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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 99

Metadaten: Alternative oder Grundlage der bibliographischen Er-schließung

Metadaten: Alternative oder Grundlage der bibliographischen Erschließung?

Christel Hengel-Dittrich

 

In vielen Projekten und neu aufgebauten Geschäftsgängen für Online-Ressourcen erfolgt zusätzlich oder alternativ zur „normalen“ bibliographischen Erschließung nach den RAK(-NBM) eine Erschließung mit Metadaten. Damit sollen für die Publikationen im Internet neue Wege der Erschließung erprobt werden. Dahinter steckt die Vorstellung, dass viele der detaillierten Angaben in herkömmlichen Titelaufnahmen für Netzpublikationen entfallen können, da sie im Dokument selbst online verfügbar gemacht oder aus ihm abgeleitet werden können. Diese „sowieso“ in den Dokumenten vorhandenen Meta-Daten sollen mit relativ geringem Aufwand in „schlanken“ Geschäftsgängen als einfache Basiserschließung für das Retrieval nutzbar gemacht werden.

Um an dieser Entwicklung teilhaben und sie mitbestimmen zu können, wird zur Zeit vielerorts im Informationssektor, nicht nur in Bibliotheken, nicht unerheblicher Aufwand geleistet: in einer Metadaten-Formatdiskussion, in der die ursprünglich schlichten Metadatenformate durch Qualifier stärker differenziert werden (was unweigerlich an ganz analoge Formatdiskussionen vergangener Zeiten erinnert); in neuen Geschäftsgängen, die in Gang gesetzt und nach innen und außen koordiniert werden müssen; in den Bemühungen, Metadaten zu standardisieren und Interoperabilität zwischen den unterschiedlichen Nutzungsbereichen zu erzielen. Der Metadatenentwicklung wird offenkundig ein hohes Zukunftspotential zugemessen.

Metadaten entstehen im „Lebenszyklus“ in der Entstehungsphase einer Elektronischen Ressource. Sie stellen inhaltlich zunächst nichts anderes dar als die zum Titel gehörenden Angaben, die analog in Printpublikationen auf den Titelseiten zu finden sind. Sie werden vom Autor, dem Urheber oder dem Hersteller, also den unmittelbar Beteiligten im Herstellungs- und Veröffentlichungsprozess der Ressource produziert und miterfasst.

Idealtypisch sind sie selbst Bestandteile der Ressource und lediglich durch eine entsprechende Formatierung als Metadaten kenntlich gemacht. Dies bietet die Möglichkeit, sie von vornherein kategorisiert, nach Angabearten (Titel, Autor, Verlag etc.) getrennt anzugeben und abzurufen.

Es ist unmittelbar einsichtig, dass vergleichbare Angaben wie auf einer Titelseite auch für Online-Publikationen notwendig sind. Für Nicht-Text-Ressourcen (Musik, Bilder, Film, Multimedia) sind sie z.B. unabdingbare Voraussetzung, um diese Ressourcen überhaupt wiederauffindbar zu machen. Gegenüber der Titelseite eines Buches haben Metadaten aber den entscheidenden Vorteil, dass sie bereits kategorisiert vorliegen und entsprechend in kategorisierter Form gesucht, abgerufen und weiterverwendet werden können.

Dadurch tun sich faszinierende Möglichkeiten auf. In der Tat sind die vom Autoren vergebenen Metadaten für alle Dokumente, die bibliothekarisch nicht erschlossen werden können, eine sehr brauchbare Basiserschließung. Es bietet sich auch geradezu an, sie auch in der bibliothekarischen Erschließung weiterzunutzen, sie in die Geschäftsgänge der Bibliotheken einzubauen, im eigenen Katalogsystem in einen Titelsatz im eigenen Erfassungsformat zu übertragen und weiter zu bearbeiten, wie man dies analog auch mit einem CIP-Datensatz, einem Erwerbungsdatensatz oder einem anderen Fremddatensatz tut.

Neben formalen Metadaten werden auch Metadaten zur Beschreibung des sachlichen Inhalts angegeben: Keywords, Schlagwörter, Notationen, Abstracts.

Von diesen Primärinformationen durch die Autoren, die bei einer nachträglichen Erschließung erst aufwendig ermittelt werden müssten und bei Spezialwissen oft gar nicht ermittelt werden können, kann insbesondere die Sacherschließung profitieren.

Je besser sich die Metadaten in eine (bibliographische) Erschließung einpassen, umso größer kann der Synergieeffekt bei ihrer Übernahme sein. So sind weitere Anforderungen entstanden, welche Daten sinnvollerweise im Entstehungsprozess bzw. in den darauf folgenden Stufen als Metadaten angegeben werden sollten: technische Metadaten, Metadaten, die die mit dem Dokument verbundenen Rechte beschreiben, Metadaten für die Zugriffskonditionen etc.. Dies hat zu einer intensiven Beschäftigung mit der Entstehung von Metadaten, ihren Formaten und ihrer Standardisierung geführt.

Die Metadaten-Realität entspricht zur Zeit keineswegs dem Idealtypus. Sie werden de facto überwiegend in getrennten Online-Dokumenten ganz analog zu Datensätzen erfasst (was keinen Informationsverlust, wohl aber Mehrarbeit darstellt). Wirklich geeignete Dokumentformate und Tools sind noch im Entwicklungsstadium. Trotzdem wird eifrig mit Metadaten-Formaten experimentiert, ihr Mapping in bibliographische Datenformate und umgekehrt erprobt und geeignete durchsetzungsfähige Dokumentformate getestet.

Entsprechend groß ist das Interesse, sich mit den Produzenten der Ressourcen und der Metadaten auf ein Format mit Datenelementen zu einigen, das gleichzeitig eine möglichst arbeitsökonomische Ersterfassung der Metadaten ermöglicht, den Nachbearbeitungsaufwand in den Bibliotheken minimiert und die zusätzlichen Anforderungen weiterer Interessengruppen berücksichtigt.

So arbeiten in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt META-LIB die beteiligten Bibliotheken – darunter Die Deutsche Bibliothek - daran, einen Metadaten-Standard zu vereinbaren und mit den anderen an Metadaten interessierten Gruppierungen abzustimmen, der für die Weiternutzung in Bibliotheken geeignet ist und auf dem eine weitergehende (national)bibliographische Erschließung aufsetzen kann. So liegt ein weiterer Schwerpunkt des Projekts in der Entwicklung von Konventionen für eine nationalbibliographische Erschließung in der Online-Umgebung, die auf Metadaten aufsetzt. Eine der Teilaufgaben dabei liegt in der Einbeziehung und Bereitstellung von Normdaten auf allen Erschließungsebenen.

Außer den Bibliotheken sind weitere Institutionen stark an Metadaten und ihren unterschiedlichen Verwendungen interessiert: Wissenschaftler (organisiert in den Fachgesellschaften), Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Dokumentationsstellen, Verlage, Museen, Archive, Verwertungsgesellschaften bringen weitere interessante Aspekte und Anforderungen in die Metadatendiskussion ein. Sie alle haben das gemeinsame Ziel, die Interoperabilität der Daten zwischen den unterschiedlichen Anwendergruppen zu gewährleisten.

Wer sich weiter über Metadaten informieren möchte, hat dazu auf dem „Deutschen Dublin Core Tag 1999“ Gelegenheit, der am 28. Oktober 1999 im Anschluss an den 7. Internationalen Dublin Core Workshop in Der Deutschen Bibliothek ausgerichtet wird. Er soll ein breites Publikum über die Metadaten-Anwendungen, insbesondere nach dem Dublin Core Standard, in Deutschland informieren und den aktuellen Stand sowie neue Entwicklungen vorstellen. Anmeldungen sind noch bis zum 1. Oktober möglich.


Stand: 06.09.99
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