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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Österreich

Zur Vernetzung der österreichischen Literaturarchive
Andreas Brandtner

Im Unterschied zu den wissenschaftlichen Bibliotheken Österreichs können die Literaturarchive und die Institutionen, die handschriftliche Dokumente verwalten, nicht auf der Basis eines nationalen Datenverbunds agieren. Bislang erfolgte die Erschließung und Verzeichnung der Nachlässe und literaturarchivalischen Dokumente in traditionellen Karteisystemen oder institutsintern individuell auf PC. Dieser Situation begegnet der an das Österreichische Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek - kurz ÖLA - vergebene Forschungsauftrag Koordination der datenunterstützten Vernetzung österreichischer Literaturarchive insofern, als er eine österreichweit kompatible EDV-gestützte Erschließung von Archivmaterial zu fördern hat. Das Projekt wurde von 1. März 1997 bis 31. Januar 1998 vom Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten finanziert und steht seit Februar unter der direkten Förderung der Österreichischen Nationalbibliothek. Die konkreten Projektziele liegen in der Vereinheitlichung der Erschließungspraxis und in der Definition der Voraussetzungen, die für eine Vernetzung der kooperierenden Institutionen nötig sind.1)

Bevor die Problembereiche und Aufgabenhorizonte, die sich in diesem Zusammenhang stellen, kursorisch umrissen werden sollen, sind noch zwei Vorbemerkungen einzuschieben. Diese erscheinen insofern notwendig, als dieser Bericht über den Aufbau einer Infra- und Kommunikationsstruktur wenig Zeit finden wird, die Relevanz der Literaturarchive für die Kultur- und Literaturwissenschaft hervorzuheben. Dies scheint aber angesichts einer strikt ausdifferenzierten Literaturwissenschaft zur Förderung intradisziplinärer Kommunikation unabdingbar zu sein. In der unübersichtlichen Disziplin der Germanistik wird es wohl zusehends notwendiger werden, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Arbeits- und Kompetenzbereichen zu prüfen und ihr Funktionieren sicherzustellen:

Erste Vorbemerkung:
Die Qualität literaturwissenschaftlicher Praxis und auch literaturtheoretischer Reflexion ist direkt abhängig von der zur Verfügung stehenden Datenbasis und dem spezifischen Bewußtsein davon. Kann eine Literaturwissenschaft vermehrt auf Handschriften und Autographen rekurrieren, werden sich auch die Schwerpunkte der Forschung und Theorie- sowie Methodenbildung entsprechend verschieben und rekonstituieren. Im Sinn einer Unterstützung einer differenzierten Rekonstruktion von Textualität, die im besonderen Maße die Kenntnis handschriftlicher Texttraditionen verlangt, wird folglich darauf zu achten sein, Autographen den relevanten Teilbereichen der Forschung und den jeweils interessierten Teilöffentlichkeiten in möglichst optimaler Form zugänglich zu machen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist dies nur mehr mit Hilfe der aktuellen Informationstechnologien zu gewährleisten.

Zweite Vorbemerkung:
Die spezifische Verfügbarmachung der Information trifft eine wichtige Vorentscheidung über die Möglichkeit literaturwissenschaftlicher Recherche und damit auch Objektkonstitution. So gibt z. B. das einer Datenbank installierte Search- & Retrieval-System eindeutig die Befragbarkeit der Daten vor. Überspitzt formuliert: Die Struktur der suchbaren Kategorien definiert die Topik der Literaturwissenschaft mit. Für den Bereich literaturarchivalischer Praxis ist hier besonders die inhaltliche Erschließung zu bedenken. Die Andeutung des Trilemmas zwischen dem berechtigten Interesse der Forschung, der Überforderung der Archive und der Notwendigkeit einer standardisierten Darstellung inhaltlicher Aspekte - etwa in Anbindung an die Schlagwortnormdatei - soll hier ausreichen, um die Wichtigkeit der gestellten Aufgaben zu unterstreichen.

Zusammenstellung der Kooperationspartner

Voraussetzung einer produktiven Projektarbeit war die Auswahl der Institutionen, die für den angestrebten Nachlaß- und Autographen-Datenpool gewonnen werden sollten. Auf der Grundlage umfangreicher, bisher geleisteter Arbeiten2) wurden die österreichischen Einrichtungen, die handschriftliches Material aus dem 19. und 20. Jahrhundert verwalten, zusammengestellt. Aus diesen derzeit über 300 verzeichneten Institutionen wurden sämtliche Literaturarchive im engeren Sinn, Literaturhäuser, Landesarchive sowie überregionale Archive und Handschriftensammlungen wissenschaftlicher Bibliotheken für eine enge Kooperation ausgewählt. Diese Projektphase verdeutlichte die große Akzeptanz des Projektziels unter den österreichischen Archiven und bestätigte damit die Vermutung, daß eine Kooperation im Bereich der Autographenverwaltung allgemein als Desiderat empfunden wird. So konnten bislang 40 Institutionen für die Zusammenarbeit gewonnen werden. Darunter befinden sich - um nur einige zu nennen - das Franz-Michael-Felder-Archiv (Bregenz), die Abteilung für Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Graz, das Franz Nabl Institut für Literaturforschung (Graz), das Forschungsinstitut Brenner-Archiv, das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (Innsbruck), das Robert-Musil-Institut für Literaturforschung (Klagenfurt), das Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich (Linz), das Literaturhaus Wien, die Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek und die Handschriften-, Autographen- und Nachlaß-Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (Wien).

Die Projekt-Integration dieser Einrichtungen, die sich in Status, Trägerschaft, Organisation, Kapazität, Bestand, Erwerbungsmöglichkeiten, Erschließungsdichte und -tiefe, Computerisierung etc. massiv unterscheiden, kann nicht anders als über eine modulare Konstruktion erfolgen. Dabei legt jeder Kooperationspartner seinen individuellen Bedarf und seine spezifischen Kooperationsinteressen sowie -möglichkeiten fest, die dann unter Wahrung der erforderlichen Standards berücksichtigt werden. Für die Projektdurchführung bleibt zentral zu beachten, sowohl Insellösungen als auch unkoordinierte Mehrfacharbeiten zu vermeiden und archivalische sowie bibliothekarische Kompetenzen auszutauschen, um diese auf einem einheitlichen Niveau permanent zu optimieren.

Erhebung des Ist-Zustands

Im Anschluß an die Zusammenstellung und grundsätzliche Information der in Kooperation tretenden Archive wurde eine Recherche an diesen Institutionen durchgeführt, in der die für das Projektvorhaben notwendigen Informationen erhoben wurden. Diese Recherche hatte neben den Eckdaten vor allem den Ist-Zustand der Archive hinsichtlich des Bestands, der Regelung der Nachlaßerschließung und einer eventuell bereits eingeleiteten EDV-gestützten Handschriftenaufnahme zu erfassen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß nach der Erhebung einige Erwartungen des ÖLA in bezug auf den Ist-Zustand der österreichischen Archive korrigiert werden mußten. Diese Berichtigungen betreffen vor allem die beiden zentralen Momente der Regelwerksorientierung und des Stands der EDV-Erschließung:

Hinsichtlich der Regelwerksorientierung konnte die Fehlannahme ausgeräumt werden, daß ein Teil der österreichischen Archive seine Bestände nach den Königschen Richtlinien3) erschließt. Vielmehr hat sich gezeigt, daß nur das Forschungsinstitut Brenner-Archiv in Innsbruck,4) an dem dieses Regelwerk entwickelt wurde, und die Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur in Wien konsequent nach König aufnehmen. Andere Archive hatten sich bloß kurzfristig an diesen Richtlinien orientiert, waren dann aber wieder zu hausinternen Festlegungen zurückgekehrt.

In bezug auf die EDV-Erschließung zeigte sich, daß der Stand der Entwicklung an den Archiven nicht so weit fortgeschritten ist, wie eingangs angenommen wurde. Neben dem Brenner-Archiv, das selbst keine Datenbank führt, aber als Teilnehmer am wissenschaftlichen Bibliothekenverbund Daten maschinenlesbar zur Eingabe in BIBOS liefert,5) können zwar die Forschungsstelle und das Dokumentationszentrum für österreichische Philosophie, das Steiermärkische Landesarchiv, die Abteilung für Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Graz, das Felder-Archiv und die Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur in Wien auf eine EDV-gestützte Aufnahme verweisen, ohne jedoch in den meisten Fällen eine zufriedenstellende Lösung gefunden zu haben. Mit Ausnahme des Brenner-Archivs, das in seiner Rolle als Verbundteilnehmer im Nachfolgeverbund neu definiert werden muß, des Felder-Archivs, das seine Erschließung in die Handschriftendatenbank Allegro-HANS6) vorerst fortführen wird, und des Steiermärkischen Landesarchivs, das eine breit angelegte Datenbanklösung auf Oracle-Basis erarbeitet hat,7) wird keines der genannten Archive mit dem derzeit eingesetzten System weiterarbeiten, da ihre Inadäquanz evident erscheint.

Dieser kursorische Situationsbericht über die österreichischen Archive läßt sowohl hinsichtlich der Regelwerksorientierung als auch der EDV-Lösungen auf große Flexibilität schließen, da keine langfristigen Bindungen und Verpflichtungen eingegangen wurden. Ferner erscheinen österreichweit beide Aspekte als bedeutende Defizite, die den Handlungsspielraum der Archive wesentlich einschränken und folglich eine rasche und effiziente Lösung verlangen.

Vereinheitlichung der Erschließungspraxis

Entsprechend der durchgeführten Erhebung bestand zu Projektbeginn österreichweit keine einheitliche Regelung der Erschließung handschriftlicher Dokumente. Neben den Königschen Vorgaben und den Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen (RNA)8) wird gemäß Richtlinien, die nach institutsinternem Eigenbedarf erstellt wurden, aufgenommen. Durchgesetzt haben sich schließlich die RNA, die das internationale Format MAB2 umsetzen.

Im Rahmen des Projekts wurden die RNA an den einzelnen Institutionen vorgestellt und die Erfordernisse eines obligatorischen Kategoriensatzes mit der bisherigen Praxis und den künftigen Möglichkeiten der jeweiligen Archive verglichen. Aufgrund der hohen Akzeptanz der Minimalaufnahme konnte mit fast allen Kooperationspartnern informell vereinbart werden, daß mit der obligatorischen Aufnahme der RNA eine verbindliche Regelung für die Handschriftenerschließung in Österreich vorliegt. Dieser unter den österreichischen Archiven erzielte Konsens für die Kriterien einer Minimalaufnahme von Archivdaten wurde in eine Empfehlung der Anwendung der RNA in Österreich durch die neugegründete VÖB-Kommission für Nachlaßbearbeitung9) umgesetzt.10)

Vorarbeiten zu einem Thesaurus der österreichischen Literaturarchive

In engem Konnex mit der Standardisierung der Erschließungspraxis stehen die Vorarbeiten zu einem Thesaurus der österreichischen Archive. Im Rahmen des Projekts wurde in Kooperation mit Univ.-Doz. Dr. Gerhard Budin (Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung der Universität Wien) eine Normierung der datenrelevanten Begriffe in Form eines Thesaurus vorbereitet, da keine einheitliche Objektterminologie des Literaturarchivbereichs vorliegt. Dabei sollen die verwendeten objektspezifischen Bezeichnungen, die relevanten literaturwissenschaftlichen Termini und die Parameter der Suchbegriffe über eine standardisierte Terminologie bzw. eine computermäßige Zusammenführung der Abweichungen vereinheitlicht werden.

Ziel sollte es sein, aufgrund vorhandener Schlagwortlisten, Thesauri und anderen begrifflichen Ordnungssystemen österreichischer Literaturarchive eine gemeinsame Indexierungs- und Suchsprache zu schaffen. Ebenso ist die Brauchbarkeit der einschlägigen Normdateien für die Archivanwendung zu prüfen. Grundprinzip ist dabei, vorhandene Strukturen nur dann zu ändern, wenn dies notwendig ist. Existierende Schlagwortlisten können systematisiert und ausgebaut bzw. miteinander kombiniert werden, ohne daß dies den laufenden Archivbetrieb zu irgendeinem Zeitpunkt der Erstellungs- und Umstellungsphasen beeinträchtigen würde. Wesentlich in diesem Prozeß ist die Abklärung der thematischen Abdeckung sowie der begrifflichen Gliederungstiefe. Dabei sind die Bedürfnisse aller beteiligten Nutzergruppen wesentliche Beurteilungskriterien.

Die Arbeit an diesem Thesaurus der österreichischen Literaturarchive mußte allerdings bei der Übernahme des Projekts in die alleinige Verantwortung der ÖNB unterbrochen werden. Es ist allerdings davon auszugehen, daß entsprechende Ergebnisse des EU-Projekts MALVINE für die österreichischen Archive genutzt werden können.

Prüfung der Möglichkeiten einer EDV-Vernetzung

Ausgehend von der Erhebung und kritischen Analyse der bestehenden literaturarchivalischen Datenbanken sind im Rahmen des Projekts die technischen Voraussetzungen für eine Vernetzung der Datenbanken zu definieren. Als Ziel ist anzustreben, daß die inhaltliche und formale Erfassung der Bestände ortsunabhängig dargestellt werden kann. Ferner sollen die erstellten Voraussetzungen auch für eine weitere Entwicklung hinsichtlich internationaler Standards, der multimedialen Wiedergabe und der Verbindung zu diversen Normdateien (GKD, PND, SWD/ÖSWD, ZDB/ÖZDB u. a.) offenstehen.11)

Mit Projektbeginn figurierten zwei alternative Vorgangsweisen als die aussichtsreichsten Kandidaten zur Lösung der anstehenden Probleme. Erstens wurde projektiert, daß die Vernetzung der lokal geführten Archivdatenbanken über die Schnittstelle Z39.50 erfolgen kann. Neben der technischen Lösung setzt dies eine österreichweite Einigung über Datenformate voraus, die mit der Festlegung auf die RNA prinzipiell bereits erreicht wäre. Integrierbar sind hier nur die Datenbanken, denen Z39.50 implementiert werden kann. Zweitens mußte es produktiv erscheinen, nicht erst eine eigene Infrastruktur für die Archive aufzubauen, sondern eine bereits bestehende zu nutzen. Da in Österreich derzeit ein neuer Bibliothekenverbund eingeführt wird,12) war zu prüfen, inwieweit die Anforderungen an den neuen Verbund die Erfordernisse der Literaturarchive vollinhaltlich berücksichtigen können.

Vernetzung

Mit Blick auf die Vernetzung der österreichischen Literarturarchive über Z39.50 wurde erhoben, daß von den eingesetzten Datenbanken nur bei der Oracle-Lösung des Steiermärkischen Landesarchivs die Schnittstelle unmittelbar implementiert werden kann. Allegro-HANS ist in seiner Entwicklung Z39.50 gegenüber prinzipiell offen, müßte allerdings zu diesem Zweck technisch aufgerüstet werden, wobei die dafür notwendigen Finanz- und Personalressourcen noch nicht eingeschätzt werden können. Nach Abschluß der Erhebung wurde geprüft, welche Datenbanksysteme für Handschriftenaufnahmen zur Verfügung stehen. Neben HANS, das speziell für die Aufnahme von literarischen Nachlässen auf der Basis der RNA entwickelt wurde, erarbeitet derzeit das Deutsche Literaturarchiv in Marbach in Kooperation mit dem Berliner Anbieter von Bibliotheks-Management-Systemen astec die auf Oracle basierte Datenbank Kallías. Kallías läuft derzeit noch im Testbetrieb und soll Anfang 1999 in den Normalbetrieb übergehen. Voraussichtlich wird auch an der Wiener Stadt- und Landesbibliothek ein Handschriftenmodul für das System BIS erstellt. Die Datenbank des Steiermärkischen Landesarchivs ist für literaturarchivalische Anliegen weniger relevant, da sie gänzlich den Erfordernissen eines Verwaltungsarchivs entspricht und in ihrer Konfiguration auf die Erschließung literarischer Bestände im weitesten Sinn keine Rücksicht nimmt.

Im Rahmen des Projekts wurden die verfügbaren Datenbanklösungen eingehend geprüft. Da das Handschriftenmodul von BIS noch nicht installiert wurde, konnte hier nur der geplante Kategoriensatz, der die MAB-Kategorien umsetzt, einbezogen werden; die Prüfung konzentrierte sich somit auf Kallías und allegro-HANS. Es konnte allerdings mit der Wiener Stadt- und Landesbibliothek vereinbart werden, daß das Handschriftenmodul nach seiner Fertigstellung ebenfalls für die Zwecke des Projekts evaluiert werden wird.

Zur Prüfung von Kallías wurde das Deutsche Literaturarchiv zu einer Präsentation des Systems im November 1997 nach Wien eingeladen, die aufgrund des großen Interesses für alle kooperierenden Institutionen offen stand. Vorgestellt wurde der zweite Prototyp des Systems, der bereits alle geplanten Funktionalitäten umfaßt, aber teilweise noch Fehler aufweist. Trotz des beeindruckenden Leistungsumfangs kommt Kallías als Datenbank für die Vernetzung vor allem insofern derzeit nicht in Betracht, als erstens noch keine voll einsatzfähige Version zur Verfügung steht, zweitens sich der Zentrale Informatikdienst der ÖNB beim gegenwärtigen Personalstand nicht in der Lage sieht, die Datenbank zu betreuen, und drittens eine mögliche Anschaffung für die ÖNB die finanziellen Möglichkeiten der Bibliothek überschreiten würde.

Allegro-HANS erweist sich somit als die einzige Handschriftendatenbank, die aktuell zu betreiben ist. Da sie vom Zentralen Informatikdienst der ÖNB betreut werden kann, äußerst preiswert zur Verfügung steht und auf der Basis der RNA-Kategorien konfiguriert ist, wurde dieses System besonders ausführlich geprüft. Zu Testeingaben ausgewählt wurden am ÖLA befindliche Testnachlässe, die in ihrer Struktur sämtliche Schwierigkeiten aufweisen, die für die Prüfung einer Datenbank geeignet sind (z. B. verschiedene Textstufen einer Werkgruppe, Korrespondenzen mit schwierig zu ermittelnden Absendern, Lebensdokumente auf verschiedenen Materialträgern, Sammlungen mit unterschiedlicher medientypologischer Relevanz). Für die Eingaben wurde ein Kategoriensatz einer RNA-konformen Erschließung in Allegro-HANS erstellt und in die Konfiguration und Parametrierung umgesetzt. Die Testphase konnte im Sommer 1998 beendet werden. Trotz kleinerer, noch zu behebender Schwächen wird HANS im ÖLA ab jetzt in den Normalbetrieb überführt. Die eingesetzte Version wird den Partnerinstitutionen zur Verfügung gestellt. Bisher konnte die Karl-Popper-Sammlung der Universitätsbibliothek Klagenfurt und das Oberösterreichische Literaturarchiv am Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich in Linz mit HANS versorgt werden. Weitere Archive werden folgen. Flankierend dazu wurde im Rahmen des Brain-Pool-Ausbildungsprogramms der ÖNB ein Kurs über die Nachlaß- und Autographenaufnahme in HANS abgehalten.

Integration in den neuen Verbund

Aus dem Kontakt mit der Arbeitsgruppe Bibliotheksautomation (AGBA) des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, die die Vorbereitungen für den neuen Verbund trifft und die Einführung des Nachfolgesystems für BIBOS koordiniert, hat sich ergeben, daß die Interessen der Nachlaß- und Autographenaufnahme berücksichtigt werden könnten und damit eine Integration der Literaturarchive in den neuen Verbund grundsätzlich möglich ist, da die wesentliche Voraussetzung einer vereinheitlichten Erschließung im Zeichen der RNA erfüllt ist. Auch in bezug auf den für die Handschriftenaufnahme erweiterten Kategoriensatz13) werden von der AGBA keine sonderlichen Probleme gesehen. Von der AGBA wurde ebenso bekräftigt, daß die Anforderungen der Literaturarchive hinsichtlich des Zugangs zu den Normdateien und der Möglichkeit einer multimedialen Darstellung im neuen Verbund erfüllt sein werden. Da das BIBOS-Nachfolgesystem mit Aleph 500 erst Ende 1997 festgelegt wurde, kann allerdings - nach Aussage der AGBA - mit einem Einstieg der Archive in den Verbund frühestens ab dem zweiten Quartal 1999 gerechnet werden. Von der AGBA wurde empfohlen, das verbundkompatible System Allegro-HANS als Übergangslösung einzusetzen, dessen Daten dann problemlos in das Verbundsystem migriert werden können.

Die beiden dargestellten Alternativen - Vernetzung lokaler Datenbanken oder Integration in den Verbund - werden in Zusammenarbeit mit den Partnerinstitutionen weiter eingehend geprüft. Neben einer genauen Kenntnisnahme der verbleibenden Handschriftendatenbanken und der technischen Spezifikation einer Vernetzung sind die Ergebnisse der Kontaktnahme mit der AGBA nun nach der Entscheidung für das neue Verbundsystem in ihren Konsequenzen zu diskutieren. Die Finalisierung der Vernetzung der österreichischen Literaturarchive innerhalb der jeweils selbstgewählten technischen Möglichkeiten sollte bis Anfang 2000 erreicht werden. Dann soll der laufende Betrieb sowohl für die Aufnahme literaturarchivalischer Daten als auch für standortunabhängige Recherchen auf dem bestmöglichen technischen Niveau gewährleistet sein.

Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Fortschritte des bereits erwähnten EU-Projekts MALVINE (Manuscripts and Letters Via Integrated Networks in Europe) zu legen. MALVINE, an dem auch die ÖNB als Fullpartner teilnimmt, soll einen neuen und verbesserten Zugang zu den verstreuten Autographenbeständen der Neuzeit, die in den europäischen Archiven, Bibliotheken, Dokumentationszentren und Museen bewahrt und katalogisiert werden, eröffnen.

* Vortrag auf dem Österreichischen Bibliothekartag, St. Pölten, 18.9.1998

1) Vgl. Andreas Brandtner: Koordination der datenunterstützten Vernetzung österreichischer Literaturarchive. Ein Projekt am Österreichischen Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖLA). In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare 50 (1997). H. 2, S. 74-76; ders.: Forschungsauftrag: Koordination der datenunterstützten Vernetzung österreichischer Literaturarchive. In: Zirkular 29 (1997), S. 7f.; Michaela Lexa: Handschriften im Datennetz. In: Der Standard (Wien) vom 19. 6. 1997, S. A2; Literaturarchive bauen bundesweites Netz auf. In: Der Standard (Wien) vom 17. 2. 1998, S. 9.

2) Vgl. Murray G[ordon] Hall und Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. 2., neu bearb und erw. Aufl. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1995 (= Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur 23); INFODOC. Bibliotheken, Informations- und Dokumentationseinrichtungen in Österreich. Hg. vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Wien: Neugebauer 1994; Gerhard Renner: Die Nachlässe in den Bibliotheken und Museen der Republik Österreich ausgenommen die Österreichische Nationalbibliothek und das Österreichische Theatermuseum. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1993 (= Verzeichnis der schriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Museen der Republik Österreich 1); Georg Schwedt: Literatur-Museen. Wohnhäuser, Sammlungen, Literatenkabinette. München: Callwey 1995 (= Das Reiselexikon).

3) Christoph König: Verwaltung und wissenschaftliche Erschließung von Nachlässen in Literaturarchiven. Österreichische Richtlinien als Modell. Hg. vom Forschungsinstitut "Brenner-Archiv" (Innsbruck). München u. a.: Saur 1988 (= Literatur und Archiv 1).

4) Vgl. z. B. Walter Methlagl: Zum Brenner-Archiv. In: Jura Soyfer 5 (1996). H. 4, S. 26f.

5) Vgl. Anton Unterkircher: Das EDV-Projekt des Innsbrucker "Brenner-Archivs". In: Deutsche Sprache und Literatur in Südosteuropa - Archivierung und Dokumentation. Beiträge der Tübinger Fachtagung vom 25.-27. Juni 1992. Hg. von Horst Fassel und Anton Schwob. München: Südostdeutsches Kulturwerk 1996 (= Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks B: Wissenschaftliche Arbeiten 66; zugl. Buchreihe des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen 5), S. 257-264; ders.: Das Innsbrucker "Brenner-Archiv". In: Literaturarchiv und Literaturforschung. Aspekte neuer Zusammenarbeit. Hg. von Christoph König und Siegfried Seifert. München u. a.: Saur 1996 (= Literatur und Archiv 8), S. 235-242, hier S. 240-242.

6) Vgl. Harald Weigel: HANS - die Datenbank der Handschriftenabteilung der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky. In: Bibliotheksdienst 26 (1992), S. 1534-1540; ders.: HANS 1995. allegro-C 14a. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky / Handschriftenabteilung 1995 (= Hanseatics 2). Zu Allegro-C vgl. Bernhard Eversberg: allegro-C. Systemhandbuch Version 15. Braunschweig: Universitätsbibliothek der TU 1996.

7) Vgl. Josef Riegler: Von der Archivdatenbank zum Informationssystem des Steiermärkischen Landesarchivs: Der benutzerorientierte Weg. In: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 46 (1996), S. 195-208.

8) Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen. RNA. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1997 (= Schriften der Deutschen Forschungsgemeinschaft).

9) Vgl. Volker Kaukoreit: Neue VÖB-Kommission für die Bearbeitung von Nachlässen gegründet. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare 50 (1997). H. 2, S. 19.

10) Volker Kaukoreit: Kommission für Nachlaßbearbeitung. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare 50 (1997). H. 3, 4, S. 18f.

11) Berücksichtigt bei der Prüfung wurden auch die Maßstäbe des - allerdings auf die Katalogisierung mittelalterlicher Handschriften gerichteten - DFG-Papiers: Ziele und Systemkomponenten für eine Handschriftendatenbank. Entwurf der Arbeitsgruppe "Handschriftendatenbank" zur Vorlage auf der Sitzung des Bibliotheksausschusses am 10./11. März. [masch.] 1995.

12) Vgl. Wolfgang Hamedinger: Der Startschuß ist gefallen! Zur Ablösung der im wissenschaftlichen Bibliothekenverbund eingesetzten Systemkomponenten. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare 50 (1997). H. 1, S. 142-150.

13) Vgl. Regeln (Anm. 8), S. 43.