Produkt beschert diesem Industriezweig bekanntermaßen eine ganze Reihe handfester Vorteile. Natürlich wäre es unfair zu verschweigen, daß auch Bibliotheken von der Preisbindung nicht unerheblich profitieren.

Es entsprach nach allgemeiner Ansicht bisheriger Rechtslage, daß für alle AV-Medien ein freier Preis gilt. Dennoch bieten viele Verlage bereits seit geraumer Zeit die Kombinationen Buch-Video oder Buch-Diskette zu festen Preisen an. Die rechtliche Grundlage enthält § 16 des Gesetzes über Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Danach ist ein fester Ladenpreis zulässig für "Verlagserzeugnisse". In der Praxis geschieht eine Preisbindung dadurch, daß die Buchhändler den sogenannten Sammelrevers unterzeichnen und an die Preisbindungstreuhänder, die Rechtsanwälte Franzen & Wallenfels in Wiesbaden übersenden. Wie aber definiert man "Verlagserzeugnis", welche Produkte unterfallen diesem gesetzlichen Begriff Nach herrschender Meinung muß es sich dabei um Erzeugnisse handeln, die traditionsgemäß durch den Buchhandel vertrieben werden6). Dazu gehören alle Druckwerke, aber keine AV-Medien, wie Bild-, Ton- und Datenträger, z. B. also keine Schallplatten7). Denn traditionell, d. h. in früheren Zeiten, haben Verlage keine AV-Medien produziert. Auch CD-ROM gehörten deshalb zunächst einmal nicht zu den Verlagserzeugnissen im Sinne des Gesetzes. Deshalb durften die Verlage bislang für CD-ROM keinen festen Ladenpreis vorschreiben. Daraus folgt natürlich, daß es für sie auch keinen Bibliotheksrabatt gemäß dem Sammelrevers (5 % bzw. 10 %) gibt. Eine Bibliothek mußte also bisher beim Erwerb von CD-ROM entweder ausschreiben oder die günstigste Möglichkeit des Bezuges auf andere Weise finden.

Für eine teilweise oder generelle Ausdehnung der Preisbindung auf CD-ROM muß das Bundeskartellamt seine Zustimmung geben. Nach neuesten Informationen hat das Bundeskartellamt die Preisbindungstreuhänder Anfang 1992 darüber in Kenntnis gesetzt, daß es keine Bedenken gegen eine Preisbindung für z. B. die CD-ROM-Ausgabe des VLB hat. Diese und ähnliche CD-ROM dürfen in die Preisbindung einbezogen werden, sofern sie ausschließlich Texte und keine Bilder enthalten. Aus Sicht der Bibliotheken ist dieser Schritt zu begrüßen.

3. Bibliotheksrabatt

Das System des festen Ladenpreises für Verlagserzeugnisse verbietet jegliche Art von Unterschreiten des vom Verlag festgesetzten Endverkaufspreises durch den Buchhändler - von einer einzigen Ausnahme abgesehen. Beim Verkauf an Bibliotheken darf der Buchhändler einen sogenannten "Bibliotheksrabatt" in Höhe von 5 % bzw. 10 % gewähren. Zwar handelt es sich dabei nicht um einen rechtlich gesicherten Anspruch der Bibliotheken, der notfalls gerichtlich einzuklagen wäre. Aber es ist das gute Recht jeder Bibliothek, von ihrem Buchhändler den Bibliotheksrabatt zu fordern. Denn praktisch gesehen handelt es sich dabei um nichts anderes als um eine Gegenleistung der Verlage für die ihnen durch die Preisbindung erwachsenden handfesten Vorteile. Durch Gewährung von Rabatten an Bibliotheken erkennen die Verlage die besondere wirtschaftliche Bedeutung ihrer einzigen Großkunden auch faktisch an. Als Voraussetzung auf Seiten einer Bibliothek für Einräumung des Rabatts verlangt der Sammelrevers lediglich die allgemeine Öffentlichkeit der Bibliothek und einen Anschaffungsetat über DM 30.000,- .

Beim Kauf von CD-ROM war es bislang schwer, einen Bibliotheksrabatt zu erlangen. Als wesentliche Voraussetzung fehlte der vom Verlag festgesetzte, verbindliche Endverkaufspreis. Aber die praktischen Erfahrungen vieler Bibliotheken haben bewiesen, daß Buchhändler beim Kauf von z. B. Bookware (=Buch mit Diskette), Software und CD-ROM oft von sich aus den üblichen Bibliotheksrabatt gewährten. Solange das Bundeskartellamt einer Ausdehnung der Preisbindung auf manche CD-ROM gemäß der Initiative des Börsenvereins noch nicht zugestimmt hatte, spielten sich derartige Praktiken in einer rechtlichen Grauzone ab. Jedoch mußte eine Bibliothek keineswegs befürchten, hierbei gegen irgendwelche Gesetze zu verstoßen. Vielmehr ist der Hinweis angebracht, daß Bibliotheken nach Haushaltsrecht zur möglichst sparsamen Verwendung ihrer Etats gesetzlich verpflichtet sind. Nach der jetzt erfolgten Ausdehnung der Preisbindung auf CD-ROM sollten Bibliotheken unbedingt daräuf achten, daß ihnen zukünftig für diese Medien ebenfalls ein Rabatt gewährt wird.

4. Mehrwertsteuersatz

Bekanntlich unterliegen Druckerzeugnisse einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. Dies ergibt sich aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) und der als Anlage dazu ergangenen "Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände". Dort werden unter Nr. 43 die verschiedenen "Waren des Buchhandels" aufgezählt, die in den Genuß von Steuerermäßigung kommen8). Nach der Intention des Gesetzgebers soll mit dem ermäßigten Steuersatz eine Förderung des Umsatzes von Kulturgut bezweckt werden. Da sich der Kulturgutcharakter einer Ware ausschließlich aus ihrem Inhalt entnehmen läßt, hat vor einiger Zeit eine Mitteilung der Oberfinanzdirektion Koblenz, derzufolge ein Nachschlagewerk auf CD-ROM umsatzsteuerrechtlich nicht begünstigt werde, ein gewisses Aufsehen in Bibliothekskreisen erregt9). Eine direkte Anfrage der Rechtskommission des DBI an die Oberfinanzdirektion bestätigte dieses zwar juristisch haltbare, kulturpolitisch aber eher unsinnige Ergebnis.

Denn bei der Anlage zu § 12 UStG handelt es sich um eine abschließende Aufzählung. Nicht darin enthaltene Waren sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers vom Genuß einer Steuerermäßigung ausgeschlossen bleiben. Nach der Art der Gesetzeskonstruktion muß jeder begünstigte Gegenstand ausdrücklich aufgeführt werden. Eine Durchsicht der Liste ergibt jedoch, daß darin keinerlei AV-Medien enthalten sind. Weder Mikroformen, noch Ton-, Bild- oder Datenträger finden eine Erwähnung. Für CD-ROM Produkte ist also im vollen Einklang mit dem Gesetz der volle Mehrwertsteuersatz von 14 % zu entrichten. Aus Sicht der Bibliotheken stößt es jedoch auf völliges Unverständnis, daß z. B. die Deutsche Nationalbibliographie in gedruckter Form umsatzsteuerlich anders behandelt wird als die CD-ROM Ausgabe. Der Inhalt beider Versionen ist schließlich identisch. Es darf deshalb mit Recht bezweifelt werden, daß dieses zwar unsinnige, nichtsdestoweniger juristisch unangreifbare Ergebnis dem wahren Willen des Gesetzgebers entspricht. Kulturförderung kann doch nicht im Gefolge des technologischen Fortschritts einfach aufhören. Leider dürfte die bibliothekarische Lobby zu schwach sein, um den Gesetzgeber insoweit zu einer baldigen Änderung der Rechtslage bewegen zu können.

5. Erwerb von CD-ROM per Lizenzvertrag

Seit einigen Jahren sehen sich Bibliotheken beim Erwerb von CD-ROM-Produkten mit einem bislang unbekannten Sachverhalt konfrontiert. Hatten für Jahrhunderte die vier klassischen Erwerbungsarten (Kauf, Tausch, Geschenk und Pflichtablieferung) für Bibliotheksgut ihren unangefochtenen Bestand10), so überraschte das elektronische Zeitalter die Bibliotheken mit einem neuen, fünften Vertragstyp bei der Beschaffung. CD-ROM-Publikationen und andere Datenträger, wie z. B. Disketten mit Software, werden von vielen Anbietern auf der Grundlage eines sogenannten "Lizenzvertrages" überlassen. Im Hinblick auf eine bibliothekarische Bewertung macht es für die überwiegend als Mietverträge gemäß den §§ 535 ff. BGB zu qualifizierenden "Lizenzverträge" keinen Unterschied, ob sie anstatt oder zusätzlich zu den ansonsten üblichen Kaufverträgen abgeschlossen werden. Die Rechtskommission hat bereits an anderer Stelle dargelegt, daß ein Lizenzvertrag im Gegensatz zum Kaufvertrag einige Nachteile mit sich bringt11). Obwohl es natürlich der freien Entscheidung jeder Bibliothek überlassen bleibt, ob sie einen Lizenzvertrag abschließen möchte, sieht die Kommission es als ihre Pflicht an, auf einige der Rechtsprobleme im Gefolge solcher Verträge hinzuweisen.

a) Haushaltsrechtliche Schwierigkeiten

Für Bibliotheken gelten in der Regel die Vorschriften des öffentlichen Haushaltsrechts, wie es in den einschlägigen Bundes- und Landesgesetzen zum Ausdruck kommt. Als klassischer Haushaltsgrundsatz muß bei der Verwaltung der Finanzmittel einer Bibliothek der Grundsatz der sachlichen Bindung gemäß den §§ 45 BHO, 27 HGrG unbedingt beachtet werden. Dieser Grundsatz besagt, daß alle der Bibliothek zugewiesenen Mittel nach den Festlegungen im Haushaltsplan zweckgebunden sind. Das bedeutet etwa, daß mit Personalmitteln keine neuen Magazinregale gekauft werden dürfen. Mit Erwerbungsmitteln können ausschließlich "Erwerbungen" im Rechtssinne getätigt, d. h. Kaufverträge abgeschlossen werden. Wie sich aus § 433 BGB entnehmen läßt, hat der Verkäufer einer Sache dem Käufer das Eigentum daran zu übertragen. Die Haushaltspläne für Bibliotheken gehen folglich davon aus, daß mit dem Erwerbungsetat der Eigentumserwerb von Informationsträgern finanziert wird. Bibliothekarische Erwerbung soll also laufend das Vermögen des Bibliotheksträgers vergrößern.

Beim Abschluß eines "Lizenzvertrages" über eine CD-ROM verpflichtet sich eine Bibliothek zwar zur Zahlung von Entgelt, erhält aber kein Eigentum am Informationsträger. Sie bezahlt lediglich für das oft zeitlich begrenzte Recht zur Nutzung der CD-ROM, praktisch also für eine Dienstleistung. Da der Erwerbungsetat einer Bibliothek in der Regel auch nicht deckungsfähig gemäß § 46 BHO ist, dürfen Lizenzverträge auf keinen Fall durch Erwerbungsmittel finanziert werden. An diesem Ergebnis führt kein Weg vorbei.

Einige Bibliotheken haben bereits versucht, das Problem der Lizenzverträge für CD-ROM dadurch zu lösen, daß sie die Bezahlung z. B. über den Haushaltstitel für "Verbrauchsmaterial" verbuchten. Vor einer derartigen Praxis kann nur gewarnt werden. Spätestens bei der nächsten Prüfung durch den zuständigen Rechnungshof dürfte sich die betroffene Bibliothek eine strenge Rüge einhandeln. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß Bibliotheken zur Führung von Bestandsverzeichnissen verpflichtet sind, die Urkunden im Rechtssinn darstellen! Nach dem Gesetzeswortlaut darf jedoch nur zu Eigentum erworbenes Bibliotheksgut in ein Bestandsverzeichnis aufgenommen werden12). Von Seiten der Lieferanten wird das Haushaltsproblem mit dem Hinweis vom Tisch gewischt, die Bibliotheken müßten einfach einen neuen Haushaltstitel für Lizenzverträge in ihren nächsten Haushaltsplan einfügen. Dieser Weg dürfte jedoch eher schwierig, wenn nicht gar unwahrscheinlich sein, da der Abschluß von Lizenzverträgen in vielen Bundesländern eine Genehmigung des jeweiligen Finanzministers erfordert.

b) Nutzung der Medien gemäß Lizenzvertrag

Eine Durchsicht der üblichen Lizenzverträge offenbart, daß in ihnen die Nutzungsmöglichkeiten der überlassenen CD-ROM oftmals stark eingeschränkt wird. Ein sachlicher Grund hierfür ist aus Sicht der Bibliotheken nicht ersichtlich. So findet etwa das Verbot, Daten einer bibliographischen CD-ROM zu vervielfältigen, keinerlei Stütze im Urheberrechtsgesetz. Dennoch wäre ein solches Verbot des Herstellers gegenüber einer Bibliothek rechtswirksam, da es ein Bestandteil des gültigen Lizenzvertrages ist.

c) Weitergabe an Dritte

CD-ROM-Lizenzverträge enthalten oft eine Klausel, die eine Weitergabe der Scheibe an Dritte untersagt. Damit wird die sogenannte Verkehrsfähigkeit des Produkts stark eingeschränkt. In Einzelfällen kann bereits die Weitergabe einer älteren CD-ROM von der Universitäts- an eine Fakultätsbibliothek eine vertraglich verbotene Handlung darstellen. Beim Abschluß eines reinen Kaufvertrags wäre eine solche Klausel dagegen unwirksam, da der § 17 Abs. 2 UrhG ihr eindeutig entgegensteht13). Ein lizenzvertragliches Weitergabeverbot umgeht somit eine bewußt getroffene Wertung unserer Rechtsordnung.

d) Rückgabeverpflichtung

Viele Lizenzverträge beinhalten eine Rückgabeverpflichtung für die überlassenen älteren Datenträger, sobald eine neue Version erscheint. Auf Seiten der Bibliotheken kann dies einen Informatiönsverlust bewirken, z. B. bei Gesetzessammlungen. Zu besonders untragbaren Ergebnissen führt eine an die Kündigung des Lizenzvertrages gekoppelte Rückgabeverpflichtung. Nach Vertragsende muß sowohl die aktuelle Ausgabe, als auch jede ältere Version an den Hersteller zurückgegeben werden. Letztendlich steht eine Bibliothek, die vielleicht jahrelang beträchtliche Summen für CD-ROM als Informationsträger ausgegeben hat, nach Beendigung eines derartigen Vertrages mit leeren Händen da.

Bei der Aufnahme einer Rückgabeverpflichtung in einen Lizenzvertrag verkennen die Anbieter die Doppelfunktion von gespeicherter Information. Sie dient nämlich einmal als Arbeitsgrundlage für einen aktuellen Bedarf. Andererseits bildet sie aber auch einen Nachweis für das kulturelle Schaffen eines Volkes. Und Letzteres gilt nach einhelliger Meinung unbedingt als erhaltungswürdig. Das ergibt sich aus Aussagen sowohl des Börsenvereins, als auch insbesondere des Bundesverfassungsgerichts und des Gesetzgebers. Gerade wissenschaftlichen Bibliotheken obliegt deshalb oft eine Archivverpflichtung, d. h. sie müssen erworbenes Bibliotheksgut zeitlich unbegrenzt verwahren und der Benutzung zur Verfügung stellen.

Die Verpflichtung zur Rückgabe der CD-ROM an einen ausländischen Lieferanten bringt zusätzliche Probleme mit sich, z. B. bei der Einfuhrümsatzsteuer und der Zollerklärung. Unklar bleibt stets auch die Frage der Gefahrtragung bei einer Rücksendung, da das Problem des Verlustes der CD-ROM während des Transports üblicherweise nicht im Lizenzvertrag geregelt wird.

Das Fazit der DBI-Rechtskommission für alle CD-ROM-Lizenzverträge lautet deshalb: Solche Mietverträge stellen die Bibliotheken vor vielerlei rechtliche und kulturpolitische Probleme. Bibliotheken sollten den Abschluß von Lizenzverträgen besser unterlassen.

6. Pflichtexemplarrecht

Eine gesetzlich festgelegte Pflichtablieferung von CD-ROM kann für bislang zwei Bundesländer festgestellt werden14). In Baden-Württemberg gilt das "Gesetz über die Ablieferung von Pflichtexemplaren ... vom 3. März 1976"15), dessen § 2 als ablieferungswürdig bestimmt "alle mittels eines Druck- oder sonstigen Vervielfältigungsverfahrens hergestellten ... Schriften, Mikroformen, AV-Medien". Das bayerische "Pflichtstückegesetz vom 6. August 1986"16) regelt in Art. 1 Abs. 1 "Von allen ... Texten ... ohne Rücksicht auf die Art des Textträgers" seien Pflichtexemplare abzuliefern. Gemäß dieser gesetzlichen Definitionen sind somit auch CD-ROM in diesen zwei Bundesländern einer Pflichtablieferung unterworfen. Über den Sinn und Zweck einer Pflichtablieferung kann nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 198117) kein Zweifel mehr bestehen. In der Ablieferung von Pflichtstücken verwirklicht sich die in Art. 14 Abs. 2 GG verankerte Sozialbindung des Eigentums.

Bei einer konsequenten Befolgung der erwähnten zwei Ländergesetze unter gleichzeitiger Beibehaltung der lizenzvertraglichen Vertriebsform würde aber in den beiden Bundesländern für CD-ROM eine Art bibliothekarisches Zweiklassensystem entstehen. Die insoweit privilegierten Pflichtexemplarbibliotheken könnten ihre CD-ROM auf gesetzlicher Grundlage zu unbeschränktem Eigentum erwerben. Da es bei einer Pflichtablieferung mangels eines privatrechtlichen Vertrages nicht zum Abschluß einer Lizenzvereinbarung kommen kann, wäre die Benutzung der Informatiönsträger in den Pflichtexemplarbibliotheken keinerlei Beschränkungen unterworfen. Die sonstigen Bibliotheken hätten dagegen ihre lizenzvertraglichen Verpflichtungen zu beachten, wie etwa eine Rückgabepflicht bei Neuauflage oder Vertragsende. Außerdem müßten sie - wie oben dargelegt - die im Lizenzvertrag niedergelegten Benutzungsbeschränkungen (Weitergabeverbot, Kopierverbot usw.) beachten.

Dies Beispiel zeigt nach Ansicht der Rechtskommission wiederum, wie praxisfern und unsinnig die Form des Lizenzvertrages für CD-ROM als Bibliotheksgut ist.

7. Lizenz für Mehrplatznutzung von CD-ROM

Im Zusammenhang mit CD-ROM wird den Bibliotheken seit einiger Zeit die Bezahlung einer völlig neuartigen "Lizenz" zugemutet, nämlich der Gestattung des Rechtsinhabers zum Betrieb der CD-ROM in einem Mehrplatzsystem. Technisch stellt es kein Problem dar, ein CD-ROM-Laufwerk in ein PC-Netz zu integrieren, so daß eine Vielzahl von Computern auf den Datenbestand einer einzelnen CD-ROM zugreifen könnte. Manche Anbieter von CD-ROM verlangen nun in jüngster Zeit Aufschläge auf den Preis einer CD-ROM, wenn diese in einem Netzwerk eingesetzt werden soll, z. B. eine um 50 % erhöhte Summe bei 2 - 10 angeschlossenen Arbeitsplätzen18). Obwohl in diesem Zusammenhang nicht immer von "Lizenzzahlungen" die Rede ist, sondern oft auch von schlichten Staffelpreisen, soll für die juristische Darstellung des Problems an dieser Stelle nur von Lizenzvergütungen ausgegangen werden.

a) Argumente der Anbieter sind sachlich falsch

Die CD-ROM-Anbieter begründen ihre Zahlungsforderung mit zwei Argumenten. Einmal wird behauptet, ausschließlich beim Arbeiten mit einer CD-ROM könnten beliebig viele Endnutzer gleichzeitig den Informationsträger nutzen. Dies sei beim Buch nicht möglich. Ein nutzungsabhängiger Preis für CD-ROM sei deshalb angemessen. Dieses Argument entpuppt sich bereits aus technischer Sicht als schlichtweg falsch. Ein "gleichzeitiger" Zugriff findet überhaupt nicht statt. Der heute übliche Personal-Computer kann Befehle mehrer Nutzer auf keinen Fall gleichzeitig abarbeiten, sondern ausschließlich hintereinander. Allerdings verfügt er über derärt schnelle Antwortzeiten, daß beim menschlichen Betrachter der Eindruck der Gleichzeitigkeit entsteht. Für die technische Fähigkeit des Computers hat die Bibliothek aber bereits bei dessen Kauf bezahlt.

Das Argument der Vielfachnutzung kann ferner bei einem Vergleich mit anderen, insbesondere klassischen Informationsträgern keinen Bestand haben. Denn bislang richtete sich der Kaufpreis eines Buches noch niemals danach, wie viele Leser es einmal finden würde. Andererseits mußten die Bibliotheken mit einer gewissen Sorge feststellen, daß bereits mehrere - allerdings vergebliche - Vorstöße von Verlagen in Richtung auf einen nutzungsabhängigen Kaufpreis für Bücher vorgekommen sind. Teile der Medienindustrie haben es sich offensichtlich zum Ziel gesetzt, jede einzelne Nutzung eines Werkes zur vergütungspflichtigen Handlung zu machen.

Als zweites Argument für die Zahlung von Mehrfachnutzungslizenzen wird vorgebracht, die Retrievalsoftware für eine mehrplatzfähige CD-ROM sei komplexer als für ein Einplatzsystem und deshalb teurer. Dies ist sicherlich richtig. Aus Sicht der Rechtskommission vermag das aber Preisaufschläge bis 500 % auf keinen Fall zu rechtfertigen, zumal es technisch nicht zwingend notwendig ist, die Retrievalsoftware auf einer CD-ROM zu speichern. Vielmehr kann sie auch auf Diskette mitgeliefert werden oder bereits im PC gespeichert sein.

b) Mehrplatzlizenzen sind sittenwidrig gemäß § 138 BGB

Rechtlich gesehen handelt es sich beim Versuch, Mehrplatzlizenzen für CD-ROM durchzusetzen, um eine äußerst bedenkliche Aufweichung unserer Rechtsordnung. Diese Praxis stammt eigentlich aus dem Bereich der Nutzungsverträge für Individualsoftware; dort kann sie unter Umständen noch vertretbar sein. Beim Erwerb eines Buches, eines Paar Schuhe oder einer CD-ROM, d. h. eines industriellen Massenproduktes vermag keines der Argumente für Zusatzzahlungen (z. B. Mehrfachnutzung) zu überzeugen. Vielmehr müssen sich die Anbieter von CD-ROM die Frage gefallen lassen, worin eigentlich ihre zusätzliche Leistung bei einer mehrplatzfähigen CD-ROM im Gegensatz zu Einplatzlösung besteht.

Der Datenbestand einer CD-ROM ist identisch, unabhängig ob sie im Einplatz- oder Mehrplatzsystem eingesetzt wird. Deshalb liegt keine technische oder softwaremäßige zusätzliche Leistung, kein "Mehr", des Verkäufers einer für den Einsatz in einem Netzwerk bestimmten CD-ROM vor. Es handelt sich bei den sogenannten Mehrplatzlizenzen für CD-ROM schlichtweg um das Kassieren für eine nicht erbrachte Leistung des Anbieters. Zwischen dieser Nichtleistung und dem Preisaufschlag, d. h. der von einer Bibliothek zu erbringenden Gegenleistung, besteht ein mehr als auffälliges Mißverhältnis. Das Gesetz nennt derartige Verträge gemäß § 138 BGB ganz einfach sittenwidrig19). Die Rechtskommission macht alle Bibliotheken darauf aufmerksam, daß die Anbieter von CD-ROM ihre Forderungen auf Zahlung von Mehrplatzlizenzen weder auf ein deutsches Gerichtsurteil, noch auf ein Gesetz stützen können. Es besteht somit keine Rechtspflicht zur Bezahlung solcher Lizenzen. Die DBI-Rechtskommission vertritt deshalb die Auffassung, Bibliotheken sollten gemäß dem haushaltsrechtlichen Gebot der Sparsamkeit keine Mehrplatzlizenzen bezahlen.

c) Mehrplatznutzung und § 27 UrhG

Die Rechtskommission macht ferner darauf aufmerksam, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Mehrfachnutzung von Informationsträgern in Bibliotheken bereits durch eine andere Vorschrift vergütungspflichtig gemacht wurde, nämlich über den § 27 UrhG. Da die meisten CD-ROM-Anbieter ihre Produkte als Verlagserzeugnisse behandeln (ISBN, Preisbindung, Vertrieb über Buchhandel), erhalten sie insoweit auch Vergütungen aus der Bibliothekstantieme. Daraus ergibt sich, daß das Verlangen nach Bezahlung von Mehrplatzlizenzen durch Bibliotheken als schlichter Versuch des doppelten Abkassierens für eine einmalige Leistung zu deuten ist. Bibliotheken sollten deshalb den völlig unbegründeten Forderungen der Anbieter nach Mehrplatzlizenzen entschiedenen Widerstand leisten. Sie haben nach Ansicht der Rechtskommission aus den genannten Gründen die besten Chancen, jeden Musterprozeß zu gewinnen.

Anmerkungen:

1) vgl. etwa Millonig, Harald: Bibliographische CD-ROM-Datenbanken: Fehlendes Datenbankdenken verursacht mangelhafte Qualitätskontrolle. // In: BIBLIOTHEKSDIENST 25 (1991) S. 487-507.

2) So Kaltwasser, Franz Georg: Das wissenschaftliche Bibliothekswesen im Spannungsfeld von Wiedervereinigung, europäischer Kooperation und neuen Techniken : Schlußvortrag des Dt. Bibliothekartages Kassel 1991. // In: Aus dem Antiquariat 1991 S. A 457-A 467 (A 464); siehe auch Montag, Ulrich: Verdirbt CD-ROM die Preise // In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, H. 4 vom 14. 1. 1992 S. 24-27.

3) Etwa im Gutachten von Müller, Harald: Erwerb und Nutzung von Software und Datenträgern in Bibliotheken : Rechtsgutachten. - Berlin: DBI, 1990. - 42 S. - ISBN 3-87068-385-6

4) Vgl. CD-ROMs für Bibliotheken : Forderungen an die Hersteller / Anbieter. // In: BIBLIOTHEKSDIENST 26 (1992) S. 299-302.

5) Becker, Jürgen: Preisbindung für neue Verlagserzeugnisse. // In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, H. 10 vom 3. 2. 1989. - S. 326-328.

6) LANGEN u. a., Kommentar zum Kartellgesetz § 16 Rdn. 12 / IMMENGA-MESTMÄCKER, GWB § 16 Rdn. 19

7) BGHZ 46, 74; vgl auch Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts Nr. 59, S. 36. // In: Bundestag-Drucksache III/1795.

8) vgl. etwa Müller, Harald: Mikroformen und Umsatzsteuerrecht. // In: ZfBB 34 (1987) S. 91-111.

9) In: Deutsches Steuerrecht 1989 S. 614.

10) Einzelheiten bei Kirchner, Hildebert: Grundriß des Bibliotheks- und Dokumentationsrechts, S. 98-113; Hacker, Rupert: Bibliothekarisches Grundwissen, 6. Aufl. 1992, S. 148-154.

11) wie FN 3, S. 15-18.

12) vgl. die Nachweise bei Lansky, Ralph: Bibliotheksrechtliche Vorschriften Nr. 322 ff.

13) vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. 10. 1989. // In: Bibliotheksdienst 24 (1990) S. 53-61.

14) Über die Rechtslage in den neuen Bundesländern lagen bei Zusammenstellung dieser Zeilen noch keine Informationen vor.

15) Lansky, Ralph: Bibliotheksrechtliche Vorschriften Nr. 527.

16) Lansky, Ralph: Bibliotheksrechtliche Vorschriften Nr. 534.

17) In: BVerfGE 58 (1982) S. 137-152.

18) z. B. die Deutsche Nationalbibliographie auf CD-ROM.

19) Vgl. die bei Palandt, BGB, 51. Aufl. 1992, § 138 Rdn. 66 ff. angeführten Beispiele aus der Rechtsprechung, z. B. LG Trier, NJW 1974, 151: um 155 % überhöhter Kaufpreis ist sittenwidrig.


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