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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 12, 99

Bibliothekarische Impressionen aus der "Goldenen Stadt" an der Moldau

Michaela Mautrich

Im Juli 1999 hatte ich die Möglichkeit, über das Austauschprogramm der Bibliothekarischen Auslandsstelle einen zweiwöchigen Fachaufenthalt nach Prag zu unternehmen. Mein Interesse galt dem Entwicklungsstand bzw. der Situation des Prager Bibliothekswesens und insbesondere der Arbeit mit neuer Technik, neuen Kommunikations- und Informationsmitteln sowie Arbeitsformen.

In der heißesten Zeit dieses Jahres besuchte ich in einem von Touristen nur so wimmelnden Prag ausgewählte Bibliotheken:

Neben diesen Bibliotheken konnte ich auch einen Blick in das Magazin der Hauptbibliothek der Akademie der Wissenschaften werfen, das am Rand von Prag liegt.

 

Hauptbibliothek der Akademie der Wissenschaften

Die Direktorin dieser Bibliothek und gleichzeitig Mitglied des tschechischen Bibliotheksrates, Frau Dr. Kadlecova, und der Leiter der Abteilung Automatisierung, Herr Dr. Vitek, begrüßten mich als erste. Sie waren es auch, die meinen Besuch organisierten und denen mein besonderer Dank gilt.

Die Hauptbibliothek der Akademie der Wissenschaften liegt mitten im Zentrum von Prag. Eingebettet in viele kulturelle Einrichtungen (z.B. direkt gegenüber die berühmte "Laterna Magika") erhebt sich das altehrwürdige Gebäude der Akademie der Wissenschaften. Das Gebäude wurde in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts für die Prager Sparkasse erbaut. Dementsprechend angelegt sind auch das Portal und die weiteren Räumlichkeiten.

Nach dem 2. Weltkrieg wurden dort Akademie und Hauptbibliothek untergebracht. Anfang der 90er-Jahre hatte die Leitung der Akademie ein Konzept zur originalgetreuen Rekonstruktion beschlossen, wonach u.a. die ehemalige Eingangshalle der Sparkasse derzeit zum Lesesaal umgebaut wird. Ich hatte Gelegenheit, diese Baustelle zu besichtigen. Die liebevolle, detailgetreue Herrichtung und die große, imposante Erscheinung des ehemaligen Kundendienstraumes sowie dieser herrliche Lichthof sind überwältigend.

Die Hauptbibliothek der Akademie der Wissenschaften, vornehmlich Präsenzbibliothek und zugänglich nur für wissenschaftliche Forschungen, wird in diesen historischen Räumlichkeiten sicher noch mehr Fachpublikum anlocken. Der Bestand von ca. 1 Mio. Bänden umfasst fast alle wissenschaftlichen Disziplinen. Er setzt sich zusammen aus den Sammlungen von:

sowie den Anschaffungen der heutigen Hauptbibliothek.

Besonderes Interesse besteht bei den Nutzern immer wieder in Bezug auf den ca. 24.000 Bände umfassenden Bestand alter Drucke, wobei seit 1967 jedoch keine alten Bücher (höchstens Nachdrucke) mehr gekauft werden konnten. In der Abteilung für Buchforschung werden vor allem Bücher zur Geschichte des Buchdrucks sowie verschiedenste Informationen für Forschungen zum 16. - 18. Jahrhunderts nachgefragt. Um diesen starken Bedarf zu befriedigen wurden beispielsweise zwei CD-ROMs produziert:

Die Akademie der Wissenschaften hat übrigens einen eigenen Verlag (Akademia-Verlag), über den alle Produkte vertrieben werden.

Bis Mitte der 90er-Jahre konnte durch Pflichtexemplarabgabe aller wissenschaftlichen Publikationen der Institute der Akademie ein lückenloser Bestandsnachweis geführt werden. Seit dies per Gesetzerlaß nicht mehr Pflicht ist, kann diesem Anspruch nicht Folge geleistet werden. Die beschränkten Buchanschaffungsmittel lassen einen lückenlosen Kauf dieser Publikationen nicht zu. Die Hauptbibliothek erhält jetzt nur ein Pflichtexemplar von Periodika, was das Bibliothekspersonal einhellig bedauert.

Die Hauptbibliothek der AdW ist, im Vergleich zu anderen Bibliotheken, relativ gut mit PCs ausgestattet. Neben anderen Arbeiten wird z.B. derzeit der Zettelkatalog sukzessive eingescannt und ist im Internet verfügbar. Zwar ist eine Schlagwortsuche nicht möglich, jedoch ist die Autorensuche (bezogen auf das Alphabet) recherchierbar. Die Verfügbarkeit im Netz ist zunächst ausschlaggebend. Sie wird nach Angaben der Mitarbeiter bereits rege genutzt, und zwar international.

Nationalbibliothek der tschechischen Republik

Mein nächster Weg führte in die Nationalbibliothek, die unmittelbar in der "Stare Mesto" (Altstadt) im wohl berühmtesten alten Gebäude im Zentrums Prag, dem Klementinum, untergebracht ist. Hier wird insbesondere die lange und reiche Geschichte der tschechischen Bibliotheken deutlich. Die vielen klerikalen und weltlichen Einflüsse haben einen großen historischen Buchbestand in Prag und natürlich im besonderen Maße in der Nationalbibliothek anwachsen lassen. Neben den Klöstern trugen insbesondere auch die Premysliten, wie z.B. Otokar II. und Wenzel II., und die Gründung der Prager Karlsuniversität durch Karl IV. zur Förderung eines starken Bibliothekswesens bei. Dies konnten auch nicht solche weitreichenden gesellschaftlichen Ereignisse wie die Husitenkriege, der 30-jährige Krieg, der mit dem berühmten Prager Fenstersturz begann, oder der österreichische Erbfolgekrieg (der sogenannte 7-jährige Krieg) verhindern.

Zurück zur Bibliothek. Das Klementinum blickt auf eine über 800-jährige Geschichte zurück. Nach der zunächst ausschließlich auf die Bildung von Jesuiten ausgerichteten Buchanschaffung spielten später zunehmend weltliche und astronomische Themen eine Rolle. Die Gründung der Karl-Ferdinand-Universität, wie der vollständige Name lautet, beförderte diese Entwicklung.

1781 wurde dann die Nationalbibliothek aus der Taufe gehoben.

Mit über 6 Mio. Bestandseinheiten zählt sie heute zu einer der größten und ältesten Bibliotheken der Tschechischen Republik. Als wissenschaftliche Bibliothek, die jedermann öffentlich zugänglich ist, bietet sie insbesondere für Studenten und Wissenschaftler ein breites thematisches Profil. Neben der Erstellung der Nationalbibliographie (auch retrospektiv) und der Beratungs- und Informationsdienste spielt sie eine große Rolle bei Koordinierungs- und Forschungsaufgaben verschiedenster Fachbereiche (einschließlich ausländischer Kontakte) sowie beim internationalen Leihverkehr.

Die Nationalbibliothek bietet ihren Benutzern mit zwanzig PCs den (bisher) kostenlosen Zugang zu Recherchen im Web. Diese Plätze sind natürlich stets umlagert, ihre Auslastung liegt bei 100% (ausgenommen die Ferien). Angenommen werden sie von allen Schichten der Bevölkerung.

Eines sollte man sich dort in keinem Fall entgehen lassen - den virtuellen Spaziergang durch das Klementinum (unter Geschichte). Eine Spezialität, der Barocksaal, ist äußerst beeindruckend. Er darf übrigens nur einmal im Jahr für ca. drei Tage von Besuchern betreten werden. Dazu reisen Menschen aus aller Welt an und stehen in langen Warteschlangen, um diesen einmaligen Raum zu besichtigen. Nur für mich öffnete sich extra der Barocksaal - ein faszinierender und überwältigender Blick in die Geschichte.

Übrigens, musikalische Leckerbissen bieten sich allabendlich in der Spiegelkapelle, die ebenfalls zum Klementinum gehört und von der Nationalbibliothek verwaltet wird. Hier finden die unterschiedlichsten Aufführungen statt.

 

Bibliothek des Nationalmuseums

Geht man im Zentrum vom Klementinum in südöstlicher Richtung, so trifft man unweigerlich auf den "Vaclavske namesti", den Wenzelsplatz. An dessen Ende steht, nicht zu übersehen, das Nationalmuseum. Und ebenfalls in diesem einladenden Gebäude ist die Bibliothek des Nationalmuseums untergebracht.

Das Nationalmuseum lockt mit seinen ständigen (z.B. Mineralienausstellung) und auch vorübergehenden Ausstellungen (z.B. über die historische Entwicklung des Klaviers). Alle diese Ausstellungen werden mehr oder weniger tiefgehend von Publikationen der Bibliotheksmitarbeiter begleitet.

Von den 500 Beschäftigten des Museums (die Bibliotheksmitarbeiter sind dem Museum unterstellt) sind 50 Mitarbeiter in der Bibliothek beschäftigt. Sie verwalten einen Buchbestand von etwa 3,6 Mio Büchern. Ca. 8.000 Bücher kommen jährlich per Kauf (also ohne Schenkungen) dazu. Dafür stehen 700.000 Kronen (= ca. 41.000 DM) zur Verfügung. Alle anderen Sachkosten sind mit 820.000 Kronen aus dem Ministerium zu begleichen. Das ist natürlich nicht viel, wenn man bedenkt, daß aus diesem Etat z.B. auch die Dienstreisen bezahlt werden. Dementsprechend sieht es auch mit der Computerausstattung und allen zu erwartenden Folgeleistungen nicht sehr rosig aus. Wenigstens gehen die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit aus dem Etat des Museumsfonds bzw. über Sponsorengelder.

Das Museum wurde 1818 gegründet und sein jetziger Platz ist bereits der dritte in seiner Geschichte. Genauso lange besteht die Bibliothek mit ihrem Auftrag, die Entwicklung des böhmischen Schrifttums und der Buchkultur zu dokumentieren. Gleichzeitig ist sie die Zentrale der Museumsbibliotheken in der Tschechischen Republik. Der Bestand der Bibliothek ist ausschließlich zur Präsenznutzung freigegeben. Eine Ausnahme bilden nur die Fachkanzleien des Museums, die für ihre Projektarbeit die Bücher ausleihen dürfen. Die Bibliothek des Nationalmuseums pflegt einen großen internationalen Austausch mit ca. 1000 Institutionen aus aller Welt. Innerhalb des eigenen Landes krankt sie aber wie andere Bibliotheken am veränderten Erlass zum Pflichtabgabeexemplar (keine Monographien). Bei der Zeitschriftenpflichtabgabe erhält sie jetzt nur noch 1 Exemplar.

Die Bibliothek des Nationalmuseums ist neben ihren anderen Aufgaben die Anlaufstelle für die Verfilmung alter Zeitschriften. Übrigens, für die Bindung von Zeitschriften stehen der Bibliothek ca. 9.000 DM pro Jahr zur Verfügung. Dementsprechend sind viele Bestände noch nicht für Forschungszwecke nutzbar.

 

Technische Staatsbibliothek

An der anderen Seite des Klementinums befindet sich die Technische Staatsbibliothek. Sie residiert als Gast der Nationalbibliothek in dem Gebäude. Da auch die Nationalbibliothek dringenden Platzbedarf hat, wurde vom Ministerium beschlossen, der Technischen Staatsbibliothek ein neues Gebäude in der Nähe des technologischen Campus der Universität zu errichten. Ca. 2 Mio Kronen Baukosten wurden dafür eingeplant. Die etwas angespannte Arbeitssituation wird sich dann sicher lockern.

Die Technische Staatsbibliothek der Tschechischen Republik ist eine der ältesten technischen Bibliotheken der Welt. 1718 gegründet, sammelt und verarbeitet sie einen sehr großen Spezialbestand aus technischen und naturwissenschaftlichen Gebieten der gesamten Welt. Als Mitglied im europäischen System zur Information über graue Literatur (SIGLE) und der europäischen Vereinigung für die graue Literatur (EAGLE) sammelt sie neben Monographien und Zeitschriften wissenschaftlich-technischen und naturwissenschaftlichen Inhalts auch Nachschlagewerke und Firmenschriften. Der Bestand umfasst derzeit ca. 1,5 Mio Medieneinheiten. Der jährliche Zugang der letzten Jahre betrug etwa 20.000 ME.

Die Technische Staatsbibliothek bietet ihren Benutzern Zugang zu einer ständig steigenden Zahl an elektronischen Dokumenten.

Im sogenannten Studierraum stehen 14 PCs mit CD-ROM- und Diskettenlaufwerken sowie Laser-Drucker zur Verfügung. Die Benutzer haben hier auch die Möglichkeit der Suche im Internet. I.d.R. darf eine Stunde gesurft werden. Neben dem großen Lesesaal (80 Plätze) für Präsenzstudium wird auch der Lesesaal für Referate-Zeitschriften und Firmenschriften intensiv genutzt. Der angebotene Kopierdienst ist kostenpflichtig. Automatisierte Bestellung aus dem elektronischen Katalog (der mit Mediennachweisen ab dem Jahr 1978 zur Verfügung steht) sowie Leihverkehr (für Benutzer im Inland bisher kostenlos, für Benutzer aus dem Ausland Pauschalgebühr) gehören neben dem "Current Contents"-Dienst und INVIK (integrierte virtuelle Bibliothek) ebenfalls zu den angebotenen Dienstleistungen für die ca. 29.000 registrierten Benutzer.

 

Bibliothek des Strahov-Klosters

Wunderbar gelegen am Hang des Petrin-Hügels (Laurentiusberg) erhebt sich das weiße Gebäude des Strahov-Klosters. Seit mehr als 850 Jahren haben das Bauwerk und mit ihm seine Bewohner viele Höhen und Tiefen erlebt. Als Ort der Pflege des Geistes ist es in die Geschichte Tschechiens eingegangen.

Die Strahover Bibliothek ist die zweitälteste kirchliche Bibliothek Böhmens. Ihr Bestand umfasst ca. 140.000 Bände, davon 2.000 Handschriften und 2.600 Erstdrucke. Hier lagern große Schätze. So ist z.B. ist die älteste Handschrift (das Strahover Evangelienbuch) aus dem Jahr 860.

Als wissenschaftliche Institution ist die Bibliothek allen Forschern zugänglich. Sie besitzt einen umfangreichen Katalognachweis, mehrere Studienräume und Magazine.

Zur Bibliothek gehören zwei wunderbare, berühmte Säle, die ich direkt besichtigen durfte (Besucher des Klosters konnten nur einen Blick durch die Tür werfen). Im sogenannten Theologischen Saal befinden sich ca. 16.000 Bände mit theologischer Literatur, eine Sammlung geografischer und astronomischer Globen aus dem 17.-19. Jahrhundert sowie Sammlungen juristischer, medizinischer und pharmazeutischer Literatur. Besonders beeindruckend ist auch das Kompilitationsrad, das der bekannte Denker und Theologe Hieronymus Hirnheim, der viele Jahre auch Abt des Klosters war, beschafft hat.

Der Philosophische Saal enthält neben wunderbaren Sehenswürdigkeiten wie z.B. einen Ausziehtisch aus dem 18. Jahrhundert, der gleichzeitig Stuhl und Leiter enthält, ca. 50.000 Bände aus vielen Wissensbereichen, beispielsweise Geschichte, Astronomie, Mathematik, Physik. Direkt vor diesem Saal befindet sich das Kuriositätenkabinett (Vorgänger des heutigen naturwissenschaftlich-historischen Museums) mit archäologischen Funden, naturwissenschaftlichen Sammlungen, Glas, Porzellan, Waffen usw.

Übrigens, der Abt Mayer, der nach Fertigstellung der Bibliothek für die Anschaffung neuer Bücherregale kein Geld hatte (das Problem gab es also schon um 1794!) erwarb vom aufgelösten Kloster in Louka Bücherschränke. Leider passten diese nicht in das Gebäude, daß daraufhin nochmals umgebaut (erhöht) werden musste.

Die Strahover Bibliothek ist eine wahre Fundgrube für historische Studien zu den unterschiedlichsten Wissensgebieten. Themenbezogene Recherchen und literarische Aufbereitungen zu bestimmten Forschungsthemen gehören zu den Aufgaben der Bibliotheksangestellten.

 

Land- und Forstwirtschaftliche Zentralbibliothek

In der Nähe des Platzes des Friedens und der dort stehenden Kirche der heiligen Ludmila befindet sich die Land- und Forstwirtschaftliche Zentralbibliothek. Als wissenschaftliche Bibliothek und gleichzeitig Nationalbibliothek für den Bereich Land- und Forstwirtschaft steht sie allen Interessierten offen. Von Beginn an, sie wurde 1926 gegründet, war die Bibliothek darauf ausgerichtet, die Zentrale für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft zu sein. Das beeinflusste in wesentlichem Maße ihre Erwerbungspolitik und die Entwicklung der Systematik. Der Gesamtbestand von ca. 1,1 Mio. Bände besteht überwiegend (zu 60%) aus Monographien. Zeitschriften, Firmenschriften, Forschungsberichte und Spezialbestände (Dissertationen, Reiseberichte, Bibliographien u.a.) nehmen den kleineren Teil des Bestandes ein. Über 40% des Bestandes kamen durch Schenkungen und Nachlässe von Persönlichkeiten aus der Landwirtschaft in die Bibliothek. Als eine der größten landwirtschaftlichen Bibliotheken der Welt wird sie von ca. 17.000 Personen regelmäßig genutzt und verzeichnet mehr als 100.000 Entleihungen pro Jahr. Trotz ihrer Unterbringung in einem älteren Gebäude (das sogenannte damalige Haus der landwirtschaftlichen Aufklärung) sind ihre Räumlichkeiten freundlich und hell. Die Bibliothek wurde in den letzten zehn Jahren Stück für Stück rekonstruiert. So erhielt sie beispielsweise zwei neue Studiensäle und eine entsprechende PC-Ausstattung (für Mitarbeiter und Benutzer). Von insgesamt 200 Mitarbeitern des Instituts für Landwirtschaft und Lebensmittel, dem sie angeschlossen ist, arbeiten 38 in der Bibliothek. Die vielen internationalen Kontakte, die die Bibliothek pflegt, ermöglichen die Mitarbeit in verschiedenen Projekten und führen zu ca. 800 Tauschexemplaren pro Jahr (in der Regel nur kostenlos, die Bibliothek bietet etliche eigene Publikationen). Der Bestand, den die Bibliothek nachweist, ist jedoch nicht nur auf den Standort Prag, sondern auf fünf andere Standorte in Tschechien verteilt. Wenn der vorgesehene Magazinausbau (ca. 20 km von Prag entfernt) abgeschlossen ist, werden diese fünf Standorte aufgelöst.

Die Zentralbibliothek ist ebenfalls am Leihverkehr beteiligt.

Die von der Nationalen Landwirtschaftlichen Bibliothek der USA jedes Jahr organisierten weltweiten "Round Table" zum Austausch von Trends und Informationen auf dem Gebiet landwirtschaftlicher Informatik und landwirtschaftlichem Bibliothekswesen gehören gleichfalls zu ihren vielfältigen Kontakten.

Aufgrund der steigenden Preise und der Verringerung der zur Verfügung stehenden Buchanschaffungsmittel sinkt in den letzten Jahren jedoch der Anteil der angebotenen ausländischen Literatur immer mehr.

 

Bibliothek des Naprstek-Museums

Unweit vom Klementinum in südlicher Richtung bzw. in unmittelbarer Nähe der Betlehem-Kapelle befindet sich das Naprstek-Museum. Das Museum verdankt seinen Namen Vojta Naprstek (1826-1894), Buchhändler und Bibliothekar, der dieses Kleinod Prags begründet hat. Während der Revolution 1848 verließ er Prag für zehn Jahre, die er in den Vereinigten Staaten von Amerika verbrachte. Zurückgekehrt nach Prag brachte er nicht nur technische Neuerungen, sondern auch ethnografische Expositionen und Gegenstände des täglichen Bedarfs mit. Er machte diese Dinge allen Menschen zugänglich und verfolgte damit die Öffnung Prags zu asiatischen, afrikanischen und amerikanischen Kulturen sowie den Anschub der gesellschaftlichen und der technischen Entwicklung. Er sammelte nicht nur Gegenstände, sondern auch Bücher, Zeitschriften, Postkarten, Drucke, historische Fotografien von Tschechen und ihren Familien, die ausgewandert waren, sowie Grammophon-Platten. Diese Materialien (über 62.000 verschiedene) werden heute in der Bibliothek des Napstek-Museums aufbewahrt und für Ausstellungen und Publikationen aufbereitet.

Die Entwicklung des Vojta Naprstek zum mildtätigen und die Volksbildung vorantreibenden Menschen wurde insbesondere von seiner Mutter befördert. Anna Fingerhutova (1788-1873), berühmte Inhaberin der Bier- und Branntweinbrauerei "U Halanku", war bekannt als wohltätige Frau und Mäzenin Prags. Ihre starke Persönlichkeit und ihre Vitalität verhalfen Anna Fingerhutova, die aus armseligen Verhältnissen stammte, zu einer der reichsten Frauen Prags aufzusteigen. Gleichwohl galt sie unter den Armen Prags als Frau, die den Bitten aller Notleidenden stets Gehör schenkte. Regelmäßig ließ sie Brot und Geld unter den Armen verteilen. Gleichzeitig bemühte sie sich auch um eine entsprechende Entwicklung der Bildung. Dank ihrer Bemühungen fanden regelmäßige Treffen des sogenannten amerikanischen Damenklubs statt. Ihr finanzielles Vermächtnis ermöglichte ihrem Sohn Vojta, das Naprstek-Museum zu gründen. Naprstek selbst sorgte dafür, dass die Gedanken und Ideen seiner Mutter weitergeführt wurden. In seinem Hause trafen sich regelmäßig führende tschechische Politiker, Wissenschaftler, Künstler, Literaten, Musiker und reisende Forscher.

Der Vermittlung dieses vielfältigen Bestandes hat sich nun die kleine Bibliothek des Naprstek-Museums verschrieben. Zu den unterschiedlichsten Themen werden Ausstellungen vorbereitet, Artikel oder Dokumentationen veröffentlicht (z.B. die Ausstellung zu Anna Fingerhutova und ihrem amerikanischen Damenklub). Die nichtöffentliche Bibliothek gilt als wahre Fundgrube unter Historikern der unterschiedlichsten Fachrichtungen.

 

Stadtbibliothek Prag

Schräg gegenüber der Technischen Staatsbibliothek, also ebenfalls im Herzen Prags, steht das monumentale Gebäude der Stadtbibliothek. Leider musste der geplante Besuch ausfallen, da aufgrund eines erheblichen Wasserschadens bis auf den Zeitschriftenlesesaal (gleich am Eingang des Gebäudes) die Bibliothek geschlossen werden musste.

Im Jahre 1891 mit 3.370 Büchern als Bibliothek für alle Prager Bürger eingerichtet, kann sie heute 2,25 Mio. Medieneinheiten nachweisen, die jährlich etwa 5,5 Mio. Ausleihen erbringen. Die verschiedensten Angebote der Hauptbibliothek und ihrer 57 Zweigstellen werden von 160.000 regelmäßigen Benutzern in Anspruch genommen.

Am Ende meiner interessanten Reise konnte ich mir noch das "Depository Jenstejn" (Magazin in Jenstejn) der Hauptbibliothek der Akademie der Wissenschaften ansehen (die meisten der großen Bibliotheken haben ihre Magazine im Speckgürtel Prags untergebracht). Etwa 20 km von der Akademie entfernt, liegen in dem Dorf Jenstejn drei alte Gehöfte, die zum Magazin umfunktioniert wurden. Zwei Magazinhelferinnen, ausgestattet mit Telefon, Computer, E-Mail, Scanner, stehen bereit, um entsprechende Literatur bzw. Auszüge/Kopien daraus den Wissenschaftlern schnell zur Verfügung zu stellen. Die hellen und freundlichen Räume des Magazins sind jedoch schneller belegt worden als geplant. Die Bibliothekare rechnen damit, dass die Räumlichkeiten nur noch für ca. 3 - 4 Jahre reichen werden. Eine Lösung des Problems ist noch nicht in Sicht.

Obwohl der Umgang mit Computern und auch dem Internet mittlerweile zur Normalität gehört, gibt es in Tschechien noch großen Nachholbedarf, insbesondere wegen der fehlenden Finanzen. Die größeren wissenschaftlichen Bibliotheken haben hier selbstverständlich bessere Möglichkeiten. Jedoch ist es oft der Eigeninitiative der Mitarbeiter zu verdanken, dass trotz technischer Probleme viele Angebote geschaffen bzw. erhalten werden.

Und noch etwas gibt zu denken: Die höchstmögliche Vergütung eines Bibliothekars beträgt ca. 930 DM/Monat, vorausgesetzt er hat 32 Jahre Praxis hinter sich und ist in der höchsten Gehaltsklasse (die Vergütung im öffentlichen Dienst ist in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zum Ministerium ein wenig unterschiedlich). Kleinere Prämien am Ende des Jahres sind, wenn Geld vorhanden ist, möglich. Wie mir leitende Bibliothekare mitteilten, muss jedoch mindestens die Hälfte des Gehaltes (der leitenden Mitarbeiter!) für Mietkosten aufgebracht werden.

Wer sich noch ein wenig mehr mit den besuchten Bibliotheken, der Tschechischen Republik und dem tschechischen Bibliothekswesen beschäftigen möchte, der kann dies tun unter:

Wie dargestellt haben die Prager Bibliotheken stark mit dem sinkenden Etat und/oder mit gestiegenen Buchpreisen zu kämpfen. Insbesondere ausländische Publikationen sind kaum mehr bezahlbar. Wer hier helfen kann (z.B. mit abzugebenden Dubletten), der sollte dies tun. Die tschechischen Kollegen werden dankbar sein.


Stand: 25.11.99
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