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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
USA

Bibliotheken in den USA - ein Reisebericht
Dorothea Sommer

IIIinois
Texas
Maryland

Im August/September 1993 hatte ich die Gelegenheit, zusammen mit fünf anderen Bibliothekaren aus den neuen Bundesländern auf Einladung der United States Information Agency (USIA) vier Wochen lang verschiedene Bibliotheken in den USA zu besuchen. Die Organisation der Reise war dem Visitor Program Service of Meridian House lnternational, Washington, übertragen worden, der für die Gruppe eine Reiseroute, ausgehend von Washington, über Atlanta, Austin, San Francisco, Urbana-Champaign, Chicago bis nach New York, zusammenstellte.

Die 18 ausgewählten Bibliotheken eröffneten dabei einen Einblick in die Vielfalt der amerikanischen Bibliothekslandschaft, schloß doch das Spektrum der besuchten Bibliotheken sowohl wissenschaftliche als auch öffentliche Einrichtungen, die Nationalbibliothek, die Nationalarchive, die Jimmy-Carter-Präsidentenbibliothek, aber auch private Bibliotheken wie die Folger Shakespeare Library, die Newberry Library in Chicago und die New York Public Library ein. Das Projekt nannte sich "Bibliothekswissenschaft und Informationstechnologien in den USA". An den einzelnen Bibliotheken wurden gegenwärtige Praktiken des Managements, der Stand der Automatisation, die Serviceleistungen und die Öffentlichkeitsarbeit diskutiert. Im folgenden soll auf diese Aspekte auch eingegangen werden, wobei der Automatisierung besonderes Interesse gilt, da der Stand amerikanischer Entwicklungen auf diesem Gebiet in bezug auf die hiesigen Verhältnisse sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten aufzeigt, aber auch ermöglicht, Perspektiven für die Zukunft zu überdenken.

Die Clinton-Regierung sieht gegenwärtig als eine ihrer Hauptaufgaben die Entwicklung einer Nationalen Informationsinfrastruktur (Nil) an. Geplant ist dabei, und das würde über gegenwärtige Netzwerke wie

das schon global funktionierende INTERNET hinausgehen, die Einführung eines National Research and Education Network (NREN).1)

NREN soll mehrere Funktionen wahrnehmen: Es ist nicht als reines Kommunikationsnetzwerk konzipiert, sondern soll die experimentelle Umgebung bilden, um neue Technologien und Produkte zu entwickeln, die dann in ein großes Gigabyte-Netzwerk für Forschung und Bildung münden. Die Einbindung aller amerikanischen Bibliotheken in NREN als eine Komponente des Netzwerks ist wohl vorgesehen, in entsprechenden Gesetzesvorlagen aber, wie dem High Performance Computing Act von 1991 oder dem Information lnfrastructure and Technology Act von 1992 sowie dem National Competitiveness Act vom Januar 1993, nur mit Einschränkungen formuliert. Die Notwendigkeit, die Anbindung der Bibliotheken an NREN in künftigen Gesetzesvorlagen verbindlich zu garantieren, ist momentan Gegenstand vieler Bestrebungen, geht es doch um ein Grundaxiom bibliothekarischen Wirkens, die Informationsvermittlung, die nicht an den Bibliotheken vorbei laufen sollte.

Schon jetzt führt die durch Verbundsysteme ermöglichte Konzentration und Vermittlung von Daten über Bestände, die sich an unterschiedlichen Standorten befinden, via Bildschirm aber zusammengeführt werden können, zu einer neuen Auffassung von einer Bibliothek, der virtual library, die man sich über den Personalcomputer an den Schreibtisch holen kann. Doch nicht nur, daß Bibliotheken zunehmend den Zugriff zu Informationen über Buchbestände anbieten, die sie nicht notwendigerweise im eigenen Bestand haben; es wird angestrebt, mit Hilfe des document delivery auch die aktuelle Information als Nachweis zu erbringen. Die ausgeprägte Hinwendung des amerikanischen Bibliothekswesens zur Welt der Information und der Multimedien steht somit im Einklang mit Zielstellungen nationaler Politik, dennoch ist gerade die Finanzierung solcher aufwendiger Vorhaben von seiten der amerikanischen Regierung eher im Rückgang begriffen.

1. Finanzierungsfragen

Dies wird zum einen deutlich, wenn man die bisherige Entwicklung des INTERNET betrachtet.

INTERNET ist heute das weltweit größte Computernetz. Es verbindet ca. 800 Netzwerke und 1,5 Millionen Computer und erreicht ungefähr 17 Millionen Menschen. Diese Zahlen sind weiterhin im Wachstum begriffen. Seine Anfänge reichen in die sechziger Jahre, als im Rahmen eines Projekts der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) ein Netzwerk entwickelt wurde (ARPANET), das die Entwicklung eines Transmission Protocol/Internet Protocol (TCP/IP) erlaubte. In einer zweiten Phase Mitte der Achtziger Jahre entstand durch Finanzierungen der National Science Foundation (NSF) ein Netzwerk (NSFNET), das eine Verknüpfung von Local Area Networks (LANs) mit Wide Area Networks (WANs) auf verschiedenen Ebenen ermöglichte und damit eines der aus föderalen Mitteln subventionierten wichtigen Netzwerke innerhalb von INTERNET bildete.

Eben diese Unterstützung des NSF durch Regierungsmittel wird gegenwärtig gekürzt, womit INTERNET wohl an der Schwelle zur Privatisierung und Kommerzialisierung steht. 2) Die Subventionierung der Netzwerkdienste und Anschlüsse soll in Zukunft wegfallen, und die Zahl der kommerziellen Netzwerke, die an INTERNET beteiligt sind, soll schon größer sein als die von öffentlichen Einrichtungen und Organisationen wie Schulen oder Bibliotheken. Allerdings erwartet der NSF, daß eine Kommerzialisierung des INTERNET kostensenkend wirkt, da der Kreis der Nutzer anwachsen soll.

Ein weiterer Beleg für die geringe Ausstattung mit Regierungsmitteln läßt sich an der Finanzierung amerikanischer Bibliotheken ablesen. Nur 1-2% der Bibliotheksetats stammen gewöhnlich aus Regierungsgeldern. Der Hauptteil der Finanzierung für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken wird zu 98% aus den jeweiligen staatlichen und kommunalen Quellen bestritten. Letztere werden auf Grundlage der Steuern berechnet, die innerhalb der einzelnen Verwaltungsbezirke von den Bürgern erhoben werden.

So setzt sich der Etat der Atlanta Fulton Public Library zu 90% aus den Steuergeldern des Verwaltungsbezirks Fulton, zu 4,5% aus Mitteln des Staates Georgia und zu nur 0,5% aus Regierungsgeldern aus Washington zusammen. Der Verwaltungsdistrikt Fulton gibt dabei 6% seines Etats für das Bibliothekssystem aus. Das Budget der Bibliothek beträgt 11 Millionen $ im Jahr. Davon werden 2 Millionen $ für den Erwerb zur Verfügung gestellt. Dabei gilt, daß Wohngegenden mit hohen Steuerabgaben der besser verdienenden Bevölkerung naturgemäß eine bessere Ausstattung des jeweiligen Gebiets mit Bildungseinrichtungen und Bibliotheken erreichen. Das Montgomery County Department of Public Libraries, das innerhalb des Verwaltungsbezirks Maryland 21 Bibliotheken umfaßt und 540.000 Nutzer versorgt, ist solch ein Verwaltungsgebiet mit vergleichsweise hohem Bildungsniveau. Ungefähr 57% der Nutzer besitzen einen Collegeabschluß und ca. 60% einen Personalcomputer, davon viele mit Modern-Anschluß. Das Budget der Bibliothek beträgt 20 Millionen $, was in etwa 1,3% des Etats des Verwaltungsbezirks entspricht.

Auch die Chicago Public Library, die innerhalb des Staates Illinois eines von 15 Bibliothekssystemen stellt, war 1992 von einer gravierenden Kürzung, diesmal jedoch staatlicher Gelder, für die Bibliothekssysteme betroffen. Betrug der Etat der Bibliothek der Superlative (die Chicago Public Library ist die größte öffentliche Bibliothek der USA und nach der Einweihung des neuen, 144 Millionen $ teuren Gebäudes im Jahre 1991 auch die zweitgrößte Bibliothek der Welt nach der British Library), im Jahr 1991 noch 11 Millionen $, wurde diese Summe schon 1992 auf 3 Millionen $ zurückgefahren. Die Gelder für die Bibliothekssysteme werden in Illinois von Aufsichtsräten verwaltet, deren Mitglieder sich aus drei Vertretern des akademischen Bereichs, drei Vertretern aus Spezialbibliotheken und sechs Vertretern aus öffentlichen Bibliotheken zusammensetzen.

Es ist schon bemerkenswert, daß trotz der Auswirkungen der Rezession und damit sinkender Mittel gerade für öffentliche Einrichtungen dennoch eine Reihe von Bibliotheksneubauten großen Stils in Amerika entsteht. Ein Beispiel dafür ist die eben genannte, architektonisch auch sehr interessant im Stil der beaux arts gestaltete Public Library in Chicago, zum anderen ist aber auch eine Reihe anderer Bibliotheksneubauten geplant bzw. in der Fertigstellung begriffen. Zu nennen wären dazu die neue Public Library von San Franzisco, immerhin ein 105 Millionen $-Projekt, bei dem als Architekten die Erbauer des gerade eingeweihten Holocaust-Museums in Washington gewonnen werden konnten, die Public Library von Los Angeles, die nach einem Brand wiederaufgebaut wurde, geplante Bibliotheken in Denver und Las Vegas und ein weiteres Bibliotheksgebäude für die New York Public Library in einem ehemaligen Warenhaus.

Zur Finanzierung dieser Projekte geht man gewöhnlich mit Spendenaufrufen an die Öffentlichkeit. Eine aktive Rolle spielen auch die Vereine der "Freunde der Bibliothek", deren Wirken zusätzliche Einnahmequellen erschließen soll. Die Finanzierung der Bibliotheken gerade auch von privater Hand ist durchaus üblich und erwünscht.

2. Management

Die Bibliotheken suchen der generellen Mittelknappheit der öffentlichen Hand seit Mitte der Achtziger Jahre auch mit Managementtechniken, wie dem strategic planning, einer Orientierung zur geplanten Entwicklung der Bibliothek in den nächsten 5-10 Jahren auf der Grundlage einer genauen Analyse der gegenwärtigen Situation, insbesondere der Strukturen und Arbeitsgänge, zu begegnen.

Von den von uns besuchten Bibliotheken arbeiteten das Montgomery County Department of Public Libraries, die Lorenzo de Zavala Texas State Library, die Austin Public Library und die New York Public Library mit einem strategic plan. (Es ist möglich, daß noch andere Einrichtungen damit arbeiten. In den genannten Bibliotheken wurde insbesondere darauf hingewiesen.)

Die Austin Public Library verfügt in einer ihrer Zweigbibliotheken über eine Spezialsammlung von Literatur zum Thema Total Quality Management (TQM). Das Montgomery County Department of Public Libraries legte seinem strategic plan auch das Konzept des TQM zugrunde, wobei verstärkt darauf geachtet wird, bei Entscheidungsfindungen das Personal aller Ebenen mit einzubeziehen. Außerdem wurde im Sommer 1992 eine Umfrage in der Bevölkerung gestartet, wie die verschiedenen Serviceleistungen der Bibliothek angenommen werden.

Die New York Public Library besitzt einen strategic plan für die nächsten zehn Jahre, dessen Herzstück die Analyse der vorhandenen Sammlungen mit dem Ziel ist, diese dem Nutzer mehr zugänglich zu machen (access policy). Davon ausgehend, wird auch die Entwicklung der zu sammelnden Bestände näher bestimmt (collection shaping), um günstige Varianten der Kooperation mit anderen Bibliotheken in den USA, aber auch weltweit, zu erarbeiten (cooperative collection development). Dies birgt natürlich auch Möglichkeiten, die Erwerbungspolitik der einzelnen Bibliotheken untereinander abzustimmen (resource sharing), wie es die New York Public Library und die Kongreßbibliothek oder auch die Universitätsbibliotheken von Kalifornien in Berkeley und Los Angeles handhaben.

3. Service

Die Verpflichtung zur Abrechenbarkeit der einzelnen Dienste und Arbeitsabläufe als Bestandteil der Managementstrategien spiegelte sich eindrucksvoll in der Bandbreite der verschiedenen Serviceleistungen an den einzelnen Bibliotheken wider.

Generell gilt das Hauptaugenmerk amerikanischen Bibliotheksbetriebs vielleicht weniger der Bewahrung der Sammlungen, sondern vorrangig dem Ziel, diese dem Nutze bestmöglich zugänglich zu machen. Dies verraten die hohe Zahl der Aus- und Fernleihen und die starke Frequentierung der Auskunfts-, besonders der Telefonauskunftsdienste, sowie das breite Angebot besonderer Informationsdienste.

Die San Francisco Library Public plant einen Telefonauskunftsdienst, der rund um die Uhr besetzt ist, das Montgomery County Department of Public Libraries beantwortet pro Jahr ca. 2 Millionen Anfragen. Auch ausgesprochene Spezialbibliotheken wie die Jimmy Carter Präsidentenbibliothek in Atlanta beantworten ca. 3.000 Anfragen im Jahr, wobei ziemlich strenge Benutzungsregeln gelten und nur ein Teil der Dokumente der Forschung zugänglich gemacht wird. Zur Zeit unseres Besuches herrschte besonderer Andrang in den Nationalarchiven, da am 23.8.1993 90.000 Dokumente zum Fall Kennedy freigegeben wurden. Die Texas State Library, eine der 1.400 Aufbewahrungsstellen von Regierungsdokumenten in den USA - sie nimmt die Archivfunktion seit 1857 wahr - stellt u.a. pro Jahr 65.000 Veröffentlichungen von Regierungsdokumenten kostenlos bereit.

Besondere Erwähnung verdient wohl die Berücksichtigung der Interessen Behinderter. Eine anschauliche und beeindruckende Demonstration dessen erhielt unsere Gruppe in der Library of the Blind and Handicapped, einer Zweigstelle der Kongreßbibliothek.

Schon 1897 wurde in der Library of Congress die Notwendigkeit des Aufbaus einer Sammlung in Braille-Schrift erkannt. Seit 1931 versieht nun die Bibliothek ihre Dienste. Es begann in den dreißiger und vierziger Jahren zunächst mit der Buchproduktion in Braille, ab 1952 entwickelte man auch Kinderbücher, seit 1962 gibt es Musikprogramme. Insgesamt erstreckt sich ein aus 56 Bibliotheken bestehendes Netz über alle Staaten der USA, hinzu kommen noch 87 subregionale Bibliotheken. In den USA nutzen 750.000 Blinde und Behinderte, das entspricht etwa 5% der blinden und sehgeschädigten Bevölkerung, den freien Service der Bibliothek, die u.a. auch die Kassettengeräte zum Abhören der Bücher, die auf Band gesprochen wurden, bereitstellt und wartet (die Bücher werden mittlerweile in verschiedenen Medien produziert). Bücher, die zum Vortrag ausgewählt werden, unterliegen grundsätzlich nicht dem Copyright. Neuerdings können auf Wunsch auch Disketten gefaxt werden.

Für die Buchproduktion werden jährlich 44 Millionen $ vom Kongreß bereitgestellt, dazu tragen die Staatsbibliotheken einen weiteren Anteil von 40 Millionen $. Bibliotheken in den USA - ein ReiseberichtAußerdem erfolgt die Zustellung durch die Post kostenlos, was ebenfalls Subventionen in Höhe von ca. 40 Millionen $ erfordert. Sämtliche Telefonanfragen, die an die Bibliothek gerichtet werden, sind ebenfalls gebührenfrei (40.000 Anfragen im Jahr). Bei vielen Mitarbeitern der Bibliothek handelt es sich um Blinde und Sehgeschädigte. Deshalb sind die meisten Computer, mit deren Hilfe die Bücher auch bibliographisch erfaßt werden, mit Braille und synthetischer Sprache ausgerüstet. An die Qualität der einzelnen Produkte werden hohe Anforderungen gestellt: die Buchkassetten werden bis zu fünfzigmal auf Fehler überprüft. Die Titelaufnahmen für die Bücher entsprechen den Standards der ALA (American Library Association) für Blinden- und Sehgeschädigtenliteratur. Eine spezielle Kommission reist im Jahr durch die Bibliotheken, die Titelaufnahmen erstellen, um diese zu überprüfen.

Auch in anderen von uns besuchten Bibliotheken wurden wir mit Programmen für Blinde und Behinderte bekannt gemacht. In der Texas State Library existiert ein Talking Bock Studio, in dem seit 15 Jahren freiwillige Sprecher, z.T. die Autoren selbst, Bücher, die sich auch speziell auf Texas beziehen, auf Tonbänder sprechen. Der Service gilt 23.500 Texanern in 1.012 Orten des Bundesstaats. Pro Monat werden 15 - 20 neue Titel produziert. Auch im Neubau der San Francisco Public Library ist eine spezielle Bibliothek für Taubstumme vorgesehen. Die Austin Public Library ist ebenfalls auf behinderte Nutzer eingestellt: so werden Lesegeräte bereitgestellt, die eine spezielle Ausstattung für Blinde (Software mit synthetischer Sprache) aufweisen.

Es war auffällig, daß die öffentlichen Bibliotheken eine Reihe von Serviceleistungen anboten, für die in Deutschland im Rahmen der Kommune andere Institutionen tätig werden, da sie nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den üblichen Funktionen einer Bibliothek stehen.

So bietet die Atlanta Fulton Public Library in einigen ihrer Zweigbibliotheken nachmittags für Schulkinder einen Hort an. Die Bibliothekarinnen machen die Kinder nicht nur mit den Büchern und Videos der Einrichtung vertraut, sondern sind auch bei der Erledigung der Hausaufgaben behilflich.

Ähnliche Community Extension Services trafen wir auch in der Public Library Austin an, wo es in einer Zweigstelle eine Jobbörse für Arbeitslose gibt, die immerhin von 450 bis 700 Leuten pro Woche konsultiert wird. Sie informieren sich über öffentliche freie Stellen des Staates Texas, die auf einer Mikroficheausgabe in der Bibliothek vorliegen. Außerdem erhält die Bibliothek aktuelle Listen mit Arbeitsangeboten der Stadt Austin. Geplant ist eine Anbindung an die Datenbank Alex, die über vakante öffentliche Stellen aus den gesamten USA informiert. Für das Abfassen von Bewerbungen werden ebenfalls Hilfestellungen geboten.

In etlichen Bibliotheken wird speziell zu wirtschaftlichen Fragen informiert. So im Montgomery County Department of Public Libraries, wo mit Hilfe des Computerprogramms Infoconnect aktuelle Online-Marktanalysen, Industrieprofile, Auskünfte über Wirtschaftsunternehmen, Produktinformationen und Regierungsstatistiken erstellt werden. Verbunden damit ist gleichzeitig ein document delivery service, der es ermöglicht, die relevanten Texte aus Zeitungen und Zeitschriften abzurufen. Die Kosten für den Service sind abhängig von der zu konsultierenden Datenbank. Außerdem macht die Bibliothek Kosten in Höhe von 65 $ pro Stunde, 90 $ für Schnelldienste, 10 $ pro Dokument geltend. Das erst im Januar 1993 installierte Projekt findet breite Resonanz, u.a. auch bei der Handelskammer und bei Wirtschaftsberatern. Auch die Bibliotheken in Atlanta und Austin stellen aktuelle Wirtschaftsdaten bereit, zumeist aber in CD- ROM Form.

In der Fulton Public Library Atlanta liegen u.a. folgende CD-ROMs auf:

4. Automation

Der Automatisierungsgrad in allen von uns besuchten Bibliotheken muß als relativ hoch angesehen werden. Viele Entwicklungen auf diesem Gebiet setzten in den USA allerdings schon in den siebziger Jahren ein, was zur Folge hat, daß einige Bibliotheken mit teilweise veralteter Software arbeiten (der Online-Katalog der Universitätsbibliothek in Urbana-Champaign, beispielsweise, soll erst noch ein integriertes Software-Paket erhalten).

Einige Bibliotheken sind dabei, auf neue Systeme umzusteigen (so die Atlanta Fulton Public Library und die Public Library von San Francisco), andere Bibliotheken wie die schon erwähnte Library of the Blind and Handicapped erachten Umstellungen als sehr problematisch, da hier gleichzeitig auch die Technik bei allen Nutzern ausgewechselt werden muß.

Im Montgomery County Department of Public Libraries gibt es erst seit etwa vier Jahren einen OPAC und Zugang zu den verschiedenen Datenbanken. Die Jimmy Carter Präsidentenbibliothek arbeitete gerade seit dem 1.7.1993 mit einem Manuscript Processing and Reference System (PRESNET). Auch von uns besuchte regionale Verbünde waren in verschiedenen Stadien begriffen. Der Bundesstaat Maryland baut gegenwärtig ein Netzwerk auf. Der Staat Illinois besitzt mit ILLINET ein regionales Verbundsystem mit 35 Hochschulbibliotheken und 800 weiteren Bibliotheken. In Kalifornien gibt es mit MELVYL einen Zentralkatalog für die Universitäten Berkeley, Stanford, Los Angeles und die California State Library. Im Staat Texas existieren erst kleinere Verbünde; ein Verbund für den gesamten Staat ist noch im Entstehen. Charakteristisch für alle besuchten Bibliotheken ist eine breite Nutzung von Fremddaten, wie sie von den nationalen Datenbanken OCLC (Online Computer Library Center) in Dublin, Ohio oder RLG (Research Libraries Group) in Mountain View (Kalifornien) für alle Bibliothekstypen zur Verfügung gestellt werden. 3)

Die Library of Congress nutzt sowohl OCLC als auch RLIN (Research Libraries Information Network) zur Katalogisierung. Die Katalogisierung erfolgt nach US-MARC-Format. Die Library of Congress ist mit OCLC und RLIN an einem linked systems project beteiligt, das Computerverbindungen herstellt, um ein resource sharing zu gewährleisten. RLIN wird vor allem wegen seiner Daten in seltenen Sprachen herangezogen. Seit 1988 kann die Library of Congress Hebräisch und Japanisch, seit 1992 auch Arabisch katalogisieren. Die Titel werden außerdem ins Englische transliteriert. Üblich ist auch die Vorkatalogisierung von Büchern anhand der Fahne, die vom Buchhandel kommt (CIP=Cataloging in Print). Dafür werden die Bücher nach Prioritäten geordnet. Bücher in deutscher Sprache erhalten gewöhnlich die Nummer 3. Bis 1992 erfolgte die Katalogisierung in der Library of Congress nach dem Sprachprinzip; momentan wird die Katalogisierungsabteilung aber umorganisiert.

Die alphabetische Katalogisierung und die Sachkatalogisierung werden nicht länger separate Abteilungen bilden, sondern durch vier neue Abteilungen, die im Fächerprinzip arbeiten, ersetzt:

Damit verbunden ist die Einrichtung einer Stelle, die die Regeln der alphabetischen Katalogisierung, die Anglo-American Cataloguing Rules, 2. Ausgabe, ständig überprüft, interpretiert und weiterentwickelt und auch für die Anwendung der Library of Congress Klassifikation und Sacherschließung (Library of Congress subject headings) zuständig ist.

Auch die Erwerbungsabteilung befindet sich in einer Phase der Umstrukturierung. Wurde bisher die Abteilung nach Erwerbungsart (Kauf, Tausch, Geschenk) unterteilt, erfolgt nun, nachdem ein Pilotprojekt mit der Hispanischen Abteilung alle Aquisitionen aus Spanien, Portugal und Lateinamerika realisierte, eine Hinwendung zu einer Orientierung nach primär geographischen Prinzipien bei der Organisation.

Zusätzlich zu dieser Umstrukturierung arbeitet seit August ein neues Online-System für den Erwerb: ACQUIRE. Mit Hilfe dieses Systems erfolgt eine Vorkatalogisierung der Bücher schon zum Zeitpunkt des Erwerbs. Die bibliographischen Daten werden in den Katalogabteilungen aber noch weiter bearbeitet. Um die Exaktheit der Daten schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu gewährleisten, wird mit dem Acquisitions Bibliographic Support Project, das bisher zur Katalogabteilung gehörte, nun aber in der Erwerbungsabteilung angesiedelt ist, eine bibliographische Kontrollstelle tätig.

Das Online-System, mit dem die Library of Congress seit 1991 arbeitet, heißt LOCIS (Library of Congress Information System) und hat eine Speicherkapazität von 16 MegaByte. Für die Recherche stehen den Nutzern Bildschirme mit Sensortechnik zur Verfügung. Seit dem 9.7.1993 verfügt die Library of Congress nach nur zweimonatiger Entwicklungszeit über ein Informationssystem für die gesamte Bibliothek.

LC MARVEL (Library of Congress Machine-Assisted Realization of the Virtual Electronic Library): Wie schon der Name verrät, steht MARVEL für die Bestrebungen der Nationalbibliothek der USA, am Konzept der eingangs beschriebenen virtual library zu partizipieren. MARVEL ist ein online gateway zu INTERNET und arbeitet mit der Gopher-Software der Universität von Minnesota. Es stellt zum einen Informationen über die Bibliothek und den Kongress zur Verfügung, andererseits erlaubt es über INTERNET die weltweite Suche, den Zugriff und das Retrieval von verschiedensten elektronischen Ressourcen. Die Dokumente liegen im ASCII-Format vor. Das Menü von LC MARVEL ist in folgende Sektionen unterteilt:

  1. Informationen zu LC MARVEL;
  2. Library of Congress: Möglichkeiten, Aktivitäten, Service;
  3. Forschung und Auskunft;
  4. Library of Congress Online-Systeme;
  5. Der U.S. Kongress;
  6. Regierungsinformationen;
  7. Service für Bibliotheken und Verlage;
  8. Copyright;
  9. Informationen für Angestellte,
  10. Die globale elektronische Bibliothek;
  11. Andere INTERNET-Quellen;
  12. Neuigkeiten zu LC MARVEL.
In den National Archives, die seit 1934 die Regierungsdokumente der USA aufbewahren und zur Einsicht bereitstellen (es handelt sich um ca. 500.000 Meter Daten), befindet sich seit ungefähr sechs Jahren ein Archival Information System in der Erprobung. Die bisherigen, schon elektronisch erfaßten Dokumente sind in Kurztitelaufnahmen, die in Files angelegt sind, und ausführliche Inventare mit Abstracts gegliedert. Man will diese Eintragungen nicht neu aufnehmen, sondern nach Regierungsstellen geordnet umstellen. Eine Einteilung in Sachgruppen ist nicht vorgesehen. Das Katalogisierungsformat wird ein MARCkompatibles Archive Information System Format sein, das ausführlichere Beschreibungsmerkmale, wie sie mit den Inventaren vorliegen, berücksichtigt. Zusätzliche Deskriptoren sollen Sachschlagworte, Personenschlagworte und Körperschaftseintragungen sein.

Es war dabei interessant zu erfahren, daß die Sachschlagworte auf Grundlage der Abstracts in den Inventaren erstellt werden sollen und nicht unbedingt identisch mit den subject headings der Library of Congress sind. Sie werden enger gefaßt sein. Eine Konkordanz mit den subject headings der Library of Congress ist dennoch vorgesehen.

Der OPAC soll an 20 Terminals für die Benutzer angeboten werden. Eine Volltextsuche in den Abstracts ist vorgesehen. Dabei soll schon mit dem Auffinden der Kurztitelaufnahme eine Verbindung mit den Abstracts der Inventare hergestellt werden. Die Speicherkapazität des Rechners beträgt gegenwärtig 8 GigaByte. Sie soll auf 36 GigaByte erweitert werden.

In der Bibliothek der National Archives wird mit dem integrierten System DATATRAC gearbeitet, das sowohl Erwerb als auch Katalogisierung und Fernleihfunktionen ermöglicht. Auch hier wird für die Katalogisierung die OCLC-Datenbank genutzt. Der Zugang zu INTERNET ist nur beschränkt über E-Mail möglich. Genutzt wird außerdem das kommerzielle System DIALOG, das Zugang zu 500 Datenbanken bietet. Die Bibliothek stellt selbst Daten für ALIC (Archive Library Information Center) bereit, eine Datenbank, die ca. 1.000 Journale zum Archivwesen erfaßt.

In der Folger Shakespeare Library, die wertvollste Sammlungen von Literatur der Shakespeare- und Reformationszeit aufweist, wiederum, erfolgt die Katalogisierung - es existiert kein eigener Online-Katalog vorzugsweise mit RLIN, dessen Datenbestand sich auch sehr gut für Altbestandskonversionen eignet.

Illinois

Aus der Fremddatennutzung resultiert in den Bibliotheken in der Regel eine Aufteilung der Katalogisierungsabteilungen in Original- und Copykatalogisierung, wie dies der Fall in der Universitätsbibliothek von Illinois, Urbana-Champaign, ist.

Sie ist eine der wenigen Bibliotheken, die direkt in OCLC katalogisieren. An der Universität studieren gegenwärtig 35.000 Studenten. 7.000 Hochschullehrer sind in Forschung und Lehre tätig. Die Bibliothek hat einen Bestand von ungefähr 7 Millionen Büchern und 11 Millionen Medieneinheiten. Sie betreut 39 Zweigbibliotheken und ist Bestandteil des staatsweiten ILLINET-Verbundkatalogs, der mit einer Software aus dem Western Library Network (WLN) und dem Datenbankverwaltungssystem ADABAS arbeitet. Der Verbund läuft über einen Großrechner IBM3081 GX in der University of Illinois in Chicago.

Da die Bibliothek noch keine automatisierte Erwerbung hat und damit auch nicht über erste bibliographische Datensätze verfügt, kommen die Bücher nach dem Erwerb zur Katalogisierung. Hier werden sie auf 386sx Computern, die an OCLC angeschlossen sind (OCLC hat ca. 28 Millionen Titelaufnahmen), überprüft. Auf diese Weise findet man sofort 85% der Titel. Die Titel, die nicht gefunden wurden, werden nun von Bibliothekaren original katalogisiert. Dies erfolgt z.T. auch in den Zweigbibliotheken. Die Aufnahmen werden dann aber von einem Mitarbeiter der Hauptbibliothek noch einmal kontrolliert.

Titel, die in OCLC gefunden wurden, werden im Rahmen des copy-cataloging mit den lokalen Daten ergänzt, also mit Signaturen versehen, Serien korrigiert etc. Das copy-cataloging wird in der Regel nicht mehr von Bibliothekarinnen ausgeführt. In dieser Abteilung werden auch CIP-Aufnahmen klassifiziert, welche nicht in OCLC, sondern nur im Library Circulation System (LCS), dem Ausleihsystem der Bibliothek, überprüft werden (viele Titel sind schon im LCS vorhanden und oft ist nur die Auflage oder Anzahl der Bände zu ändern). Die in den Original- und copy-cataloging-Abteilungen bearbeiteten Titel werden dann in der OCLC-inputting area von Schreibkräften eingegeben.

OCLC ist durch eine Schnittstelle an den ILLINET-online-Katalog angeschlossen. Von OCLC werden die Daten für ILLINET dann wöchentlich in einem offline-Verfahren auf Magnetbändern überspielt, so daß alle Titel sowohl im Ausleihsystem LCS als auch im online-Katalog FBR (Full Bibliographic Records) erscheinen. LCS und FBR sind unterschiedliche Datenbanken, die mit verschiedenen Kommandosprachen arbeiten, aber für das Retrieval auch einheitlich abgefragt werden können. Seit 1991 wird in Urbana-Champaign mit dem neuen PRISM-Service von OCLC gearbeitet, der eine Suche von Stichwörtern in freier Kombination erlaubt. Die Nutzung von OCLC ist gebührenpflichtig. Der Betrieb des ILLINET online-Verbundsystems ist insgesamt gesehen ein teures Unterfangen: 1990 betrugen die Kosten 4,5 Millionen $. ILLINET online bietet aber auch Zugang zu anderen Datenbanken (BRS, DIALOG) über ein IBM Information Network. Dafür wird eine Kommunikationssoftware mit dem Namen Illinois Search Aid genutzt. 4)

Das ILLINET-Verbundsystem ist neben der eben erwähnten Katalogisierung auch, was sein automatisiertes Leihverkehrssystem anbetrifft, von Interesse. Das LCS ist mit dem online-Katalog FBR, der sich aus bibliographischer Datei, Namensdatei, Bestandsdatei und Stichwortdatei zusammensetzt, verbunden. Für die OCLC-Katalogisierung wurden innerhalb der bibliographischen Datei Dokumentnummern (Recordldentifier = RID) vergeben, die mit OCLC-Nummern identisch sind.

Die Bestandsdatei wiederum enthält Library ldentification Codes (LID), die wichtig für das Retrieval im LCS sind. Dafür wurde ein spezielles Verfahren, scoping genannt, entwickelt. Der Bundesstaat Illinois wurde zu diesem Zweck in geographische Regionen unterteilt, in denen in unterschiedlichem Umfang recherchiert werden kann. So sind sowohl Recherchen in einzelnen LCS-Bibliotheken bis zum gesamten Bundesgebiet möglich. Die Ausleihe und Verbuchung erfolgt dann über das LCS-System.

In Urbana-Champaign stehen für die Nutzer 300 Terminals mit Zugang zu ILLINET online zur Verfügung, außerdem wählen sich pro Tag 100.000 Nutzer von außen in den Katalog ein. Da FBR sämtliche Titel ab 1975 nachweist, können somit 75% des Bestands schon vom Schreibtisch aus gesucht werden. Im ILLINET online sind neben dem Online-Katalog noch IBIS und CARLUnCover integriert.

IBIS steht für Illinois Bibliographic Information Service und erlaubt den Zugriff zu Zeitschriftenindices von Reader's Guide Abstracts, Business Periodicals Index, Social Sciences Index, General Sciences Index und Humanities Index. CARLUnCover ist ein anderer Index für 12.000 Zeitschriften und Magazine ab 1988, an den auch ein document delivery service angeschlossen ist, mit dessen Hilfe der volle Text eines Artikels gegen eine Gebühr abgerufen werden kann.

Neben vielen CD-ROM Angeboten wird in Urbana-Champaign seit 1990 ABSEES ONLINE erstellt, eine online-Version der American Bibliography of Slavic and East European Studies, die über INTERNET auch abgerufen werden kann. Die bis jetzt erfassten 14.000 Einträge enthalten Zitate aus Zeitungsartikeln, Regierungsreports, Dissertationen und Büchern, die monatlich ergänzt werden. Für die Erwerbung ist die Einführung des Bestellsystems INNOVACQ (innovative Acquisitions System) geplant.

Die von uns besuchte DePaul University Library in Chicago ist ebenfalls in ILLINET online eingebunden. Es handelt sich um eine Privatuniversität, an der 16.000 Studenten studieren. Die genau am Tage unseres Besuchs neueröffnete Bibliothek bietet CD-ROM-Daten an, die zum Teil auch in den online-Katalog übernommen sind.

Ziel dabei ist es, eine Verbindung zwischen den CD-ROM-Dateien und dem Volltext der Datenbank herzustellen. Sucht man beispielsweise im Humanities' Index die einzelnen Journalartikel, soll daran auch der Text von den Journalen direkt gekoppelt werden können. Dafür ist man dabei, teure Zeitschriftenabonnements einzusparen. Die Bibliothek arbeitet mit LEXIS-NEXIS, einer Datenbank, die Volltexte von Artikeln und Dokumenten liefert. LEXIS erfaßt Gerichtsentscheidungen und juristische Informationen, NEXIS aktuelle Ereignisse, Wirtschafts- und Handelsthemen. Dies entspricht dem Profil der Bibliothek auf dem Loop-Campus, da sie vorrangig die Lehrprogramme des Wirtschaftsinstituts unterstützt.

Der Bestand ist relativ klein: 600.000 Bände sollen eine Grundausstattung an wichtiger Sekundärliteratur gewährleisten. Es gibt keine Katalogisierungsabteilung und keinen Bibliothekar, der für Erwerbungsfragen zuständig ist, dafür eine ausgebaute Abteilung für den technischen Service. Für die Nutzer stehen 21 Terminals zur Recherche bereit. An der DePaul University wurden uns außerdem Multimediaprogramme in eigens dafür eingerichteten Unterrichtsräumen demonstriert.

Texas

Im Bundesstaat Texas existiert noch kein Verbundkatalog für den gesamten Staat, dennoch sind wichtige Voraussetzungen dafür schon vorhanden. Sowohl öffentliche als auch wissenschaftliche Bibliotheken verfügen über Computer-Kataloge. Bibliographische Daten aus Texas befinden sich auch in OCLC.

Die Lorenzo de Zavala State Library nutzt seit 1975 die Dienste von OCLC und will ab Herbst 1993 den Zugriff auf OCLC für weitere Bibliotheken von Texas vergrößern (TEXAS-OCLC). Der Zugriff zu OCLC soll durch FirstSearch, eine online-Sammlung von Datenbanken und Indices, erfolgen. Andere Bibliothekskataloge von Texas können über INTERNET recherchiert werden. Angeschlossen an INTERNET ist bereits THEnet, ein akademisches LAN-Netzwerk für den Staat Texas. Außerdem existieren TENET, ein Netzwerk der öffentlichen Schulen und TEX-Alll, das ca. 60 staatliche Stellen verbindet.

Am Aufbau eines staatsweiten Verbundsystems sind also nicht nur die Staatsbibliothek, sondern auch Institutionen wie das Texas Higher Education Coordinating Board und die Texas Education Agency beteiligt. Alle drei genannten Einrichtungen verfolgen Projekte, die in ein Verbundsystem einmünden sollen. So zunächst das Projekt TEXSHARE der Staatsbibliothek. TEXSHARE soll den gleichzeitigen Zugriff auf alle in Texas befindlichen Universitätsbibliotheken ermöglichen. Eine Methode dafür wird noch diskutiert.

Wahrscheinlich wird eine zentrale Datenbank mit Verbindung zu den Datenbeständen in jedem Bibliothekssystem eingerichtet oder eine spezielle Software entwickelt, die es ermöglicht, mehrere Systeme über ein Netzwerk abzufragen. Das zweite Vorhaben ist mit TEXNET/Project/Link der geplante erweiterte Zugriff auf OCLC. Project Link soll öffentliche Bibliotheken mit INTERNET-Anschlüssen versorgen. Als drittes ist an eine Datenbank mit den Beständen aller Schulbibliotheken in Texas gedacht. 5)

Die Texas State Library besitzt seit 1993 ein neues Computersystem, das mit der Software GEAC-CLSI arbeitet. Bis jetzt sind 350.000 Aufnahmen aus dem alten System in das neue konvertiert worden. Da die Texas State Library auch eine Archivfunktion für Regierungsdokumente wahrnimmt, ist geplant, ebenfalls die Datensätze des Archivbestands einzugeben. Im Library Catalog of Texas State Agencies kann nach Autor, Titel, Sachschlagwort recherchiert werden. Eine Verknüpfung der einzelnen Merkmale ist möglich.

Die nach Admiral Perry Carlos Castaneda benannte Bibliothek der Universität Austin ist mit ihrem ca. 6,6 Millionen großen Bestand die fünftgrößte akademische Bibliothek der USA. Die Universität selbst wurde 1883 gegründet und hat 49.000 Studenten, 2.388 Fakultätsmitglieder und 15.000 Mitarbeiter. Die Universitätsbibliothek untergliedert sich in drei Teile: die allgemeinen Bibliotheken (Perry Castaneda Library, Undergraduate Library, Nettie Lee Benson Latin American Collection, Center for American History), die Tarlton Law Library und das Harry Ransom Research Center for British and American Literature. Die Bibliothek verfügt über ein integriertes Bibliothekssystem, an das sämtliche Zweigstellen und die Austin Public Library angeschlossen sind.

Der OPAC ist eine Eigenentwicklung der Universität Texas, welche ein IBM-Mainframe besitzt. Da die Datensätze nicht im UNIX-Format vorliegen und kein TCP/IP eingesetzt werden kann, ist der OPAC noch nicht über INTERNET zu erreichen. Bis jetzt sind zwei Drittel des Bestands im OPAC erfaßt, der Kartenkatalog wurde schon 1985 abgebrochen. Der UT-CAT (University of Texas Catalog) bietet mehrere Datenbanken an: Zum einen liegt der Katalog der Bibliothek vor, dazu kommen noch die Academic American Encyclopedia, der Academic Index (ein 1.500 Titel umfassender Zeitschriftenindex), der Business Index (ein Index von Wirtschaftsjournalen), der Legal Resource Index (ein Index zu rechtswissenschaftlichen Zeitungen), Material Safety Data Sheets (MSDS) (enthält 60.000 chemische Formeln) und ein Campus-Informationssystem.

im UTCAT Library Catalog kann nach folgenden Merkmalen recherchiert werden: Autor, Titel, Stichwort, Sachschlagwort, Signatur. Der Ausleihstatus wird ebenfalls angezeigt. Für die Benutzer stehen 20 Terminals bereit, in der Undergraduate Library sind es sogar 200, die auch mit Textverarbeitungsprogrammen ausgestattet sind. Außerdem stehen 44 CD-ROMs zu offline-Recherchen zur Verfügung, die teilweise in Netzwerken oder stand-alone Computern aufliegen. Auch in Austin wird OCLC für die Katalogisierung genutzt.

Maryland

Mit dem Montgomery County Department of Public Libraries im Bundesstaat Maryland besuchten wir das dritte größere Bibliothekssystem. Es umfasst 21 öffentliche Bibliotheken, wovon 4 den Status einer regionalen Bibliothek besitzen.

Die Regionalbibliothek Rockville besitzt seit ungefähr 4 Jahren einen OPAC, dessen Menü sich, ähnlich wie der OPAC an der Universität von Texas, im wesentlichen aus fünf Datenbanken zusammensetzt: dem MCDPL-Katalog, einem Bibliotheksinformationssystem, anderen Bibliothekskatalogen (einschließlich des Katalogs der Universität Maryland), Informationen für die Kommune und einer Datenbank, die verschiedene elektronische Ressourcen offeriert, so wieder eine Volltext-Enzyklopädie, verschiedene Indices zu Wirtschaft und Handel etc. Das System trägt den Namen PAC (Public Access Catalog) und ist rund um die Uhr über Modern anwählbar. Es arbeitet mit einem Tandem 6CLX-Rechner und der Software CARL Systems Inc. CARL steht für Colorado Alliance of Research Libraries und ist ein integriertes online-Bibliothekssystem mit den elektronischen Bibliotheksverzeichnissen der Bibliotheken in Colorado, Wyoming und anderen Bundesstaaten. Außerdem bietet CARL noch die Dienste anderer Datenbanken (zum Teil gegen Gebühren) an.

In Rockville wird über CARL die auch in lllinois genutzte Datenbank UnCover konsultiert. Da die hier gespeicherten Journale sofort nach dem Veröffentlichen indexiert werden, gilt UnCover als besonders aktuelles Verzeichnis. Derzeit enthält UnCover rund 3 Millionen Artikel, in jedem Jahr kommen 750.000 hinzu. Die Recherche in UnCover entspricht den Frageoptionen des CARL-Systems: man sucht nach dem Namen des Autors, der Zeitschrift, des Titels eines Artikels, nach einzelnen Wörtern im Abstract oder im Titel.

Neben den menügesteuerten Kommandos ist auch die Suche mit Booleschen Operatoren möglich. Auch der Erwerb und die Katalogisierung sind im MCDPL über Schnittstellen an CARL gebunden. Eine Vorkatalogisierung der Bücher kann dadurch schon beim Erwerb erfolgen.

Darüber hinaus besitzt Rockville mit ACCESS ein auf CD-ROM basierendes Local/Wide Area-Netzwerk, das die Bibliothek mit den anderen regionalen Bibliotheken verbindet und Zugriff zu Wirtschaftsinformationen und Regierungsdokumenten bietet. Im einzelnen werden im LAN angeboten:

Der Einsatz von CD-ROM im Rahmen eines LAN ist im Unterschied zu den bisher beschriebenen Online-Recherchemöglichkeiten sicherlich als eine effektive und kostengünstige Variante elektronischer Informationsvermittlung zu werten. Rockville hat neben einem LAN auch stand-alone Computerarbeitsplätze für CDs, die eine nicht so häufige Benutzungserwartung oder Lizenzbeschränkungen haben. Dennoch stoßen die Speicherkapazitäten von ACCESS schon an ihre Grenzen. Die Bibliothek verfügt über 400 Terminals. Die einzelnen Bibliotheken innerhalb des MCDPL sind über 16 Standleitungen verbunden, 8 weitere sind geplant.

Wie schon erwähnt, besitzt der Bundesstaat Maryland noch keinen eigenen Verbund, sondern 24 verschiedene Bibliothekssysteme, die es noch zusammenzuführen gilt. SEYMOUR, der Staatskatalog, befindet sich aber schon in der Testphase und soll ab Herbst 1993 zum ersten Einsatz kommen. Vorläufig können die Nutzer der Bibliothek noch über CapAccess, ein Informationssystem der Kommune, einzelne INTERNET-Dienste nutzen.

Die hier vorgestellten Modelle zur Automatisierung der Bibliotheken in den USA erfassen nicht sämtliche von uns besuchten Einrichtungen. Ihre ausführliche Beschreibung resultiert aus dem Umstand, daß sie zum einen allen Bibliotheken charakteristische Strukturen aufweisen, dennoch aber die Unterschiedlichkeit des jeweiligen regionalen Entwicklungsstands eines Verbundes besonders deutlich wurde.

im Unterschied zu Deutschland fanden wir eine Verflechtung von öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken auf dem elektronischen Sektor vor. In allen Bibliotheken wird daran gearbeitet, verschiedene Modelle der Informationsvermittlung einzusetzen, und dies stets mit dem Ziel, gegebenenfalls mehrere Nutzer gleichzeitig versorgen zu können.

Eine besondere Rolle für die zukünftige Entwicklung wird zweifellos INTERNET zukommen, dessen Dienste in den USA viel breiter und selbstverständlicher genutzt werden als dies bis jetzt in deutschen Bibliotheken der Fall ist. Netzwerke wie INTERNET brechen zudem bekannte Kommunikationsstrukturen, wie sie mit dem Modell vom Anbieter bzw. Konsumenten von Information bekannt sind, auf. Teilnehmer an INTERNET sind sowohl Empfänger als auch potentielle Sender von Informationen.

Insgesamt gesehen, wird wohl ein Trend zur Volltextlieferung einsetzen. So existiert bereits das Projekt Gutenberg, in dem bis zum Jahr 2001 die meistgelesenen Bücher (ca. 10.000) in elektronischer Form angeboten werden sollen. Auch beschriebene Datenbanken wie CarlUnCover sind ein Schritt in diese Richtung.

Ob die virtual library wie die Bibliothek der DePaul University aufgebaut sein wird, steht dennoch zu vermuten, da zwar schnelle Versorgung mit Informationen über die Netzwerke vorerst noch nicht automatisch die gewünschte Literatur verschafft. Demnach wird eine Folge des resource sharing auch ein Ansteigen des Leihverkehrs nach sich ziehen.

Die Bibliothekssysteme werden zur Weiterentwicklung und Überwachung der Verbünde über effiziente lnformationsabteilungen verfügen müssen, wie uns am Beispiel der San Francisco Public Library gezeigt wurde: Dort sind zwölf Mitarbeiter für Training und Information, network support (Überwachung des Systems), audio-visuelle Produktion (Multimedia-Projekte), Qualitätskontrolle der Datenbank und die Überwachung der Zweigbibliotheken beschäftigt.

Die virtual library, wie sie in den einzelnen Bibliotheksverbünden und über das NREN vielleicht einmal für die gesamte USA verfügbar sein wird, erstreckt sich durch INTERNET nun schon in viele Teile der Welt, auch nach Deutschland. Bei Partizipation möglichst zahlreicher Teilnehmer kann sie sich zur global library entwickeln. Der Beitrag der amerikanischen Bibliotheken dazu, die seit der ersten Bibliotheksgründung im Jahre 1638 an der Harvard University einen enormen Aufschwung genommen haben, wird entscheidend für die Präzisierung künftiger Entwicklungslinien und notwendiger Anwendungsmöglichkeiten wissenschaftlicher lnformationstätigkeit sein.

1) McClure, Charles R.; McKenna, Mary et al.: Toward a Virtual Library: INTERNET and the National Research and Education Network. In: The Bowker Annual Library and Bock Trade Almanac. Ed. by Barr, Catherine. New Providence, New Jersey: Bowker, 1993, S. 25 - 45

2) Rogers, Michael: Will Commercialization of INTERNET Help Libraries? In: Library Journal 15, 1993, S. 26

3) Ausführlichere Erläuterungen zu OCLC und RLIN finden sich im Reisebericht v. Mallmann-Biehler, Marion: Katalogisierung und Verbundnutzung in den USA. In: BIBLIOTHEKSDIENST 26. Jg. (1 992), H. 4, S. 493 - 507

4) Eine detaillierte Darstellung des Bibliothekssystems in Urbana-Champaign bieten: Lapp, E.; Neubauer W.: Information und Kommunikation in der naturwissenschaftlichen Forschung. Haben wir die richtigen Bibliothekskonzepte? Monographien des Forschungszentrums Jülich Bd. 7/1992, S. 35 - 56

5) deGruyter, Lisa: On the information frontier. Virtual library could improve Texans' access to knowledge. in: Texas Libraries. Vol. 54, No. 2, S. 48 - 50