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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Frankreich

Als deutsche Bibliothekarin in einer französischen ÖB
Petra Alzuyeta

Erfahrungen eines Arbeitsaufenthaltes

Im Rahmen des deutsch-französischen Austauschprogrammes für Bibliothekare, organisiert von der Bibliothekarischen Auslandsstelle beim Deutschen Bibliotheksinstitut, Berlin, weilte die Autorin 4 Wochen im Juni 1994 im Département "Maine et Loire" und vor allem in der Bibliothèque Municipale d'Angers. Ihr Erfahrungsbericht (Teil 2 folgt im nächsten Heft) soll einen Einblick in das französische öffentliche Bibliothekswesen geben und andere Bibliothekare/-innen ermutigen, sich jenseits der Grenzen (auch der des deutschen Bibliotheksalltags) umzuschauen.

Französische Öffentliche Bibliotheken in den letzten 20 Jahren

Seit den 70er Jahren wurden auf kommunaler Ebene und von der französischen Regierung aus enorme Anstrengungen unternommen, um das Öffentliche Bibliothekswesen zu verbessern: die Gesamtfläche der Bibliotheken wurde verdoppelt, bauliche Maßnahmen und der Ausbau der Stadtteilbibliotheken sowie der Kinder- und Jugendbibliotheken unterstützt. Weiterhin wurden die systematische Aufstellung als Freihandbestand und eine verstärkte Veranstaltungstätigkeit gefördert. 46 neue Bibliotheken wurden auf Départementalebene geschaffen.

Zu Beginn der 80er Jahre erlebte Frankreich einen explosiven Zuwachs an Öffentlichen Bibliotheken. Es gab eine weitere Vergrößerung des Buchbestandes und der Grundfläche, einen verstärkten Einsatz von qualifiziertem Personal, den Ausbau audiovisueller Medien und den Einsatz der EDV. Seit 1982 wurde der Etat, den die Regierung beisteuerte, verdreifacht. Ferner sorgte die Dezentralisierung für eine starke Veränderung der Bibliothekslandschaft. Es wird zwischen drei verschiedenen Öffentlichen Bibliothekstypen unterschieden:

  1. Stadtbibliotheken
  2. Zentrale bzw. Départementale Ausleihbibliotheken
  3. Bibliotheken für einen bestimmten Benutzerkreis (an Schulen, in Firmen, Krankenhäusern, Gefängnissen usw.).
Die Aufgabe der "Direction du livre et de la lecture" auf nationaler Ebene besteht insbesondere darin, die Entwicklung der Öffentlichen Bibliotheken und des Lesens zu fördern.

Frankreich hat im Unterschied zu Deutschland u. a. Ländern der EU eine Vielzahl von Kommunen (36.551 Communes). Davon haben nur 882 mehr als 10.000 Einwohner. Diese kleinen Kommunen können schwerlich alleine eine Bibliothek finanzieren. Einen entscheidenden Anteil übernimmt die jeweilige Ausleihbibliothek des Départements (Bibliothèques Départementales de Prêt). Heute gibt es in jedem der 96 Départements eine davon. Bis 1982 wurden die letzten 17 Bibliothèques Départementales de Prêt (BDP) gebaut.

Das Beispiel Angers

Angers ist die Hauptstadt des Départements "Maine et Loire". Die traditionsreiche Hauptstadt der alten Provinz Anjou hat einen reichen Besitz an Kunstwerken und architektonisch wertvollen Bauten. Seit dem Mittelalter ist Angers Bischofsstadt, war Jahrhunderte Universitätsstadt und hat heute sogar zwei Universitäten, die traditionelle katholische seit 1875 und eine staatliche seit 1971.

Dank einer jungen Bevölkerung (40 % der 146.000 Einwohner sind unter 25 Jahren) ist Angers eine Stadt voller Leben und Aktivitäten.

Schon seit langem hat Angers den Ruf, ein sehr kreatives kulturelles Zentrum zu sein. La Maison de la Culture und das Nouveau Théâtre d'Angers veranstalten jährlich ein umfangreiches kulturelles Programm, ebenso wie das Théâtre Musical d'Angers und das Centre National de Danse Contemperaine. Die Stadtbibliothek und auch die Museen bieten zahlreiche Veranstaltungen an. Alle arbeiten Hand in Hand, unterstützen und ergänzen sich in ihrer Veranstaltungsarbeit.

Die Bibliothèque Municipale d'Angers in Zahlen

Das Bibliotheksnetz:
Hauptbibliothek:
Toussaint (Médiathèque)
6.400 qm
1978
9 Stadtteilbibliotheken: Jean Vilar
Saint Nicolas
Imbach
Justices
Monplaisir
Lac de Maine
Lafayette
Verneau
Belle Beille
1.150 qm
150 qm
246 qm
60 qm
100 qm
85 qm
100 qm
70 qm
400 qm
1981
1983
1986
1982
1987
1985
1990
1990
1994

Personal: Insgesamt 81 Arbeitskräfte, davon:
4 Conservateurs (Etat)
1 Bibliothekar
18 Bibliotheksassistenten
21 Technische Angestellte
7 Verwaltungsangestellte und Hilfen der Technischen Angestellten
18 Ordnungshilfen (wie z. B. Magaziner)
1 Zivildienstler
9 ABM-Stellen
2 von der Bibliothéque Nationale gestellte Kräfte für das Dépot Legal
Bestand insgesamt: 425.000 ME
Zeitschriften: 625 Abonnements
Freihandbestand:
Hauptbibliothek Toussaint: 152.550 ME (105.500 Bücher, 24.700 Kinder- und Jugendbücher, 22.350 CDs, Kassetten, Platten)
Stadtteilbibliotheken: 119.100 ME (61.300 Bücher, 57.800 Kinder- und Jugendbücher)
Magazinbestand: gesamt: 174.000 ME
(bereits elektronisch erfaßt 49.000 ME, Altbestand 60.000 ME, verschiedene, nicht katalogisierte Bestände, darunter Pflichtexemplare 65.000 ME)
Nicht ausleihbar: 2.200 Manuskripte (558 mittelalterliche, 115 Inkunabeln)
EDV:
Seit 1990 für Hauptbibliothek und Stadtteilbibliotheken Datenbanksystem DYNIX. Hardware DPS6 Bull/Ultimate, 89 Terminals (davon 33 für die Benutzer: 21 in "Toussaint", 12 in den Stadtteilbibliotheken; 30 für die Ausleihe und Auskunft, 21 interne Arbeitsterminals). Ferner 5 Minitel-Verbindungen, über die der Katalog der Bibliotheken abgerufen werden kann.

1. Hauptbibliothek "Médiathèque Toussaint"

1.1 Geschichtliches

Am 30. März 1798 wurde die "Bibliothèque Nationale" d'Angers feierlich eingeweiht. 1803 wurde aus ihr eine Stadtbibliothek.

1978 fand auf dem Gelände der ehemaligen Abtei Toussaint die Einweihung eines Neubaus, der heutigen Médiathèque, statt. Bis 1977 hatte die Bibliothek keine wesentliche Entwicklung in Richtung öffentliche Freihandbibliothek erfahren. Deshalb war die Eröffnung der Bibliothek im Jahre 1978 eine kleine Revolution: statt die Bewahrung von Büchern zu pflegen und nur einer begrenzten Anzahl von vorrangig gebildeten Lesern Zutritt zu gewähren, hatte nun eine große Öffentlichkeit Zugang zur Bibliothek. Dies entsprach sowohl den Plänen der Stadt als auch den Richtlinien des Ministeriums in den 70er Jahren.

1.2 Allgemeines

Der Bibliotheksneubau besteht hauptsächlich aus Glas und gibt der Bibliothek eine große Transparenz. In ihren Glasfronten spiegeln sich die Kirche der alten Abtei Toussaint und die Bäume der Parkanlage. Der Bibliotheksneubau schmiegt sich an ein altes Gebäude der Abtei, das renoviert wurde und zur Bibliothek gehört, an. Dem Architekten Philippe Mornet ist mit seinem "Cube de verre" eine harmonische Verbindung zwischen Antike und Moderne gelungen.

Die Bibliothek hat 6.400 qm, davon stehen ca. 3.000 qm den Benutzern zur Verfügung. Die Verbindung zum Altbau, mit einer wunderschönen Treppe aus dem 17. Jahrhundert, geht über zwei Stockwerke.

Hier im Altbau dienen die schönen Räume mit Fachwerkdecken vor allem den mannigfaltigen Veranstaltungen und Ausstellungen. Nachteilig, insbesondere für Benutzer mit einer Behinderung, wirkt sich das Fehlen eines Fahrstuhles aus. Auch der Neubau ist nur mit einem einzigen Fahrstuhl, der sich jedoch im für den Benutzer nicht zugänglichen Bereich der Bibliothek befindet, ausgestattet. Großer Wert wurde auf eine Freihandaufstellung gelegt. Daß es dennoch zwei große Magazine in den beiden Untergeschossen gibt, erklärt sich daher, daß die Bibliothek über einen großen Altbestand verfügt (60.000 ME), der nach Beschlagnahmung während der Französischen Revolution der Stadtbibliothek übereignet wurde.

In den Magazinen sind außerdem die 65.000 Pflichtexemplare (Dépot legal) der Druckereien von Maine et Loire, die Bestände für die Stadtteilbibliotheken (Fond du Quartier) und die Bücher für Gruppenentleihungen (Prêt aux Collectives) untergebracht.

Die Ausleihräume der Erwachsenenbibliothek gehen über zwei Ebenen. Im 2. Stock befinden sich die Kinder- und Jugendbibliothek, die durch den gleichen Eingang wie die Erwachsenenbibliothek zu erreichen ist, sowie die Arbeitsräume für das Verwaltungs- und Bibliothekspersonal.

Der Eingangsbereich der Bibliothek wurde 1990 mit Einführung der EDV völlig umgestaltet. So wurde die Lesezone (Zeitungen und Zeitschriften) von dort in den hinteren Bereich des Erdgeschosses verlegt. Im Eingangsbereich befinden sich nach dem Umbau die Auskunft sowie die Anmeldung. Bis zu drei Terminals können, je nach Andrang, besetzt werden. Daneben ist die Buchabgabe und Verbuchung (insgesamt 4 Terminals). Der Ein- oder Ausgang ist nur durch eine der drei Buchsicherungsanlagen möglich. Die abgegebenen Bücher werden auf Bücherwagen, grob vorsortiert, zu den entsprechenden Sachgruppen gebracht, so daß sie sofort wieder ausleihbar sind. Vorbestellungen gibt es nicht.

Das Erdgeschoß hat zwei Ebenen. Auf der tieferen sind die allgemeinen Nachschlagewerke sowie ein Großteil der Sachgruppen und ein sehr großer Bestand an Comics untergebracht. Auf der höheren Ebene befinden sich Romane sowie Bücher zur Literaturgeschichte. Sieben OPACs stehen dem Benutzer zur Verfügung, zwei dem Personal an der Auskunft und Information. Auf dieser Ebene sind auch die Zeitungen und Zeitschriften, die Lesebereiche sowie die Kopiergeräte.

Ebenfalls von dort aus erreicht man das erste Stockwerk. Wie eine große Galerie angelegt, hat man einen Einblick in die tiefere Ebene des Erdgeschosses und, wie von überall in der Bibliothek, einen großartigen Ausblick auf die Parkanlage und die historischen Bauten des Abteigeländes Toussaint. Einige Sachgruppen und der Studienlesesaal befinden sich hier. Dem Benutzer stehen auf dieser Etage fünf OPACs zur Verfügung. Im Studienlesesaal, in dem das Centre de Dokumentation (CDoc) über das Buch- und Bibliothekswesen und die Mikrofilmlesegeräte untergebracht sind, können sich die Benutzer u. a. nicht ausleihbare Werke aus dem Magazin-Altbestand kommen lassen und damit arbeiten. Im Studienlesesaal und im Ausleihbereich des 2. Stocks gibt es je einen Auskunftsplatz mit Terminal.

1.3 Buchbestand

Im Romanbereich wird bei der Aufstellung nach dem Alphabet der Autoren zusätzlich nach Neuerscheinungen und einem sehr gut ausgebauten Bestand an Großdruckbüchern unterschieden. Die Sachgruppen sind nach der Deweyschen Dezimalklassifikation aufgestellt. Ein Teil der nicht ausleihbaren Bestände: Nachschlagewerke, Handbücher u. ä. sind innerhalb der jeweiligen Sachgruppen untergebracht und durch einen dicken blauen Streifen auf dem Buchrücken gekennzeichnet.

Auch im Sondersammelgebiet "Anjou" gibt es neben jedem ausleihbaren Buch bzw. jeder Zeitschrift je ein Präsenzexemplar. Die Abteilung Anjou enthält alle Literatur, die zur Region erschienen ist.

Ein weiteres Sondersammelgebiet ist der "Point Europe" mit Büchern, Zeitschriften und Dokumenten über die Europäische Union.

1.4 Öffnungszeiten

Die Bibliothek Toussaint ist im Erwachsenenbereich von Dienstag bis Donnerstag jeweils von 9.30 bis 18.30, am Freitag von 13.00 bis 18.30 und am Samstag von 9.30 bis 17.30 Uhr geöffnet. Diese Öffnungszeiten werden dem Benutzerandrang nicht gerecht. Insbesondere die Schließungszeiten am Montag und Freitagvormittag lassen viele Benutzer vergeblich an die Eingangstür der Bibliothek klopfen.

1.5 Benutzungsbedingungen

Der Benutzerausweis ist im gesamten Bibliothekssystem der Stadtbibliothek von Angers gültig. Er wird mit 30 Franc (ca. 9 DM) pro Jahr für die Bewohner von Angers, mit 60 F pro Jahr für die übrigen Benutzer berechnet. Für Kinder und Jugendliche ist die Ausstellung und Verlängerung des Benutzerausweises gratis. Eine Zusatzgebühr wird für CDs, Platten und Kassetten erhoben: jeweils 10 Ausleihen für 40 F bzw. 20 F (12 bzw. 6 DM). Mahngebühren werden nicht erhoben. Leser, die von den maximal 10 ausleihbaren Medien auch nur eines nicht fristgerecht abgegeben haben, werden bis zur Rückgabe gesperrt. Verlängert werden darf nur einmal um zwei Wochen. Die Ausleihfrist beträgt mit Ausnahme der Neuerscheinungen und der CDs, die 14 Tage entliehen werden, drei Wochen. Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren dürfen sechs Bücher und eine Zeitschrift auch aus dem Erwachsenensektor entleihen. 1993 wurden 492.208 ME entliehen, davon 140.730 ME von Kindern. Die Zahl der eingeschriebenen Benutzer lag bei 13.176 Erwachsenen und 3.557 Kindern.

1.6 EDV-System

Der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung wurde 1990 realisiert. Die Bibliothek war nur während der 4monatigen Umbauarbeiten geschlossen. 40 zusätzliche Arbeitskräfte waren sechs Monate für die retrospektive Erfassung eingestellt.

Angers war die erste Bibliothek in Frankreich, die das amerikanische Datenbanksystem DYNIX übernahm. Verwendet wurden soweit wie möglich die Daten der Bibliothèque Nationale. Die Stadtteilbibliotheken mußten im Schnitt nur zwei Wochen geschlossen werden, da für 90 % der Bestände die Daten bereits in der Hauptbibliothek vorlagen. Der Restbestand wurde im Prinzip in der Zentrale erfaßt.

Heute gibt es zwei Systembetreuer, die auch mit der Firma Ultimate, die DYNIX in Frankreich vertreibt, in Verbindung stehen.

Das gesamte Bestellwesen (vom Anschaffungsvorschlag über die Bestellung bis zur Rechnung), die Katalogisierung, die Ausleihe, die Recherchen und die Statistiken werden über die EDV bearbeitet.

Bei der Bildschirmsuche findet der Benutzer über den OPAC die Bestände des gesamten öffentlichen Bibliotheksnetzes von Angers. Er erhält Auskunft darüber, wo das Buch und wie oft es im Bestand ist, ferner den Standort und ob es im Regal steht bzw. ausgeliehen ist. Es gibt sechs verschiedene Suchmöglichkeiten, um das gewünschte Buch zu finden (von der Titel- bis zur Stichwortrecherche). Über den Bildschirm kann der Leser auch Auskunft über den Stand seines Ausleihkontos erhalten. Schließlich sind aktuelle Informationen der Bibliothek, z. B. zu Veranstaltungen, über den Bildschirm abrufbar.

1.7 Bucherwerb

Das Stadtbibliotheks-System von Angers arbeitet beim Bucherwerb fast ausschließlich mit Ansichtsbüchern. Romane werden etwa alle zwei, Sachbücher alle drei Wochen von der Buchhandlung Contact, die einen Bibliotheksrabatt von 20 % gewährt, geliefert. Die Bücher bleiben ca. 10-14 Tage in der Hauptbibliothek. Sie werden im PC in verschiedenen Vorschlagslisten erfaßt. Die Stadtteilbibliothekare, die zweimal pro Woche in der Hauptbibliothek sind, können dann dort die Bücher durchsehen und ggf. bestellen, indem sie sich an die Vorschlagslisten anhängen.

Über Standing Order laufen Bestseller, Großdruckbücher und Comic-Serien. Zwei französische Verlage haben sich auf Großdruckbücher spezialisiert und bringen sehr schnell Neuerscheinungen und Bestseller in Großdruck heraus. Sie gewähren der Bibliothek 25 % Rabatt.

In den Sommermonaten Juli und August gibt es keine Ansichtslieferungen. Die Einarbeitungszeit wird mit 4-6 Wochen angegeben.

2. Die Jugendbibliothek

"Wenn Deine Eltern es erlauben, kannst Du Dich vom 4. Monat an bei uns umsonst einschreiben". So wirbt die Jugendbibliothek die Jüngsten der Jüngsten. Sie kommen spätestens ab zwei Jahren mit ihren Eltern oder den Kindergartengruppen. Ganz besonders an den Tagen, an denen im Märchensaal eine Geschichte erzählt wird. Denn 3mal pro Woche ist Märchenstunde. Mit dem Benutzerausweis können die Kinder bis zu 10 Medien ausleihen. Die Öffnungszeiten sind dem französischen Schulsystem angepaßt, so daß am Mittwoch und Samstag, wo keine Schule ist, die langen Ausleihtage sind. Es wurden 1993 rund 400 Klassenführungen gemacht und 80 Kindergartengruppen betreut.

Die Jugendbibliothek verwaltet auch den Jugendbuchbestand für die Gruppenausleihe (s. 5.). Insgesamt hat sie einen Bestand von 45.643 ME (1993), davon in der Freihand 24.716 ME, der Rest ist im Magazin, wo auch die Bücher (5.276 ME) für die Gruppenausleihen untergebracht sind. Die gesamte Veranstaltungs- und Öffentlichkeitsarbeit für die Jugendabteilungen, auch der Stadtteilbibliotheken, wird in der Jugendbibliothek Toussaint geplant.

Hier finden auch die wöchentlichen Jugendbuchsitzungen statt. Bestellt wird fast ausschließlich auf der Basis von Ansichtslieferungen, die die Jugendbuchhandlung La Luciole einmal pro Woche liefert und nach 3-4 Wochen wieder abgeholt, was nicht gekauft wurde. Nachlieferungen erfolgen in der Regel zügig. Die Buchhandlung gewährt einen Bibliotheksrabatt von 20 %. Die Zusammenarbeit ist aus Sicht der Jugendbibliothekare ausgezeichnet.

3. Discothèque

Die Discothèque ist im Erdgeschoß des restaurierten Traktes der Abtei Toussaint untergebracht und sowohl vom Altbau als auch über den Neubau zu erreichen. Sie hat eine eigene EDV-Verbuchung, die Medien können also nur hier ausgeliehen und abgegeben werden. Sie sind jedoch im OPAC erfaßt.

Die Discothèque hat kürzere Öffnungszeiten als die Hauptbibliothek. 1993 hatte sie einen Gesamtbestand von 22.364 Audiomedien. Ausgeliehen werden dürfen drei Platten oder Kassetten und ein Sprachkurs für die Dauer von drei, drei CDs für zwei Wochen. Die Schallplatten werden nach und nach magaziniert, um Raum für neugekaufte CDs, ca. 1.600 pro Jahr, zu schaffen.

4. Lire autrement

"Anders lesen", die Aufforderung richtet sich an diejenigen, die sehbehindert oder blind sind. Zur Ausleihe von bis zu 6 Wochen werden Großdruckbücher, Literatur auf Kassetten, Sprachkurse auf CD oder Kassetten sowie verschiedene Literatur in der Blindenschrift Braille angeboten.

Es gibt für Sehbehinderte einen eigenen Leseraum, in dem über einen Bildschirm jeglicher Text vergrößert bzw. durch eine synthetische Stimme gelesen werden kann. Das gleiche gilt für den OPAC, auch dieser kann vergrößert bzw. vorgelesen werden.

Während meines Aufenthaltes fand eine Veranstaltung statt, auf der ein Blinder ein Computersystem vorführte, das die Bibliothek für Blinde zu kaufen gedenkt. Das System Sonolect Apollo 2, Arkenstone Open Book, ist von einer englischen Firma entwickelt worden. Der Blinde kann ein Buch, egal in welcher Richtung, auf einen Scanner legen. Die abgebildete Seite erscheint auf dem Bildschirm und kann von einer synthetischen Stimme gelesen, aber auch in Großdruck oder Normaldruck bzw. sogar in Braille über einen Spezialdrucker ausgedruckt werden. Bei dem Einsatz dieses Computers wird die Stadtbibliothek mit einer finanziellen Unterstützung der Stadtverwaltung rechnen können.

5. Prêt aux Collectives (PAC)

Eine weitere Besonderheit der Bibliothek ist ein Gruppenausleihservice. Dabei kann es sich um Firmen, Gesellschaften, um eine Stadtteileinrichtung, um Schulgruppen, Seniorenheime u. ä. handeln. Ausgeliehen werden können pro Gruppe jeweils 200 Bücher über einen Zeitraum von 6 Monaten. Für die Jugendgruppen ist die Ausleihe kostenlos, Erwachsene (außer Firmen) bezahlen 300 F (90 DM) pro Jahr. Ebensoviel, zuzüglich 3 F pro Arbeitnehmer, der an einer Firmenausleihe beteiligt ist, muß die Firma bezahlen. Voraussetzung für die Teilnahme an der Gruppenausleihe sind das Vorhandensein eines Raumes oder einer "Leseecke" und regelmäßige Ausleihzeiten.

Die Betreuung und Ausleihe der Bestände an die einzelnen Gruppenmitglieder muß von einer hierfür verantwortlichen Person übernommen werden, die auch den Kontakt zum PAC hat. So ist die Ausleihbibliothek an Gruppen eine Art Zweigbibliothek im Magazin der Stadtbibliothek. Hierfür werden verstärkt Romane und Comics gekauft. Die Bücher müssen noch mit Buchkarten versehen werden, damit sie an die einzelnen Gruppenmitglieder entliehen werden können.

Die Gruppen können sehr unterschiedlich sein: Ein kleiner Waschsalon in dem Stadtteil Belle Beille leiht sich regelmäßig vor allem Zeitschriften und Comics aus. Daneben gibt es Firmen, die die eigene Bibliothek mit Leihgaben der Stadtbibliothek aufstocken und ihren Angestellten anbieten.

6. Fond des Quartiers (QUA)

In einem der Magazine der Hauptbibliothek ist ein besonderer Ergänzungs-Buchbestand für die Stadtteilbibliotheken untergebracht. Der Vorteil besteht darin, daß alle 9 Stadtteilbibliotheken dadurch die Möglichkeit haben, auch weniger gefragte, speziellere Titel vor Ort ihren Lesern anzubieten.

7. Stadtteilbibliotheken

Die Stadtbibliothek hat seit Ende 1994 neun Stadtteilbibliotheken (s. Tab. S. 717). Damit wurde das Bibliotheksnetz sinnvoll ausgebaut, und auch die neueren Stadtteile erhielten eine Bibliothek. Die Stadtteilbibliotheken haben Zugriff zum OPAC des gesamten Systems und sind voll automatisiert. Alle haben einen hohen Ausleihanteil an Kinder- und Jugendliteratur.

7.1 Jean Vilar

Jean Vilar, so benannt nach dem gleichnamigen Theaterschauspieler und Regisseur, ist die älteste und größte Stadtteilbibliothek. Sie hat eine Erwachsenen-, eine Jugend- und eine Kinderbuchabteilung. Eine gut ausgebaute Hörbibliothek (literarische Texte, Lyrik, Romane) unterstützt das literarische Sondersammelgebiete mit dem Schwerpunkt Theater, insbesondere Theaterstücke zeitgenössischer Autoren. Die Bibliothek organisiert eine Vielzahl von Veranstaltungen und Ausstellungen. Mehrmals im Jahr findet ein "Club de Lecture" mit thematischem Bezug zum Theater statt.

7.2 Saint Nicolas

Diese Stadtteilbibliothek ist in einem nüchternen Gebäudekomplex untergebracht. Den Großraum muß sie noch mit einer Zweigniederlassung des Rathauses teilen: die Einwohner, die zur Marie d'Annexe kommen, werden, obwohl sie sich direkt in der Bibliothek befinden, nur in Ausnahmefällen ihre Benutzer. So würde es die Leiterin gerne sehen, wenn diese Fläche der Bibliothek zur Verfügung stehen würde. 16.640 ME für Erwachsene und Kinder sind so gut wie irgend möglich untergebracht.

Die Sachbuchbestände für Erwachsene und Kinder sind in den jeweiligen Gruppen zusammen aufgestellt. 1993 waren 1.458 Benutzer eingeschrieben, die Ausleihe betrug 63.483 ME, davon 38.896 an Kinder.

7.3 Imbach

Im Erdgeschoß eines restaurierten Wohnhauses aus dem 18. Jahrhundert untergebracht, hat die Bibliothek zur Straße drei große Fensterrundbögen, die ihr Helligkeit und Transparenz verleihen. Die Grundfläche wurde 1989 erweitert, indem ein weiterer Raum dazugewonnen werden konnte. Insgesamt gibt es jetzt fünf ineinander übergehende Räume, davon zwei für Kinder und zwei für Erwachsene. In der Mitte befindet sich der Auskunfts- und Anmelde- sowie Verbuchungsbereich. Zwei Mitarbeiterinnen betreuen die 984 Benutzer und sind für den Bestand von 15.373 ME verantwortlich. Die Ausleihe betrug 1993 40.414 ME.

7.4 Justice

Eine wirklich kleine Stadtteilbibliothek im Viertel Justice, die in einem ehemaligen Laden untergebracht ist. Die beiden Vitrinen dienen dem Bibliothekspersonal dazu, sich aktiv an der Stadtteilarbeit zu beteiligen, so z. B. an einer italienischen Woche.

Der Gestaltungswille und das Engagement sind groß, doch wie soll ein Bestand von 12.587 ME in diesen begrenzten Räumlichkeiten aufgestellt werden? Der Raum im ersten Stock von ca. 10 qm ist seit kurzem dazugekommen. Hier dürfen kleine Kinder nur in Begleitung über die schwer begehbare Treppe hoch. Dort finden sie dann allerdings einen gut ausgebauten Bilderbuchbestand und Kuschelecken mit Sitzkissen, so daß auch Gruppen Platz finden. Ein kleiner Hof dient bei schönem Wetter als Lese- oder Vorlesebereich. Eine Bibliotheksangestellte und eine ABM-Kraft haben alle Hände voll zu tun. Sie machten 1993 133 Klassenführungen. Von den 47.104 ausgeliehenen ME wurden 33.384 ME von Kindern mitgenommen.

Bleibt zu hoffen, daß der für 1995 geplante Neubau mit 400 qm für die Bibliothek realisiert wird.

7.5 Monplaisir

"La maison pour tous" des Stadtviertels Monplaisir, 1987 errichtet, beherbergt u. a. auch die gleichnamige Bibliothek. In diesem Viertel wohnen die sozial schlechter gestellten Gesellschaftsschichten der Stadt Angers. Dieser Tatsache versucht die Bibliothek bei Bestandsaufbau und -ergänzung, der Buchaufstellung, vor allem aber auch durch ein Aktionsprogramm "Les mots sur l'herbe" für Kinder und Jugendliche Rechnung zu tragen.

Auf 100 qm muß der Bestand von 10.768 ME Platz finden, müssen Kinder- und Schulgruppen (184 im Jahr 1993) betreut werden. Die Ausleihe lag 1993 bei 39.236 ME, wobei 28.488 ME von Kindern entliehen wurden. Von den 982 eingeschriebenen Benutzern sind 610 Kinder.

Die beiden Bibliotheksangestellten versuchen mit viel Engagement und Initiative, die Bewohner des Stadtteils zu erreichen; so geht die Leiterin regelmäßig ins Medizinische Untersuchungszentrum für Babys und Kleinkinder. Sie liest dort im Warteraum aus Bilderbüchern vor und erzählt Geschichten. Sie versucht auf diese Art und Weise, eine Bevölkerungsschicht auf die Bibliothek aufmerksam zu machen, deren Kinder sonst nie ein Buch in die Hände bekommen würden.

Dem Zweck, besonders Kinder und Jugendliche anzusprechen, dient auch das Aktionsprogramm: im Sommer gehen die Mitarbeiter der Bibliothek und freiwillige Helfer fünf Wochen lang auf die Grünflächen des Neubauviertels und bieten verschiedene Ateliers an, z. B. werden für die ganz Kleinen Märchen und Geschichten vorgelesen und für die etwas größeren Kinder gibt es eine Schreibwerkstatt. Auch ein PC mit Textverarbeitungsprogrammen wird den Kindern zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe von Sponsoren läßt sich diese engagierte Bibliotheksarbeit leisten.

7.6 Lac de Maine

In dem Einkaufszentrum des schön gelegenen Stadtteils Lac de Maine muß sich die Bibliothek das 1985 errichtete Gebäude mit der Post und einer Zweigniederlassung des Rathauses, die durch einen gemeinsamen Eingang zu erreichen sind, teilen. Trotz des beengten Raumes wurde von der verantwortlichen Bibliothekarin mit Erfolg versucht, den Benutzern den Bestand von 13.608 ME so gut wie möglich zu präsentieren. Sogar 141 Klassenführungen wurden gemacht. Auch für Ausstellungen wurden Möglichkeiten gefunden, z. B. Stellwände im Foyer und Ausstellungsmaterial an den Wänden des Treppenaufganges.

7.7 Lafayette

Diese Stadtteilbibliothek ist im Maison du Quartier Lafayette untergebracht. Direkt vor dem Neubaukomplex ist am Mittwoch und Samstag Markt. An diesen beiden Tagen hat die Bibliothek ihre längsten Öffnungszeiten. Nur eine einzige Angestellte bewältigt die jährliche Ausleihe von 44.101 ME (1993), 70 Klassenführungen und berät die gut 1.000 eingeschriebenen Benutzer. Jeden Mittwoch ist auch noch Zeit für eine Märchenstunde. Hierfür kann der Veranstaltungsraum des Maison du Quartier genutzt werden. Der Bestand von 8.121 ME ist in weinrot-weißen Regalen übersichtlich und ansprechend aufgestellt. Dabei stehen die Sachbuchbestände für Kinder und Erwachsene zusammen, nur Romane, Kinderbücher und Comics sind getrennt.

7.8 Vernau

Die Bibliothek im Stadtteil Vernau ist das absolute Stiefkind der Bibliothekssystems von Angers. Hier ist alles ärmlich, ein schäbiger Bau, das Innere der Bibliothek mit alten Regalen, abgenutzten Tischen und Stühlen.

Da nutzt auch der gute Bestandsaufbau (5.752 ME), die EDV und vor allem das Engagement des einzigen Mitarbeiters nur sehr wenig. Die Erwachsenenausleihe macht nur 1/10 der Gesamtausleihe aus, 9/10 werden von Kindern ausgeliehen. 166 Klassenführungen fanden 1993 statt. Hier müßte dringend Abhilfe geschaffen werden und eine neue Stadtteilbibliothek für dieses 8 km vom Zentrum und der Hauptbibliothek entfernt liegende Viertel errichtet werden.

7.9 Belle Beille

In diesem Stadtteil von Angers befindet sich eine der Universitäten. Der Bibliotheksneubau der Stadtteilbibliothek wurde 1994 eingeweiht. Belle Beille ist die einzige Stadtteilbibliothek, die neben Büchern auch audiovisuelle Medien hat. Allerdings wird dieser Teil der Bibliothek erst 1995 (aufgrund von Personalmangel) den Benutzern zur Verfügung stehen.