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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Frankreich

Die Arbeit der BCPs (Bibliothèques Centrales de Prêt) in Frankreich 1)
Suzanne Rousselot

Der Titel meines Beitrags lautet zwar: "Die Arbeit der BCPs in Frankreich". Sie befinden sich aber hier in einer BDP; und wenn Sie zum Beispiel in der benachbarten Stadt Belfort zu Gast wären, dann hieße es MD oder MDP. Alle diese Abkürzungen (MDP = médiathèque départementale de prêt, MD = médiathèque départementale, BDP = bibliothèque départementale de prêt, BCP = bibliothèque centrale de prêt) betreffen dieselben Einrichtungen. Ihre traditionelle, einheitliche Benennung ist BCP (bibliothèque centrale de prêt), was "Zentrale Leihbücherei" bedeutet. Doch seit dem Gesetz vom 13. Juli 1992 ist die Benennung nicht mehr gültig und durch den Namen BDP (bibliothèque départementale de prêt), was "Leihbücherei des Départements" bedeutet, zu ersetzen. Diese neue Benennung spiegelt die Trägerschaftsänderung, die seit 1986 eingetreten ist, wider, die später erläutert wird. Um also mit der Aktualität übereinzustimmen, werde ich den Begriff BDP verwenden.

Bevor ich die gegenwärtige Arbeit der BDPs vorstellen kann, wird es notwendig sein, einen kurzen Überblick über ihre Entstehung und Geschichte zu geben. Ich werde also zuerst zeigen, inwiefern die Existenz der BDPs durch die französischen Verhältnisse bedingt ist, und dann über die Trägerschaftsänderungen und ihre Folgen berichten. Ich gehe dann zum wesentlichen Thema des Referats, den Tätigkeiten der BDPs über, bevor ich in den Schlußfolgerungen auf einige Probleme aufmerksam machen werde.

1. Die BDP - eine Einrichtung, die den französischen Verhältnissen entspricht

Die Einrichtung der BDPs entspricht der ländlichen Tradition Frankreichs. Es gibt im Lande 36.658 Gemeinden, angeblich so viele wie in der ganzen übrigen EG. Von diesen 36.658 Gemeinden haben 35.774 weniger als 10.000 Einwohner und 32.000 weniger als 2.000 Einwohner.

Obwohl diese Gemeinden alle dieselben kulturellen Aufgaben haben und es im Prinzip 36.658 Bibliotheken geben könnte, ist es natürlich unmöglich für den Haushalt winziger Kommunen, die weniger als 500 Einwohner haben, eine Bibliothek zu unterhalten.

Um diese Ungleichheit zwischen den Gemeinden aufzuheben, wurden 1945 die BDPs gegründet, deren Auftrag es war, alle Kommunen von weniger als 15.000 Einwohnern auf der Ebene eines Départements mit Büchern zu versorgen.

Doch erst 1982 verfügte jedes Departement über eine BDP. Außer in Paris gibt es heute 96 BDPs in Frankreich, eine in jedem Département und in den Überseegebieten Guadeloupe, Martinique, Réunion und Guyana.

2. Die Träger

Die BDPs wurden durch die Regierungsverordnung vom 2. November 1945 als Außenstellen des Erziehungsministeriums gegründet. Sie wurden später dem Kulturministerium zugewiesen.

Diese zentrale staatliche Trägerschaft der BDPs endete mit der Verabschiedung der Dezentralisationsgesetze, die diese Einrichtungen ab 1986 den "Conseils Généraux" (Generalräten) der Départements übergaben. Ziel dieser Veränderung der Trägerschaft war es, die regionalen Politiker selbst über die Bibliothekseinrichtungen ihres Bezirks entscheiden zu lassen.

Trotz der zentralen staatlichen Trägerschaft bestanden schon am Tag der Übertragung wesentliche Unterschiede zwischen den BDPS, sowohl bei den Mitteln als auch bei ihren Tätigkeiten. Diese Verschiedenheit hat sich nach der Dezentralisation verschärft, da sich manche Départements für ihre BDP eingesetzt haben und andere kaum dafür Interesse zeigten.

2.1 Die Politik des Staates bis 1986

Sie äußerte sich in drei aufeinanderfolgenden Formen, die sich aber nicht ersetzten, und die zum Teil heute noch gültig sind.

2.2 Die Dezentralisation

Als 1985 die Dezentralisation eintrat, war die Lage der BDPs in den Départements sehr unterschiedlich. Die BDPs, die am Experiment der direkten Ausleihe teilgenommen hatten, waren mit Personal und Bücherbussen ziemlich gut ausgestattet. Andere begnügten sich immer noch mit einem oder zwei Bücherbussen und einer Mannschaft von 5 bis 10 Personen. Dieser Umstand bedingte auch die Tätigkeiten. Während einige BDPs schon ein dichtes Netz an Kommunalbibliotheken gegründet hatten und daneben direkte Ausleihe und gleichzeitig die alte Form der Blockausleihe weiterführten, kannten andere nur die letztere Tätigkeit.

Die Übertragung der BDPs an die Conseils Généraux (Generalräte) war für die meisten die Gelegenheit, Pläne für eine durchdachte Lesepolitik auf der Ebene der Départements vorzulegen. Besonders einige der 17 BDPs, die erst 1982 gegründet wurden, nutzten die Chance, aufgrund der Experimente der älteren BDPs sofort einen stimmigen Bibliotheksplan für das Departement vorlegen zu können. Die berühmtesten dieser BDPs sind die der Saône-et-Loire, die die Bibliothekspolitik auf die Zusammenarbeit mit den Kommunen stützt und die der Ardèche, die als bedeutendste kulturelle Einrichtung im Département fungiert.

3. Die Arbeit der BDPs 1992

Aufgrund der geschichtlich bedingten und regionalpolitischen Unterschiede, die erwähnt wurden, gibt es kein einheitliches Bild der Dienstleistungen der BDPs. Alle Tätigkeiten, die nun vorgestellt werden, werden nicht in allen BDPs ausgeführt, jedoch die meisten davon.

3.1 Bücherausleihe

Die Bücherausleihe bleibt die Grundtätigkeit aller BDPs, obwohl einige daran denken, diese bibliothekarische Tätigkeit in einigen Jahren aufzugeben.

Nur 8 BDPs haben die direkte Ausleihe an alle Altersgruppen, aber außerhalb der Schulen, als Schwerpunkt ihrer Dienstleistung behalten, 36 leihen überhaupt nicht mehr direkt aus, 61 nur wenig und hauptsächlich in den kleineren Kommunen, die weniger als 500 Einwohner haben. Die Ausleihe geschieht also hauptsächlich durch Blockausleihe an kleine Bibliotheken, die von ehrenamtlichen Kräften betreut werden. Für 1991 ergibt eine Untersuchung in 61 BDPs, daß 81,64 % der Verantwortlichen der Kommunalbibliotheken ehrenamtlich arbeiten.

Ob direkte Ausleihe oder Blockausleihe, sie erfolgt meistens durch Bücherbusse und in geringem Maß in einigen Zweigstellen, die dem örtlichen Publikum zugängig sind. 1992 gab es insgesamt 340 Bücherbusse bei den BDPs.

3.2 Neue Medien

Dazu muß man 38 Fahrzeuge rechnen, die entweder neue Medien oder neue Dienstleistungen anbieten. Es gibt 25 Musikbusse, 3 Videobusse, 3 Mediabusse, 1 Kunstbus (artobus) in der Ardèche, 1 Muséobus und sogar einen Babybus im Département Seine-et-Marne.

Im Babybus werden allerdings keine Babies entliehen, sondern Medien über Erziehung und Psychologie sowie Bilderbücher für die Kleinsten!

Die Ausleihe war bis in die Achtziger Jahre die Haupttätigkeit der BDPs. Die Entwicklung hin zu Bibliotheksgründungen in kleinen Gemeinden hatte eine Veränderung der Tätigkeiten der BDPs zur Folge.

Sie bieten:

3.3 Beratung und Einrichtung kleiner Bibliotheken

Die BDPs können die Entscheidungsträger der Kommunen in dem Bereich der Bibliotheksgründung oder -erweiterung beraten. Es besteht aber keine Verpflichtung der Gemeinden, sich an die BDP zu wenden.

Die BDP informiert über mögliche Hilfe des Staats oder des Conseil Général.

3.4 Technische Beratung für kleine Bibliotheken

Die BDPs bieten technische Beratung für kleine Bibliotheken an. Die Bibliothekare der BDP stehen den Kollegen und Ehrenamtlichen zur Verfügung, um ihnen bei bibliothekarischen Tätigkeiten behilflich zu sein. Probleme der Katalogisierung, der Systematisierung, der EDV, aber auch der Verwaltung können zum Beispiel mit Hilfe der BDP gelöst werden.

Die BDPs sind auch:

3.5 Ausbildungs- und Fortbildungsstätten

Sie bieten eine Mindestausbildung für Ehren- und Nebenamtliche an, die meistens von den Bibliothekaren der BDP übernommen wird. Fortbildungsseminare, die auch für Diplom-Bibliothekare der kleineren Gemeinden geplant sind, bieten fachspezifische Themen an, wie EDV, Kenntnisse der Verlagsproduktion, Veranstaltungs- und Öffentlichkeitsarbeit usw. Dafür werden in einigen BDPs Spezialisten engagiert.

3.6 Veranstaltungen

Die BDPs fungieren als Koordinationsstelle für Veranstaltungen in kleinen Bibliotheken und auch in Gemeinden, die über keine Bibliothek verfügen. Sie organisieren Lesereisen für Autoren und auch Reisen von Märchenerzählern, die in Frankreich sehr beliebt sind. Sie können Konferenzen und verschiedene Vorstellungen (Konzerte, Theater, Zauberer) anbieten. Sie helfen bei der Gestaltung von größeren kulturellen Veranstaltungen, wie Büchermessen oder Leserallyes, die die Zusammenarbeit mehrerer Bibliotheken oder Gemeinden fordern.

Die meisten BDPs bieten außerdem Wanderausstellungen an, die sie selbst realisieren oder kaufen und dann den Kommunen zur Verfügung stellen.

3.7 Werbung

Die BDPs sind nicht nur dienstleistende Institutionen für die Gemeinden, sie repräsentieren auch für die Conseils Généraux zentral das öffentliche Bibliothekswesen. Die Werbung der BDP ist zugleich die Werbung für die Entscheidungsträger. Darum wird diese Tätigkeit seit 1986 größer geschrieben als zuvor.

Zahlreiche BDPs geben aufwendige Broschüren zur Selbstdarstellung heraus, sie veröffentlichen eine Bibliothekszeitschrift und natürlich traditionelle Publikationen wie Bibliographien, Ausstellungskataloge und Bibliotheksführer. Außerdem lassen sie Werbematerialien herstellen:

Bleistifte, Modellbücherbusse, Büchertaschen usw., auf denen das Signet des Départements erscheint. Die BDPs, die über eine kleine Druckerei verfügen, erstellen Werbematerial für die kleinen Bibliotheken des Départements.

Zusammenfassend könnte man sagen, daß die BDPs heutzutage Wanderbibliotheken sind, die in ihren Bussen ein Angebot an Medien bieten, das sich demjenigen einer kleinen Bibliothek mit festem Standort angleicht. Sie fungieren außerdem als Ergänzungsbibliotheken für kleine Büchereien und als Fachstellen, die diesen Büchereien bibliothekarische Hilfe, Fortbildung und Rat bieten. Sie sind auch die technische Stelle für das Bibliothekswesen eines Départements, die den Entscheidungsträgern Vorschläge für eine rationelle Bibliothekspolitik vorlegen.

4. Schlußfolgerung

Die Probleme, die die BDPs vorfinden, sind rechtlicher und organisatorischer Art.

Im allgemeinen kann man trotzdem sagen, daß die BDPs gute Chancen haben, wirkliche Zentralen eines Bibliotheksnetzes auf der Ebene eines Départements zu werden, und daß die Dezentralisation zumindest dort, wo sich die Conseils Généraux für ihre BDP interessieren, gute Möglichkeiten bietet, neue Wege zu gehen und Experimente zu wagen.

Bibliographie:

Bertrand Callenge: Les Bibliothèques Centrales de Prêt. 10 années de mutation. In: BBF, T. 37, Nr. 4, 1992.

Dominique Guillaumont: Congrès franco-écossais. Intervention du 6 juin 1992 à Edimbourg.

Association des directeurs de bibliothèques Zentrales de prêt: Bibliothèques Centrales de Prêt. L'évaluation du service rendu. Octobre 1991.

Ministère de la Culture et de la Communication: Objectif lecture. 1989.

Bibliothèques Centrales de Prêt. In: BBF, T. 30., Nr. 3 - 4, 1985.

1) Suzanne Rousselot ist Bibliothekarin an der BDP du Haut-Rhin in Colmar. Sie hielt diesen Vortrag in deutscher Sprache am 24.9.92 anläßlich einer Frankreichexkursion im Rahmen der 40. Fachkonferenz der Staatlichen Büchereistellen.