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Rechtskommission des DBI
Urheberrecht

Regina Elias
Rechtskommission des DBI
Frühjahrssitzung 1998

Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 32. (1998), S. 939.

Am 30. und 31. März 1998 tagte die Rechtskommission in Hamburg. Einen Schwerpunkt der Tagesordnung bildete die gemeinsame Stellungnahme von BDB und DBI zum Richtlinien-Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Der Richtlinien-Vorschlag soll den in den EU-Ländern bestehenden Rechtsrahmen für das neue technologische Umfeld der Informationsgesellschaft ergänzen und anpassen. Zielsetzung der Richtlinie ist die Schaffung eines einheitlichen Marktes in Beziehung auf Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Zentrale Bedeutung für die Bibliotheken haben die Bestimmungen zum Vervielfältigungsrecht, zum Verbreitungsrecht und zum Recht der öffentlichen Wiedergabe. Der Vorschlag sieht vor, diese Rechte als ausschließliche Rechte zugunsten der Rechtsinhaber festzuschreiben. Die für Bibliotheken und ähnliche Einrichtungen vorgesehenen Ausnahmebeschränkungen sind zu eng gefaßt. Demnach soll künftig die Nutzung digitaler Werke durch und in Bibliotheken erheblichen Einschränkungen unterliegen, die nur über die Mechanismen von Lizenzvereinbarungen/Verträgen zwischen Informationsanbietern und Informationsnutzern aufzuheben sind. In diesem Mechanismus befinden sich Bibliotheken und Informationsanbieter keinesfalls in einer gleichwertigen Verhandlungsposition. Im Interesse der Allgemeinheit ist der Richtlinien-Vorschlag nach Meinung von BDB und DBI dahingehend zu revidieren, daß für Bibliotheken im Geltungsbereich der EU auf der Basis gesetzlicher Regelungen als Ausnahmen von den ausschließlichen Rechten der umfassende, freie, am Sozialstaatsprinzip orientierte Zugang auch zu digitalen Informationen ermöglicht wird.

Um dieses Ziel - Revision des Richtlinien-Vorschlages im Sinne der Bibliotheken - zu erreichen, beschließt die Kommission, in einem gestuften Verfahren vorzugehen:

  1. Die BDB/DBI-Stellungnahme (Kurzfassung) wird Anfang April diesen Jahres dem Bundesministerium der Justiz zugeleitet.
  2. Eine um politische Argumente erweiterte Stellungnahme wird u. a. den Mitgliedern von Ausschüssen des Europäischen Parlaments (Ausschuß für Recht und Bürgerrechte, Ausschuß für Kultur, Jugend, Medien und Bildung), an Bundestagsabgeordnete, an die Mitglieder der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" übergeben.
  3. Nach Vorliegen der endgültigen Richtlinien-Fassung leiten BDB/DBI im Rahmen des dann anstehenden Umsetzungsverfahrens in das nationale Urheberrecht - d. h. nach Vorliegen des entsprechenden Referentenentwurfs - dem BMJ einen eigenen Gesetzesvorschlag zu.
Ferner beschäftigte sich die Kommission mit dem Thema Ehrenamt in Bibliotheken. Nach einer ersten Untersuchung dieser Problematik kommt die Kommission zu dem Ergebnis, daß die Bezeichnung "Ehrenamt" nur die Unentgeltlichkeit der erbrachten Leistung betont, es sich nach Lage der Dinge jedoch nicht um "ehrenamtliche Tätigkeit" handelt, sondern um eine Beschäftigung ohne Zahlung eines Entgeltes. Anhand zweier Alternativen (A: Übernahme des Dienstbetriebes einer Bibliothek / Zweigbibliothek / autonomen Betriebsteiles durch ein eigenständiges Rechtssubjekt: z. B. Verein; B: Beschäftigung ohne Zahlung eines Entgeltes durch den öffentlichen Träger) erörtert die Kommission die möglichen Konsequenzen solch einer Beschäftigung für die öffentliche Hand. Variante B birgt u. U. die Gefahr, daß sich der ohne Entgelt Beschäftigte in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis einklagt; dem kann nur durch konkrete Vertragsgestaltung (vor Aufnahme der Tätigkeit) entgegengewirkt werden. Die Kommission wird einen Mustervertrag erstellen, der neben dieser Frage u. a. Haftungsfragen regelt.

Nach einem Beschluß des Bundestages aus dem Jahre 1985 hat das BMJ in periodischer Form über die Entwicklung der urheberrechtlichen Vergütung für das Vervielfältigen urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten und sonstigen eigenen Zwecken zu berichten. Der Vorbereitung des nächsten anstehenden Berichts dient der vom BMJ versandte Fragenkatalog, der durch die Verbände (hier: BDB) und interessierte Kreise auf dem Gebiet des Urheberrechts in bezug auf bestimmte Aspekte oder vollständig beantwortet werden kann. Die Kommission wird zu Teilaspekten Stellung nehmen und die Stellungnahme dem BMJ namens der BDB zuleiten.

Im Auftrag des BMBF ist der geschäftsführende Direktor des Zentrums für Kulturforschung im Rahmen des Forum "Info 2000" (Publikationen des Arbeitskreises 8: Arbeitsgruppe "Kunst und Kultur in der Informationsgesellschaft"; Unterarbeitsgruppe "Urheberrecht") derzeit mit der Erarbeitung einer Broschüre und eines fachlichen Dokumentationsbandes zur Thematik des Forums beschäftigt. Das DBI wurde gebeten, die Sicht der Bibliotheken zur künftigen urheberrechtlichen Entwicklung in Hinblick auf Multimedia und andere computergestützte Technologien - insbesondere in Hinblick auf die Nutzungsrechte - darzustellen. Unter Verweis auf die von der BDB / Rechtskommission bereits erarbeiteten Materialien (Denkschrift / Argumentationspapier / Stellungnahme zum neuen Richtlinien-Vorschlag) wird das DBI den Standpunkt der Bibliotheken darlegen.

Eine Universitätsbibliothek war an die Rechtskommission mit der Frage herangetreten, ob sie Benutzerwünschen nach Kopien von Flurkarten stattgeben darf. Nach Prüfung des Sachverhaltes kommt die Kommission u. a. zu folgendem Ergebnis: Flurkarten dienen dem Zweck, bestimmte Vermessungsergebnisse darzustellen. Dabei werden i. d. R. allgemein übliche Techniken angewendet und allgemein übliche Zeichen verwendet. Die Formgestaltung der Flurkarten kann deshalb nicht als Ergebnis einer eigenschöpferischen Leistung angesehen werden. Es ist also davon auszugehen, daß es sich bei Flurkarten nicht um Kartenwerke (im Sinne des Urheberrechtsgesetzes) handelt. Die Zeichner von Flurkarten bzw. deren Erben können die Vervielfältigung, Verbreitung und Veröffentlichung der Karten nicht kontrollieren. Die Kommission wird ein Kurzgutachten zu dieser Problematik im Bibliotheksdienst veröffentlichen.

Nach wie vor beschäftigt die Kommission die Frage der Erarbeitung von Muster-AGB ("Allgemeine Geschäftsbedingungen") für Bibliotheken. Die Kommission hält die Erstellung solcher AGB für wichtig; daher wird sich eine Arbeitsgruppe der Rechtskommission, unter Einbeziehung eines Vertreters der Erwerbungskommission, langfristig (Frühjahrssitzung 1999) dieser Problematik annehmen.

Weitere Vorhaben der Kommission sind u. a. die Erarbeitung einer Checkliste für den Abschluß von Lizenzverträgen (insbesondere für Öffentliche Bibliotheken) sowie der Abschluß der Arbeiten an den "Rechtsvorschriften für die Bibliotheksarbeit" (3. Ausgabe) und die redaktionelle Bearbeitung der "Entscheidungssammlung zum Bibliotheksrecht" (gemeinsam mit der VDB-Kommission für Rechtsfragen).


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