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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Österreich

Mehr als eine Million BenutzerInnen *
Statistik Öffentlicher Bibliotheken in Österreich 1995
Franz Pascher

Lesen im Aufwind

Die Statistik des Büchereiverbandes für 1995 enthält ein ins Auge springendes Detail: Erstmals ist die Zahl der BenutzerInnen Öffentlicher Bibliotheken in Österreich über die Millionengrenze gestiegen! Im Vergleich mit dem Jahr 1985 bedeutet das einen Anstieg an Bibliotheksbenutzern um 28%. Im gleichen Zeitraum sind die Ausleihergebnisse um 29% auf fast 17 Millionen Entlehnungen gestiegen. Die Langzeitbetrachtung bietet das Bild einer gleichmäßigen Entwicklung und erlaubt eine Behauptung, die im Gegensatz zu den immer wieder zu hörenden und zu lesenden Katastrophenmeldungen über den Verlust der Lesefähigkeit und den Untergang des Buches steht: Lesen ist im Aufwind!

Bedeutender Beitrag zur Leseförderung

Während sich die populären Alarmmeldungen immer auf punktuelle Leseuntersuchungen berufen, ohne eine historische Perspektive mit einzubeziehen, spiegeln Bibliotheksstatistiken in solider abgesicherter Form Langzeitentwicklungen verläßlich wieder.

Wenn man dazu die Leserstruktur Öffentlicher Bibliotheken kennt und weiß, daß über 50% der BenutzerInnen unter 18 Jahren sind und aus Schülern aller Schulformen, Lehrlingen und Studenten bestehen, dann darf man ruhigen Gewissens behaupten, daß die Öffentlichen Bibliotheken in Österreich einen sehr bedeutenden Beitrag zur Leseförderung bei Kindern und zur Förderung der Ausbildung der Jugend leisten. Von den erwachsenen Benutzern werden sie immer stärker zur selbstgestalteten Weiterbildung benutzt. Das unterstreicht auch die Tatsache, daß über die Jahre hin ein deutlicher Trend zum Sachbuch festgestellt werden kann.

Neue Medien - alte Tugenden

Die Öffentlichen Bibliotheken folgen dem Wandel der Informationsgesellschaft. Neue Medien werden angeboten, aber alte Tugenden werden weiter gepflegt: Soziale Bibliotheksarbeit ist nach wie vor an der Tagesordnung, alle erfolgreichen Bibliotheken betreiben aktive Lesewerbung durch Veranstaltungen; Bestrebungen, die Bibliothek zum lokalen Informationszentrum auszubauen, sind im Gange.

Die Durchschnittsbibliothek:

1 Bibliothekar, 400 Leser, 4.200 Medien, 6.550 Entlehnungen

Also: Alles in Ordnung in der Welt der Öffentlichen Bibliotheken in Österreich? Keinewegs! Die alten Schwächen gibt es nach wie vor. Eine schlichte Division offenbart die Strukturschwächen: Die durchschnittliche Öffentliche Bibliothek hat 4.200 Medien, 400 Leser, die 6.550 Medien im Jahr entleihen (Umsatz 1,6 mal) und wird betreut von einem hauptberuflichen Mitarbeiter mit 17 Wochenstunden, der drei ehrenamtliche Helfer hat. Das heißt, die Büchereilandschaft ist zu kleinteilig, zu wenige hauptberuflich tätige Mitarbeiter stützen sich auf ein Heer von ehrenamtlichen BibliothekarInnen, ohne deren idealistischen Einsatz das Netz sehr löchrig wäre. Die Kooperation der wenigen leistungsfähigen größeren Büchereien mit hauptberuflichen MitarbeiterInnen mit den vielen kleinen Büchereien, die im lokalen Bereich wichtige Leseförderung leisten, ist nach wie vor ein Gebot der Stunde. Gleichzeitig aber werden auch die Öffentlichen Bibliotheken zunehmend mit Sparprogrammen ihrer Träger konfrontiert. Verringerte Ankaufmittel wirken sich bei Bibliotheken, die ihre Bestände ja über die Jahre kontinuierlich aufbauen, nicht sofort, aber um so gravierender aus, weil sie langfristig angelegte Anschaffungskonzepte unterbrechen. Allenthalben kommen Ratschläge zum Einführen oder Erhöhen der Benutzergebühren, obwohl deren wirtschaftlicher Erfolg fragwürdig, deren bildungspolitische Folgen aber absehbar negativ sind.

Informations- und Orientierungsaufgabe

Dabei wäre gerade jetzt ein Zeitpunkt gekommen, wo in Öffentliche Bibliotheken investiert werden müßte, damit sie ihren Informations- und Orientierungsaufgaben in einer sich rasch entwickelnden Informationsgesellschaft mit vielen neuen Chancen und noch mehr groß propagierten Sackgassen gerecht werden können. Zwar hat der Computer in der Bibliotheksverwaltung in vielen Bibliotheken Einzug gehalten, aber der Zugriff der Benutzer auf vernetzte Datenbestände und die Ressourcen des CD-ROM- und Internet-Angebots steckt noch in den Kinderschuhen. Hier müßten die Öffentlichen Bibliotheken rasch Alternativen zu rein kommerziell orientierten Angeboten machen können.

Verbesserung der Ausbildung

Dazu muß der Sachaufwand gesichert werden, aber vor allem auch in das Humankapital der Öffentlichen Bibliotheken investiert werden: Eine verbesserte Ausbildung der Mitarbeiter ist das Gebot der Stunde. Es ist die Voraussetzung dafür, daß die Öffentlichen Bibliotheken ihre traditionelle Rolle als Helfer und Wegweiser durch das sich chaotisch entwickelnde Angebot der Informationstechnologie im gesellschaftlichen Interesse wahrnehmen können.

Diese Diskussion ist offensiv zu führen: Die beachtlichen Leistungen der Öffentlichen Bibliotheken unter ungünstigen Rahmenbedingungen, die sich aus der Statistik 1995 ablesen lassen, bieten dazu die Argumentationsbasis.

Gesamtergebnisse

BibliothekenMedienEntlehnungenBenutzerMitarbeiterInnen
EhrenamtNebenberufHauptamt
2.59210.875.65816.957.3961.028.5697.5891.297794

Statistik nach Trägern

TrägerBibliothekenMedienEntlehnungenBenutzerMitarbeiterInnen
eanbhb
Kommunale1.1555.674.00911.847.741538.7681.9481.081538
Kooperative3631.419.7581.774.685151.5952.0446861
Kirchliche6692.110.6941.863.824207.5232.9918189
ÖGB-AK3541.425.8881.341.744120.8045223093
Sonstige51245.309129.4029.879843713
Gesamt2.59210.875.65816.957.3961.028.5697.5891.297794

Anteil der Büchereigruppen an den Gesamtzahlen

BüchereigruppeBüchereienMedienBenutzerEntlehnungen
Kooperative/Kirche2991.041.458112.2511.278.911
Kooperative/ÖGB37274.85630.302426.356
Krankenhausbüchereien1226.4636.46124.053
Gefängnisbüchereien28149.40116.708324.301
Schulbüchereien4531.392.088138.7081.098.168

* Dieser Artikel erschien zuerst in Büchereiperspektiven, Heft 4/96, S. 4-7 (Mitteilungen des Büchereiverbandes Österreichs). Leicht gekürzter Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.