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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 12, 99

Konsortialverträge: Neue Tendenzen ?1

Werner Reinhardt

Dieser Bericht schließt in Teilen an Ausführungen aus dem Jahr 1998 an, die unter dem Titel "Konsortialverträge: Ein Weg zur digitalen Bibliothek?" erschienen sind.2 Schwerpunktmäßig wird nachfolgend auf Verträge zur Lizenzierung des Zugangs zu elektronischen Zeitschriften eingegangen.

Wirklich neue Tendenzen sind derzeit nicht auszumachen. Die Verlage versuchen ihre Umsätze zu sichern - besser: zu retten. Die Bibliotheken versuchen trotz örtlich notwendiger Abbestellungen gedruckter Zeitschriften den Zugriff auf möglichst viele Titel zu erhalten oder zu erreichen.

 

Gegenwärtiger Stand

Nach wie vor gilt in fast allen Fällen, dass die Nutzung elektronischer Zeitschriften für die Bibliotheken mit Mehrkosten verbunden ist, sofern sie nicht auf Parallelausgaben gedruckt vorhandener Titel beschränkt wird. Dass dies gleichermaßen bei Konsortialverträgen zutreffend ist, zeigt sich an der Feststellung3 des Vorsitzenden des Geschäftsführungsausschusses des Friedrich-Althoff-Konsortiums, er "könne noch eine Reihe von Konsortialverträgen abschließen, aber die Bibliotheken hätten nicht die erforderlichen Mittel".

Grundlage der Verträge sind i.d.R. die Preise der im Konsortium vorhandenen gedruckten Exemplare (nicht Titel) der vom Verlag angebotenen Zeitschriften. Hierzu kommen Aufschläge für im Konsortium, aber nicht an allen Standorten vorhandene Titel ("Cross-Access") und - wenn dies gewünscht wird - für die Nutzung der nicht in gedruckter Form vorhandenen Titel ("Additional Access").

Bei dem Wunsch, den Umsatz früherer Jahre zu sichern, sind die Verlage bereit, für die Vertragslaufzeit (2 oder 3 Jahre) geringere Preiserhöhungen zu garantieren, als sie im gedruckten Bereich zu erwarten sind. Ein gutes Beispiel hierfür liefert Academic Press, obwohl gerade dieser Verlag auch immer als einer genannt wird, der den Bibliotheken entgegenkommt, indem er auf den Weiterbezug gedruckter Ausgaben verzichtet. Der Preis der festgestellten Printabonnements wird mit 90% bzw. neuerdings 94% als Umsatz für zwei oder drei Jahre festgeschrieben. Sobald innerhalb des Konsortiums noch Printexemplare weiter gehalten werden, steigt diese Zahl schnell auf 100 und mehr Prozentpunkte. Ein Konsortium, das auf alle gedruckten Exemplare verzichtet hat, ist nicht bekannt.

 

Basislizenzen und Konsortialverträge

Eine Reihe von Verlagen - z.B. Springer und Wiley - erlauben ohne Zusatzkosten parallel zum gedruckten Abonnement den Zugriff auf die elektronischen Versionen, seitdem diese Art des Angebots auf Verlagsservern verfügbar gemacht wurde. Der Konzern Reed-Elsevier sah sich wohl gezwungen, dieser Art des Vorgehens zu folgen und bietet (ab dem Jahr 2000) den parallelen Zugriff auf die "Web editions" der jeweils letzten neun Monate der gedruckt bezogenen Zeitschriften an.4

Der Grund dafür, dies zu erwähnen, ist, dass Konsortialabkommen sich im Grunde nur auf Cross Access bzw. Additional Access beziehen. Daher ist es für Preiskalkulation auf Konsortialseite unbedingt notwendig, einen genauen Überblick zu haben, welche Print-Abonnements innerhalb eines Konsortiums bestehen. Neben dem hierfür erforderlichen Arbeitsaufwand ist leider immer noch festzustellen, dass es einzelne zweischichtige Systeme gibt, in denen die Ermittlung dieser Angaben problematisch ist.

Sobald ein Konsortium sich entscheidet, die elektronische Version als Primär-Version direkt beim Verlag einzukaufen, um dadurch Preisvorteile zu erzielen (z.B. bei Academic Press, neuerdings aber auch bei anderen Verlagen), muss ein weiterer Gesichtspunkt beachtet werden. Durch den Direktvertrag spart der Verlag Rabatte, die sonst den Agenturen als Zwischenhändlern zugebilligt werden. Diese mögen noch so gering sein - wenige Prozentpunkte können bei Konsortialverträgen große Geldbeträge bedeuten, auf die in Verhandlungen nicht von Beginn an verzichtet werden sollte.

 

"Kooperationen zur Nutzung digitaler Ressourcen"

Am 6. und 7. Oktober 1999 hat unter diesem Titel in Reutlingen ein BDB/ekz-Workshop stattgefunden, bei dem fast alle derzeitigen deutschen Konsortien vertreten waren. Neben Teilnehmern aus wissenschaftlichen Bibliotheken war auch eine Reihe von Kollegen aus Großstadtbibliotheken anwesend. Verstärktes Interesse Öffentlicher Bibliotheken zur Teilnahme an Konsortien ist nicht im Bereich der wissenschaftlichen Zeitschriften, sondern mehr im Bereich von Nachweis- und/oder Faktendatenbanken zu erwarten. In diesem Teilnehmerkreis bestand im Wesentlichen Konsens in folgenden Punkten:

 

Anmerkungen zu Stand und Entwicklungen bei einzelnen Verlagen

Springer

LINK-Testinstallationen sind inzwischen fast flächendeckend in der Bundesrepublik zu verzeichnen. Regionen, die unter anderem wegen der Zugriffsmöglichkeiten im Rahmen der Basislizenz auf derartige Verträge verzichtet haben, sind Bayern und Baden-Württemberg. Der entsprechende Vertrag des Friedrich-Althoff-Konsortiums läuft bis zum 31. Dezember 2000, in Nordrhein-Westfalen bis zum 30. August 2000. Während in den meisten Verträgen nur die im Konsortium gedruckt vorhandenen Titel auch elektronisch angeboten werden, sind in Nordrhein-Westfalen alle Titel des Verlages durch den Vertrag abgedeckt.

Springer liefert als Statistik bisher nur Gesamtzahlen der Volltext-Downloads pro Standort. Den Wünschen von Bibliotheksseite, diese Zahlen für die einzelnen Zeitschriftentitel zu ermitteln und zur Verfügung zu stellen, will der Verlag noch nicht folgen.

Springer will für kommende Verträge nach wie vor die Preis-Basis der gedruckten Zeitschriften und der Anzahl der bezogenen Exemplare zu Grunde legen. Neuerdings versucht Springer bereits in Verträgen zur LINK-Test-Installation, eine Begrenzung von Abbestellungen während der Laufzeit zu definieren.

 

Academic Press

Bekannt sind Konsortialverträge in Bayern und in Hessen sowie mit dem Friedrich-Althoff-Konsortium in Berlin-Brandenburg, der Max-Planck-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Die Problematik, die nach Auslaufen eines Konsortialvertrages entstehen kann, wird für die University of Kent plastisch in einem Beitrag5 des "Newsletter on Serials Pricing Issues" geschildert.

Seit einiger Zeit bietet der Verlag das sogenannte "IDEAL Open Consortium" an:6 Bibliotheken, die gemeinsam ein Umsatzvolumen von mindestens 100.000 US $ erbringen, können ein "Offenes Konsortium" bilden und so den Zugriff auf alle angebotenen 175 Titel erwerben. Hier können sich Bibliotheken in unterschiedlicher Trägerschaft und aus verschiedensten Regionen zusammenfinden.

 

Elsevier

Im Friedrich-Althoff-Konsortium läuft der Vertrag bis Ende 2001. Etwa 500 von 1.000 Zeitschriften können vollständig auf dem Server des Verlages genutzt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Aufsätze aus den restlichen Zeitschriften als Einzelbestellung unter bestimmten Bedingungen abgerufen werden, wobei dieser kostenlose Bezug für eine vertraglich festgelegte Zahl von Artikeln gilt. Ähnliche Bedingungen räumt Elsevier auch in Einzelverträgen mit Hochschulen/Bibliotheken ein, wobei die Anzahl der "freien" Artikel abhängig vom Umsatz ist, der mit dem Vertrag festgeschrieben wurde. Nicht unproblematisch kann die Antwort auf die Frage werden "Wer darf die ‘kostenlosen‘ Artikelzugriffe nutzen?"

Der Konsortialvertrag acht nordrhein-westfälischer Bibliotheken läuft Ende 1999 aus. Die Verhandlungen für einen Folgevertrag gestalten sich äußerst schwierig, da Elsevier nicht auf den Wunsch des Konsortiums eingehen kann bzw. will, nur noch einen Kernbestand der elektronischen Zeitschriften in der bisherigen Form zu liefern und für die restlichen Titel ein Pay-per-View-System einzuführen.

Elsevier hat als erster und bisher einziger Verlag eine öffentliche Verpflichtung abgegeben, für eine dauerhafte Archivierung seiner elektronischen Texte Sorge zu tragen.7

 

Elsevier/PEAK-Projekt

An der University of Michigan, Ann Arbor, ist im Sommer 1999 das zweijährige Projekt PEAK (Pricing Electronic Access to Knowledge) zu Ende gegangen. Zehn Universitätsbibliotheken und zwei Firmenbibliotheken konnten das vollständige Elsevier-Angebot unter folgenden Voraussetzungen nutzen:

Die darüber hinaus zu tragenden Kosten9 waren sehr unterschiedlich und abhängig davon, ob vollständige Zeitschriften oder nur Einzelartikel bezogen wurden. Einmal elektronisch bezogene Artikel wurden nicht erneut in Rechnung gestellt, falls sie wiederholt aus derselben Institution angefordert wurden.

 

Ausblick

Folgende Punkte werden in Diskussionen innerhalb der Konsortien und mit den Anbietern in Zukunft verstärkt zu berücksichtigen sein:

1 Überarbeitete Fassung eines Kurzreferates, gehalten am 27. Okt. 1999 anlässlich der Sitzung der Sektion IV des DBV in Koblenz.

2 Reinhardt, Werner: Konsortialverträge: Ein Weg zur digitalen Bibliothek in: Bibliotheksdienst 32.(1998), S. 887-895.

3 Mitteilung von Dr. Friedrich W. Froben während des BDB/ekz-Workshops "Kooperation zur Nutzung digitaler Ressourcen", Reutlingen, 6./7. Okt. 1999.

4 http://www.web-editions.com/

5 vgl. Gerrard, J.C.: Pricing crisis revisted. In: Newsletter on Serials Pricing Issues, No. 236, Nov. 6, 1999. Das Archiv des Newsletter findet sich im WWW: http://www.lib.unc.edu/prices/

6 http://www.apnet.com.www/ap/IDEALOpenConsortium.htm

7 Pressemitteilung des Verlages vom 29. Okt. 1999, nachzulesen in Newsletter on Serials Pricing Issues, No. 237, Nov. 8, 1999. Archiv s. Anm. 4)

8 Vgl. hierzu: Kiernan, Vincent: Paying by the Article. In: The Chronicle of Higher Education, 14. Aug. 1998. http://www.lib.umich.edu/libhome/peak/chronicle.htm

9 Vgl. hierzu: Karlowitsch, Martin: Article-per-view als Alternative zum klassischen Zeitschriftenabonnement? In: Bibliotheksdienst 33.(1999), S. 1299 - 1313


Stand: 26.11.99
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