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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 11, 99

LIBER:
Grundsätze für den Abschluss von Bibliothekslizenzen für elektronische Zeitschriften:

Richtlinien und Checkliste für Bibliotheken

 

Die Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche (LIBER) hat auf ihrer Jahresversammlung 6. – 10. Juli 1999 in Prag die folgenden Lizenzierungsgrundsätze für elektronische Publikationen verabschiedet:

Gegenwärtige Situation

Möglichkeiten

Die Bibliotheken begrüßen die Entwicklungen, die durch Informationstechnologien ermöglicht werden, insbesondere die Zugangsmöglichkeiten zu elektronischen Informationen via Internet.

Sie sehen in dieser Entwicklung eine wichtige Chance,

Hindernisse

Präambel

Die Bibliotheken sind bereit, mit den Verlagen bei der Entwicklung elektronischer Publikationen zusammenzuarbeiten.

Der bibliothekarische Ansatz

LIBER möchte eine gemeinsame Politik definieren und einige allgemeine Prinzipien für europäische Universitäts-, Forschungs- und Nationalbibliotheken formulieren, um der Strategie der Verleger in Bezug auf den Zugang zu elektronischen Zeitschriften und Lizenzvereinbarungen zu begegnen:

I. Allgemeine Prinzipien

  1. Die Bibliotheken in Europa werden auf nationaler oder internationaler Ebene und in wechselnden Besetzungen als Konsortien / geschlossene Nutzergruppen mit den Verlegern und Zwischenhändlern verhandeln. Die Mitglieder der Konsortien werden nur mit den Verlegern bi- oder multilaterale Vereinbarungen abschließen, die diesen Prinzipien zustimmen.

  2. Die Konsortien/die geschlossenen Nutzergruppen haben zum Ziel, elektronischen Zugang zu den wissenschaftlichen Zeitschriften, die sie gegenwärtig beziehen, zu gewähren. Sie sind bereit, zu diesem Zweck Lizenzvereinbarungen mit den Verlagen abzuschließen.

  3. Priorität genießt der Erwerb digitaler Materialien, die die größtmögliche Einsparung erbringen, weil sie einer größtmöglichen Anzahl von Lehrkräften und Studenten zugute kommen.

  4. Die Bibliotheken beabsichtigen, so viele Abonnements (in gedruckter und/ oder elektronischer Form) wie möglich aufrechtzuerhalten, werden jedoch ab sofort keine Nichtstornierungs-Klauseln oder ähnliche Bedingungen mehr akzeptieren.

II. Zugang und Benutzung

  1. Die Bibliotheken sollten in der Lage sein, ihren Studenten, Dozenten und weiteren Mitarbeitern, unabhängig von deren Standort, sowie anderen regulären und registrierten Nutzern auf ihrem Gelände Zugang zu gewährleisten.

  2. Lizenzen sollten den "fairen Gebrauch" aller Informationen für nichtkommerzielle, Bildungs-, Lehr- und wissenschaftliche Zwecke durch alle autorisierten Nutzer zulassen, inklusive uneingeschränkter Lesemöglichkeiten, Downloading und Drucken, soweit sie im Einklang mit den Vorgaben des gültigen Urheberrechts sind.

  3. Bibliotheken sollten die Erlaubnis erhalten, im Rahmen des "fairen Gebrauchs" und der rechtlichen Bestimmungen Papier-, Fax- oder E-Mail-Kopien der vom Verlag gelieferten Daten für nichtkommerzielle Fernleihzwecke zu erstellen. Sie sind bereit, gesonderte Bedingungen für die Fernleihe elektronischer Informationen zu diskutieren.

  4. Die Bibliotheken werden Externen Nutzern keinen offenen Zugang zu von den Verlagen gelieferten Volltextmaterialien anbieten.

  5. Die Lizenzvereinbarung sollte Dauerrechte an einmal bezahlten Informationen beinhalten, inklusive Rückerstattungen für Zeitschriften, die ursprünglich in der Vereinbarung aufgenommen waren, jedoch nachträglich herausgenommen wurden. Eine Kopie der Datei kann vom Lizenznehmer zu Archivierungszwecken und zur fortwährenden Nutzung behalten werden.

III. Speicherung, Formate und Integration

  1. Die Verlage werden gebeten, die elektronischen Dateien der Zeitschriftenartikel/Zeitschriften im Volltext zu liefern, die die Konsortialbibliotheken abonniert haben. Die Daten werden je nach Präferenz der einzelnen Bibliotheken gespeichert: lokal, verteilt auf Server der Konsortialpartner, auf einem durch die Konsortialpartner bestimmten Zentralserver, auf einem Verlagsserver oder durch eine Kombination der genannten Möglichkeiten.

  2. Der lizenzierte Inhalt sollte von allen aktuell unterstützten Betriebssystemen und Netzwerkumgebungen aus zugänglich sein; dieser Zugang soll auf gültigen Standards, wie sie von Bibliotheken benutzt werden, basieren (z.B. Z39.50).

  3. Die elektronischen Daten (bibliographische Daten, Abstracts und Volltext) sollten in Formaten, z. B. real PDF, HTML oder SGML, je nach Präferenz der Bibliotheken, geliefert werden.

  4. Lizenzen sollten das Recht der Bibliotheken, Daten in ihre lokalen Infrastrukturen und Informationsdienste zu integrieren, nicht beschränken.

  5. Die Bibliotheken lehnen proprietäre Lösungen von Verlagen oder Zwischenhändler ab. Sie legen Wert auf eine Unterscheidung von Inhalt und Präsentation, eine Trennung von Daten und Anwendungen, um die Möglichkeiten der Integration von elektronischen Daten in bestehenden Bibliotheksdiensten zentral und lokal voll nutzen zu können.

IV. Dienste und Kosten

  1. Die Bibliotheken erwarten von den Verlagen und Zwischenhändlern, dass sie die bibliographischen Daten und Abstracts der von ihnen abonnierten Zeitschriften den Bibliotheken/dem Konsortium/der geschlossenen Nutzergruppe in elektronischen Form liefern.

    Im Informationszeitalter kann die elektronische Lieferung als ein integraler Bestandteil regulärer Zeitschriftenabonnements/elektronischer Lizenzen angesehen werden. Diese Daten sollten prinzipiell ohne Zusatzkosten zur Verfügung gestellt werden.

  2. Die elektronischen Daten (bibliographischen Daten, Abstracts und Volltext) sollten vorzugsweise vor der Printversion, zumindest jedoch zeitgleich mit dieser verfügbar gemacht werden.

  3. Für den Fall, dass elektronische Dateien zusätzlich zur Printversion benötigt werden, sind die Konsortiumsmitglieder bereit, eine geringfügige zusätzliche Gebühr für die elektronische Datei der von ihnen abonnierten Zeitschriften zu bezahlen, wenn die elektronische Version Information ein Mehrwert gegenüber der gedruckten Version erhält.

  4. Sollten Bibliotheken nur die elektronische Lizenz unter Aufgabe ihres Abonnements der Printversion wünschen, so sollte der Preis 80% der Kosten für die Printversion nicht überschreiten.

  5. Über die Vereinbarungen über elektronische Lizenzierung hinaus sind die Konsortialbibliotheken/die Bibliotheken der geschlossenen Nutzergruppe bereit, mögliche Dienstleistungen zu diskutieren, wie z.B.

V. Nutzungsinformationen

  1. Anonymität individueller Benutzer sowie die Vertraulichkeit ihrer Suche muss in vollem Umfang gewährleistet sein.

  2. Es ist zwingend notwendig, dass die mit den Verlagen abgeschlossene Lizenzvereinbarung den einzelnen Bibliotheken das Recht und die Möglichkeit garantiert, Benutzungshäufigkeiten aufzeichnen und die für die Sammlungsentwicklung relevanten Managementinformation sammeln zu können.

  3. Die Bibliotheken erklären sich bereit, diese Managementinformationen auf globaler Ebene mit den Verlagen auszutauschen.

VI. Sonstiges

  1. Eine Lizenzvereinbarung sollte den Verlag verpflichten, die Bibliotheken zu verteidigen und zu entschädigen, sie nicht haftbar zu halten für Verfahren, die auf der Anklage beruhen, dass die Nutzung einer Quelle in Übereinstimmung mit der Lizenz in die Patent- oder Urheberrechte Dritter eingreift.

  2. Lizenzvereinbarungen, die auf diesen Konsortialprinzipien beruhen, sollten durch entsprechendes nationales Recht geregelt werden.


Stand: 4.11.99
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