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Hans Peter Thun
Eine Einführung in das Bibliothekswesen der Bundesrepublik Deutschland
DEUTSCHES BIBLIOTHEKSINSTITUT
1998


4. Regelwerke

Das deutsche Bibliothekswesen hat es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht verstanden, sich - was die verwendeten Regelwerke anbetrifft - ein internationales Niveau zu geben, sondern ist eigene Wege gegangen. Abgesehen davon, daß in den Öffentlichen Bibliotheken ohnehin nach allen möglichen unterschiedlichsten Regeln alphabetisch katalogisiert wurde, war das offizielle Regelwerk für die Formalkatalogisierung bis in die Mitte unseres Jahrhunderts die sog. "Preußischen Instruktionen". Sie wurden in den 70er Jahren durch ein mehr EDV-kompatibles Regelwerk, die Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK) abgelöst, ein umfängliches und in zahlreiche Grund- und Sonderregeln unterteiltes Werk, für das es selbstverständlich auch eine Sonderversion für Öffentliche Bibliotheken geben mußte. In der DDR waren diese Regeln seit 1977 verbindlich, in der übrigen Bundesrepublik setzen sie sich zunehmend als Standard durch, bilden jedoch international eine einsame deutsch/österreichische Insel, die nicht im Sinne des internationalen Datenaustauschs sein kann. Auch das Regelwerk für die Schlagwortkatalogisierung (RSWK) ist ein mit ähnlicher Perfektion angelegtes nationales Werk.

Überflüssig zu sagen, daß auch die in Deutschland verwendeten Klassifikationen diese nationale Enge repräsentieren. Die international weit verbreitete Dezimalklassifikation ist in Deutschland keine übliche Klassifikation, sie wird nur in einer größeren wissenschaftlichen Bibliothek eingesetzt. In wissenschaftlichen Bibliotheken wird eine Vielzahl von Eigenentwicklungen verwendet, von einem Dutzend Bibliotheken die sog. Regensburger Systematik oder die der nordrhein-westfälischen Gesamthochschulbibliotheken. In 99% der Öffentlichen Bibliotheken der neuen Bundesländer wird eine Systematik namens KAB eingesetzt, die in der DDR verbindlich war und mittlerweile aktualisiert wurde. In den übrigen Ländern wird am häufigsten eine Systematik namens ASB in zahlreichen Variationen verwendet, derer sich etwa 50% der Bibliotheken bedienen. Daneben sind noch 3-4 weitere Klassifikationen in mehreren Bibliotheken eingesetzt.


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