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Bibliothekswesen international in den Zeitschriften des DBI
Argentinien

Das Bibliothekswesen in Argentinien
Petra Arzbach

2. Das argentinische Bibliotheks- und Informationswesen
2.1. Öffentliche Bibliotheken in freier Trägerschaft ("Bibliotecas populares")

Öffentliche Bibliotheken in freier Trägerschaft sind in Argentinien mit ca. 1.600 Institutionen ein sehr verbreiteter Bibliothekstyp: Sie kombinieren private Finanzierung mit staatlicher Förderung. Diese "Bibliotecas populares", die öffentlich zugänglich sind bzw. öffentlichen Zwecken dienen, werden von freien Trägern unterhalten. Dabei sind sie als Verein oder auch Verband organisiert und erheben Mitgliedsbeiträge, wobei sie oftmals daneben auch Serviceleistungen gegen Gebühren anbieten.

Entstanden sind die "Bibliotecas populares" Ende des 19. Jahrhunderts, als der damalige Präsident Sarmiento die staatliche Förderungswürdigkeit im Jahre 1870 durch Gesetz 419 anerkannte. Die Förderungsintensität einer Bibliothek war abhängig von Bestandsgröße, Öffnungszeiten, Benutzeranzahl, Personal sowie der Durchführung kultureller Aktivitäten ("extensión cultural") und wurde von der "Comisión Protectora de Bibliotecas Populares" festgelegt.

Im Jahr 1986 wurde dieses Gesetz abgelöst durch Gesetz 23.351 ("Ley de Fomento y Apoyo a las Bibliotecas Populares"), da die ursprüngliche Version seiner Unterstützungsfunktion nicht mehr gerecht wurde und als unzeitgemäß galt. Die Vereinigung wurde in "Comisión Nacional Protectora de Bibliotecas Populares" (CONABIP, Ayacucho 1578, 1428 Buenos Aires, Tel. 803-6546) umbenannt und sollte nunmehr im Auftrag des Erziehungsministeriums und des Kultursekretariats ("Secretaría de Cultura") die Entwicklung der "Bibliotecas populares" fördern. Zu diesem Zweck verfügt die Organisation über Haushaltsmittel des Kultursekretariats ("presupuesto general de gastos") sowie über einen eigenständigen Etat ("fondos especiales").

Zu den Aufgaben dieser CONABIP gehörten nunmehr insbesondere:

CONABIP zieht folgende Kriterien zur Entscheidung über Förderungswürdigkeit heran: Bestandsgröße, Ausleihen pro Jahr, Anzahl des Fachpersonals, Qualität der Bibliothekseinrichtung sowie der technischen Ausstattung ("calidad de las instalaciones y equipamiento técnico").

Neben Mittelzuweisungen können die geförderten Bibliotheken in den Genuß anderweitiger Vergünstigungen kommen wie z.B.:

CONABIP besteht aus einem Präsidenten, einem Sekretär sowie 5 Beisitzern. Im Regelfall befindet sich ein Bibliothekar in diesem Gremium. Die Vereinigung gibt in unregelmäßigen Abständen eine Informationsschrift heraus ("CONABIP informa"), die im wesentlichen Berichte über Konferenzen sowie Fortbildungsveranstaltungen enthält. CONABIP bereitet die nationalen Versammlungen der "Bibliotecas populares" vor. 1994 fand diese Zusammenkunft in San Luis mit gut 500 Vertretern aus ca. 1400 Bibliotheken statt. Diskutierte Themen waren dabei u.a.: Verwaltung und Management einer Bibliothek, Dienstleistungsangebote für behinderte Leser, Leseförderung der Jugend sowie AV-Medien in Bibliotheken.

Auf Bibliotheksseite steht CONABIP die "Confederación Argentina de Bibliotecas Populares" gegenüber. Diese wurde 1977 gegründet und besteht aus je einem Vertreter der Provinzen sowie der Hauptstadt Buenos Aires, welche in der Regel keine Bibliothekare sind, sondern politischen Hintergrund haben. Es existieren 19 Federaciones Provinciales (Provinzorganisationen), wobei in den letzten Jahren verstärkte Bemühungen zu weiteren Gründungen deutlich wurden.

2.2. Öffentliche Stadtbibliotheken ("Bibliotecas públicas municipales")

Die Existenz öffentlicher Stadtbibliotheken oder "Bibliotecas públicas municipales" beschränkt sich im wesentlichen auf die Hauptstadt Buenos Aires. Dort wurden sie 1927 durch die Initiative der "Comisión Honoraria de Bibliotecas Públicas Municipales" gegründet. 1944 wurde diese Vereinigung dem städtischen Kulturamt ("Secretaría de Cultura de la Municipalidad de la Ciudad de Buenos Aires") unterstellt und gleichzeitig zur "Dirección de Bibliotecas Públicas Municipales" aufgewertet. Zu den Aufgaben dieser Dirección gehört u.a.:

Zur Zeit arbeiten 23 Stadtbibliotheken und 3 Bücherbusse in der Hauptstadt Buenos Aires. Diese Bibliotheken werden in erster Linie von Schülern und Jugendlichen aufgesucht.

2.3. Universitätsbibliotheken ("Bibliotecas universitarias")

Im Bereich der Universitäten zeichnet sich Argentinien durch eine klare Zweiteilung in private und staatliche Institutionen aus. Deutlich in der Überzahl sind private Universitäten im Vergleich zu den staatlichen, was sich somit auch im Bibliotheksbereich niederschlägt. 1963 wurde das "Seminario Regional Sobre el Desarrollo de las Bibliotecas Universitarias en América Látina" in Mendoza (Provinz Mendodza) abgehalten, was zur Gründung der "Junta de Bibliotecas Universitarias Argentinas (JUBIUA)" führte. Die "Junta" vertritt die Interessen der argentinischen staatlichen Universitätsbibliotheken gegenüber den Regierungsautoritäten. Desweiteren erarbeitet JUBIUA die Zielvorgaben für eine gemeinsame Automatisierung aller staatlichen Universitätsbibliotheken des Landes, für eine abgestimmte Erwerbungspolitik sowie ein einheitliches Verfahren beim Schriftentausch. 1980 wurde ein Bibliotheksführer veröffentlicht.

Die Situation der privaten Universitätsbibliotheken unterscheidet sich von diesem Szenarium deutlich. Zwar gibt es dort bisher keine institutionalisierte Zusammenarbeit, jedoch verfügen diese Bibliotheken im Regelfall bereits über computergestützte Arbeitsverfahren, Datenbankanschluß, CD-ROM-Nutzung sowie OPAC.

2.4. Schulbibliotheken ("Bibliotecas escolares")

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) arbeitet seit einigen Jahren mit dem argentinischen Erziehungsministerium an einem gemeinsamen Projekt zum Aufbau eines nationalen Schulbibliothekssystems ("Sistema Nacional de Bibliotecas Escolares"). Sofern Schulbibliotheken vorhanden sind, finanzieren sie sich durch Buch- und Sachspenden sowie ehrenamtliche Tätigkeit der Eltern. Es gibt derzeit keine Organisation im Land, die diesen Bibliothekstyp vertritt.

2.5. Die Nationalbibliothek ("La Biblioteca Nacional")

Die argentinische Nationalbibliothek wurde am 7.9.1810 per "Decreto de la Junta Gubernativa de las Provincias del Río de la Plata" als "Biblioteca Pública de Buenos Aires" gegründet. Zum ersten Bibliotheksdirektor wurde Dr. Mariano Moreno, einer der angesehensten Politiker des Landes, bestimmt.

1854 erfolgte die Umbenennung in "Biblioteca Nacional". Anfangs geschah der Bestandsaufbau durch private Buchspenden sowie Übernahme von Privatbibliotheken bedeutender Persönlichkeiten (z.B. Belgrano, Alcorta, Larrea), aber auch durch Kauf, da selbiges Dekret einen monatlichen Anschaffungsetat vorsah.

Zum Sitz wurde zunächst das Rathaus von Buenos Aires ("Cabildo") bestimmt. Von 1901 bis 1994 residierte die "Biblioteca Nacional" in einem altehrwürdigen Gebäude in der Altstadt von Buenos Aires; ursprünglich war dieser Bau für die "Lotería de Beneficiencia" vorgesehen gewesen. 3)

1960 entstanden die ersten Pläne für einen Neubau, dessen Grundstein 1971 gelegt wurde, wobei die Konstruktion stark an das Centre Pompidou in Paris erinnert. Finanziert wurden die Bautätigkeiten vom argentinischen Staat sowie durch einen Kredit Spaniens über 5 Mio. US-Dollar. Am 10.04.1992 wurde der Neubau der "Biblioteca Nacional" im eleganten Stadtteil Palermo eingeweiht.

Durch tatkräftige Unterstützung des argentinischen Heeres sind bis 1994 sämtliche Bestände ins neue Gebäude geschafft worden, wenn auch weiterhin ein Großteil für die Benutzer noch nicht zugänglich ist und die endgültige Aufstellung noch Zeit in Anspruch nehmen wird.

Auf 7 Etagen sollen insgesamt 5 Millionen Einheiten Platz finden: derzeit sind 3 unter- und 2 oberirdische Stockwerke zugänglich. In Ermangelung eines Zugangsbuches wird der Buchbestand mit 800.000 bis 2,5 Mio. Einheiten angegeben. 1993 wurde erstmals ein Inventar für Büromobiliar erstellt. Der vorhandene Bestand ist in 3 unterirdischen Magazinen auf einer Gesamtfläche von 22.000 qm aufgestellt.

Im Erdgeschoß befindet sich der Lesesaalbereich: 4 Lesesäle mit einer Gesamtfläche von 1.500 qm sollen 200 Benutzern Arbeitsmöglichkeiten bieten. Für die Benutzung von älterem Material sollen künftig 30 Reader-Printer zur Verfügung stehen. Ebenfalls in diesem Stockwerk befindet sich der Bereich "Technische Buchbearbeitung" ("Dirección de Procesos Técnicos"). Auf einer Fläche von 1.000 qm werden 100 Schreibtische der Abteilungen Formalkatalogisierung und Sacherschließung untergebracht. Den Informationsapparat von Lexika und anderen Nachschlagewerken findet man ebenfalls hier. Frei zugänglich sind die gebundenen Jahrgänge der argentinischen Gesetz- und Verordnungsblätter, juristischer Fachzeitschriften sowie der auflagenstärksten Tageszeitung "Clarín".

Im 1. Stock befindet sich ein 400 qm großer Ausstellungssaal, ein Café für 120 Leser, sowie der Bereich der Bibliotheksleitung mit 240 qm. Der 2. Stock beherbergt die Verwaltung auf 500 qm mit 50 Schreibtischen und entsprechender Büroausstattung. Außerdem haben hier beide Bibliotheksförderungsgesellschaften ihren Sitz ("Asociación de Protectores de la Biblioteca Nacional" sowie die "Asociación de Amigos de la Biblioteca Nacional").

Der 3. Stock wird künftig das UNESCO-Depot sein sowie auf 200 qm 20 weitere Lesesaalplätze zur Verfügung stellen. Im 4. Stock sollen Rara im sogenannten "Sala de Tesoro" aufgestellt werden. Hier sind 220 qm für 15.000 Einheiten kalkuliert worden. Bisher umfaßt der Bestand schätzungsweise 12.000 Einheiten. Hinzukommen sollen 30 Lesesaalplätze.

Der 5. Stock wird später einen allgemeinen Lesesaal aufnehmen. Im 6. Stock sollen künftig ein Lesesaal, Auskunftsbereich sowie Datenbankanschlüsse untergebracht werden.4) Die 7. Etage ist für Technische Dienste sowie das Rechenzentrum vorgesehen. Einen Zeitplan für die weitere Erschließung der Obergeschosse 3 bis 7 gibt es noch nicht.

Finanziell und personell untersteht die Nationalbibliothek dem nationalen Kultursekretariat. Zu Bibliotheksdirektoren werden in der Regel Schriftsteller oder bedeutende Persönlichkeiten auf unbegrenzte Zeit ernannt, so z.B. Jorge Luis Borges, wobei die durchschnittliche Verweildauer der Direktoren in ihrem Amt bei 3 Jahren liegt. Derzeitiger Bibliotheksdirektor ist der Schriftsteller und Buchhändler Hector Yánover.5) In seiner Amtszeit möchte er in erster Linie die Automatisierung der Bibliothek, die Mikroverfilmung von Zeitschriften sowie die Einrichtung eines Sonderlesesaales für Kinder voranbringen.

Die Nationalbibliothek soll als Zentrum eines landesweiten Datennetzes für die "Bibliotecas públicas" fungieren, und auch Buchbearbeitung und Auskunftsdienst in der Bibliothek selbst sollen computergestützt erfolgen. Zu diesem Zweck wurde bereits 1992 vom "Consejo Empresarial Argentino", einer Interessenvereinigung argentinischer Unternehmer, der MASTERPLAN erarbeitet, dessen Umsetzung aus verschiedenen Gründen jedoch noch nicht erfolgt ist. Für die Errichtung des geplanten Datenverbundes wurde damals eine Investitionssumme von 9 Mio. US-Dollar veranschlagt und eine Realisierung in drei Stufen vorgesehen:

Stufe 1:
Die Katalogisierung des gesamten Bestandes der Nationalbibliothek wird EDV-gestützt durchgeführt, und Online-Recherchen werden für die Benutzer im Haus angeboten.

Stufe 2:
Im gesamten Land wird das "Red Federal de Informática" eingerichtet.

Stufe 3:
Verbindung der Nationalbibliothek Buenos Aires mit den Nationalbibliotheken in Paris und Madrid sowie zur Public Library in New York wird hergestellt.

Die Anzahl der Bibliotheksmitarbeiter beträgt zur Zeit 190, unter ihnen 2 Bibliothekare. Geöffnet ist das Gebäude im allgemeinen ganzjährig von Montag bis Freitag in der Zeit von 10 bis 20 Uhr. Man ist bemüht, die Öffnungszeiten auf die Wochenenden auszudehnen.

Für 1995 hatte das Kultursekretariat einen Etat von 7 Mio. US-Dollar für die Nationalbibliothek beantragt: Damit sollten zwei weitere Stockwerke ausgebaut, sowie dringend notwendige Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten durchgeführt werden. Das Fehlen angemessener finanzieller Rahmenbedingungen sowie unzureichende bibliothekarische Fachkenntnisse des Personals hatten nämlich in den vorangegangenen Monaten verstärkt zu Klagen über den Service der Bibliothek geführt.

Da die Nationalbibliothek im Kultursekretariat etatisiert ist, kann sie auch keine eigenständige Haushaltsführung betreiben. Jede Anschaffung muß somit ein Antrags- und Genehmigungsverfahren des Kultursekretariats durchlaufen, was recht aufwendig und zeitintensiv sein kann. Daher bemüht sich Direktor Yánover um Förderung der Bibliothek durch Privatfirmen ("Sponsoring"). Auf diese Weise wurden die zur Katalogisierung der Bücher nach AACR 2 benötigten Computer beschafft. Der alphabetische Zettelkatalog wird jedoch bis auf weiteres parallel fortgeführt. Die Sacherschließung erfolgt nunmehr mittels des Thesaurus MICROISIS ausschließlich per EDV. Der Sachzettelkatalog nach Rovira wurde abgebrochen, ein noch älterer Sachkatalog geht auf das System Brunet zurück. Beide können allerdings noch als Zettelkataloge benutzt werden. Die Nationalbibliothek ist Pflichtexemplarbibliothek für alle in Argentinien erscheinenden Titel. Darüber hinaus erwirbt sie Material auch auf dem Weg von Tausch und Geschenk. Die Benutzung der Bibliothek ist grundsätzlich kostenlos und jedermann gestattet. Zu den Benutzungsmodalitäten: Jeder Benutzer füllt einen Zettel mit Name, Anschrift und Paß-Nummer aus und zeigt den gültigen Paß dem Aufsichtspersonal zur Überprüfung vor. Photokopien werden entsprechend den Angaben der Leser vom Bibliothekspersonal in der Photokopierstelle gegen Bezahlung angefertigt. Dazu füllt der Benutzer einen Zettel mit Namen, Anschrift, Paß-Nummer, Anzahl sowie dem Titel der gewünschten Kopien aus. Urheberrechtsbestimmungen werden großzügig gehandhabt. Täglich bietet die Bibliothek Führungen an. Es wird kein Leihverkehr und keine Datenbankrecherche durchgeführt.

Die "Biblioteca Nacional" hat mehrere Schriftenreihen herausgegeben:
1879 - 1884: La revista de la Biblioteca Pública de Buenos Aires
1896 - 1898: La biblioteca
1900 - 1915: Anales de la Biblioteca Nacional (10 Bände)
1937 - 1951: Revista de la Biblioteca Nacional
1957 - 1961: La biblioteca
1982 - 1983: La biblioteca
1993 - : La biblioteca (bisher 1 Heft erschienen)

2.5.1. Die Nationalbibliographie ("La Bibliografía Nacional")

Eine Nationalbibliographie im eigentlichen Sinne hat die argentinische Nationalbibliothek bisher nicht herausgegeben. Planungen, dies künftig zu tun, liegen derzeit nicht vor. Folgende Veröffentlichungen, die Schrifttumsnachweise enthalten, wurden von der "Biblioteca Nacional" bisher publiziert:
1870 - 1871: Boletín bibliográfico sudamericano
1880 - 1888: Anuario bibliográfico de la República Argentina
1891 : El ano literario ( 1 Bd., mehr nicht erschienen)
1928 - 1929: Boletín bibliográfico
1936 - 1937: Boletín bibliográfico argentino
1937 - 1955: Boletín bibliográfico nacional

Die Zeitschrift ISBN der Cámara del Libro, welche über Neuerscheinungen in Argentinien informiert, ist momentan die einzige Veröffentlichung landesweit, die ansatzweise die Funktion einer Nationalbibliographie übernommen hat.

Bibliographische Kontrolle wird offenbar von der Nationalbibliothek nicht durchgeführt.

2.6. Die Kongreßbibliothek
("La Biblioteca del Honorable Congreso de la Nación")

Als Gründungsdatum für die Kongreßbibliothek in Buenos Aires wird das Jahr 1859 angegeben, als durch Gesetz 212 insgesamt 620 Bücher angeschafft wurden. 1869 wurden durch die Gesetze 303 und 718 die Grundpfeiler der teilweise heute noch gültigen Bibliothekspraxis gesetzt: So wurde die "Comisión de la Biblioteca del Congreso" als oberstes zuständiges Kongreßorgan für die Bibliotheksverwaltung gegründet. Der Posten des Bibliothekars wurde geschaffen und mit einem regelmäßigen monatlichen Gehalt ausgestattet. 1882 erschien der erste, 27 Seiten umfassende, Bibliothekskatalog. Im Jahre 1906 erhielt die Bibliothek großzügige Räumlichkeiten im neu eröffneten Kongreßgebäude: Der Lesesaal für Abgeordnete und Senatoren wurde eingerichtet. Seit 1909 gibt die Kongreßbibliothek in 14-tägigem Abstand das "Boletín de la Biblioteca del Congreso" heraus. Durch das Gesetz 10.223 von 1923 wurde die "Comisión Administradora" des Kongresses ins Leben gerufen: Sie besteht aus 3 Senatoren und 3 Abgeordneten, wobei die Präsidentschaft in zweijährigem Turnus wechselt. Diese Vereinigung ist oberste Entscheidungsinstanz in allen die Bibliothek betreffenden Fragen.

1924 erließ diese Kommission erstmals Regelungen für die Ausleihe: Kongreßmitgliedern wurde die Ausleihe von 5 Büchern für 20 Tage gestattet. Dieser Modus wurde später auch auf hauptamtliche Mitarbeiter der Bibliothek ausgedehnt.

Im gleichen Jahr erhielt die Bibliothek das Recht, Personal einzustellen, sowie den ihr zugewiesenen Haushalt selbständig zu verwalten ( was inzwischen wieder rückgängig gemacht wurde). Die Zeitschriftenabteilung ("Hermeroteca") wurde eingerichtet. Durch Gesetz 11.723 von 1933 wurde die Kongreßbibliothek neben der Nationalbibliothek zur Pflichtexemplarbibliothek erhoben ("depósito legal").

Seit 1934 werden neben Büchern auch Zeitschriftenaufsätze der Gebiete Soziologie, Recht, Wirtschaft, Erziehung und Politik sachlich erschlossen. Genau wie für Bücher wurde dafür zunächst die UDC benutzt. In den siebziger Jahren wurden außerdem noch die wichtigsten argentinischen Tageszeitungen in die Auswertung aufgenommen und das Klassifikationssystem Rovira eingeführt. Seit 1946 werden für die Katalogisierung Karten im internationalen Format verwendet. Die Zuständigkeit für die Erwerbung liegt bei der "Comisión de Adquisiciones Bibliográficas". Nur was diese Kommission der "Comisión Administradora" vorschlägt, wird gekauft. Selbstverständlich gehören Tausch und Geschenk ebenfalls zur Erwerbungspolitik. Darüberhinaus ist die Kongreßbibliothek Depotbibliothek verschiedener internationaler Institutionen wie z.B. UNO, OAS, EU. 1955 bis 1958 wurde eine Rara-Kollektion aufgebaut und die Öffnungszeit der Bibliothek (auch für die Bürger von Buenos Aires) auf 24 Stunden täglich ausgedehnt. 1972/73 erhielt die Bibliothek ein neues Gebäude in der Calle Alsina 1835, die heutige "Biblioteca Pública del Congreso". 1973 erfolgten weitere Neuorganisationen: Neu entstand das Amt des "Director Coordinador General", welcher der "Comisión Administradora" angehört. Die Abteilung Technische Buchbearbeitung ("Dirección de Procesos Técnicos"), sowie die Abteilung Auskunft ("Dirección de Referencia Legislativa y General") und die Verwaltungsabteilung ("Dirección Administrativa") wurden eingeführt. Das neue Gebäude bietet Platz für 120 Leser im Lesesaal, beherbert einen Kinosaal ("Microcine") sowie die Abteilung für Kulturelle Aktivitäten ("Departamento de Extensión Cultural").6)

In der Kongreßbibliothek arbeiten ca. 1100 Personen, davon schätzungsweise 70 Bibliothekare. Die Sacherschließung erfolgt für Bücher, Zeitungsartikel sowie Zeitschriftenaufsätze nach Rovira in einem Zettelkatalog, wobei die Umstellung auf computergestützte Arbeitsverfahren in den Anfängen steht. Die Formalkatalogierung wird nach AACR 2 offline vorgenommen. Für die Benutzungsmodalitäten gelten im wesentlichen die Regeln der Nationalbibliothek: Der Benutzer füllt einen Zettel mit Name, Anschrift und Paß-Nummer aus, muß jedoch den Paß beim Aufsichtspersonal lassen. Bei Verlassen der Bibliothek muß die Buchausgabestelle bescheinigen, daß der Benutzer kein Werk mehr in seinem Besitz hat, woraufhin ihm sein Paß ausgehändigt wird. Photokopien werden vom Bibliothekspersonal in der Photokopierstelle gegen Bezahlung angefertigt, wobei die Urheberrechtsbestimmungen ähnlich wie in der Nationalbibliothek gehandhabt werden. Auch die Kongreßbibliothek ist jedermann kostenlos zugänglich und im allgemeinen ganzjährig geöffnet. Derzeit bemüht man sich um einen Internet-Anschluß.

Über die Bestandsgröße gibt es variierende Angaben, ebenso über die Anzahl der täglichen Benutzer, man kann jedoch ca. 1,5 Mio. Einheiten in der Bibliothek und ca. 1.400 Benutzer täglich annehmen. Für 1996 wurde ein Haushaltsvolumen von 30 Mio. US-Dollar beantragt, wovon bereits 28,4 Mio. US-Dollar Personalkosten darstellen. Für den Kauf von Material verbleiben damit lediglich 1,6 Mio. US-Dollar. 6 verschiedene Gebäude in Buenos Aires beherbergen den Bestand.

3) Groussec, Paul: Historia de la Biblioteca Nacional. - (Nachdr. d. 1.Ausg. von 1893). - Buenos Aires, 1967

4) Rodríguez Pereyra, Ricardo: La Biblioteca Nacional. - (Unveröffentl. Doktorarbeit). - Buenos Aires, 1994. Zitiert mit Genehmigung des Autors.

5) Biblioteca : revista de la Biblioteca Nacional. - Buenos Aires, 1, Nr. 1 (1993) -

6) Historia sucinta de la Biblioteca del H. Congreso de la Nación. - Buenos Aires, 1978