Publikationen Hierarchiestufe höher Vorherige Seite

BIBLIOTHEKSDIENST Heft 11, 99

Kann der subito.1-Lieferdienst den Leihverkehr in Teilen ablösen?

Klaus Franken

 

Seit es verschiedene Dokumentlieferdienste – beispielsweise subito.1, JASON, GBVdirekt – gibt, taucht gelegentlich die Frage auf, ob durch diese Dienste Teile der klassischen Fernleihe abgelöst werden könnten. Diese Frage wurde bisher in der bibliothekarischen Öffentlichkeit eher am Rande diskutiert, in schriftlicher Form so gut wie gar nicht, sieht man von dem Beitrag von Dugall (Vom Leihverkehr zur Dokumentlieferung: Strukturen und Strategien, in: ABI-Technik 1997, S.129 ff) einmal ab. Es erscheint dem Verfasser dieses Beitrages zwingend notwendig zu sein, die Diskussion über das Verhältnis von konventioneller Fernleihe auf Zeitschriftenaufsätze zu sonstigen Dokumentlieferdiensten, speziell zu subito.1, öffentlich zu führen. Trotz seiner Einbindung in das subito-Projekt durch die Mitarbeit in verschiedenen Arbeitsgruppen stellen die nachfolgenden Ausführungen seine persönliche Ansicht dar.

In dem Beitrag soll im ersten Schritt die Frage behandelt werden, warum die Fernleihe zumindest partiell durch Dokumentlieferdienste ersetzt werden sollte. Im zweiten Schritt wird ein Weg dargelegt, wie durch den Dokumentlieferdienst subito.1 der Leihverkehr bezüglich der Zeitschriftenaufsätze größtenteils übernommen werden könnte. Zu JASON und GBVdirekt als Alternativen zur Fernleihe auf Zeitschriftenaufsätze kann und will der Verfasser mangels Detailkenntnissen nichts sagen. Der Beitrag geht davon aus, dass die jetzige Fernleihe auf Zeitschriftenaufsätze in einem gewissen Umfang, der allerdings derzeit nicht sicher quantifiziert werden kann und soll, erhalten bleiben wird. Es wird auch künftig vorkommen, dass Benutzer die direkten Dokumentlieferdienste, bei denen sie mit einer von ihnen ausgewählten Lieferbibliothek eine direkte Beziehung eingehen, nicht nutzen können oder wollen. Es soll ebenfalls vermieden werden, dass durch staatliche Regelungen die klassische Fernleihe abgeschafft oder durch eine unverhältnismäßige Gebührenerhöhung faktisch nicht mehr benutzt werden kann.

1. Warum sollte die Fernleihe auf Aufsatzkopien durch Dokumentlieferdienste ersetzt werden?

Die Fernleihe auf Aufsatzkopien ist ein Gemeinschaftsunternehmen der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken, um lokale Bestandsdefizite auszugleichen. Sie beruht auf dem Gedanken der Solidarität der Bibliotheken. Solidarität bedeutet, dass jede Bibliothek, die im Interesse ihrer Klientel die anderen Bibliotheken beansprucht, mit ihrem eigenen Bestand ebenfalls einspringt. Daraus entstand im Laufe der Jahre ein Versorgungsnetz, an dem inzwischen über 200 große und kleinere Bibliotheken als Lieferbibliotheken teilnehmen. Unter Berücksichtigung der Nachweissituation (die ZDB wurde erst aufgebaut) und unter der Zielvorstellung, dass die Lasten auf alle Bibliotheken möglichst gleichmäßig verteilt werden sollten, musste die Fernleihe organisiert werden. Dies geschah mit Hilfe der Leihverkehrsordnung (LVO). Die LVO wurde im Laufe der Zeit an veränderte Rahmenbedingungen angepasst, sie regelte fast immer das, was sich in der Realität bereits ergeben hatte.

Wenn man die Fernleihe mit Qualitätsmerkmalen versieht, so wie dies subito.1 verlangt, so sähe sie im Vergleich folgendermaßen aus:

 

Qualitätsmerkmale

Fernleihe auf Aufsatzkopien

subito.1

Form der Bestellung / des Auftrages

Formular ausfüllen, zumeist noch konventionell, teilweise maschinenlesbar

maschinenlesbares Formular ausfüllen, Zeitschriftentitel in der ZDB recherchieren, Lieferbibliothek auswählen, Bestellung per E-Mail absenden

Gebühr/Entgelt

Bei Auftragsaufgabe wird bezahlt oder das Konto belastet, Zahlung unabhängig vom Erfolg

Bei Auftragsaufgabe keine Bezahlung, Bezahlung nur bei erfolgreicher Bearbeitung / Lieferung

Bearbeitungszeit

Schnellstmöglich bei nehmender wie gebender Bibliothek

Normalfall 72 Stunden bzw. Eilfall 24 Stunden

Ausgewählte Lieferbibliothek kann nicht liefern

Lieferbibliothek schickt den Auftrag weiter, keine Rückinformation an die nehmende Bibliothek oder den Benutzer

Rückmeldung an Auftraggeber innerhalb der vom Benutzer gewählten Bearbeitungszeit

Form des Aufsatzes

Papierkopie / Fax

Elektronische Form / Papierkopie / Fax

Lieferadresse

Nehmende Bibliothek, die dann an den Benutzer weiterschickt oder ihn informiert, dass er abholen kann

Direkt an Auftraggeber per E-Mail / ftp / Post / Fax


Vergleicht man die Dienstleistungsmerkmale von Fernleihe und subito.1, so ist die Stärke der Fernleihe darin zu sehen, dass sich ein Benutzer lediglich um das korrekte Ausfüllen der Bestellscheine und die Bezahlung der Gebühr kümmern muss; alles andere wird von "seiner" Bibliothek erledigt.

Er muss warten, bis die beteiligten Bibliotheken (die nehmende und eine oder mehrere gebende) den Auftrag erledigt haben oder die endgültige Rückmeldung eintrifft, dass der Auftrag nicht erledigt werden kann. Für den Benutzer ist das Fernleihsystem eine "Black Box", in die Prozesse kann er nach Aufgabe der Bestellung faktisch nicht mehr eingreifen. Diese Dienstleistung ist geeignet für Auftraggeber, denen es nicht sonderlich auf die Erledigungsdauer ankommt. Die Zahl dieser Benutzer dürfte eher die Ausnahme sein, denn in frühen Untersuchungen gaben über 40% Benutzer an, dass die Fernleihlieferungen bei ihnen zu spät angekommen seien (Schwarz, Detlef: Ortsleihe und Fernleihe. In: Benutzerverhalten an deutschen Hochschulbibliotheken. Hrsg. Karl Wilhelm Neubauer. 1979, S.365). Jahre später waren die Lieferzeiten nicht besser geworden, so dass man schließen kann, dass auch die Benutzer nicht zufriedener geworden sind.

Bei subito.1 sind die wesentlichen Leistungsmerkmale garantiert: das beginnt damit, dass der Auftrag innerhalb festgelegter Fristen von der Lieferbibliothek entweder bearbeitet und damit erfüllt wird oder der Auftraggeber die Rückmeldung erhält, dass nicht geliefert werden kann oder die Bearbeitungsfrist verstrichen ist. Der Auftraggeber legt die Lieferform fest (Papierkopie / Fax / elektronische Form). Er gibt die Bearbeitungszeit vor. Er gibt vor, an welche Adresse geliefert werden soll. Er zahlt erst bei erfolgreicher Lieferung. In Abhängigkeit von der konkreten Bestellung kann der Benutzer von Auftrag zu Auftrag andere Vorgaben zu Bearbeitungszeit, Lieferform usw. aus einem Angebot wählen, die die Lieferbibliotheken zu beachten haben.

Der wesentliche Unterschied, in eine Kurzform gebracht, zwischen Fernleihe und subito.1 ist der, dass bei der Fernleihe ein "Bemühen" der beteiligten Bibliotheken geschuldet wird, bei subito.1 ein "Ergebnis". Schlechtleistungen bei der Fernleihe ziehen keinerlei Sanktionen nach sich, außer dass im Kreise der kundigen Mitarbeiter sehr wohl nach "schnellen" und "langsamen" Lieferbibliotheken unterschieden, dies jedoch nicht öffentlich gemacht wird.

Es liegt wohl auf der Hand, dass Benutzer eher an einem Ergebnis in angemessener Zeit interessiert sind, als an dem Bemühen um ein Ergebnis.

Die organisatorischen Voraussetzungen von subito.1 für eine schnelle Erledigung der eingegangenen Aufträge sind ungleich besser als bei der Fernleihe. Dies hängt keineswegs allein vom Grad der Automatisierung ab, sondern vielmehr damit zusammen, worauf auch Dugall hinweist, dass es bei subito.1 eine direkte Beziehung zwischen Auftraggeber und Lieferbibliothek gibt. Es gibt bei subito.1 nur wenige Personen, die sich mit der Erledigung eines einzelnen Vorganges befassen. Im günstigsten Fall wird in der Lieferbibliothek nur eine einzige Person eingesetzt, die einen bestimmten Auftrag komplett bearbeitet. Abgesehen davon, geht es aber noch um etwas anderes.

Keine subito.1-Lieferbibliothek kann es sich leisten, ihre Auftraggeber/Benutzer durch Schlechtleistung zu vergraulen. Ein subito.1-Benutzer ist aus Sicht der Lieferbibliothek so etwas wie ein Ortsbenutzer, der nur etwas weiter weg wohnt. Er gehört zur direkten Kundschaft. Eine gebende Bibliothek im Rahmen der Fernleihe hat einen anderen Status, es sind Kollegen, denen man bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, basierend auf dem Gegenseitigkeitsprinzip, hilft. Wenn man dabei als Lieferbibliothek jedoch säumig ist und der Benutzer deshalb ungehalten wird, so trifft dies nicht die Lieferbibliothek, sondern die nehmende Bibliothek. Der Anreiz für Lieferbibliotheken der Fernleihe, gut zu sein, liegt eher im Bereich des beruflichen Ethos, Sanktionen für Säumnis gibt es ebensowenig wie Anreize. Wenn eine Lieferbibliothek, also eine gebende Bibliothek, bei der Fernleihe gut ist, dann kassieren trotzdem nur die nehmenden Bibliotheken das Lob und die Fernleihgebühr (auch wenn sie sie abführen müssen), die gebende Bibliothek geht leer aus. Bei lokalen Engpässen dürfte wohl die Mehrzahl der Bibliotheken ihre eigene Ortsleihe gegenüber der Fernleihe bevorzugen, bei parallel angebotenen Verfahren der klassischen Fernleihe und Dokumentlieferung werden die bevorzugt, die der Lieferbibliothek Geld einbringen, um die mit der Auftragserledigung angefallenen Kosten wenigstens teilweise abzudecken und die Kunden, die Direktbesteller sind, nicht zu vergraulen.

Als Ergebnis soll festgehalten werden: Solange die Fernleihe ihre bisherige Struktur beibehält, wird auch eine forcierte Automatisierung die grundsätzlichen Mängel nicht beheben können, allenfalls etwas mindern. Erst dann, wenn in der Fernleihe der Inhalt der Dienstleistung in den Vordergrund tritt und nicht die bibliothekarische Organisation, kann sich etwas ändern. Dazu müssten Leistungsmerkmale für die Fernleihe definiert und beschlossen werden; die Einhaltung der Leistungsmerkmale müsste überwacht werden und man müsste sich Anreizmechanismen zur Gewinnung und Förderung guter Lieferbibliotheken bzw. Sanktionsmechanismen ausdenken, um ggf. eine nicht leistungsfähige oder –willige Bibliothek auszuschließen.

 

2. subito.1 als (Teil-) Alternative zur Fernleihe auf Aufsätze

Es lässt sich aus den Erfahrungen der Pilotphase von subito.1 herleiten, dass subito.1 die Voraussetzungen erfüllt, um den Leihverkehr in Teilen abzulösen. Im Folgenden wird, entsprechend dem Funktionskonzept von subito.1, nur der Teil des Leihverkehrs beurteilt, der sich auf nicht rückgabepflichtige Dokumente (Aufsatzkopien) bezieht.

Um zu einer fundierten Beurteilung zu kommen, sollen quantitative Aspekte des Leihverkehrs sowie Kostenaspekte betrachtet werden.

Quantitäten

Laut DBI-Statistik wurden 1997 in der gebenden Fernleihe (das ist die Sicht der Lieferbibliotheken) rund 1.850.000 Aufträge auf Zeitschriftenaufsatzkopien erfüllt. Demgegenüber steht eine für 1999 zu erwartende Menge von etwa 250.000 Aufträgen bei subito.1. subito.1 könnte dann den Leihverkehr größtenteils ablösen, wenn es gelänge, den größeren Teil der 1,85 Mio. Aufsatzbestellungen zu subito.1 herüberzuziehen.

Ein vollständiger Ersatz der Fernleihe durch subito.1 ist weder erreichbar noch anzustreben, weil es immer Bestellungen auf Zeitschriftenaufsätze geben dürfte, die sich nicht durch subito.1 erledigen lassen und weil man die Benutzer nicht durch Vorschriften zum einen oder anderen Verfahren "zwingen" sollte. Stattdessen soll die Konkurrenz der Dienste entscheiden, welcher sich durchsetzt.

Die Gesamtmenge von 1,85 Mio. Aufsatzbestellungen in der Fernleihe wird - lt. Auszählung der DBI-Statistik 1997 - von insgesamt 215 beteiligten Bibliotheken (Nationalbibliotheken, zentrale Fachbibliotheken, Regionalbibliotheken, Universitäts- und Fachhochschulbibliotheken) erledigt.

Zwei Drittel der Gesamtmenge (1.235.000) konzentrieren sich jedoch auf 18 große Bibliotheken, von denen jede über 20.000 Bestellungen je Jahr erfüllt, wobei hiervon wiederum die Nationalbibliotheken und die zentralen Fachbibliotheken die Masse des Umsatzes erbringen. Es ist zu vermuten, dass von dem verbleibenden Drittel ein nicht unbeträchtlicher Teil von diesen 18 Bibliotheken ebenfalls erledigt werden könnte, wenn sie als Lieferant von den nehmenden Bibliotheken angegangen würden. Dass dies derzeit nicht geschieht, ist u.a. auf Grundprinzipien der Fernleihe zurückzuführen (Regionalisierung, Belastungsverteilung).

Wenn als Ziel verfolgt wird, die Zahl der Leihverkehrsbestellungen auf Aufsätze zu reduzieren und stattdessen die zugrunde liegenden Benutzerwünsche im Verfahren subito.1 zu erledigen, so setzt dies voraus, daß diejenigen Bibliotheken, die derzeit die Aufgaben von nehmenden Bibliotheken erfüllen, grundsätzlich bereit sind, ihre Funktion als Mittler zwischen Endnutzern und Lieferbibliotheken aufzugeben. Diese Bereitschaft besteht derzeit nicht, sondern stattdessen versuchen einige Bibliotheken (z.B. UB Mainz, UB Heidelberg) subito.1 für Zwecke ihrer nehmenden Fernleihe zu instrumentalisieren. Sie benutzen subito.1 zur Erledigung der an sie als nehmende Bibliothek von ihren Benutzern gegebenen Fernleihwünsche und kassieren von ihren Benutzern die Fernleihgebühr und einen Zuschlag, so dass der Auftraggeber bis zu DM 9.- je aufgegebenen Auftrag zahlen muss. Dieser Weg ist nicht im Sinne des subito-Projektes, das eine direkte Verbindung zwischen Endnutzer und Lieferbibliothek vorsieht. Es sind auch Zweifel angebracht, ob Benutzer fair behandelt werden, wenn man ihnen die Alternative zwischen Fernleihe und vermitteltem subito.1 anbietet, statt sie in den Stand zu bringen, selbst für DM 5.- direkt zu bestellen.

Erforderlich ist die Abkehr der Bibliotheken von der Vorstellung, daß die nehmende Fernleihe eine prinzipiell erhaltenswerte Dienstleistung ist. Dies erfordert ein Umdenken im Selbstverständnis aus folgenden Gründen: Die nehmende Fernleihe gehört zu den unmittelbar benutzerbezogenen Dienstleistungen einer jeden Bibliothek. Mit ihr werden lokale Bestandsdefizite kompensiert. Aus diesem Grund bemühen sich nehmende Bibliotheken intensiv darum, Literaturwünsche ihrer Klientel schnellstmöglich zu erfüllen. Sie investieren deshalb in die Arbeitsvorgänge der nehmenden Fernleihe Personal in nicht geringem Umfang, vor allem für das Bibliographieren der eingegangenen Benutzerwünsche, die fachkundige Auswahl geeigneter Lieferbibliotheken unter (möglichster) Beachtung der LVO, die Überwachung der Laufzeit der Bestellungen (soweit dies überhaupt möglich ist), die Verwaltung der Bestellungen und die Übermittlung der eingegangenen Lieferungen an den auftraggebenden Benutzer. Eine leistungsfähige nehmende Fernleihe, Mitarbeiter, die sich engagiert für die Klientel ihrer Bibliothek einsetzen, tragen zum Ansehen der Bibliothek erheblich bei.

Die Bibliotheken müssten bereit sein zu akzeptieren, daß bei Dokumentlieferdiensten, die von Benutzern selbständig beansprucht und gehandhabt werden können, die Bibliotheken ihre Vermittlerrolle aufgeben können.

subito.1 kann also nur dann die Fernleihe ersetzen, wenn die Bibliotheken bereit sind, die nehmende Fernleihe teilweise aufzugeben und stattdessen bei ihren Benutzern dafür werben, diese mögen selbständig und direkt mithilfe der subito.1-Prozeduren bei Lieferbibliotheken bestellen. Eine solche Änderung schließt nicht aus, dass die Bibliotheken ihren Benutzern bei der Benutzung von subito.1 helfen, allerdings nur mit allgemeiner Schulung oder Einzelfallhilfe und kostenfrei.

Der andere Weg ist der, dass die Endnutzer sich von selbst von der nehmenden Fernleihe abwenden, das Dienstangebot der nehmenden Bibliotheken nicht mehr beanspruchen, sondern Direktlieferdienste nutzen. Wenn dies erreicht werden kann, so geht die nehmende Fernleihe in ihrer Bedeutung zurück bis auf gewisse Restmengen. Die jüngeren Zahlen über das Bestellaufkommen in der Fernleihe zeigen offensichtlich an, dass das Bestellaufkommen stagniert bzw. teilweise zurückgeht. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob der Rückgang vor allem auf erhöhte Gebühren zurückzuführen ist, so z.B. in Baden-Württemberg seit 1.1.1998, oder ob sich Benutzer bereits den Dokumentlieferdiensten zugewandt haben, vgl. dazu: <http://www.bsz-bw.de/wwwroot/text/zkdial23.html#F>.

Preisaspekte

Fernleihe und subito.1 haben eine völlig unterschiedliche Preisstruktur. Zunächst gilt für beide Dienste, dass sie - zumindest bezogen auf die Nutzergruppe 1 (Universitätsangehörige, Privatpersonen usw.) - nicht kostende-
ckend erbracht werden können.

Gebende Bibliothek / Lieferbibliothek

Bei der Fernleihe erhält die nehmende Bibliothek die Gebühr, die je nach Bundesland zwischen DM 1,- und DM 3,- schwankt. Damit kann die nehmende Bibliothek einen Teil ihres Verwaltungsaufwandes abdecken. Die gebenden Bibliotheken müssen jedoch die bei ihnen anfallenden Kosten in vollem Umfang allein tragen. Je leistungsfähiger und umsatzstärker eine Lieferbibliothek und je geringer ihr Aufkommen in der nehmenden Fernleihe ist, umso mehr zahlt sie auf jede Fernleihlieferung an andere Bibliotheken und deren Benutzer drauf.

Bei subito.1 kommt das volle Entgelt in Höhe von DM 5,- (Normalfall) der Lieferbibliothek zugute, die auch den gesamten Aufwand zu tragen hat. Gegenüber der Fernleihe stellt sich die Lieferbibliothek damit deutlich besser. Folglich müssen die Lieferbibliotheken daran interessiert sein, die gebende Fernleihe aufzugeben und stattdessen nur subito.1-Aufträge zu bedienen. Sie könnten auch die Bearbeitung von Fernleihbestellungen, die sie von nehmenden Bibliotheken erhalten, gegenüber Bestellungen in der Dokumentlieferung so hintanstellen, daß die Zahl der Bestellungen wegen schlechter Lieferung sinkt. Verhält sich eine Lieferbibliothek bewußt in dieser Weise, so verstößt sie damit gegen die dem Leihverkehrssystem zugrunde liegenden Regeln der Solidarität.

Nehmende Bibliothek

Gibt eine Bibliothek die nehmende Fernleihe als Angebot tendenziell auf, so ergeben sich Folgeprobleme. Die Mehrzahl aller Bibliotheken muss über Gebühren Einnahmen erzielen. Zu diesen Gebühren zählen auch die Fernleihgebühren. Entfallen diese, so hat die Bibliothek ein Einnahmedefizit gegenüber dem Einnahme-Soll mit der Folge, dass sie die Deckungslücke aus denjenigen Mitteln schließen muss, die ihr für Literatur, Sachausgaben usw. zugewiesen sind. Dieses Problem lässt sich nur durch Verhandlungen mit den Unterhaltsträgern lösen, die bei sinkenden Einnahmen aus Gebühren auch das Einnahme-Soll senken müssen.

Wenn eine Bibliothek die nehmende Fernleihe tendenziell einstellt, so setzt sie damit Personalkapazität in mehreren Bereichen frei (z.B. Beratung bei der Aufgabe von Bestellungen, Bibliographierdienst, Verwaltung der Bestellungen). Diese freiwerdende Kapazität kann sie in andere Dienstleistungen investieren, z.B. in die subito.1-Beratung oder in die Erledigung von subito.1-Aufträgen, sofern diese Bibliothek zugleich subito.1-Lieferbibliothek ist, oder an anderer Stelle. Der Umstand, dass Mitarbeiter, die derzeit in der nehmenden Fernleihe eingesetzt werden, nicht ohne weiteres andere Aufgaben übernehmen können, spricht nicht gegen die Einstellung der nehmenden Fernleihe; es ist ein normaler Vorgang, dass sich Aufgaben verändern, entfallen und neue Aufgaben entstehen mit der Folge, dass personell umorganisiert werden muss.

Empfehlungen

  1. Die Bibliotheken, die die nehmende Fernleihe als Dienstleistung für ihre Benutzer anbieten, sollten sich dahingehend verständigen, dass sie bei ihren Benutzern dafür werben, dass diese Benutzer für Aufsatzbestellungen vorzugsweise subito.1 in Anspruch nehmen.
  2. Die subito.1-Lieferbibliotheken werben direkt bei den Endnutzern um Aufträge, indem sie die Leistungsfähigkeit von subito.1 allgemein sowie ihre individuelle Leistungsfähigkeit anbieten.
  3. Es unterbleiben für längere Zeit alle Versuche, die Fernleihe und subito zu integrieren. Beides sind strukturell unterschiedliche Dienste, die voneinander getrennt bleiben sollen.
  4. Die Zahl der Lieferbibliotheken für subito.1 bleibt beschränkt auf eine kleinere Zahl hochleistungsfähiger Bibliotheken, die sich Maßnahmen zur Qualitätssicherung unterwerfen.
  5. Es werden keinerlei Regelungen in regionaler und sonstiger Hinsicht getroffen. Der Grundsatz, dass der Auftraggeber entscheidet, von welcher Bibliothek er beliefert werden will, hat hohe Priorität.
  6. Die Deregulierung bezieht sich auch auf die Transparenz. Das gilt in geringerem Umfang für subito.1, ist aber für subito.3 (Direktbestellung und -lieferung von Monographien) noch viel wichtiger, weil es hier auf den schnellen Transport zum Benutzer ankommt. Da dieser die Transportkosten zahlt, steht bei subito.3 nicht die Einsparung von Transportkosten im Vordergrund, sondern die Schnelligkeit, mit der er beliefert wird.


Stand: 4.11.99
Seitenanfang