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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Slowenien

Schulbibliotheken und das neue Curriculum in Slowenien
Silva Novljan

Eine Analyse des slowenischen Schulsystems zeigte auf, daß das Unterrichtswesen in den Elementarschulen die Entwicklung des Staates und des einzelnen Bürgers nur unbefriedigend unterstützt. Dies war Anlaß für ein neues Curriculum. Hierzu legten Bibliothekare einen Vorschlag für die Mitwirkung der Schulbibliotheken bei der Verwirklichung der Curriculumsziele vor 1; 2).

Laut Gesetz des Erziehungs- und Unterrichtswesens muß jede Elementarschule 3) eine Bibliothek haben. Aus den Berichten der Elementarschulen für das Jahr 1992 geht hervor, daß die Bibliothek tatsächlich an 470 Elementarschulen (bzw. 776 zusammen mit ihren Zweigstellen) mit insgesamt 230.954 Schülern vorhanden ist (von 44 Elementarschulen waren keine Daten zu erhalten).

Jede Schulbibliothek hat durchschnittlich 15 Buchtitel bzw. 18 Bände pro Schüler und 40 Bände pro Lehrer. (Die Lehrerbestände sind getrennt von den Schülerbeständen aufgestellt). Ihr Grundbestand enthielt 95 % Bücher, 1 % Zeitschriften und 4 % Nicht-Buch-Materialien. Die Bücher wurden durchschnittlich 0,84 mal umgesetzt; 37 % des Bestandes wurden intern in der Bibliothek bzw. in den Schulräumen entliehen, 63 % entfielen auf die nicht-schulische Ausleihe. Belletristik war in der Gesamtausleihe mit 64 % vertreten 4). In den Schulbibliotheken waren 704 für Bibliotheksarbeiten verantwortliche Kräfte beschäftigt, 56 % davon mit Vollarbeitszeit.

Es gibt zwei Hauptprobleme der slowenischen Elementarschulbibliotheken

Für die Organisation der Bibliothek arbeiteten Bibliothekare Normen und Richtgrößen aus 5), die jedoch vom Schulträger nur als Richtlinien für die bloße Organisation, nicht aber auch für die Finanzierung der Tätigkeiten akzeptiert werden. Ein Vergleich des einschlägigen Normenwerks mit der derzeitigen Entwicklung der Schulbibliotheken zeigt deutlich den Unterschied auf.

Die durchschnittliche Schulbibliothek erreicht nur 36 % des normativ festgelegten Raum(flächen)bedarfs. Sitzgelegenheiten im Lesesaal werden nur von 57 % der Bibliotheken angegeben; die durchschnittlich angeführte Zahl der Sitze reicht jedoch nicht für die gleichzeitige Anwesenheit aller Schüler einer Schulklasse in der Bibliothek. Die durchschnittliche Bibliothek besitzt jedoch 176 % des von den Richtgrößen vorgegebenen Bücherbestandes. Dieser wird von Kräften verwaltet, von denen nur 32 % eine bibliothekarische Ausbildung aufweisen. Diese Situation spiegelt sich u.a. in der Anzahl der Kataloge wider: 28 % der Bibliotheken führen nur einen Katalog (davon einen Autorenkatalog nur in 48 % der Fälle), 20 % zwei Kataloge, 29 % drei Kataloge, 23 % der Bibliotheken besitzen gar keinen Katalog. Dabei sind Kataloge ein Hauptmerkmal fachkundiger Leitung, wirkungsvoller Vermittlung der Bibliotheksbestände und der Mitwirkung bei der Entwicklung der Fähigkeiten zur Informationsentnahme und des Lesens der Schüler.

Die Elementarschule in Slowenien ist die einzige Pflichtunterrichtsanstalt, die jedem das Lesenlernen ermöglicht. Ihre Leistungen für die Entwicklung des Lernens und des Lesens sind deshalb von höchster Wichtigkeit, auch für das spätere selbständige, lebenslange Lernen.

Die heutige durchschnittliche Schulbibliothek kann ohne besondere Schwierigkeiten die Schüler und Lehrer mit Bibliotheksmaterialien versorgen, sie für das Lesen motivieren und beim Lesenlernen mitwirken. Sie kann sie aber nicht mit allen erforderlichen Medien für den gesamten Schulunterricht versorgen und sie bibliotheksdidaktisch betreuen.

Es ist eine Tatsache, daß ein günstiges Arbeitsumfeld sich positiv auf die Wahrnehmung der unterrichtlichen Bibliotheksaufgaben auswirkt. Große Schulbibliotheken und regelmäßige Bücherausleihe zählen deshalb zu den Faktoren, die in enger Verbindung mit besseren Leseleistungen der Schüler an den Elementarschulen stehen.

Die bibliothekarischen Empfehlungen für das Curriculum in den Elementarschulen sehen vor, daß jede Schule eine Schulbibliothek haben soll. Ihr durchschnittlicher Grundbestand sollte aus 8 bis 10 Büchern pro Schüler bestehen und einmal jährlich umgesetzt werden. Die Bibliothek sollte desweiteren von Kräften mit guten bibliothekarischen Fachkenntnissen geleitet werden und zwar für Schulen mit bis zu 20 Klassen von 1 Bibliothekskraft, für Schulen mit über 20 Klassen von 2 Kräften. Schulbibliotheken sollten durch die jeweiligen öffentlichen Bibliotheken ergänzt werden.

Die Schulbibliotheken können ihre Aufgaben wirkungsvoll erfüllen, wenn alle Leistungen gleichmäßig entwickelt und miteinander verbunden sind. In der Verbundenheit der mitwirkenden Faktoren spielen die bibliothekarisch ausgebildeten Fachkräfte eine Schlüsselrolle. Sie kennen das nationale Bibliotheksinformationssystem sowie die Rolle und Angebote der verschiedenen Bibliotheken. Neben bibliothekarischen Aufgaben können sie jedem Benutzer die einschlägigen Informationen zur Verfügung stellen und seine Bedürfnisse erfüllen. Unsere Untersuchung belegte, daß die Lesefähigkeit dort höher war, wo die Bibliothek von einer Fachkraft geleitet wurde, und niedriger dort, wo ein Lehrer ohne bibliothekarische Kenntnisse beschäftigt wurde.

Auch in den Klassenstufen, wo die Bibliothek mehr für die Motivation, die Lesefähigkeit und Materialienvermittlung tätig ist und zu erwarten wäre, daß die Lehrer wegen ihrer pädagogischen Ausbildung der bibliothekarischen Fachkraft wenigstens gleichwertig, wenn schon nicht überlegen sind, erwies sich die letztere als geeigneter. Damit wurde die Bedeutung fachgemäßer Organisation, Übersichtlichkeit und Beherrschung der Quellenverfügbarkeit bei den folgenden Grundaufgaben einer Schulbibliothek unterstrichen:

Die Rolle der Bibliothek bei der Entwicklung der Informations- und Lesefähigkeit
Zukünftig wird die Forderung, daß die Schulbibliothek in das Curriculum als Informations- und Dokumentationszentrum aufzunehmen ist, stärker zur Geltung kommen. Schulbibliotheken ermöglichen allen am Bildungsprozeß Beteiligten den Zugang zu den Beständen und Informationen im gesamten Bibliothekssystem wie auch in anderen Informationssystemen.

Im Einklang mit der Rolle der Bibliothek bei ihrer Mitwirkung bei der Entwicklung und Verbreitung der Lesefähigkeit, wird der Begriff der Informations- und Lesefähigkeit (information literacy) benutzt, der u.a. ausdrücken soll, daß die Schüler unterschiedliche Strategien der Informationssuche und -verarbeitung erwerben müssen 6).

Das Erlernen der Informationsfertigkeiten ist erfolgreich, wenn es im Kontext der Unterrichtsinhalte geschieht 7; 8). Deshalb müssen die Lehrer als Experten für einzelne Fachgebiete mitwirken und auf die besonderen Fachspezifika sowie auf die kritische Analyse und Bewertung von Informationen eingehen. Die Schüler müssen erkennen, daß es nicht ausreicht, allein eine Information zu finden ohne sie zu 'hinterfragen'. Ein Bibliothekar kann z.B. den Schülern beibringen, wie Kataloge und andere Informationsquellen benutzt werden, doch ist von großer Bedeutung die Fähigkeit des Schülers, die richtige Entscheidung treffen zu können, ob und wann eine betreffende Informationsquelle verwendet werden soll. Das läßt sich am leichtesten im Fachunterricht im Zusammenhang mit einem Problem erlernen.

Schlußfolgerung
Wir heben die Bedeutung der Informations- und Lesefähigkeit für das Curriculum deswegen hervor, weil sie für die Bibliothek und für den Unterricht grundlegend ist. Durch die moderne Technologie hat sich die Rolle der Bibliothek in ihrer Grundfunktion nicht verändert, sondern nur modernisiert, allerdings wandelt sich ihr Status. Heutzutage ist die Bibliothek im Bildungsprozeß eine unentbehrliche Pflichteinrichtung für vernetztes Lernen.

Bei der Überarbeitung des Curriculums müssen deshalb die Normen und Richtgrößen für ihre Ausstattung ebenso enthalten sein wie ein pädagogisches Konzept für ihre Nutzung und Einbeziehung in den Unterricht. Dazu gehört auch ein differenziertes Programm für die didaktische Aufbereitung unterrichtlicher Themen.

Letzteres sollte eigentlich mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden sein, weil im slowenischen Raum etliche Schulbibliotheken existieren, die man Dank ihrer modellhaften Arbeit zur Hilfe heranziehen könnte.

Viel schwieriger bzw. langdauernder wird die Fortbildung der bereits beschäftigten Bibliothekskräfte mit bibliothekarischen und pädagogischen Kenntnissen sein. Am schwierigsten wird jedoch die tatsächliche Integration der Bibliothek in den Unterricht sein. Da die Lehrer im Curriculum neue Aufgaben übertragen bekommen, zu deren Erfüllung sie auf andere Mitwirkende angewiesen sind, werden sie sicher auch mit dem Bibliothekar kooperieren müssen, womit eine Verbindung von Bibliothek und Unterricht hergestellt wäre.

Literatur

1) Izobra(evanje v Sloveniji za 21. stoletje. - Ljubljana: Zavod Republike Slovenije za (olstvo, 1991.

2) Idejni na(rt razvoja slovenskih (olskih knji(nic. - (olska knji(nica (1995)3, S. 4-30.

3) Die Schüler besuchen die slowenische Elementarschule von der 1. bis zur 8. Klasse (zukünftig bis zur 9. Klasse).

4) Novljan, S.& M. Steinbuch: (olska knji(nica v izobra(evanju (za 21. stoletje). - Ljubljana: Narodna in univerzitetna knji(nica, 1994.

5) Standardi in normativi za (olske knji(nice. - V: Vzgojnoizobra(evalno delo v (olski knji(nici-mediateki. - Ljubljana : Zavod Republike Slovenije za (olstvo, 1990. S. 32-35.

6) Casteel, C.P. & B.A. Isom: Reciprocal Processes in Science and Literacy Learning. - The Reading Teacher 47(1994) 7, S. 538-545.

7) Henri, J.E. & L. Hay: Beyond the Bibliographic Paradigm: User Education in the Information Age. - 60th IFLA General Conference. Havana, 21-27 Avgust 1994. Booklet 7, S. 63-71.

8) Howard, J.: Information Skills and the Secondary Curriculum. - London: The British Library, 1991.

(Silva Novljan, National- und Universitätsbibliothek in Ljubljana, Slowenien)