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Rechtskommission des DBI
Erwerbung

Klaus Peters
Software - Zur Wirksamkeit von Schutzhüllenverträgen

Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 30. (1996), S.2069.

Die Nutzung von Standardsoftware wird vielfach durch sog. Schutzhüllenverträge geregelt. Von einem Schutzhüllenvertrag spricht man, wenn Software in einer Schutzverpackung verkauft wird und der Käufer durch einen Aufdruck darauf hingewiesen wird, daß er mit dem Öffnen der Verpackung den auf der Verpackung abgedruckten oder durch die (Klarsicht-) Verpackung lesbaren Vertragsbedingungen ("Lizenz") des Herstellers zustimme. In der Regel wird der Hinweis ergänzt durch die Mitteilung, bei fehlendem Einverständnis könne die ungeöffnete Ware gegen Rückerstattung des Kaufpreises an den Händler zurückgegeben werden. Die Vertragsbedingungen enthalten häufig Bestimmungen, die die bibliothekarische Nutzbarkeit einschränken, so wird z.B. in vielen Fällen das Verleihen der Software verboten. Die Wirksamkeit der Schutzhüllenverträge ist umstritten.

Die Rechtskommission nimmt, wie folgt, Stellung:

Der Schutzhüllenvertrag soll eine vertragliche Verpflichtung des Softwareerwerbers gegenüber dem Softwarehersteller begründen, der Inhaber der Nutzungsrechte an der Software und nicht identisch mit dem Softwarehändler ist. Ein Vertrag kommt zustande durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen: Angebot und Annahme. Das Softwarepaket mit dem erwähnten Hinweis und den sichtbaren Lizenzbedingungen beinhaltet das Angebot des Herstellers an den Erwerber, einen Lizenzvertrag zu schließen. Das Aufreißen der Schutzhülle durch den Erwerber ist eine Handlung, die unmittelbar nur den Sinn hat, ein Hindernis für den Gebrauch der Software zu beseitigen. Eine direkte Annahmeerklärung liegt also nicht vor. Ein unmittelbar lediglich auf einen tatsächlichen Erfolg zielendes Verhalten kann aber mittelbar einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck bringen, d.h., als Willenserklärung gewertet werden.

So bringt eine Bibliothek z.B. durch das Stempeln eines unverlangt mit Rechnung zugesandten Buches mittelbar die Annahme des Kauf- und Übereignungsangebots des Absenders zum Ausdruck. Allerdings liegt es nicht in der Macht des Anbieters, einem Verhalten, das unmittelbar auf einen anderen Zweck gerichtet ist, die Bedeutung einer Annahmeerklärung zu geben. Die gegenteilige Auffassung würde zu absurden, mit dem Prinzip der Vertragsabschlußfreiheit völlig unvereinbaren Ergebnissen führen. Z.B. hat der einer unverlangten Buchsendung beiliegende Hinweis "Wenn Sie dieses Buch nicht binnen einer Woche an den Absender zurückschicken, erklären Sie sich mit der Zahlung des Rechnungsbetrages einverstanden", (sofern keine laufende Geschäftsbeziehung zu dem Absender besteht) selbstverständlich keine rechtliche Wirkung. Ein Verhalten, das nicht unmittelbar die Erklärung eines Rechtsfolgewillens bezweckt, kann nur dann als Annahmeerklärung gewertet werden, wenn dies dem Grundsatz von Treu und Glauben entspricht.1) Das ist der Fall, wenn sich ein redlicher Rechtsteilnehmer nur auf der Grundlage des angetragenen Vertrages in der fraglichen Weise verhalten hätte. Das Stempeln eines unverlangt mit Rechnung zugesandten Buches stellt ein redliches Verhalten nur unter der Voraussetzung dar, daß ein Kaufvertrag und eine Einwilligung über den Eigentumsübergang vorliegen. Ohne vertragliche Berechtigung wäre das Stempeln eine Verletzung des Eigentums des Absenders, also unredlich. Andererseits ist keine Eigentumsverletzung gegeben, wenn ein unverlangt zugesandtes, unerwünschtes Buch nicht an den Absender zurückgeschickt, sondern in der Bibliothek aufbewahrt wird. Das Absehen von der Rücksendung ist also keine unredliche Verhaltensweise und kann dementsprechend nicht als Annahme des Kaufangebots gewertet werden.

Was gilt danach für den Schutzhüllenvertrag?

Das Öffnen der Schutzhülle dient unmittelbar dem tatsächlichen Zweck, den Gebrauch der eingeschlossenen Software zu ermöglichen, bringt also unmittelbar nicht die Annahme des Lizenzangebots zum Ausdruck. Da der Hinweis des Herstellers, das Öffnen beinhalte eine Annahmeerklärung, grundsätzlich unbeachtlich ist, ist zu fragen, ob ein redlicher Erwerber die Software nur auf der Grundlage eines Lizenzvertrages mit dem Hersteller gebrauchen würde. Der Erwerber hat das (Sach-) Eigentum an der Schutzhülle und am Softwareträger vom Händler erworben. Das Aufreißen der Schutzhülle und der Gebrauch der Software können also kein Sacheigentum des Herstellers verletzen. In Betracht kommt nur eine Verletzung des geistigen Eigentums an der Software. Der Inhalt des geistigen Eigentums ergibt sich aus dem Urheberrechtsgesetz. Soweit es sich bei der Software um Computerprogramme handelt, darf eine Vervielfältigung gem. § 69 c Nr. 1 UrhG nur mit Lizenz des Rechtsinhabers (d.h. i.d.R. des Herstellers) vorgenommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß auch das Laden eines Programms und der Programmlauf als Vervielfältigung im urheberrechtlichen Sinne gelten.2) Gem. § 69 d Abs. 1 UrhG darf jedoch jeder "zur Verwendung eines Programms Berechtigte" die für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Programms notwendigen Vervielfältigungen ohne Lizenz vornehmen.

Der Erwerber (wie auch der Bibliotheksbenutzer) ist Verwendungsberechtigter i.S. dieser Vorschrift,3) er darf also das Programm laden und laufen lassen. Gem. § 69 d Abs. 2 UrhG ist der Erwerber auch zur Erstellung einer Sicherungskopie befugt. Soweit es sich bei der Software um andere Werke als Computerprogramme (z.B. Schrift-, Musik-, Filmwerke) handelt, benötigt der Erwerber (wie auch der Bibliotheksbenutzer) für den bestimmungsgemäßen Gebrauch gleichfalls keine Lizenz. Die Wiedergabe des Werkes am Bildschirm ist als nichtöffentliche Wiedergabe urheberrechtsfrei. Die Erstellung von Kopien (z.B. Ausdrucken) ist in dem für den Normalgebrauch erforderlichen Umfang gem. § 53 UrhG erlaubt.

Der Erwerber von Software würde mithin nicht unredlich handeln, wenn er, ohne daß ihn ein Lizenzvertrag dazu berechtigte, die Schutzhülle öffnete und die Software gebrauchte. Dementsprechend kann das Verhalten des Erwerbers nicht als Annahme des Lizenzangebots gewertet werden. Der Schutzhüllenvertrag kommt nicht zustande. Für die Bibliothekspraxis bedeutet dies, daß Bibliothek und Bibliotheksbenutzer bei der Nutzung von Schutzhüllen-Software allein die gesetzlichen, nicht aber die vom Hersteller vorgesehenen Beschränkungen zu beachten haben. So darf eine Bibliothek z.B. gekaufte Schutzhüllen-Software trotz entgegenstehender "Lizenz"-Bestimmung gem. § 69 c Nr. 3 Satz 2 UrhG ohne weiteres ausleihen (es sei denn, die Ausleihe widerspräche der Selbstverpflichtungserklärung der Bibliotheksverbände.4)

Der hier vertretene Standpunkt entspricht im Ergebnis der wohl überwiegenden Ansicht der Rechtsliteratur.5) Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10.2.1989, in dem ohne weiteres von der Wirksamkeit eines Schutzhüllenvertrages über ein Computerprogramm ausgegangen wird,6) steht dieser Auffassung nicht entgegen, da die Entscheidung den in der Bibliothekspraxis ungewöhnlichen und deshalb hier außer acht gelassenen Fall betrifft, daß der Anwender die Software nicht von einem Händler, sondern unmittelbar von dem Produzenten erwirbt. In einem solchen Fall ist von einem wirksamen Vertrag zwischen Hersteller und Anwender auszugehen. Nach den Grundsätzen des kaufmännischen Geschäftsverkehrs (die auch für den Erwerb durch Bibliotheken gelten) sind die Schutzhüllenklauseln i.d.R. in diesen Vertrag einbezogen und damit für den Erwerber verpflichtend.

Abschließend soll noch kurz auf zwei Vertragsformen eingegangen werden, die gleichfalls beim Erwerb von Standardsoftware eine Rolle spielen. Beim sog. Enter-Vertrag erscheint nach dem Programmstart auf dem Bildschirm des Computers ein Hinweis mit dem Inhalt, daß mit dem Betätigen der Enter-Taste den Lizenzbedingungen des Herstellers zugestimmt werde. Für diese Art von "Verträgen" gilt dasselbe wie für die Schutzhüllenverträge, sie sind unwirksam. Anders zu beurteilen sind aber die sog. Registrierkarten-Verträge. Bei diesem Verfahren soll der Erwerber eine der Software beigegebene Karte, auf der die Lizenzbedingungen des Herstellers abgedruckt sind, unterschrieben dem Hersteller zukommen lassen. Hier gibt der Erwerber mit seiner Unterschrift eine unmittelbare Annahmeerklärung ab mit der Folge, daß ein Lizenzvertrag zustande kommt. Eine Bibliothek, die eine Registrierkarte unterschreibt, muß also grundsätzlich die Lizenzbestimmungen beachten. Unbeachtlich sind lediglich überraschende und Treu und Glauben widersprechende Klauseln (§§ 3, 9 AGB-Gesetz).

1) Vgl. Larenz, Karl: Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts. 7. Aufl. 1989, S. 359.

2) Vgl. Peters, Klaus: Computerprogramme - Neues Recht. In: Bibliotheksdienst 27 (1993), S. 1386-1390. S. 1387.

3) Vgl. Peters, a.a.O., S. 1388.

4) Erklärung der Deutschen Bibliotheksverbände zum Verleihrecht für Computersoftware. In: Bibliotheksdienst 29 (1995), S. 1833-1835.

5) Vgl. Chrocziel, Peter: Verwendungsbeschränkungen in Softwareverträgen (II). In: CR 1989, S. 790-794, S. 791; Hoeren, Thomas: Softwareüberlassung als Sachkauf. München 1989, S. 151; Marly, Jochen: Softwareüberlassungsverträge. München 1991, S. 138 ff.; Köhler, Helmut und Fritzsche, Jörg: Herstellung und Überlassung von Software im bürgerlichen Recht. In: Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen. Hrsg. v. Michael Lehmann. 2. Aufl. Köln 1993, S. 536; Zahrnt, Christoph: Verlagsrecht für Datenverarbeiter. 2. Aufl. München 1991, S. 228. Die Gegenansicht wird vertreten von Moritz, Hans-Werner: Computersoftware. 2. Aufl. München 1992, S. 270 ff; Schmidt, Harry: Computerverträge. In: AGB-Gesetz. 7. Aufl. Köln 1993, S.785; Wolf, Manfred. In: Wolf, Manfred/Horn, Norbert/Lindacher, Walter F.: AGB-Gesetz. 3. Aufl. München 1994, S. 111. Mehrings, Josef: Vertragsrechtliche Aspekte der Nutzung von Online- und CD-ROM-Datenbanken. In: NJW 1993, S. 3102-3109, S. 3109, hält Schutzhüllenverträge im nichtkaufmännischen Verkehr für unwirksam, im kaufmännischen Verkehr aber für wirksam.

6) OLG Stuttgart CR 1989, 685, 687.


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