Publikationen Hierarchiestufe höher
Rechtskommission des DBI
Organisation

Jürgen Christoph Gödan
Mustervertrag für ehrenamtlich Tätige in Bibliotheken

Mit Erläuterungen
im Auftrag der Rechtskommission des DBI
Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 33. (1999), S.987.

A. Einleitung

Ehrenamtliche Tätigkeit spielt eine große praktische Rolle in der Gesellschaft. Schätzungen gehen davon aus, daß rund 10% der Bevölkerung sich auf ehrenamtlicher Basis kontinuierlich und zeitintensiv im sozialen Bereich engagieren. Es gibt jedoch nur wenige Untersuchungen über die rechtlichen Aspekte der ehrenamtlichen Tätigkeit.1)

In diesem Gutachten geht es um die rechtlichen Aspekte ehrenamtlicher Tätigkeit in Bibliotheken.2) Ob dabei die Bibliothek öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert ist, kann dahingestellt bleiben. Auch öffentlich-rechtliche Bibliotheken dürfen privatrechtliche Verträge mit ihren nicht verbeamteten Mitarbeitern oder ehrenamtlichen Helfern abschließen.

Die folgenden rechtlichen Punkte bedürfen der Klärung:

 
B. Organisatorische Modelle
 

Organisatorisch sind zwei Modelle ehrenamtlicher Tätigkeit denkbar:

  1. Es könnte ein "Verein zur Unterstützung der Bibliothek xyz" geschaffen werden, dem alle ehrenamtlich Tätigen als Mitglieder beitreten. Dieser Verein schließt mit der Bibliothek bzw. ihrem Träger eine Vereinbarung über den Einsatz der Vereinsmitglieder als ehrenamtlich Tätige in der Bibliothek. Der Inhalt dieser Vereinbarung wird in die Satzung des Vereins übernommen.
  2. Die Alternative liegt in der privaten Vereinbarung zwischen dem einzelnen ehrenamtlich Tätigen und der Bibliothek auf der Grundlage eines privatrechtlichen Mustervertrages.
Beide Modelle haben Vor- und Nachteile.

Für das vereinsrechtliche Modell spricht, daß hier der Abstand des ehrenamtlich in der Bibliothek tätigen Vereinsmitglieds zu einem hauptamtlich beschäftigten und entlohnten Bibliothekar größer ist als bei einer privaten Vereinbarung. Sofern beispielsweise ein rechtsfähiger (eingetragener) Verein in seinem Vereinszweck das Betreuen, Führen, Betreiben usw. einer bibliothekarischen Einrichtung formuliert und seine Mitglieder zur unentgeltlichen Erfüllung von aus dem Vereinszweck erfolgenden Aufgaben verpflichtet, besteht für die Bibliothek als Vertragspartner keine Veranlassung, die dienst- und arbeitsrechtlichen Aspekte oder die Unfall- und Sozialversicherungsleistungen zu prüfen. Auch könnte ein Verein Vorteile hinsichtlich des Abschlusses einer Haftpflichtversicherung für die Vereinsmitglieder haben.

Allerdings hat das vereinsrechtliche Modell insoweit Nachteile, als sich hierdurch aufwendige Verwaltungsaufgaben für den Vorstand des Vereins ergeben. Dieser Aufwand ist nur bei einer erheblichen Zahl von ehrenamtlich tätigen Vereinsmitgliedern gerechtfertigt, so daß das vereinsrechtliche Modell nur für große Bibliotheken empfehlenswert ist

Üblicherweise wird daher eine private Vereinbarung des ehrenamtlich Tätigen mit der Bibliothek sinnvoller sein. Entsprechend diesem Modell wird im folgenden ein Mustervertrag vorgestellt, der Vorschläge zur Regelung dieser Fragen enthält (siehe C). Nähere Ausführungen werden im Rahmen der anschließenden Erläuterung zum Vertragstext gemacht (siehe D). Abschließend wird auf die sozialversicherungsrechtlichen, steuerrechtlichen und personalrechtlichen Gesichtspunkte eingegangen (siehe E-G).

 

C. Mustervertrag für ehrenamtlich Tätige in Bibliotheken 

Die Bibliothek ... (Auftraggeber)
schließt mit ... (ehrenamtlich Tätiger)
den folgenden V e r t r a g:

 
§ 1 Auftragsinhalt: Der ehrenamtlich Tätige steht dem Auftraggeber für bibliothekarische Tätigkeiten zur Verfügung. Er übernimmt diese Tätigkeiten ehrenhalber, also unentgeltlich und aus altruistischen Motiven.

§ 2 Weisungsrecht: Der ehrenamtlich Tätige richtet sich bei der Erfüllung seiner Tätigkeiten nach den Weisungen derjenigen Person, die hierzu vom Auftraggeber ermächtigt worden ist. Die Einsatzzeit wird im beiderseitigen Einvernehmen festgelegt. Der ehrenamtlich Tätige ist verpflichtet, die betriebliche Ordnung und die Hausordnung zu beachten.

§ 3 Aufhebung, Kündigung, Widerruf: Der Vertrag kann in beiderseitigem Einvernehmen jederzeit aufgehoben werden.

Der ehrenamtlich Tätige kann den Auftrag jederzeit einseitig schriftlich kündigen; die Kündigungsfrist beträgt vier Wochen.

Der Auftraggeber kann den Auftrag unter Einhaltung einer vierwöchigen Widerrufsfrist schriftlich widerrufen.

Diese Fristen entfallen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

§ 4 Haftung des ehrenamtlich Tätigen: Der ehrenamtlich Tätige haftet bei Schäden gegenüber der Bibliothek nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.

Variante 1: Bei Schäden gegenüber dritten Personen (Benutzern der Bibliothek) trägt die Bibliothek den durch den ehrenamtlich Tätigen verursachten Schaden, es sei denn, daß der ehrenamtlich Tätige vorsätzlich oder grob fahrlässig handelte.
Variante 2: Der Auftraggeber verpflichtet sich, zur Deckung eventueller Schäden, die der ehrenamtlich Tätige gegenüber Dritten verursacht, eine Haftpflichtversicherung zu stellen. Der Versicherungsschutz entfällt bei vorsätzlichen Schädigungen.
§ 5 Unfälle und Schäden des ehrenamtlich Tätigen: Der Auftraggeber haftet dem ehrenamtlich Tätigen für Schäden, die diesem in Verrichtung des Auftrags wegen eines Verschuldens des Auftraggebers oder durch Zufall entstehen. Dies gilt nicht, falls diese Schäden durch die gesetzliche Unfallversicherung gedeckt sind.

§ 6 Aufwendungsersatz: Der Auftraggeber ersetzt dem ehrenamtlich Tätigen die Aufwendungen, die nach den Umständen für erforderlich gehalten werden konnten, insbesondere Kosten für Fahrten, Verpflegungsmehrbedarf und Fachliteratur.

Es werden auch die Kosten für genehmigte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen ersetzt, die im Interesse des Auftraggebers liegen, insbesondere die Kosten für die Teilnahme an Lehrgängen.

§ 7 Geltung des Auftragsrechts: Soweit eine Frage in diesem Vertrag nicht ausdrücklich geregelt ist, gelten ersatzweise die Regeln des Auftrags (§§ 662-676 BGB).

§ 8 Abweichende Regelungen: Von diesem Vertrag abweichende Regelungen sowie Nebenabreden bedürfen für ihre Wirksamkeit der Schriftform.

  Unterschrift Auftraggeber                                                                         Unterschrift ehrenamtlich Tätiger

 

Zusatzerklärung

Der ehrenamtlich Tätige verpflichtet sich, über betriebliche Vorgänge Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für die Mitteilung von Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

Unterschrift ehrenamtlich Tätiger
 
D. Erläuterung der einzelnen Vertragsklauseln
 

Zu § 1 Auftragsinhalt

§ 1 Mustervertrag soll verdeutlichen, daß hier einerseits kein bloßes Gefälligkeitsverhältnis und andererseits kein Arbeitsverhältnis zwischen dem ehrenamtlich Tätigen und der Bibliothek vorliegt, sondern ein unentgeltliches Geschäftsbesorgungsverhältnis (Auftrag) im Sinne der §§ 662 ff. BGB.3)

I. Abgrenzung zum Gefälligkeitsverhältnis

=> Ehrenamtliche Tätigkeit ist keine bloße Gefälligkeit. Zwar könnte man das Auftragsverhältnis zwischen Bibliothek und ehrenamtlich Tätigem als Gefälligkeitsvertrag bezeichnen, weil er fremdnützig und unentgeltlich erbracht wird. Vom Gefälligkeitsverhältnis unterscheidet sich der Gefälligkeitsvertrag jedoch durch den Rechtsbindungswillen, der bei bloß gesellschaftlichen, freundschaftlichen Zusagen oder bei bloßen Gefälligkeiten des täglichen Lebens fehlt.4)

Beide Seiten müssen also Rechte und Pflichten im Sinne eines Auftrages nach §§ 662 ff. BGB übernehmen wollen. Wenn dem ehrenamtlich Tätigen ein Mustervertrag vorgelegt wird, so wird diese Frage abschließend bei ihm geklärt: Er wird sich darüber klar, daß er im Hinblick auf eine bestimmte Zweckerreichung bestimmte Pflichten übernimmt und vica versa bestimmte Rechte erhält. Allerdings kommt es nicht auf die Schriftform des Vertrages an: Ein Auftrag kommt auch zustande, wenn die Parteien sich über alle wesentlichen Elemente geeinigt haben und sich vertraglich binden wollen. An einem Vertragsbindungswillen dürfte es aber z.B. fehlen, wenn jemand einmal aushilfsweise für kurze Zeit unentgeltlich eine befreundete Bibliothekarin vertritt.

II. Abgrenzung zum Arbeitsvertrag

=> Es muß gewährleistet sein, daß sich der ehrenamtlich Tätige nicht als "verkappter" Arbeiter oder Angestellter mit allen Rechten des Arbeitnehmers entpuppt (Lohn, Kündigungsschutz, etc.). Der Beauftragte im Rahmen des in §§ 662ff. BGB geregelten Auftrags hat diese Rechte nicht.

Allerdings gibt das Gesetz nur wenige Unterschiede zwischen Auftrag und Arbeitsvertrag an die Hand. Aus § 665 BGB ergibt sich, daß der Beauftragte weisungsgebunden ist, ohne daß er deshalb als Arbeitnehmer anzusehen wäre. Ebenso ist es nach dem Gesetz kein Unterschied, ob der unentgeltlich tätige Beauftragte eine Arbeit übernimmt, die üblicherweise gegen ein Entgelt von Tarifangestellten ausgeübt wird.

Der wichtigste im Gesetz festgelegte Unterschied zwischen Arbeitsvertrag und Auftrag ist, daß der Arbeitnehmer entgeltlich arbeitet, während der Beauftragte unentgeltlich tätig wird. Ein weiterer Unterschied ist, daß grundsätzlich beide Seiten beim Auftrag sofort und ohne Begründung kündigen bzw. widerrufen können. Dabei läßt das Gesetz es aber zu, daß - wie bei einem Arbeitsvertrag - die Kündigung auf wichtige Gründe beschränkt wird (siehe näher unter § 3 Mustervertrag).

Als eigentlicher Unterschied verbleibt somit allein die Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit. Es liegt auf der Hand, daß hier Mißbräuche denkbar sind. So könnte man in einem unentgeltlichen Beschäftigungsverhältnis auch einen besonders krassen Fall des "Hungerlohns" oder "Lohndumpings" im Rahmen eines Arbeitsvertrags sehen - mit der Folge, daß der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber nachträglich die übliche (tarifliche) Vergütung verlangen kann (sogenannter "fehlerhafter" oder "faktischer" Arbeitsvertrag).5)

Betrachtet man die Fälle, in denen die Rechtsprechung den "Hungerlohn" bejaht hat,6) so fällt die folgende Gemeinsamkeit auf: Der Arbeitnehmer ging seiner Beschäftigung zu dem Zweck nach, seinen Lebensunterhalt mit dieser Beschäftigung zu bestreiten und nahm hierfür auch eine unangemessen niedrige Vergütung in Kauf. Bei der ehrenamtlichen Arbeit handelt es sich hingegen um ein anderes Motiv, nämlich auf freiwilliger, unentgeltlicher Basis für die Allgemeinheit nützliche Dienste zu verrichten. Es wäre widersinnig, wenn man eine solche altruistische Hilfe unmöglich machen würde, indem man in diesen Fällen die Regeln des Arbeitsrechts anwenden würde.

Es muß allerdings dafür gesorgt werden, daß jeder Verdacht einer mißbräuchlichen Verwendung des Vertragstyps "Auftrag" als Fassade eines ausbeuterischen "Arbeitsverhältnisses" vermieden wird. Daher empfiehlt sich zum einen die ausdrückliche Fixierung des altruistischen Motivs im Vertrag (siehe § 1 S. 2 Mustervertrag am Ende). Freilich genügt dies allein nicht. Der altruistische Zweck muß auch im konkreten Einzelfall glaubhaft erscheinen. Er darf nicht als bloße "Maskierung" eines eigentlich egoistischen Zwecks der Gewinnerzielung dienen. Sonst würde die Bezeichnung "Ehrenamt" mißbraucht, um Arbeitsverhältnisse zu kaschieren.

Ein Mißbrauch läge z.B. in den folgenden Fällen vor, bei denen der arbeitsrechtliche Anspruch auf Lohnzahlung gezielt umgangen würde:

In diesen Fällen ist das Motiv der angeblichen "ehrenamtlichen Mitarbeiter" nicht altruistisch, sondern egoistisch. Es wird nämlich beabsichtigt, durch die "ehrenamtliche Tätigkeit" sich ein späteres Entgelt zu verschaffen.

Ein solcher Mißbrauch und auch nur der Verdacht eines solchen Mißbrauchs müssen vermieden werden, wenn nicht die gesamte Idee der ehrenamtlich tätigen Bibliothekare in Mitleidenschaft gezogen werden soll.

Es sind daher die folgenden Punkte zu beachten, um zu gewährleisten, daß die ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht aus egoistischen oder mittelbar egoistischen Motiven handeln:

Hieraus folgt, daß insbesondere die folgenden Personenkreise als ehrenamtliche Mitarbeiter geeignet sind, weil der Zweck, sich durch Arbeit geldwerte Vorteile zu sichern, hier glaubhaft nicht bestimmend ist: Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß für ehrenamtlich Tätige auch keine sog. 630-DM-Verträge abgeschlossen werden dürfen. Diese Verträge knüpfen an das Vorliegen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses, d.h. eines Arbeitsvertrages, an. Der ehrenamtlich Tätige unterliegt aber nicht dem Arbeitsvertragsrecht, sondern dem Auftragsrecht. Ihm wird kein Arbeitslohn gezahlt, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung.

 

Zu § 2 Weisungsrecht

§ 2 S. 1 Mustervertrag folgt aus der Vorschrift des § 665 BGB, aus der sich ergibt, daß der Beauftragte weisungsgebunden ist. § 2 S. 2 Mustervertrag regelt den Sonderfall der Einsatzzeit des ehrenamtlich Tätigen.

 

Zu § 3 Aufhebung, Kündigung, Widerruf

Das Gesetz geht in § 671 Abs. 1 BGB ("Der Auftrag kann von dem Auftraggeber jederzeit widerrufen, von dem Beauftragten jederzeit gekündigt werden") von der beiderseitigen freien Lösbarkeit aus. Hierin liegt neben der Unentgeltlichkeit der zweite große Unterschied zum Dienst- oder Werkvertrag. Das Gesetz erlaubt jedoch die Beschränkung des Kündigungsrechts (wie es z.B. eine Fristeinhaltung darstellt), wie sich aus § 671 Abs. 3 BGB ergibt ("Liegt ein wichtiger Grund vor, so ist der Beauftragte zur Kündigung auch dann berechtigt, wenn er auf das Kündigungsrecht verzichtet hat"). Ungeregelt ist dagegen die Frage, ob auch das Widerrufsrecht des Auftraggebers eingeschränkt werden kann, also z.B. an eine Fristeinhaltung gebunden werden kann. Eine entsprechende Einschränkung auch auf Seiten des Auftraggebers wird für zulässig gehalten, wenn der Auftrag nicht nur im Interesse des Auftraggebers liegt.8) Daher erscheint es angemessen, in beiden Fällen eine Beendigungsfrist von gleicher Länge (4 Wochen) festzulegen.

Nach § 671 Abs. 2 BGB darf der Beauftragte nur in der Art kündigen, daß der Auftraggeber für die Besorgung des Geschäfts anderweitig Vorsorge treffen kann, es sei denn, daß ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt der Beauftragte ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Auftraggeber den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Eine vierwöchige Kündigungsfrist dürfte eine "Kündigung zur Unzeit" in der Regel ausschließen.

Wie sich aus § 671 Abs. 2 und Abs. 3 BGB ergibt, muß beim Vorliegen eines wichtigen Grundes die sofortige Beendigung des Auftrags zulässig sein. Für die Frage, wann ein solcher wichtiger Grund eingreift, dürften die Regeln der Kündigung von Arbeitnehmern entsprechend gelten. Insbesondere liegt ein wichtiger Grund vor, wenn der ehrenamtlich Tätige im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit einen Diebstahl oder einen Betrug begeht oder wenn die ehrenamtliche Tätige von einem Weisungsberechtigten sexuell belästigt wird.

 

Zu § 4 Haftung des ehrenamtlich Tätigen

Das Gesetz sieht keine Haftungsmilderung des Beauftragten vor, so daß der ehrenamtlich Tätige an sich auch für leicht fahrlässig verursachte Schäden haften müßte. Eine solche strenge Haftung erscheint aber unbillig. Der Bundesgerichtshof hat daher entschieden, daß die Haftungsbeschränkungen für Arbeitnehmer auch für ehrenamtlich Tätige entsprechend gelten.9) Um Klarheit zu schaffen, sollte jedenfalls ausdrücklich festgelegt werden, daß der ehrenamtlich Tätige nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftet (Variante 1). Allerdings kann die dann notwendige Abgrenzung zwischen grober und normaler Fahrlässigkeit zu Schwierigkeiten führen. Es erscheint daher sinnvoll, solche möglichen Schwierigkeiten zu vermeiden, indem der ehrenamtlich Tätige haftpflichtversichert wird (Variante 2).10) Dies bewirkt, daß der ehrenamtlich Tätige nur noch bei Vorsatz selbst haftet, während sonst die Haftpflichtversicherung einspringt. Da die Versicherung die Schäden deckt, ist dann auch eine Haftungsbegrenzung wie in Variante 1 unnötig, die letztlich nur die Versicherung entlastet.

Allerdings stellt sich die Frage, wie eine solche Haftpflichtversicherung gestaltet werden soll. Eine (möglicherweise bestehende) Privathaftpflichtversicherung des ehrenamtlich Tätigen deckt keine Schäden, die er im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit anrichtet.11) Denkbar ist aber der Abschluß einer eigenen Betriebshaftpflichtversicherung seitens des Auftraggebers für die ehrenamtlich Tätigen.12) Allerdings deckt eine solche Betriebshaftpflichtversicherung nur Schäden ab, die der ehrenamtlich Tätige gegenüber Dritten (Benutzern der Bibliothek) verursacht, nicht aber Personen- oder Sachschäden (z.B. Beschädigen oder Zerstören von Büchern oder Einrichtungen), die er gegenüber der Bibliothek verursacht. Jedenfalls für diese nicht versicherbaren "internen Schäden" gegenüber der Bibliothek bleibt daher nur die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung übrig (siehe § 4 Abs. 1 Mustervertrag).

 

Zu § 5 Unfälle und Schäden des ehrenamtlich Tätigen

Die ehrenamtlich Tätigen in öffentlichen Bibliotheken sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII13) in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Soweit diese entstehende Schäden nicht ersetzt (etwa Sachschäden), ist eine subsidiäre Haftung des Auftraggebers für verschuldete Schäden und Zufallsschäden angemessen (siehe § 5 S. 1 Mustervertrag).

 

Zu § 6 Aufwendungsersatz

Gemäß § 670 BGB hat der Beauftragte einen Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen, "die er den Umständen nach für erforderlich halten darf".

Solche Auslagen können dem ehrenamtlich Tätigen insbesondere durch Fahrtkosten und Verpflegungsmehrbedarf entstehen, die daher ausdrücklich in § 6 S. 1 Mustervertrag genannt werden. Bei der Erstattung der Fahrtkosten ist zu beachten, daß der ehrenamtlich Tätige nicht auf diesem Wege (etwa über eine großzügig bemessene Pauschalvergütung) eine verdeckte "Vergütung" für seine ehrenamtliche Tätigkeit erhält, wodurch die Unentgeltlichkeit seiner Tätigkeit in Frage gestellt wäre (siehe § 1 Mustervertrag). Es empfiehlt sich daher, zum Beginn der Tätigkeit keine Pauschalvergütung zu entrichten, sondern die jeweiligen konkreten Aufwendungen zu ersetzen. Nach einigen Monaten kann aus Verwaltungsvereinfachungsgründen eine Pauschale, die dem Durchschnitt der monatlichen Aufwendungen entspricht, gezahlt werden.

Auslagen können auch für Qualifikationsmaßnahmen des ehrenamtlich Tätigen entstehen, z.B. Kosten für die Teilnahme an Lehrgängen und für Fachliteratur. Soweit hiervon auch die Bibliothek profitiert, erscheint es unbedenklich und sinnvoll, daß die Bibliothek die Kosten hierfür übernimmt. Wie bei Dienstreisen und Dienstbefreiungen allgemein üblich, bedarf es auch hier einer vorherigen Genehmigung des Auftraggebers. Anderenfalls würde der ehrenamtlich Tätige dem hauptamtlich Tätigen vorgezogen.

 

Zu § 7 Geltung des Auftragsrechts

§ 7 Mustervertrag hat rein deklaratorische Bedeutung, denn die gesetzlichen Vorschriften greifen stets ein, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben (z.B. Vorschußpflicht des Auftraggebers für die zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Aufwendungen des Beauftragten gemäß § 669 BGB). Auch unterstreicht § 7 Mustervertrag nochmals, daß dem Vertrag ein Auftragsverhältnis zugrundeliegen soll (siehe §§ 1, 3 Mustervertrag).

 

Zu § 8 Abweichende Regelungen

§ 8 Mustervertrag schreibt eine Schriftformklausel für Abweichungen und Nebenabreden von dem Mustervertrag vor. Hierdurch soll gesichert werden, daß die notwendigen Maßgaben der ehrenamtlichen Tätigkeit (siehe § 1 Mustervertrag) nicht durch eine Änderung verlorengehen oder unterlaufen werden.

 

Zur Zusatzerklärung

Die in Bibliotheken ehrenamtlich Tätigen müssen ebenso die datenschutzrechtlichen Vorschriften einhalten wie die hauptamtlichen Bibliothekare. Es ist daher notwendig, daß die ehrenamtlich Tätigen zur Einhaltung dieser Regeln verpflichtet sind. Um diese Verpflichtung hinreichend deutlich zu machen, sollte der ehrenamtlich Tätige eine gesonderte Unterschrift unter eine entsprechende Klausel auf dem Vertragsformular abgegeben werden (wie hier vorgeschlagen) oder eine eigenständige Erklärung abgeben.

 

E. Sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Eine ehrenamtliche Tätigkeit führt lediglich im Bereich der Unfallversicherung dazu, daß der ehrenamtlich Tätige gesetzlich versichert ist (siehe D. § 5 Mustervertrag).

Eine entsprechende Regelung für die übrigen Sozialversicherungen (Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung) besteht nicht.14) Folglich erwirbt der ehrenamtlich Tätige weder aufgrund seiner ehrenamtlichen Tätigkeit entsprechende Ansprüche gegen den Versicherungsträger, noch schuldet er ihm Beiträge.

 

F. Steuerrechtliche Aspekte

Aus steuerrechtlicher Sicht stellen sich die folgenden Fragen:

 
I. Besteuerung der Aufwandsentschädigung beim ehrenamtlich Tätigen?

Grundsätzlich ist die Aufwandsentschädigung, die der ehrenamtlich Tätige erhält, steuerfrei. Wenn die Aufwandsentschädigung dem ehrenamtlich Tätigen von einer öffentlich-rechtlichen Bibliothek entrichtet wird, greift die Befreiung des § 3 Nr. 12 S. 2 EStG ein, wonach eine "Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen" steuerfrei ist.15) Entsprechendes muß wegen der gleichen Sach- und Interessenlage auch für die Aufwandsentschädigung für Personen, die ehrenamtlich bei einer privatrechtlich organisierten Bibliothek tätig sind, gelten.

Steuerfrei sind auch die Vergütungen der Reisekosten. Hinzuweisen ist auf § 3 Nr. 13 EStG bei Personen, die ehrenamtlich bei einer öffentlich-rechtlichen Bibliothek tätig sind, und § 3 Nr. 16 EStG bei Personen, die ehrenamtlich bei einer privatrechtlich organisierten Bibliothek tätig sind. Entsprechendes gilt für Verpflegungsmehraufwendungen; diese sind allerdings nur insoweit steuerfrei, als sie die Höchstbeträge nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG nicht überschreiten, d.h. soweit sie 140% der höchsten Tagegeldsätze nach dem Bundesreisekostengesetz nicht übersteigen.

Jedes Plus zur Aufwandsentschädigung ist einkommensteuerpflichtig! Um die staatlichen Einnahmen zu mehren, geht das Steuerrecht von einem weiten Arbeitnehmerbegriff aus, der sich nicht mit dem zivilrechtlichen Arbeitnehmerbegriff deckt.16) Entscheidendes Kriterium im Steuerrecht ist die Eingliederung der Person in die Organisation.17) Die Rechtsprechung hat mit dieser Begründung auch ehrenamtlich tätige Personen als Arbeitnehmer im Sinne des Einkommenssteuerrechts bzw. als unselbständig Beschäftigte i.S. von § 19 EStG angesehen, wenn sie in die Organisation eines Trägers eingliedert waren.18) Bei ehrenamtlich tätigen Bibliothekaren ist eine solche organisatorische Eingliederung gegeben, so daß hier penibel darauf geachtet werden muß, lediglich Aufwandsentschädigungen zu entrichten, wenn vermieden werden soll, Steuern abzuführen.

 
II. Steuerliche Geltendmachung der im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit gemachten Ausgaben?

Für den ehrenamtlich Tätigen kommt eine Geltendmachung der im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit gemachten Ausgaben schon deshalb nicht in Betracht, weil ihm seine Ausgaben ersetzt werden (siehe § 6 Mustervertrag).

Eine andere Frage ist, ob die Bibliothek, falls sie steuerpflichtig ist, ihre im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit gemachten Ausgaben als Betriebsausgaben absetzen kann. Dies ist zu bejahen, denn es handelt sich bei den Ausgaben für ehrenamtlich tätige Bibliothekare ebenso um Betriebsausgaben wie auch im Falle entsprechender Ausgaben für die hauptamtlichen Bibliothekare.19)
 

G. Personalrechtliche Aspekte

Schließlich ist zu klären, ob die ehrenamtlich Tätigen in Bibliotheken unter personalrechtlichen Aspekten den hauptamtlichen Bibliothekaren gleichzustellen sind. Im Ergebnis ist dies zu verneinen.

Dabei ist hinsichtlich der Organisationsform zu unterscheiden zwischen den privatrechtlich organisierten Bibliotheken, bei denen ein Betriebsrat nach den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) gebildet wird, und den öffentlich-rechtlichen Bibliotheken, bei denen eine Personalvertretung nach den Regeln des jeweiligen Bundes- oder Landespersonalvertretungsgesetzes (PersVG) gebildet wird.

Für die Zusammensetzung eines Betriebsrats in einer privatrechtlich organisierten Bibliothek gilt § 7 BetrVG, der bestimmt, daß "alle Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben", wahlberechtigt sind. § 8 BetrVG bestimmt, daß diejenigen "Arbeitnehmer" gewählt werden dürfen, die dem Betrieb mindestens 6 Monate angehören. Die ehrenamtlich tätigen Bibliothekare fallen nicht in die jeweiligen Gruppen, denn sie sind keine Arbeitnehmer im Sinn des Betriebsverfassungsgesetzes. Dies ergibt sich ausdrücklich aus § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, wonach Personen nicht "als Arbeitnehmer ... gelten, ... deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist".

Entsprechendes gilt auch für die öffentlich-rechtlich organisierten Bibliotheken. Dort ist der Personalrat die Vertretung der "Beschäftigten im öffentlichen Dienst". Ehrenamtlich Tätige sind keine "Beschäftigten im öffentlichen Dienst". Die Personalvertretungsgesetze nehmen entsprechend der betriebsverfassungsrechtlichen Regelung solche Personen vom Begriff der "Beschäftigten im öffentlichen Dienst" aus, "deren Beschäftigung überwiegend durch Beweggründe religiöser oder karitativer Art bestimmt" ist (z.B. § 4 Abs. 5 Nr. 1 BPersVG).

 
1) Zu nennen sind die allgemeinen Darstellungen von Birk, Ulrich-Arthur/Münder, Johannes: Die rechtlichen Rahmenbedingungen sozialer ehrenamtlicher Arbeit unter besonderer Berücksichtigung haftungs-, sozial- und steuerrechtlicher Aspekte. In: Ehrenamtliche soziale Dienstleistungen. 1989. S. 265-284. (Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bd. 231); Igl, Gerhard: Rechtsfragen des freiwilligen sozialen Engagements. 2. Aufl. 1996. (Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bd. 123).

 2) Zum Anlaß des Gutachtens siehe Bericht über die Sitzung des DBV am 20./21. 1. 1998. In: Bibliotheksdienst 32(1998) S. 664-666.

 3) Vgl. Birk/Münder (Fn. 2), S. 269; Igl (Fn. 2), S. 40.

 4) Spau in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch. 58. Aufl. 1999, Einführung vor § 662, Rn. 3.

 5) Siehe z.B. BAG, AP § 138 BGB, Nr. 2.

 6) Beispielsweise BAG (Fn. 4); BGHSt 43, 53 (59f.); siehe weitere Beispiele bei Käßer, Petra: Der fehlerhafte Arbeitsvertrag. 1979. S. 133ff.

 7) Igl (Fn. 2), S. 43, hält allerdings eine Honorierung für zulässig, solange diese die Höhe eines "Taschengeldes" nicht übersteigt.

 8) Siehe Wittmann, Roland in: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (begründet von Julius v. Staudinger). 13. Bearbeitung 1995. § 671, Rn. 7 mit weiteren Nachweisen.

 9) Siehe BGHZ 89, 153 (158). In diesem Fall hatte ein ehrenamtlich tätiger Leiter einer Pfadfindergruppe die Aufsicht über eine Gruppe von jugendlichen Pfadfindern, die nach einer Freizeit die nassen Zelte in einer 3 bis 4 Meter hohen Lagerhalle zum Trocknen aufhängen sollten. Dabei ließ es der ehrenamtliche Leiter der Gruppe zu, daß sich zwei Pfadfinder zum Aufhängen der Zelte in einen ca. 70 kg. schweren Drahtgitterbehälter begaben, der lose auf die Träger eines Gabelstaplers gestellt und in die Höhe gehoben wurde. Der Drahtgitterbehälter kippte seitlich von den Trägern des Gabelstaplers ab. Die Jugendlichen erlitten durch den Aufprall erhebliche Gesichtsverletzungen.

 10) Birk/Münder (Fn. 2), S. 275, raten "dringendst" dazu, eine solche Haftpflichtversicherung abzuschließen.

 11) Siehe die Nr. I der Besonderen Bedingungen und Risikobeschränkungen zur Privathaftpflichtversicherung (BBR).

 12) Nach Angaben der als unabhängiger Versicherungsmakler tätigen Fair konzept GmbH, Südwall 72, 47798 Krefeld, Tel. 02151/978844, bieten günstige Versicherer eine solche Betriebshaftpflichtversicherung gegen eine Jahresprämie von 345,00 DM inkl. Versicherungssteuer an. In dieser Prämie sind bis zu 5 Personen (unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus) versichert. Für jede weitere Person beträgt die Jahresprämie 60,00 DM inkl. Versicherungssteuer.

 13) § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII lautet: "Kraft Gesetzes sind versichert ... Personen, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts ... ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeiten teilnehmen". Eine öffentliche Bibliothek ist eine (in der Regel unselbständige) Anstalt des öffentlichen Rechts, vgl. Schwerdtfeger, Ulrich in: Unfallversicherung (begründet von Herbert Lauterbach). 4. Auflage. 5. Lieferung. Stand: Januar 1998. § 2 SGB VII, Rn. 350.

 14) Siehe Igl (Fn. 2), S. 57f.

 15) Siehe auch Igl (Fn. 2), S. 96.

 16) Siehe Drenseck, Walter in: Einkommenssteuergesetz (herausgegeben von Ludwig Schmidt). 14. Aufl. München 1997, § 19 EStG, Rn. 4 m.w.N.

 17) Siehe Schmidt/Drenseck (Fn. 15), § 19 EStG, Rn. 5-8.

 18) Siehe etwa BFH, BStBl. II 1994, S. 944 (ehrenamtliche DRK Sanitätshelfer); kritisch hierzu Schmidt/Drenseck (Fn. 15), § 19 EStG, Rn. 8, die in den Fällen, daß ein Stundenlohn von weniger als 5 DM gezahlt wird, die Arbeitnehmerschaft verneinen und von Einnahmen aus sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG ausgehen. Dagegen sind ehrenamtliche tätige Richter keine Arbeitnehmer im Sinne des Einkommenssteuerrechts, weil sie nicht in die Gerichtsorganisation eingegliedert sind, siehe Schmidt/Drenseck (Fn. 15), § 19 EStG, Rn. 15 "Ehrenamt".

 19) Abschnitt 27 Abs. 1 der Körperschaftssteuerrichtlinien (abgedruckt in BStBl. 1996 I, S. 3 (25)) verweist auf § 4 Abs. 4 EStG, vgl. zu § 4 EStG näher Schmidt/Heinicke (Fn. 15), § 4, Rn. 99.


Seitenanfang