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Rechtskommission des DBI
Veröffentlichungen

Harald Müller
Die Ansetzung von Personennamen nach RAK als Rechtsproblem

Veröffentlicht in: Bibliotheksdienst 26. (1992), S. 192.

Ein Gutachten der Rechtskommission

Der Rechtskommission ist die Frage vorgelegt worden, ob die Bestimmungen der Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK) hinsichtlich der Ansetzung von Personennamen (§§ 301-342 RAK-WB) gegen gültiges Recht verstoßen. Diese auf den ersten Blick vielleicht etwas skurril anmutende Problematik hat einen sehr ernst zu nehmenden Hintergrund: In letzter Zeit ist es mehrfach vorgekommen, daß bei der Deutschen Bibliothek in Frankfurt/Main und bei Universitätsbibliotheken Beschwerden von Autoren mit Namen wie etwa "Harald auf dem Stein" oder "Prof. Dr. Reinhard Prinz zur Leine"1) eingingen, die sich über die Art und Weise erregten, wie ihre Namen in der Deutschen Nationalbibliographie oder in alphabetischen Katalogen einzelner Bibliotheken wiedergegeben werden. Von der speziellen juristischen Thematik zunächst einmal abgesehen, dokumentieren diese Vorgänge auf jeden Fall, wie empfindlich die Bevölkerung heutzutage auf wirkliche oder eingebildete Beeinträchtigungen ihrer individuellen Persönlichkeit reagiert. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil das Recht, d. h. die Gesetze und die Rechtsprechung, stets die allgemeinen Wertvorstellungen innerhalb eine Gesellschaft reflektiert.

Über die Brisanz der Fragestellung gab sich die Rechtskommission von Anfang an keinerlei Illusionen hin: Sollten sich die Ansetzungsregeln der RAK als rechtswidrig erweisen, könnte dies katastrophale Folgen für das Bibliothekswesen in Deutschland nach sich ziehen. Einige Bibliotheken würden Gefahr laufen, in Prozesse mit Autoren verwickelt zu werden. Ferner müßten wahrscheinlich sämtliche nach RAK erstellten Kataloge und Bibliographien in großem Umfang geändert werden. In Anbetracht dieser möglicherweise gravierenden Konsequenzen war die Rechtskommission sehr bestrebt, die Frage der Namensansetzung äußerst gründlich zu untersuchen.

Es wurden Erkundigungen bei den großen deutschen Bibliotheken eingeholt, ob ähnliche Beschwerden schon früher einmal vorgekommen waren. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Die Recherchen der Rechtskommission führten vielmehr zu dem Ergebnis, daß das Problem der Namensansetzung nach RAK bislang in der bibliothekarischen Praxis - außer in den bereits bekannten Fällen - noch keine weiteren Rechtsstreitigkeiten hervorgerufen hatte. Auch theoretisch war die Frage bisher noch nicht, z. B. von Bibliotheksjuristen untersucht worden. Selbst in der allgemeinen juristischen Literatur und in der Rechtsprechung zum Namensrecht fand die Rechtskommission keine Abhandlungen und Urteile zu diesem speziellen Thema.

Die Rechtskommission gewann in ihrem ehemaligen Mitglied Dr. Hildebert Kirchner einen Experten, der bereit war, den gesamten Bereich des Namensrechts in seinen Auswirkungen für die Bibliotheken gutachtlich zu untersuchen. Seine sehr lesenswerten Ausführungen sind unterdessen als Aufsatz erschienen.2) Schließlich hat sich die Rechtskommission noch bei mehreren Hochschullehrern um eine juristische Einschätzung der Problematik bemüht. Nach gründlicher Prüfung und Diskussion ergibt sich nun folgendes Ergebnis:

1. Anspruch der betroffenen Namensträger aus § 12 BGB

Die wichtigste Vorschrift zum Schutz gegen Namensverletzungen findet sich in § 12 BGB. Er enthält insofern zwei Sachverhaltsvarianten, nämlich einerseits ein "Bestreiten des Rechts zum Gebrauch eines Namens", andererseits ein "unbefugtes Gebrauchen des gleichen Namens". In beiden Fällen muß eine derartige Namensverletzung auf Seiten des Namensträgers zu einer "Beeinträchtigung" geführt haben, um ihm den Schutz des Gesetzes zu gewähren.3) In der Namensansetzung nach RAK könnte der erste Tatbestand erfüllt sein, die sogenannte Namensleugnung. Sie setzt nicht notwendig eine ausdrückliche Erklärung voraus, daß dem Kläger das Namensrecht nicht zukomme, sondern es genügt irgendwelche Tätigkeit, auch einer Behörde, gegenüber der Öffentlichkeit,4) wodurch dem Berechtigten der ihm zukommende Name versagt wird.

Die Nachforschungen der Rechtskommission haben - wie bereits erwähnt - ergeben, daß bislang noch kein Urteil gegen eine Bibliothek wegen deren Namensansetzungen gemäß RAK ergangen ist. Auch eventuell direkt vergleichbare Fälle einer Namensgebung und alphabetischen Sortierung, z. B. im Zusammenhang mit Telephonbuchverlagen oder amtlichen Registern waren nicht aufzufinden.5) Die Rechtskommission konnte sich deshalb bei ihren rechtlichen Überlegungen nur auf die sonstige Rechtsprechung und juristische Literatur zu § 12 BGB stützen.

Es war deshalb durch Übertragung der zu § 12 BGB entwickelten allgemeinen Kriterien auf den speziellen Fall der Namensansetzung zu prüfen, ob die Deutsche Bibliothek eine Namensleugnung im Sinne des Gesetzes verwirklichen könnte, wenn sie in ihrem Amtsblatt, der Deutschen Nationalbibliographie, den Namen eines Autors in seiner RAK-Ansetzungsform veröffentlichen würde. Da das Ansetzen eines Namens zwangsläufig zu seiner Abänderung führt,6) und da ein entsprechendes Ergebnis von z. B. der Deutschen Bibliothek öffentlich bekannt gemacht wird, liegt nach Meinung der Rechtskommission in der Namensansetzung nach RAK eindeutig ein Beilegen eines anderen Namens i. S. von § 12 BGB vor.

Nun wird der abgeänderte (= angesetzte) Name im Kopf einer Titelaufnahme ja einzig und allein zum Zwecke der alphabetischen Sortierung aufgeführt. Eine andere Funktion liegt der Ansetzungsform eines Namens nicht bei. Auf keinen Fall will eine Bibliothek den Eindruck erwecken, die Ansetzungsform eines Namens sei seine korrekte Schreibweise. Außerdem muß gemäß den kürzlich geänderten RAK-Vorschriften zukünftig der Name des Autors fast stets in seiner Vorlageform, d. h. in seiner vom Verfasser angegebenen Schreibweise, in der bibliographischen Beschreibung angegeben werden.7) Da somit die Deutsche Bibliothek den richtigen Namen eines Autors lediglich zwecks alphabetischer Sortierung zusätzlich zur personenstandsrechtlich korrekten Form in abgeänderter Schreibweise wiedergibt, legt sie ihm keinen "anderen" Namen bei.8) Dies würde nämlich ein gleichzeitiges Unterdrücken bzw. Verschweigen des korrekten Namens voraussetzen. Da somit dem Berechtigten keineswegs der ihm zukommende Name versagt wird, liegt bei der Namensänderung nach RAK überhaupt kein "Bestreiten" des Namensrechts gemäß § 12 BGB vor. Der richtige, amtliche Name eines Autors bleibt für Dritte auch weiterhin erkennbar.

Es erscheint fast überflüssig zu bemerken, daß das Namensrecht gemäß § 12 BGB einem Namensträger kein Recht gibt, eine alphabetische Sortierung seines Namens nach einem beliebigen Verfahren zu verbieten.9)

Die Rechtskommission kommt zu diesem für das Bibliothekswesen erfreulichen Ergebnis, insbesondere durch einen Vergleich mit den durch Gerichte entschiedenen Fällen der Namensbestreitung gemäß § 12 BGB. Als entscheidender Unterschied ist hier jeweils ein Austausch der ursprünglichen gegen die veränderte Namensform festzustellen. Gerade dieses Kriterium fehlt aber bei der bibliothekarischen Tätigkeit.

2. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB

Die Rechtskommission hat ferner untersucht, ob sich ein Verfasser von Büchern gegen eine Ansetzung seines Namens nach RAK-WB auf einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB stützen könnte, indem er behauptet, sein allgemeines Namensrecht sei schuldhaft verletzt.10) Wie aber im vorherigen Abschnitt bereits dargelegt wurde, vermag die Wiedergabe eines Namens in RAK-gemäßer Ansetzungsform zusätzlich zur korrekten Schreibweise in Vorlageform keine beeinträchtigende Verletzung des Namensführungsrechts zu bewirken. Es liegt insoweit kein "Bestreiten" des Namensführungsrechts vor. Die Rechtskommission verneint deshalb einen Anspruch des Autors aus § 823 Abs. 1 BGB.

3. Anspruch aus § 14 Abs. 1 BDSG

Da eine stetig wachsende Anzahl von Bibliotheken ihre Kataloge in EDV-gestützte Datenbanken überführt, stellt sich auch die Frage, ob die Ansetzung von Personennamen eventuell gegen die Vorschrift des § 14 Abs. 1 des neuen Bundesdatenschutzgesetzes11) verstößt. Diese Vorschrift macht die Zulässigkeit eines Veränderns gespeicherter personenbezogener Daten von gewissen Voraussetzungen abhängig.

Zunächst muß in diesen Zusammenhang geklärt werden, was das Gesetz eigentlich unter "Verändern" versteht. Hierfür bietet § 3 Abs. 5 Ziff. 2 BDSG eine sogenannte Legaldefinition: "Verändern (ist) das inhaltliche Umgestalten gespeicherter personenbezogener Daten". Wie bereits dargelegt, wird bei der RAK-gerechten Ansetzung eines Namens die Ansetzungsform zusätzlich zur Vorlageform vor der eigentlichen bibliographischen Beschreibung vorangestellt. Die korrekte, vorlagegerechte Schreibweise des Namens bleibt in der Titelbeschreibung unverändert erhalten. Von einer inhaltlichen Umgestaltung eines bereits gespeicherten Namens kann deshalb nach Auffassung der Rechtskommission nicht die Rede sein. Da also kein "Verändern" im Sinne des BDSG vorliegt, braucht auf die weiteren Bestimmungen nicht mehr eingegangen werden.

Selbst wenn man sich dieser Auslegung des § 3 Abs. 5 Ziff. 2 BDSG nicht anschließen möchte, so wird eine Namensansetzung auf jeden Fall gemäß § 14 Abs. 1 BDSG statthaft sein. Danach ist das Verändern personenbezogener Daten "zulässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist ". Neben der Erforderlichkeit verlangt das Gesetz noch die Zweckmäßigkeit der Datenveränderung. Da es Zweck eines jeden Bibliothekskataloges ist, den Bestand an Medien nachzuweisen, muß hierfür ein einheitliches Ordnungssystem, z. B. eine alphabetische Sortierung, zugrunde gelegt werden. Innerhalb dieses Systems sollen hauptsächlich Namen von Autoren alphabetisch geordnet werden. Bei komplizierten, mehrteiligen Namen wird eine Entscheidung erforderlich, nach weichem Namensbestandteil diese Ordnung erfolgen soll. Zwangsläufig bringt dies eine mehr oder minder starke Veränderung des Namens mit sich. Solange einem gedruckten Katalog (Zettel-, Band- oder COM-Katalog) eine Datenbank zugrunde liegt, ist deshalb eine RAK-gemäße Namensansetzung erforderlich und zweckmäßig. Nach Ansicht der Rechtskommission können Namen somit im Rahmen eines Online-Katalogs gemäß § 14 Abs. 1 BDSG ohne Rechtsverstoß angesetzt werden, soweit daraus noch Ausdrucke hergestellt werden müssen.

Etwas anders stellt sich die Rechtslage aber dar, wenn ein reiner Online-Katalog vorliegt. In diesem Fall wird eine alphabetische Sortierung nicht mehr erforderlich sein. Die heutzutage zur Verfügung stehenden leistungsfähigen OPAC-Programme ermöglichen ein erfolgreiches Retrieval nach jedem Bestandteil eines Namens, wobei es keine Rolle spielt, in welcher Schreibweise der Name gespeichert ist. Die Rechtskommission vermag insoweit keine Erforderlichkeit für eine Namensansetzung zu erkennen. Unter Berücksichtigung des heutigen Standes der datentechnischen Möglichkeiten würde deshalb eine Ansetzung, ja bereits eine leicht veränderte Schreibweise eines Namens nach RAK innerhalb eines reinen Online-Kataloges, aus dem keinerlei Ausdrucke zu Sortierzwecken stattfinden, ein Verstoß zumindest gegen § 12 BGB, eventuell sogar gegen § 14 Abs. 1 BDSG darstellen.

4. Ergebnisse für die Bibliothekspraxis

Anmerkungen:

1) Beispiele frei erfunden

2) Kirchner, Hildebert: Rechtsprobleme beim Ansetzen und Ordnen von Namen. // In: Bibliothek und Recht international : Festschrift Ralph Lansky. Hamburg 1991. - S. 127-149
vgl. auch Kirchner, Hildebert: Grundriß des Bibliotheks- und Dokumentationsrechts. - Frankfurt am Main 1991. - S. 23-24.

3) Staudinger-Coing, Kommentar zum BGB, 10. Aufl., § 12 Rdn. 124

4) Vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 49. Aufl., § 12 Ziff. 3; Staudinger-Coing, Kommentar zum BGB, 10. Aufl., § 12 Rdn. 123

5) Der von Kirchner, wie Anm. 2, S. 145 f., zitierte Fall (Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 2. März 1979 / J 01/78, in: Entscheidungen der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 2 (1984) S. 5-8) ist nicht ganz einschlägig, da er nicht auf der Grundlage des § 12 BGB entschieden wurde. Statt dessen prüfte die Beschwerdekammer hauptsächlich europäisches Patentrecht und Art. 109 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung.

6) Aus "Harald auf dem Stein" wird gemäß RAK-WB"Stein, Harald auf dem". In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß eine korrekte persönliche Anrede dieses Namensträgers im gesellschaftlichen Umgang stets "Herr auf dem Stein" lauten wird und nicht "Herr Stein".

7) Die bislang nach RAK noch erlaubten bzw. vorgeschriebenen Veränderungen in der Vorlageform, z. B. durch Verschmelzung (aus "Jean de la Fontaine" wird "Jean de LaFontaine") oder in der Schreibweise (§ 117 RAK) hält die Rechtskommission allerdings für möglicherweise rechtswidrig. Sie empfiehlt eine kritische Überprüfung dieser Regeln!

8) Raschauer, Namensrecht, Wien 1978, S. 281-282 spricht insoweit von einem "In-Abrede-Stellen", für das er eine gewisse Nachdrücklichkeit verlangt.

9) Vgl. Kirchner, wie Anm. 2, S. 144-148.

10) Vgl. BGB-RGRK § 12 Rdn. 114.

11) BGBl. 1990 1 S. 2954-2970. In Kraft seit 1. Juni 1991.


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