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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 10, 99

Stichprobenrevision am Freihandbestand der Universitätsbibliothek Dortmund

Mechthild Berkenberg, Andreas Christmann, Kurt Schröder

 

1. Einleitung

Ausgelöst wurde diese Untersuchung durch eine Anfrage der lokalen Studenten-Zeitung, ob die Benutzungsabteilung der UB Dortmund Zahlen zum Anteil vermisster Bücher nennen könne. Eine Vollerhebung, die diese Zahlen liefern könnte, ist bisher nicht durchgeführt worden. Gesamtbestandsrevisionen sind bekanntlich zeitaufwendig und personalintensiv. Bei einer Gesamtzahl von über 780.000 Bänden in der Zentralbibliothek ist es selbstverständlich, dass einzelne Bände vermisst werden und nicht an ihrem korrekten Platz im Regal stehen. Hierfür gibt es mehrere Ursachen. Zum Beispiel kann es geschehen, dass Benutzer Bände in anderen Regalreihen oder unter anderen Signaturen zurückstellen.

Bei der großen Anzahl von Bänden in der UB ist eine exakte Ermittlung des Anteils vermisster Bände jedoch selbst bei einer Vollerhebung praktisch kaum durchführbar. Um auf die eingangs gestellte Frage eine befriedigende Antwort zu finden, wurde nach eingehender Beratung mit dem Statistischen Beratungszentrum am hiesigen Fachbereich Statistik als Untersuchungsmethode die sogenannte "Stichprobenrevision" ausgewählt. Diese Methode war mit "Bordmitteln" durchführbar und sollte mit vertretbarem zeitlichen und finanziellen Aufwand hinreichend genaue Ergebnisse liefern.

Untersucht wurde der ausleihbare Monographienbestand der Zentralbibliothek (nicht Zeitschriftenbände und Lehrbuchsammlung). Als Schichten ("geschichtete Zufallsauswahl" – vgl. hierzu Ausführungen im Anhang) wurden die einzelnen Signaturen verwendet. Aus diesen wiederum wurden per Computer-Programm Zufallsstichproben gezogen.

2. Praktische Durchführung

Der anfängliche Gedanke, den größtmöglichen Teil der Stichprobenrevision am PC, d. h., am Schreibtisch im eigenen Büro zu erledigen, wurde schnell aufgegeben, weil die Eingabearbeit am PC sich als recht zeitaufwendig und überdies als doppelte Arbeit erwies, da der Großteil des Bestandes laut Ausleihsystem "nicht entliehen" war und ohnehin am Standort kontrolliert werden musste.

Als praktikables Verfahren stellte sich das folgende Vorgehen heraus. Die Signaturenlisten wurden in der Zeit von etwa 7.30 Uhr bis 9.00 Uhr im Magazinbereich abgearbeitet, weil in dieser Zeit - die UB Dortmund öffnet um 8.00 Uhr – noch relativ wenige Benutzer diesen Bereich frequentieren. Da sich nach kurzer Zeit herausstellte, dass die Kontrolle, ob ein Band am Standort steht oder nicht, sehr rasch zu erledigen war, wurde die Möglichkeit genutzt, bei dieser Gelegenheit die Abfolge der Signaturen in den Regalen der gesamten jeweiligen Signaturengruppe überhaupt zu überprüfen und verstellte Bände aufzufinden und richtig einzustellen. Für eine Bibliothek mit Freihandaufstellung erschien der Anteil verstellter Bücher recht gering, was sicher ein Verdienst der Kollegen ist, die täglich die Bücher einstellen und dabei auch kontrollieren. Dennoch ist jeder verstellte Band, der von einem Benutzer gesucht und in dem Moment nicht gefunden wird, wie ein Verlust. Da die Stichprobenrevision von Stammpersonal durchgeführt wurde, konnten Überformate, die in gesonderten Regalen untergebracht sind, und andere Sonderaufstellungen sofort erkannt werden.

Nach der Kontrollarbeit im Magazin erfolgte die Überprüfung der dabei nicht aufgefundenen Bände am Ausleihsystem. Das zur Zeit im Einsatz befindliche Ausleihsystem SIAS der Fa. SISIS Informationssysteme GmbH gibt konkrete Statusangaben über das abgefragte Buch:

Außerdem wird die Anzahl der Ausleihen für das aktuelle Jahr und das Vorjahr angegeben, so dass man gewisse Rückschlüsse über den Verbleib eines Bandes ziehen kann.

Eine eher geringe Anzahl von Bänden, die weder am Standort aufgefunden worden war noch sich im Ausleihvorgang befand, musste weitergesucht werden. In den Lesesaalbereichen besteht die Möglichkeit der Tischausleihe, d. h., Benutzer, die über eine gewisse Zeit mit einem Buch im Hause arbeiten möchten, können sich dieses Buch schriftlich mit Angabe der Nummer des Lesesaaltisches reservieren. Die jeweilige Lesesaalauskunft führt einen Ordner über diese Tischausleihen, so dass man hier nach gesuchten Signaturen recherchieren kann. Wo auch diese Suche erfolglos blieb, wurde die für den Suchservice tätige Mitarbeiterin gebeten, nach dem Band zu forschen. Da sie ganztägig dieser Tätigkeit nachgeht, hat sie gewisse Erfahrungen, wo eine weitere Suche erfolgreich sein könnte.

3. Ergebnis

Die zu untersuchenden 15 Signaturen bestanden aus insgesamt 264.750 Bänden. Es wurden gleichermaßen geisteswissenschaftliche und natur-/ingenieurwissenschaftliche Signaturen berücksichtigt. Für diese 15 Signaturen wurde der Prozentsatz vermisster Bücher auf 2,0% geschätzt mit einem 95% Konfidenzintervall von 1,5% bis 2,4%. Es zeigte sich jedoch, dass der Anteil vermisster Bände für bestimmte Signaturen (Technik, Elektrotechnik, EDV/Informatik) signifikant höher als der vorab vermutete Anteil von 1% war. So lag der geschätzte Anteil für den Bereich EDV/Informatik (Signatur Sn) bei 5,1%, für den Bereich Elektrotechnik/Elektronik (Signatur T) bei 4,0 % und für den Bereich Technik (Signatur T) ebenfalls bei 4,0 %. Für die anderen 12 Signaturen konnte mit dieser Stichprobenziehung kein signifikant von 1% verschiedener Anteil vermisster Bände festgestellt werden. Im auffälligen Bereich der EDV-/Informatik-Literatur, die den Bedarf aller ingenieur- bzw. naturwissenschaftlichen Fächer zu decken hat, klaffen Angebot und Nachfrage am meisten auseinander. Hier versorgen sich die Benutzer auf Wegen mit Literatur, die nicht von der Benutzungsordnung gedeckt werden.

4. Ausblick

Eine Stichprobenrevision in der von uns durchgeführten Form und Größe ist wenig zeitaufwendig und lässt sich problemlos neben der alltäglichen Arbeit durchführen. So lässt sich mit dieser Methode die Auswirkung von Buchsicherungsmaßnahmen (etwa der Einsatz einer Buchsicherungsanlage) "messen". Hierzu untersucht man z. B. die signifikant auffälligen Bereiche und beschränkt sich dabei auf den Bestandszuwachs.

Literaturangaben:

  1. Borutta, Annegret, Limburg, Hans: Einführung der automatischen Ausleihverbuchung und Bestandsrevision. In: Mitteilungsblatt des Verbandes der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen e.V. Neue Folge, Jg. 34, 1984, S. 153–158
  2. Kreienbrock, L. (1993). Einführung in die Stichprobenverfahren, 2. Auflage. Oldenbourg-Verlag, München.

Anhang: Statistische Aspekte

Ziel der Untersuchung war es, den Anteil vermisster Bände aus 15 Signaturen zu untersuchen. Die Anzahl der Bände in den einzelnen Signaturen differierte stark. Da sowohl der Anteil vermisster Bände in den einzelnen Signaturen als auch in der Gesamtheit von Interesse war, wurde eine einfache geschichtete Zufallsauswahl mit ungleichen Auswahlwahrscheinlichkeiten gezogen 2). Geprüft werden sollte, ob der Anteil vermisster Bände signifikant von 1% abweicht. Um eine Genauigkeit von ca. ± 2% zu erhalten, wurden pro Signatur Stichproben der Größe 428 durch Zufallsauswahl gezogen. Tests und Konfidenzintervalle wurde jeweils zum Niveau 5% bzw. 95% durchgeführt.

Kontaktpersonen

Mechthild Berkenberg, Universitätsbibliothek Dortmund
E-Mail: mechthild.berkenberg@ub.uni-dortmund.de

Dr. Andreas Christmann, Universität Dortmund, Hochschulrechenzentrum, Statistisches Beratungszentrum
E-Mail: a.christmann@hrz.uni-dortmund.de
(Beantwortet Fragen zum mathematisch-statistischen Hintergrund)

Kurt Schröder, Universitätsbibliothek Dortmund
E-Mail: kurt.schroeder@ub.uni-dortmund.de

(Stellt auf Wunsch umfangreichere Literaturliste zum Thema zur Verfügung)

 


Stand: 10.11.99
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