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Rechtskommission des DBI
Veröffentlichungen

Gabriele Beger
Rechtsschutz für bibliothekarische Arbeitsergebnisse

Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 27. (1993), S. 717.

Die tägliche Bibliotheksarbeit ist durch mannigfache Rechtsverhältnisse gekennzeichnet. Diesmal soll der Rechtsschutz für bibliothekarische Arbeitsergebnisse Gegenstand der Behandlung sein.

Der Untersuchung werden exemplarisch die gängigsten bibliothekarischen Arbeitsergebnisse wie Titelaufnahme, alphabetischer und systematischer Katalog, Bibliographien und Datenbanken unterzogen, und zwar im Hinblick darauf, inwieweit sie Rechtsschutz durch das Urheberrecht (UrhG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Verlagsrecht genießen.

Das Recht des Urhebers an seinem geistigen Werk wird vom Gesetz als eigentumsähnliches Recht behandelt. Aus ihm entspringen persönlichkeitsrechtliche und vermögensrechtliche Ansprüche, die im Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9.9.1965, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7.3.1990 (BGBl I S. 424) geregelt werden. Damit bibliothekarische Arbeitsergebnisse Rechtsschutz erlangen, müssen sie folgende Tatbestandsmerkmale in bezug auf das Urheberrecht erfüllen: Sie müssen als eine wahrnehmbare, neue (relativ), persönliche geistige Schöpfung definiert werden können (§ 2) und der Kunst, Literatur oder Wissenschaft zuzuordnen sein (§ 1).

Titelaufnahmen werden nach einheitlichen, feststehenden Regeln (RAK, Pl, Hausregeln), die das Aneinanderreihen von bibliographischen Daten vorsehen und keinen Entscheidungsspielraum des Bibliothekars zulassen, gefertigt. Es liegt keine eigenständige geistige Leistung (Schöpfung) vor. Bei korrekter Anwendung der Regelwerke müßten alle Titelaufnahmen eines bestimmten Titels in allen Bibliotheken völlig identisch sein. Der Rechtsschutz für alphabetische Titelaufnahmen muß daher versagt bleiben. Gleiches gilt für den gesamten alphabetischen Katalog, da er lediglich ein Zuordnen der gefertigten Titelaufnahmen in das und nach dem feststehenden Alphabet darstellt.

Dagegen kommt den Regelwerken für die alphabetische Katalogisierung selbst Urheberrechtsschutz zu, da sie Ergebnisse einer persönlichen neuen geistigen Arbeit sind. Auch der systematische Katalog (Systematik) in seiner Gesamtheit und bereits in seinen einzelnen Unterabschnitten (soweit diese nicht auf rein chronologisch oder alphabetisch geordnete Abschnitte beschränkt bleiben) stellt ein urheberrechtlich geschätztes Werk dar, da die zugrunde liegende Systematik nur durch persönliche geistige Leistung zu erstellen ist.

Uneingeschränkten Urheberrechtsschutz genießen demzufolge auch Bibliographien. Selbst in den einfachsten Ausführungen ist das Werk mehr als eine bloße Aneinanderreihung von Daten. Stets sind Auswahlentscheidungen und Aufbau einer inneren und äußeren Ordnung (Systematik) notwendig. Diese Kriterien begründen den Urheberrechtsschutz.

Der Rechtsschutz wird unabhängig von der äußeren Form erlangt. So ist es unerheblich, ob das urheberrechtlich geschätzte bibliothekarische Arbeitsergebnis eine Broschüre, eine Monographie, ein Zettelkatalog oder eine Datenbank ist.

Bei der elektronischen Aufbereitung mittels EDV-Technik gilt es jedoch zu beachten, daß das zugrunde liegende Computerprogramm unabhängig von der Schutzfähigkeit des Gespeicherten (z. B. Katalog) selbständig Urheberrechtsschutz genießt (§ 2 Abs. 2). Da jede Überspielung eines Computerprogrammes eine Vervielfältigung darstellt, ist gemäß § 53 Abs. 4 die Einwilligung des Urhebers zur Vervielfältigung des Programmes oder wesentlicher Teile einzuholen.

Da nicht schlechthin das Werk, sondern der Urheber den Schutz genießt, ergibt sich bei bibliothekarischen Arbeitsergebnissen i. d. R. noch eine weitere zu berücksichtigende Problematik: der Urheber im Arbeits- und Dienstverhältnis.

Gemäß § 43 steht auch dem Urheber im Arbeits- und Dienstverhältnis grundsätzlich das gleiche Recht zu wie dem freien Urheber. Deshalb ist davon auszugehen, daß der Angestellte oder Beamte, der das bibliothekarische Arbeitsergebnis erstellte, Urheber ist und an den Arbeitgeber bzw. Dienstherrn nur die Nutzungsrechte übergehen, die vertraglich vereinbart oder aus dem Arbeitsvertrag bzw. dem Dienstverhältnis, dem Geschäftsverteilungsplan sich herleiten lassen. Obwohl § 43 die Gleichbehandlung von abhängigem und freiem Urheber begründet, können die Persönlichkeitsrechte des angestellten bzw. beamteten Urhebers eingeschränkt werden. So kann der Arbeitgeber/Dienstherr auf Grund seines Weisungsrechtes Änderungen am Werk vornehmen, ohne daß der abhängige Urheber es untersagen kann. Dagegen kann sich der Urheber Entstellungen verbitten. Des weiteren kann nicht verlangt werden, daß der Name des Urhebers genannt wird, wenn dies nicht üblich ist.

Das UrhG umfaßt eine Reihe von Sanktionen gegen Urheberrechtsverletzungen. Diese können Unterlassungs-, Schadenersatz-, Vernichtungs- und Überlassungsansprüche (bürgerlich-rechtliche Vorschriften: § 97 - 105) sowie die Anwendung strafrechtlicher Tatbestände (§ 106 111) begründen.

Das Urheberrechtsgesetz räumt dem Werktitel grundsätzlich keinen Schutz ein. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß die Kürze des Titels i. d. R. nicht erlaubt, von einer persönlichen geistigen Schöpfung zu sprechen. Ausnahmen können Anagramme und einmalige Wortverbindungen sein. Dennoch bedarf es der Zustimmung des Urhebers, wenn durch den Nutzungsberechtigten Titeländerungen vorgenommen werden (§ 39) oder übersetzte Titel einer weiteren Nutzungsart zugeführt werden (§ 3). Abgesehen von diesen Ausnahmen, kann ein Titelschutz nur aus § 16 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7.6.1909, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.1990 abgeleitet werden, weit bei Verwendung desselben Titels die Werke verwechselt werden können, was zum Nachteil des originären Urhebers führen kann. Titelschutz nach § 16 UWG endet mit Ablauf der Schutzfrist nach § 64 UrhG bzw. mit dem Zeitpunkt, wo das Werk unter einem anderen Titel veröffentlicht wird.

Als Grundsatz für das Heranziehen des Wettbewerbsrechts zum Schutz von Werken, die nicht mehr vom UrhG erfaßt werden, gilt: Kann durch das UrhG kein Schutz erzielt werden, ist zu prüfen, inwieweit Schutz durch das UWG erreicht werden kann. So können nach dem UrhG gemeinfreie Werke durchaus durch § 1 UWG Rechtsschutz erlangen.

Aber auch unabhängig davon, ob ein Werk Urheberrechtsschutz genießt, kann es Schutz durch das UWG genießen. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verbietet im geschäftlichen Verkehr alle Handlungen zum Zwecke des Wettbewerbs, die gegen die guten Sitten verstoßen. Gegen die guten Sitten wird u. a. verstoßen, wenn sich ein anderer das Arbeitsergebnis (Werk) aneignet sowie bei Irreführung, Bestechung, Verleumdung, Geheimnisverrat und Preisunterbietung. Seine Wirkung entfaltet das Gesetz im wesentlichen durch Abwehr(Unterlassungs-) und Schadenersatzansprüche.

Um bibliographische Arbeitsergebnisse zu veröffentlichen (Veröffentlichung und Vertrieb), wenden sich auch Bibliotheken zunehmend an Verlage. Das Verlagsrecht ist das ausschließliche Recht des Verlegers zur Vervielfältigung und Verbreitung eines Werkes. Es entspringt dem Verwertungsrecht des Urhebers und wird dem Verleger durch den Verlagsvertrag eingeräumt, in dem auch die Rechte und Pflichten zwischen Urheber (hier meist Nutzungsberechtigter) und Verleger geregelt werden. Soweit keine Regelungen getroffen wurden, gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Verlagsrecht vom 19.6.1901, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.9.1965. Dem Urheber bleiben alle Nutzungsrechte, die nicht im Vertrag dem Verleger eingeräumt wurden, vorbehalten. Darüber hinaus stehen nur dem Urheber die Urheberpersönlichkeitsrechte, das Recht der Überarbeitung und das Recht, sich von seinem Werk zu distanzieren, zu. Aus dem Verlagsvertrag bzw. dem Verlagsgesetz steht dem Urheber (hier Nutzungsberechtigter) das Recht des Rücktritts zu, wenn der Verleger nach einer Fristsetzung seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Unabhängig davon kann ein fristloses Kündigungsrecht (analog § 626 BGB) aus wichtigem Grunde gegeben sein.


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