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Rechtskommission des DBI
Veröffentlichungen

Klaus Peters
Rechtsschutz von Datenbanken - Vorschlag der EG-Kommission und Hearing des Bundesjustizministeriums

Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 28. (1994), S. 329.

1. Vorbemerkung

Das europäische Urheberrecht nimmt immer deutlichere Gestalt an. Für die Bibliothekspraxis von großer Bedeutung sind vor allem die Computerprogrammrichtlinie vom 14. Mai 1991, die bereits in deutsches Recht umgesetzt worden ist (vgl. Peters, K.: Computerprogramme - Neues Recht. In: BIBLIOTHEKSDIENST 27 (1993), H. 9, S. 1386-1390), sowie die sog. Verleihrichtlinie vom 19. November 1992, die bis spätestens Ende Juni 1994 in nationales Recht transformiert werden muß. Noch im Stadium der Vorbereitung befindet sich die Richtlinie über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. Einen ersten Vorschlag für eine Datenbankrichtlinie hatte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 13. Mai 1992 veröffentlicht. Nach Stellungnahme durch das Europäische Parlament hat die Kommission am 4. Oktober 1993 einen geänderten Vorschlag (KOM(93) 464 endg. SYN 393) vorgelegt. Dieser Vorschlag war Gegenstand einer Anhörung des Bundesministeriums der Justiz am 30. November 1993, zu der neben anderen betroffenen Organisationen auch die Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (BDB) geladen war.

2. Schutzgegenstand (Art. 1 Abs. 1)

Schutzgegenstand des Richtlinienvorschlags sind ausschließlich Datenbanken in elektronischer Form. Die Richtlinie hätte danach im bibliothekarischen Bereich vor allem Auswirkungen auf die Nutzung von Online- und CD-ROM-Datenbanken. Der Begriff Datenbank umfaßt nach dem Vorschlag alle Arten von Datensammlungen, einschließlich solche urheberrechtlich ungeschützten lnformationsmaterials (z. B. Fakten). Die für den Betrieb einer Datenbank verwendeten Computerprogramme gelten jedoch nicht als Teil der Datenbank; der Schutz dieser Programme soll sich allein nach der Computerprogrammrichtlinie (bzw. dem entsprechenden nationalen Recht) richten.

3. Urheberrechtlicher Schutz (Art. 2ff.)

3.1. Schutzvoraussetzungen (Art. 2 Abs. 3)

Nach dem Richtlinienvorschlag werden Datenbanken urheberrechtlich geschützt, wenn sie Sammlungen von Werken oder lnformationsmaterial darstellen, "die auf Grund ihrer Auswahl oder Anordnung eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers" sind. Ästhetische oder qualitative Kriterien sollen für die Schutzfähigkeit keine Rolle spielen. Bibliotheksrelevante Datenbanken würden danach (wie bereits nach geltendem deutschen Recht) in der Regel Urheberschutz genießen.

3.2. Ausschließlichkeitsrechte (Art. 6)

3.2.1. Allgemeines

Gemäß Art. 6 Richtlinienvorschlag hat der Urheber der Datenbank das ausschließliche Recht, die Datenbank zu vervielfältigen (Art. 6 a), öffentlich zu verbreiten (Art. 6 d) und öffentlich wiederzugeben (Art. 6 e). Die Regelung entspricht weitgehend dem geltenden deutschen Recht, jedoch bestehen in einigen Punkten u. U. Abweichungen, die den Bibliotheken nachteilig sind.

3.2.2. Präsenznutzung

Der Richtlinienvorschlag definiert nicht, was unter "öffentliche Verbreitung" zu verstehen ist. Da aber das Verleihen im Sinne der Verleihrechtrichtlinie die Überlassung eines Werkstücks zur bibliothekarischen Präsenznutzung umfaßt (Art. 1 Abs. 3), ist nicht auszuschließen, daß auch die "öffentliche Verbreitung" gem. Art. 6 d) Datenbankrichtlinienvorschlag die Überlassung zur Präsenznutzung einschließt.

Nach geltendem deutschen Recht ist der Tatbestand des Verbreitens nur erfüllt, wenn der Besitz des Werkstücks übertragen (oder angeboten) wird (vgl. Vinck in Fromm/Nordemann, 7. Aufl., 1988, § 17 Rdz. 2,3). Da die Bibliotheken die Sachherrschaft über die zur Präsenznutzung angebotenen Gegenstände nicht aufgeben, ist die Überlassung von CD-ROM-Datenbanken zur Präsenznutzung kein Verbreiten und damit keine zustimmungsbedürftige Handlung. Dabei ist es unerheblich, ob der Bibliotheksträger das Eigentum an der CD-ROM erworben hat oder - was praktisch nicht selten vorkommt - die CD-ROM lediglich (z. B. auf Grund eines "Lizenzvertrages") besitzt.

In der Anhörung wurde deshalb von bibliothekarischer Seite gefordert, die Richtlinie sollte unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß eine Überlassung zur bibliothekarischen Präsenznutzung entsprechend der bewährten deutschen Regelung keine zustimmungsbedürftige Handlung darstelle.

3.2.3. Einzelwiedergabe

Gem. Art. 6 e) ist jede "öffentliche" Wiedergabe zustimmungsbedürftig. Der Begründung zum Richtlinienvorschlag vom 13. Mai 1992 (KOM 24 endg., S. 50) läßt sich entnehmen, daß die Kommission der Auffassung ist, jede Wiedergabe "außerhalb des Familienkreises" sei "öffentlich" und damit zustimmungsbedürftig.

Nach geltendem deutschen Recht ist nur die für eine Mehrzahl von Personen bestimmte Wiedergabe öffentlich und damit dem Urheber vorbehalten (§ 15 Abs. 2, 3 UrhG). Die von den Bibliotheken praktizierte Wiedergabe für einzelne Benutzer ist zustimmungsfrei.

In der Anhörung wurde deshalb dafür plädiert, in der Richtlinie unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß die Wiedergabe für einen einzelnen Bibliotheksbenutzer keine zustimmungsbedürftige Handlung darstelle.

3.3. Ausnahmen von den Ausschließlichkeitsrechten (Art. 7)

Art. 7 Abs. 1 und 2 schränken die im Art. 6 aufgelisteten Ausschließlichkeitsrechte zugunsten des "rechtmäßigen Benutzers" (Abs. 1) bzw. des "rechtmäßigen Erwerbers" (Abs. 2) einer Datenbank ein, um die vertraglich vorgesehene Nutzung zu gewährleisten. Es ist anzunehmen, daß damit ausschließlich der Vertragspartner des Berechtigten sowie der Eigentümer gemeint sind. Bibliotheksbenutzer könnten danach nicht in den Genuß der Ausnahmebestimmungen kommen. Von bibliothekarischer Seite wurde deshalb in der Anhörung gefordert, die in Art. 7 vorgesehenen Ausnahmen auf die Bibliotheksbenutzer zu erstrecken.

Gem. Art. 7 Abs. 2 unterliegen Handlungen, die "für den Zugang zum Inhalt der Datenbank und deren Benutzung erforderlich sind", nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers. Der Begründung zufolge (KOM(92) 24 endg. S. 51) ist damit gemeint, daß der Nutzer die Datenbank "konsultieren" darf. Dies ist wohl als Erlaubnis, die Datenbank wiederzugeben, zu verstehen. Die Bibliotheksbenutzer benötigen aber in jedem Fall das Recht, Teile von Datenbanken für ihren eigenen wissenschaftlichen, beruflichen, schulischen, privaten und sonstigen Gebrauch zu vervielfältigen. Darüber hinaus erscheint es geboten, Bibliotheksbenutzern die Vervielfältigung vergriffener Datenbanken zu erlauben. Das Recht, vergriffene Datenbanken zu vervielfältigen (und die Vervielfältigungsstücke ihren Benutzern zur Verfügung zu stellen), benötigen auch die Bibliotheken selbst, um eventuelle Bestandslücken schließen zu können.

4. Schutzrecht sui generis (Art. 10 ff.)

Art. 10 Abs. 2 Richtlinienvorschlag sieht ein Recht des Datenbankherstellers vor, die unerlaubte Entnahme oder Weiterverwertung des Inhalts oder wesentlicher Teile des Inhalts der Datenbank für gewerbliche Zwecke zu unterbinden. Dieses Recht soll unabhängig davon bestehen, ob die Datenbank Urheberschutz genießt.

5. Weiteres Verfahren

Nach Mitteilung des Bundesministeriums der Justiz ist nicht damit zu rechnen, daß der Rat noch im Jahre 1994 einen gemeinsamen Standpunkt zum Richtlinienvorschlag festlegt. Die BDB plant, demnächst eine ausführliche Stellungnahme zum Rechtsschutz von Datenbanken vorzulegen.


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