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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Spanien

Der Faden der Ariadne *)
Nuria Hernández

ARIADNA ist der Name der Datendefinition, die die Nationalbibliothek Madrid realisiert hat, um das Bibliothekssysstem SIRTEX an ihre Bedürfnisse anzupassen.

Mehr als eine Million Normdateieinträge für Namen und Schlagwörter, 480.000 moderne Monographien, 20.000 alte Monographien, 35.000 fortlaufende Sammelwerke, 1.100 Drucke, Zeichnungen und Fotos, 900 Exemplare kartographischen Materials, sowie 15.000 Partituren und 15.000 Tonbandaufnahmen sind die Einträge, die ARIADNA, der automatische Katalog der Biblioteca Nacional, zur Zeit gespeichert hat.

Bevor dieses Stadium jedoch erreicht wurde, mußte sich die besagte Bibliothek einem Automatisierungsprozeß unterwerfen, den Javier Agenjo (ehemaliger Leiter der Abteilung Informationskoordinierung) als "lange Reise" bezeichnet.

So war es auch, da schon seit 1964 verschiedene Initiativen ergriffen wurden, die alle die umfassende Informatisierung der Bibliothek zum Ziel hatten, wobei auch partielle Erfolge erzielt wurden. Obwohl erst seit den 80er Jahren daran gedacht wurde, diese Automatisierung auf eine integrierte Weise durchzuführen.

Überschreitet man einige vorhergehende Etappen, deren Beschreibung sehr viel Platz in Anspruch nehmen würde, erreicht man das Jahr 1987, in dem zum ersten Mal ein System zur Verwaltung der Bibliothek installiert wurde, das SABINA hieß. Die Installation sollte in drei Phasen durchgeführt werden:

Die erste Phase beinhaltete die Subsysteme Erwerbung (Eingänge und Inventarisierung), Katalogisierung mit vielfältigen Formen der Anwenderunterstützung, Statistik und Verwaltung der Benutzer; die zweite Phase bezog sich auf die Rekonvertierung des Zentralkatalogs und auf ein Subsystem für die Verwaltung der fortlaufenden Sammelwerke, die Katalogisierung spezieller Materialien und die Ausleihverwaltung; die dritte und letzte Phase befaßte sich mit der Integration aller Subsysteme in eine Datenbank, um den Benutzern den Zugang über den automatisierten Katalog online zu ermöglichen und das System über ein nationales Netz zugänglich zu machen.

Evaluierung

Trotz allem "gelang es schließlich nicht, die erste Phase zu überschreiten, und selbst diese konnte noch nicht einmal komplett realisiert werden", berichtet Maria Jaudenes, Leiterin der Abteilung Informationskoordinierung der Biblioteca Nacional. Tatsächlich wies das Projekt große Nachteile auf. Einer der gravierendsten war in den Augen von Maria Jaudenes "die Abhängigkeit vom Kultusministerium: wir hatten zwei Mini-Computer von NIXDORF, die in Wirklichkeit lediglich als Terminalkonzentratoren fungierten. Diese Minis waren an den IBM des Ministeriums angeschlossen." Hinzu kam die Abhängigkeit vom Personal des Ministeriums und die Probleme des Unternehmens, das für die logische Unterstützung den Zuschlag erhalten hatte, um in den zu diesem Zweck bestimmten Teams das Projekt SABINA zu entwickeln.

Angesichts der Fülle der Probleme wurde entschieden, eine Studie durchzuführen, deren Ziel es war, die Bibliothek mit eigenen physikalischen Installationen auszustatten. An diesem Punkt war "Carlos Ruiz, EDV-Berater des Ministeriums, die Schlüsselperson für den Informatisierungsprozeß bis zum heutigen Tage", bestätigt Maria Jaudenes.

Nach der Evaluierung verschiedener Firmen und Systeme sowie nach Tests bezüglich der Leistungsfähigkeit, wurde eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt, die zum Ziel hatte, die Biblioteca Nacional mit einem physikalischen und logischen System auszurüsten. Auf diese Weise erhielt den Zuschlag im Jahr 1989 für die bereits erwähnte Automatisierung der zeitweise Firmenzusammenschluß von Fujitsu, zuständig für den gesamten Bereich der Hardware-Betreuung, und der Software AG, "welche uns sehr potente Werkzeuge anbot, um eine Anwendung genau nach den Ansprüchen der Bibliothek zu entwickeln. Die Tools sind zum Teil dieselben, die auch heute noch benutzt werden".

Diese Anwendung, die im März 1991 den Betrieb aufnahm, erhielt den Namen ARIADNA und ist im Prinzip die Datendefinition, die die Biblioteca Nacional realisiert hat, um das Bibliotheksverwaltungssystem SIRTEX, das durch die SOFTWARE AG Spanien und Personal der Bibliothek entwickelt wurde, an ihre Bedürfnisse anzupassen.

Angebot

Als Bibliotheksverwaltungssystem besteht ARIADNA zur Zeit aus zehn Subsystemen, die sich in drei Blöcke gruppieren lassen: Datenbankverwaltung (Administration, Produktion, Definition der Metastruktur), Verwaltung der Information (Katalogisierung, Retrieval, OPAC, Batch-Verwaltung der Information) und Verwaltung des Bestandes (Erwerbung, Ausleihe, Kopierwesen). Die herausragendste Eigenschaft von ARIADNE ist laut Maria Jaudenes "die Flexibilität, sich an neue Bedürfnisse anpassen zu können."

Durch dieses System ist die Bibliothek in der Lage, moderne Monografien, alte Monografien, kartografisches Material, Tonbandaufnahmen, Partituren, grafisches Material und fortlaufende Sammelwerke online zu katalogieren.

Da die Datenbank nicht nur durch Online-Katalogisierung, sondern auch im Batch-Betrieb aktualisiert werden kann, ermöglicht das System einen Prozeß der Masseneinspielung der aus der Rekonvertierung des Kartenkatalogs entstandenen Aufnahmen, so daß der gesamte Benutzerkatalog online verfügbar ist.

Auf diese Weise wurden 1992 180.000 Einträge eingespielt, die von den Datenbändern der Bibliografia Española (ab Jahrgang 1979) stammten.

Was die Benutzung der Daten von ARIADNA betrifft, können außer der Online-Abfrage Produkte wie der Fotosatz für die Erstellung der Bibliografia Española, die Erstellung der CD-ROM, etc. erzeugt werden. Desgleichen vertreibt die Bibliothek die Datensätze ihrer Datenbank auf verschiedenen Datenträgern (Magnetbänder, Disketten, "Streamer") und in verschiedenen Formaten (Volltitel oder Kurztitel im Format IBERMARC oder eigenem Format).

Eine moderne Kommunikationsumgebung über Glasfaserverbindungen ermöglicht einer großen Zahl von lokalen oder externen Benutzern den Zugang zum Zentralrechner. So ist der Zugang zur Information in ARIADNA über das PIC (Stadtinformationssystem) des Kulturministeriums, das Netz Iberpac, das Netz Iris (international angeschlossen an Internet, Artix und IXI) und wahrscheinlich in nächster Zukunft auch über Videotex möglich. Eine weitere Möglichkeit in diesem Bereich bietet der OPAC, ein Abfragemodul, das eine besondere Beachtung aufgrund seiner erst vor kurzem stattgefundenen Installation und seiner Serviceleistung verdient.

Der OPAC, der einen wichtigen Teil von ARIADNA bildet, ist "ein sehr einfaches Modul für das Retrieval, so daß ein Benutzer, der noch nie zuvor mit ihm gearbeitet hat, in der Lage ist, ihn in kürzester Zeit ohne Probleme zu nutzen", hebt Maria Jaudenes hervor.

Physikalische Realisierung

Seit 1990 hat die Biblioteca Nacional ihr eigenes Rechenzentrum, dessen physikalisches System auf einem zentralen Rechner der Marke Fujitsu, Modell Facom 760/20 läuft, mit einer Kontrolleinheit für die interne Kommunikation und Speicherperipherien (Bänder und Disketten).

Desweiteren verfügt sie über ein Netz für die gemeinsame Übertragung von Sprache und Daten, welches zur Zeit den größten Teil der Arbeitsplätze der Endbenutzer untereinander verbindet (basierend auf Mikro-Computern), mit Glasfaserverbindungen zwischen den Knoten und über abgeschirmte, paarweise verdrillte Kabel (shielded twisted pair) für die Verbindung der Terminals untereinander.

In den Zonen des Gebäudes, in denen die Umbauarbeiten schon beendet sind, ist die Netzwerkverkabelung bereits realisiert, wobei vorgesehen ist, die Verkabelung nach Abschluß der Umbauarbeiten auf alle Arbeitsräume der Bibliothek zu erweitern.

Zur Zeit hat das Netz mehr als 960 passive und mehr als 190 aktive Anschlüsse. Die Arbeitsbereiche, die noch nicht an das Netzwerk angeschlossen sind, benutzen weiterhin nichtintelligente 3270-Terminals. Diese sind über Koaxialkabel mit einem Terminalcontroler verbunden, als Datenprotokoll wird SDLC benutzt.

Professionalität

Für die externe Kommunikation verfügt die Bibliothek über folgende Möglichkeiten:

Für Maria Jaudenes steht fest, daß man diese Automatisierung nicht erreicht hätte, wenn es nicht "die große Dosis an Enthusiasmus und Professionalität" des verkleinerten Teams gegeben hätte, das die Abteilung lnformationskoordinierung bildet, welche in zwei Bereiche unterteilt ist: einen bibliothekarischen und einen EDV-Bereich.

Ersterer besteht aus drei Bibliothekaren und beschäftigt sich hauptsächlich mit Anfragen und Anregungen der ARIADNA-Benutzer und der Verwaltung der Datenbankstruktur.

Der EDV-Bereich wird zum einen durch eine Untereinheit "Systeme", welcher Fernándo Fernandez Monzón vorsitzt, ein Systemtechniker mit "einem großen Arbeitsvermögen und einer großen Portion persönlichen Einsatzes" und durch eine weitere Untereinheit "Entwicklung" gebildet. Die Verantwortung dieser Abteilung liegt hauptsächlich in der Systemverwaltung, der Betreuung der Benutzer hinsichtlich der Benutzung der Rechner und der Mikroinformatik, der Verwaltung der Datenbank, der Installation und Tests neuer Utilities und der Entwicklung neuer Anwendungen.

Wenn auch ihr Ziel darin liegt, die Bedürfnisse bezüglich der internen Funktionen der Biblioteca Nacional und die der Bibliothek als Kopf des spanischen Bibliothekssystems abzudecken, versucht die Abteilung, kein benutzerfremdes Rechenzentrum zu sein, das sich aus Informatikern zusammensetzt, die keine Kenntnisse von bibliothekarischen Aufgaben besitzen. Im Gegenteil, sie versucht sich perfekt in den Gesamtbereich der Tätigkeit der sonstigen Bibliothek zu integrieren: "Wir versuchen ein komplett benutzer- und serviceorientiertes Rechenzentrum zu sein. Uns ist klar, daß wir die Diener sind und daß es der Kunde ist, der befiehlt."

*) Der Aufsatz erschien unter dem Originaltitel "El hilo de Ariadna" am 24.11.94 in der Zeitschrift PCWEEK. Die Übersetzung aus dem Spanischen stammt von Javier Sandez y Garcia und Anja Müller.