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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 8, 99

Article-per-view als Alternative zum klassischen Zeitschriftenabonnement ?

Überlegungen zum Projekt PEAK

Martin Karlowitsch

 

Elektronische Zeitschriften sind das derzeit am stärksten wachsende Segment auf dem Markt elektronischer Medien. Verlage arbeiten mit Hochdruck an verschiedenen Distributionsformen, und Bibliotheken entwickeln, nicht zuletzt aufgrund des rasanten Preisanstiegs für gedruckte Zeitschriften, neue Modelle für die Versorgung ihrer Klientel mit Zeitschriftenliteratur. Für sie stellt sich die Frage, wie die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten am günstigsten in ein Gesamtkonzept integriert werden können. Was muß noch als Print-Abo gehalten werden? Bei welchen Titeln kann man ausschließlich auf die elektronische Version umsteigen? Wann ist es geboten, auf Dokumentlieferung auszuweichen oder article-per-view-Modelle anzubieten? Auf diese und ähnliche Fragen müssen Bibliotheken in Zukunft eine Antwort finden. Vor diesem Hintergrund stellt der folgende, im Rahmen des DFG-Projektes ACCELERATE1) an der ULB Düsseldorf entstandene Beitrag anhand eines konkreten Beispiels betriebswirtschaftlich fundierte Überlegungen zur Einbindung eines article-per-view-Modells an.

1. Das PEAK-Projekt

Bei dem Beispiel handelt es sich um das Projekt PEAK (Pricing Electronic Access to Knowledge), ein von der Universität Michigan in Kooperation mit dem Verleger Elsevier im Sommer 1997 gestartetes, zweijähriges Projekt, bei dem im Rahmen eines Feldversuches eine Analyse neuartiger Formen des Zusammenspiels von Preisdifferenzierung und Preisbündelung für elektronische Zeitschriften vorgenommen werden sollte.2) Außerdem sollten die in diesem Zusammenhang erhobenen Daten dazu dienen, eine Maßgröße zur Quantifizierung des Wertes einer Zeitschrift bzw. ihrer Inhalte zu entwickeln.

Die Zusammenarbeit mit Elsevier erlaubte es der Universität Michigan, einen Host Service für alle 1.110 Elsevier-Zeitschriften aufzubauen und zu managen, auf den sowohl Bibliotheken anderer Universitäten als auch individuelle Nutzer dieser Bibliotheken - nach einer entsprechenden Registrierung - zugreifen konnten. Während der Projektzeit partizipierten zehn Universitätsbibliotheken und zwei unternehmenseigene Bibliotheken an PEAK. Dabei fungierten sie einerseits als Nutzer des Zeitschriften-Liefersystems und andererseits als Datenlieferant für die Experimente bezüglich des simultanen Einsatzes von Preisdifferenzierung und -bündelung.

Der im Zuge von PEAK angestellte Versuch basiert auf dem Verständnis einer "traditionellen" Print-Zeitschrift als Bündel von Ausgaben, wobei jede davon wiederum ein Bündel von Artikeln ist, welche wiederum ein Bündel von bibliographischen Informationen, einem Abstract, Text und Abbildungen darstellen. Liegen derartige Zeitschriftenbündel in elektronischer Form vor, gibt es vielfältige Möglichkeiten, die darin enthaltenen Informationen zu "entbündeln", d.h. in ihre "kleinsten Einheiten" zu zerlegen und diese jeweils auch isoliert verfügbar zu machen und dafür natürlich auch "isolierte" Einzel-Preise zu verlangen. Z.B. wäre es denkbar - wie es derzeit vielfach bereits Usus ist - nach einer Stichwortsuche alle passenden Abstracts zu liefern oder aber - weitaus fortschrittlicher - alle themenspezifischen Zitate. Um die denkbaren Produktbündel auf ein handhabbares Maß zu reduzieren und die Auswertung der Projektergebnisse auf eine hinreichende Grundgesamtheit stellen zu können, wurden den Teilnehmern an PEAK drei Bündel angeboten. Dabei lehnen sich die ersten beiden Bündel an die derzeit am meisten beobachtbaren Formen der Bereitstellung elektronischer Zeitschriften an, während das dritte Bündel innovativerer Natur ist. Die drei von PEAK offerierten Produktbündel lassen sich mit folgenden zentralen Charakteristika einführend skizzieren:

Bevor diese verschiedenen Möglichkeiten der Preisbündelung und die damit korrespondierenden Formen der Preisdifferenzierung en detail vorgestellt und in ihren Auswirkungen für die Integration in ein Erwerbungsmodell analysiert werden, soll zunächst der betriebswirtschaftliche Hintergrund dieses Projektes schlaglichtartig in den Vordergrund rücken.

2. Betriebswirtschaftlicher Hintergrund

Wie bereits einführend konstatiert, sollen mit Hilfe von PEAK Informationen über die Möglichkeiten der Preisdifferenzierung und der Preisbündelung bei elektronischen Zeitschriften gewonnen werden. Da PEAK maßgeblich von Elsevier unterstützt wird, ist anzunehmen, daß die Ergebnisse dieses Projektes nicht nur den wissenschaftlichen Zielen der Universität Michigan dienen, sondern daß Elsevier auf diese Weise Optionen für das zukünftige Ertragsmanagement testet. PEAK kann daher als ein denkbarer Indikator für potentielle Preisstrategien der Verlage gesehen werden. Mithin erscheint es ratsam, zur Analyse von PEAK neben die bibliothekarische auch eine betriebswirtschaftliche Perspektive zu stellen, damit sowohl Zweck als auch Konsequenzen von verschiedenen Varianten der Preisgestaltung transparenter werden.

2.1 Preisdifferenzierung

Der Terminus Preisdifferenzierung beschreibt die Tatsache, daß eine identische Ware oder Leistung an verschiedene Kunden bzw. Kundengruppen zu unterschiedlichen Preisen verkauft wird. Das angestrebte Ziel einer Preisdifferenzierung liegt für Unternehmen in einer erhofften Gewinnsteigerung, die aus der Abschöpfung der sogenannten Konsumentenrente resultiert. Diese charakterisiert diejenige Umsatzeinbuße für einen Anbieter, die darauf zurückzuführen ist, daß ein Teil der Nachfrager einen höheren Preis für die jeweilige Leistung zu zahlen bereit wäre, der Anbieter aber durch das Setzen eines einheitlichen Preises für den gesamten Markt auf diese höhere Zahlungsbereitschaft quasi verzichtet.3) Eine Preisdifferenzierung dient also dazu, sich die unterschiedliche Preisbereitschaft einzelner Käuferschichten zunutze zu machen. Die nachstehende Abbildung visualisiert einführend den Effekt der Preisdifferenzierung, der sodann detailliert erläutert wird.

In der obigen Abbildung soll zunächst der Fall A betrachtet werden, der den Zusammenhang zwischen Preis und Nachfrage mit Hilfe der sogenannten Preis-Absatz-Funktion darstellt.4) Es ist zu erkennen, daß je weiter man auf der Preisachse nach rechts gelangt, d.h. je höher der Preis ist, desto niedriger ist die korrespondierende Nachfrage. Mit anderen Worten: die Preis-Absatz-Funktion demonstriert den - trivialen - Zusammenhang zwischen steigenden Preisen und fallender Nachfrage. Der Abbildung kann entnommen werden, daß ein Anbieter mit einem Preis P1 die Nachfrage N1 generiert. Unter der Prämisse, diese Nachfrage auch bedienen zu können, ergibt sich der Umsatz des Anbieters als Produkt aus Preis und Absatz (bzw. Nachfrage), wie es die mit I markierte Fläche andeutet. Der Fall B visualisiert den Effekt der Ausnutzung von unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften. Hier offeriert der Anbieter sein - identisches! - Produkt zu den Preisen P1, P2 und P3. Es ist deutlich zu erkennen, daß einige Abnehmer dieses Produkt auch zu dem höheren Preis P3 kaufen und daher ein zusätzlicher Umsatz in Höhe der mit III gekennzeichneten Fläche entsteht. Außerdem lockt der niedrige Preis P2 zusätzliche Käufer an, so daß außerdem die mit II hervorgehobene Fläche als weiterer Umsatz entsteht. Als Fazit dieses Beispiels kann festgehalten werden, daß das Instrument der Preisdifferenzierung zu Umsatzsteigerungen für den Anbieter führt, allerdings nur, wenn er seine tatsächlichen und potentiellen Kunden in genau voneinander abgrenzbare Gruppen teilen kann. Die Faktoren, die diese - zumeist schwierige - Trennung unterstützen, haben vielfältige Formen der Preisdifferenzierung herbeigeführt:5)

  • Personenbezogene Preisdifferenzierung: Es erfolgt eine Differenzierung nach persönlichen Merkmalen der tatsächlichen und potentiellen Abnehmer, z.B. nach Alter, Einkommen oder Beruf. Üblich ist diese Form der Preisdifferenzierung bei Eintrittspreisen für kulturelle Einrichtungen oder bei Fahrpreisen von Transportunternehmen.
  • Räumliche Preisdifferenzierung: Bei der räumlichen Preisdifferenzierung werden für regional abgegrenzte Teilmärkte unterschiedliche Preise gefordert, die nicht in den Transportkosten begründet sind. Ein Beispiel sind die unterschiedlichen Mietpreise für Leihwagen in verschiedenen Ländern.
  • Zeitliche Preisdifferenzierung: Hier werden die Preise für eine identische Leistung im Zeitablauf variiert, wie dies z.B. bei Telefongesprächen (Unterschiede während eines Tages) oder bei Reisen (Haupt- und Nebensaison) der Fall ist.
  • Quantitative Preisdifferenzierung: Eine quantitative Preisdifferenzierung liegt vor, wenn sich der Stückpreis in Abhängigkeit von der abgesetzten Menge ändert, wie dies u.a. bei Mengenrabatten oder unterschiedlichen Packungsgrößen der Fall ist.

2.2 Preisbündelung

Neben der Preisdifferenzierung stellt sich die Preisbündelung als weiteres Instrument des Preispolitik dar, mit dem die Konsumentenrente abgeschöpft und zusätzliche Umsätze - aus Sicht des anbietenden Unternehmens - generiert werden sollen. Dabei bedeutet Preisbündelung, daß Anbieter mehrere ihrer Erzeugnisse oder Leistungen zu einem Paket zusammenfassen und dieses dann zu einem Bündelpreis verkaufen.6) Beispiele hierfür sind Theater, die unterschiedliche Aufführungen zu einem Abonnement verknüpfen, oder auch McDonalds mit seinem BigMac-Menü. Eine besondere Bedeutung wird der Preisbündelung im Dienstleistungssektor zugesprochen, wo beispielsweise Reiseveranstalter Pauschalreisen anbieten, die neben dem Flug und dem Hotel auch einen Mietwagen und ein abendliches Programm umfassen.

Drei Argumente lassen die Preisbündelung für Unternehmen attraktiv werden.7) Erstens resultiert aus der Verknüpfung von Einzelleistungen zu einem Paket eine Reduktion von Produktions-, Transaktions- und Informationskosten. So müssen z.B. die Marketingaufwendungen bei einem Bündel nicht mehr auf die einzelnen Leistungen gestreut werden, sondern können sich gezielt und damit effizient auf das komplette Paket richten. Das zweite - und sicherlich auch im Rahmen vom PEAK interessantere - Argument für eine Preisbündelung ist aber die oben erwähnte Möglichkeit der Abschöpfung der Konsumentenrente, die im folgenden wiederum an einem kleinen Beispiel vorgestellt werden soll.8) Vorab ist aber drittens anzuführen, daß mit der Preisbündelung auch der Kreis der potentiellen Abnehmer der Einzelleistungen vergrößert werden kann, so daß sich durch die Preisbündelung auch neues Umsatzpotential erschließt. Nun aber zur Veranschaulichung der Wirkung der Preisbündelung:

Nach diesem Beispiel bekunden die Personen 1, 2, 3 und 4 ihre Bereitschaft, die Produkte A und B zu erwerben, aber höchstens zu den in Spalte 2 und 3 angegebenen Preisen. Sofern der Anbieter einen Preis für A von 4 Geldeinheiten (GE) und für B von 5 GE verlangt, erzielt er einen Umsatz von 13 GE (Spalte 5). Werden die beiden Güter hingegen zu einem Bündel zusammengefaßt und zu einem Paketpreis von 7 GE angeboten, ergibt sich unter Berücksichtigung der individuellen Preisbereitschaften (vgl. Spalte 4) ein Umsatz von 28 GE (Spalte 6). Mittels der Preisbündelung gelingt es also, die zusätzliche Konsumentenrente in Höhe von 15 GE abzuschöpfen.

Dieses beliebig erweiterbare Beispiel legt nahe, daß die Preisbündelung eine geeignete marketingpolitische Maßnahme ist, um die Marktposition eines Unternehmens zu festigen oder Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten zu erzielen. Allerdings muß man dazu vor allem fundierte Kenntnisse der kundenspezifischen Maximalpreise sowohl für die Einzelkomponenten als auch für die in Betracht gezogenen Bündel haben - Informationen die für das Erkenntnisobjekt "elektronische Zeitschriften" im Rahmen von PEAK erhoben wurden.

3. Der Versuchsaufbau im Detail

Um dies zu erreichen hat die Universität Michigan, wie bereits einleitend skizziert wurde, drei verschiedene Produktbündel angeboten. Dabei rückt vor allem die jeweils zu zahlende Gebühr (für den Nutzer von PEAK) und die Leistung, die man für diese Gebühr erhält, in das Zentrum des Interesses. Bibliotheken, die an PEAK partizipierten, um ihren Nutzern Zugang zu den Online-Zeitschriften von Elsevier zu bieten, wurden mit zwei unterschiedlichen Gebührenarten konfrontiert: den artikelabhängigen und den artikelunabhängigen. Letztere fielen ungeachtet der konkreten Bestellung eines Artikels für jede teilnehmende Bibliothek an und schlugen sich in einer an die Universität Michigan zu zahlenden Servicegebühr nieder. Als "Leistung" erhielten die an PEAK teilnehmenden Bibliotheken für alle Nutzer eines PCs mit ihrer IP die Lizenz zur Recherche in einer Datenbank, die die bibliographischen Angaben und Volltexte aller Elsevier-Artikel der Jahre 1996 bis 1999 umfaßte. Die Höhe dieser als IPL (Institutional Participation License) bezeichneten Gebühr konnte trotz Nachfragens bei der Universität Michigan nicht ermittelt werden, da sie in Abhängigkeit von der (nicht näher operationalisierten) Größe der teilnehmenden Bibliothek festgelegt wurde. Die Höhe der artikelabhängigen Gebühren variiert zwischen den jeweils angebotenen Produktbündeln, so daß diese nun in einer Übersichtstabelle en detail vorgestellt werden. Anzumerken ist dabei noch, daß im Rahmen von PEAK jeder Teilnehmer von diesen drei Bündeln jeweils nur zwei auswählen durfte, so daß er sich von vornherein gegen eine ihm angebotene Alternative entscheiden mußte. Diese Alternativen lassen sich folgendermaßen kennzeichnen:

Neben diesen drei zentralen Merkmalen der jeweils angebotenen Alternativen sind einige weitere Konditionen der Teilnahme an PEAK beachtenswert:

  1. Zunächst ist zu konstatieren, daß Nutzer, die die Möglichkeiten von PEAK als Privatperson, also nicht über eine zwischengeschaltete Bibliothek wahrnehmen wollten, dieses Angebot nur mit einer Kreditkarte bezahlen konnten. Auch für die Abrechnung zwischen einer partizipierenden Bibliothek und der Universität Michigan wird in den Unterlagen zu PEAK stets die Kreditkarte als favorisiertes Zahlungsmittel angegeben.
  2. Weiterhin ist zu bemerken, daß der Zugriff auf die über PEAK angebotenen Zeitschriften nur mit Hilfe eines Paßwortes möglich war. Nutzer ohne Paßwort konnten lediglich in der PEAK-Datenbank recherchieren und die "traditionelle Bestellung" nutzen - vorausgesetzt, sie bestellten von einem Rechner aus der IP-Umgebung einer zugelassenen Bibliothek.
  3. Damit ein Nutzer einer teilnehmenden Bibliothek den vollen Umfang von PEAK in Anspruch nehmen konnte (über den institutionellen Zugang), mußte diese Bibliothek ihn erst "freischalten", indem sie seinen Namen und seine E-Mail-Adresse an die Administratoren von PEAK weiterleitete. Nutzern ohne eigenen Mail-Account blieb diese Möglichkeit verschlossen.
  4. Aufgrund der Neuartigkeit des "generalisierten Abonnements" sind dazu noch weitere Anmerkungen geboten: als Vorteil dieses Produktbündels wird in der Regel die Tatsache angeführt, daß es aufgrund der Begrenzung der Anzahl der zu bestellenden Artikel einer Bibliothek eine verläßliche Budgetplanung und gleichzeitig den Nutzern einen gezielten Zugriff auf die besonders relevanten Artikel einer Zeitschrift erlaubt. Mit dem generalisierten Abonnement wird damit - bei vorab definierbarem Gebührenrahmen - ein Rückgriff auf die "Highlights" einer Zeitschrift ermöglicht, so daß die Nutzer nicht länger auch die Artikel einer Zeitschrift quasi "mitbezahlen", die sie gar nicht benötigen. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß nach Ablauf von PEAK nicht genutzte TANs ("tokens") ihre Gültigkeit und damit ihren Wert verloren.

4. Bewertung der Zugangsmodelle aus Sicht einer Bibliothek

Der Versuch, diese drei - sehr heterogenen - Angebote einer vergleichenden Analyse zuzuführen, um deren Vor- und Nachteile herauszukristallisieren, mündet zunächst in die Frage nach einem Referenzmaßstab. Soll geprüft werden, ob die Teilnahme an PEAK (oder an einem ähnlichen System) sinnvoll wäre, ist die Prämisse zu erheben, daß PEAK in die Angebotspalette der elektronischen Dokumentlieferung der Bibliothek zu integrieren wäre. Mithin muß sich PEAK an diesem Angebot, genauer, an den Möglichkeiten und Grenzen bestehender Dokumentliefersysteme - namentlich JASON und Subito - messen lassen. Dabei ist vorab zu konstatieren, daß ein entscheidender Vorteil von PEAK zweifelsohne in der Online-Verfügbarkeit der vorgehaltenen Artikel liegt, während der Nutzer bei JASON und Subito Wartezeiten in Kauf nehmen muß, bevor er mit dem gewünschten Artikel arbeiten kann. Ob dieser Vorteil realisiert werden soll, dürfte allerdings im wesentlichen von den Gebühren abhängen, mit denen dieser Vorteil "erkauft" werden muß, so daß im folgenden einige Überlegungen zu den Gebührenstrukturen der verschiedenen Optionen von PEAK angestellt werden.

Unter den drei Optionen von PEAK läßt sich auf den ersten Blick ein "Sonderstatus" für das "traditionelle Abonnement" identifizieren, da dieses im Gegensatz zu den anderen an die Print-Ausgabe der Zeitschrift geknüpft ist. Hat die Bibliothek ein Abonnement auf eine Print-Zeitschrift, so könnte sie für ca. 11,50 DM9) je Heft diese auch allen ihren Nutzern online verfügbar machen (Variante 1). Diese Variante dominiert in jedem Fall die Variante 3, weil bei der Variante 1 eine Bibliothek zu exakt gleichen Gebühren sowohl eine Print- als auch eine Online-Ausgabe der Zeitschrift erhält, während sich bei der Variante 3 der Leistungsumfang auf die Online-Ausgabe reduziert. Die Wahl eines "traditionellen Abonnements" ist bei den vorgehaltenen Zeitschriften also nur ratsam, wenn diese auch weiterhin im Bestand bleiben sollen. Sie bietet keine Möglichkeit, Kosten von Abonnements zu senken und dennoch die Zeitschrift - zumindest online - anbieten zu können. Durch ihre Bindung an einen konkreten Abonnementvertrag stellen die Varianten 1 und 3 allerdings auch keine echten Alternativen zu JASON und Subito dar. Hingegen würde die Variante 2 genau deren Aufgaben erfüllen, nämlich die Schaffung eines Zuganges zu lokal nicht gehaltenen Zeitschriften. Für im Leihverkehr stark nachgefragte Zeitschriften bietet sich der Bibliothek hier die Möglichkeit, ihr Angebotsspektrum anzureichern, ohne die vollständigen Kosten eines Abonnements tragen zu müssen, aber auch ohne eine Print-Ausgabe zu erhalten. Hierbei ist im Einzelfall zu entscheiden, ob sich dieses Vorgehen lohnt. Wie eine derartige Entscheidung zu fundieren ist, zeigt folgende Rechnung, die nur auf die zu zahlenden Gebühren, also die tatsächlich anfallenden Auszahlungen abstellt. Kostenorientierte Überlegungen,10) d.h. Überlegungen, welche personellen und welche EDV-technischen Ressourcen bei der Realisation dieser Möglichkeit in Anspruch genommen würden, unterbleiben an dieser Stelle, um die Überschaubarkeit der Rechnung zu gewährleisten.

Rechenbeispiel:

Ausgegangen wird von einer medizinischen Zeitschrift mit 12 Ausgaben im Jahr, deren jährliche Gebühren sich - gemäß einschlägiger Erfahrungen wird ein Durchschnittswert angesetzt - auf 900,- DM belaufen. Damit fielen für ein "traditionelles Abonnement der Variante 2" folgende Kosten an:

12 Ausgaben à 6 US-Dollar bzw. 11,50 DM

=

138,00 DM

10% des Preises für ein Abonnement von 900 DM

=

90,00 DM

Gesamtkosten

=

228,00 DM

Um nun zu einer Vorteilhaftigkeitsaussage gegenüber JASON oder Subito zu kommen, ist die Überlegung anzustellen, daß die Bibliothek anstelle des "traditionellen Abonnements der Variante 2" von PEAK auch jedem Nutzer, der einen Artikel der fraglichen Zeitschrift nutzen will, eine Subito- oder JASON-Bestellung finanziert. Damit würden, die Ermöglichung einer Subito-Bestellung vorausgesetzt, je Nachfrage nach einem Artikel der untersuchten Zeitschrift 5,- DM an Gebühren für die Bibliothek anfallen. Teilt man daher den Jahrespreis von 228,00 DM des "traditionellen Abonnements" durch diese 5,- DM, so wird ersichtlich, daß dieses ab einem jährlichen Nachfragevolumen von 46 im Vergleich zur Subventionierung einer Subito-Bestellung vorteilhaft würde (wäre auch eine Beschaffung über JASON für 3,- DM möglich, so wäre PEAK erst ab einer Nachfragemenge von 76 vorteilhaft). An dieser Stelle führen nur fundierte Analysen der lokalen Nachfragestruktur und -häufigkeit weiter.11)

Anzumerken ist noch, daß mit der angeführten Rechnung nicht die artikelunabhängige IPL berücksichtigt wurde, weil über diese in einer Art "Basisentscheidung" befunden werden muß. Wird sie als prohibitiv hoch empfunden, wird von vornherein auf eine Teilnahme an derartigen Modellen zu verzichten sein. Wird sie akzeptiert, so dürfen die dabei entstehenden Gebühren aufgrund ihrer Entscheidungsirrelevanz für konkrete Einzelentscheidungen diesen auch nicht zugerechnet werden.

Das "traditionelle Abonnement" erscheint - wenn die unstrukturierten von und über PEAK zu erhaltenden Informationen richtig gedeutet wurden - allerdings äußerst lukrativ für private Kunden, da diese für $ 6 und damit für ca. 11,50 DM online über eine komplette Zeitschriftenausgabe verfügen könnten.

Da die im Rahmen von PEAK offerierte Alternative "je Artikel" nicht für institutionelle Nutzer und damit auch nicht für Bibliotheken gültig ist, entsteht in dieser Hinsicht für Bibliotheken kein Entscheidungsproblem. Auch der Gedanke, diese Form der Beschaffung lokal nicht verfügbarer Literatur den Nutzern zur privaten Anwendung zu empfehlen, kann aus zwei Gründen verworfen werden: erstens erweisen sich JASON und Subito mit 3 bzw. 5 DM als wesentlich günstigere Alternativen im Vergleich zu einer $ 7 oder ca. 13,40 DM teuren Beschaffung über PEAK. Zwar könnte man dem den Vorteil der sofortigen Online-Verfügbarkeit der PEAK-Artikel und die damit an anderer Stelle nachgewiesene steigende Preisbereitschaft entgegenhalten,12) allerdings wiegt zweitens die alleinige Zahlungsmöglichkeit per Kreditkarte (noch) als Nachteil für den deutschen "Durchschnittsstudenten".

Anders sieht es hingegen mit der Lieferform des "generalisierten Abonnements" aus, mit dem Bibliotheken gezielt ihren Bestand an attraktiven Artikeln online ausbauen können und damit - dem Gedanken der "Entbündelung" einer Zeitschrift folgend - nicht mehr an das Abonnement einer sonst vielleicht uninteressanten Zeitschrift gebunden sind. Deutlicher als bei allen anderen Angeboten der elektronischen Verfügbarmachung von Literatur tritt hier das Postulat der konsequenten Kundenorientierung in den Vordergrund. Doch im Gegensatz zu den Alternativen JASON und Subito werden hier die interessierenden Artikel nicht nur beschafft und dann an den Nutzer übergeben, sondern sie bleiben im "virtuellen Besitz" der Bibliothek und können für alle Nutzer zugänglich gemacht werden. Eine beispielhafte Rechnung - unter den gleichen Prämissen wie oben, d.h. insbesondere Vernachlässigung der IPL - kann diese Vorteilhaftigkeit unterlegen.

Rechenbeispiel:

120 Artikel würden eine Bibliothek $ 548 kosten

=

ca. 1.052,00 DM

damit beliefe sich ein Artikel auf

=

ca. 8,75 DM

(Prämisse: alle 120 einkauften TANs werden im Laufe eines Jahres auch verbraucht)

Würde die Bibliothek vor der Wahl stehen, einem ihrer Nutzer entweder eine Subito-Bestellung zu finanzieren oder aber den gewünschten Artikel online über das "generalisierte Abonnement" verfügbar zu machen, so wäre letzteres bereits dann vorteilhaft, wenn zu erwarten wäre, daß dieser Artikel, nachdem er online verfügbar ist, noch von einem weiteren Nutzer nachgefragt wird. Denn dann müßte er theoretisch über Subito noch einmal bestellt werden und es fielen wiederum Gebühren von 5,- DM an.

Dieses einfache Beispiel weist aber implizit auch schon auf den großen Nachteil des "generalisierten Abonnements" hin: das "Verfallsdatum" der TANs. Wie bereits weiter oben erwähnt, haben die sog. "tokens" nur eine begrenzte Gültigkeit - in diesem Fall bis zum Ende des Projektes PEAK, in vergleichbaren Projekten wäre aber auch eine generelle zeitliche Begrenzung denkbar. Begründet wird dies mit dem deutlich günstigeren Preis einer Lieferung bei dieser Alternative im Vergleich zum "Abonnement je Artikel". Nebenbei sei an dieser Stelle anzumerken, daß ein Stückkostenvorteil immer nur dann realisiert wird, wenn von den 120 möglichen mehr als 91 Artikel bestellt werden. Diesen möglicherweise realisierbaren Preisvorteil lassen sich die Anbieter von PEAK durch vorab erhaltene, fixe und damit planbare Erlöse "bezahlen". Da diese Praxis derzeit in vielen Bereichen zu beobachten ist (vgl. z.B. die Forcierung von ISDN, für das die Telekom eine dramatisch höhere Grundgebühr verlangt und im Gegenzug die variablen Gesprächskosten senkt), ist davon auszugehen, daß auch bei einem PEAK-ähnlichen Angebot außerhalb eines Projektes mit zeitlich befristeten TANs agiert wird. Dies erschwert die Integration dieses generell vorteilhaften Angebotes in ein bestehendes Dokumentlieferspektrum sehr. Denn eine Bibliothek wird natürlich darauf bedacht sein, ihr Kontingent an TANs möglichst völlig auzuschöpfen, so daß gegen Ende eines Jahres ein vermutlich sparsamer Umgang mit diesen "tokens" denkbar ist, um das vorhandene Restbudget möglichst gleichmäßig auf die verbleibende Zeit zu verteilen und um nicht irgendwann den Service gar nicht mehr anbieten zu können und Nutzer damit zu verärgern. Dadurch würde sich aber die Qualität des Angebotes verschlechtern, da eventuell nicht mehr jeder interessierte Nutzer ein "generalisiertes Abonnement" erhalten könnte.

5. Fazit

Faßt man die Ausführungen zu PEAK zusammen, so lassen sich nachstehende Thesen aufstellen:

  • Die "Lieferung je Artikel" ist für Bibliotheken nicht möglich und nur für die kleine Anzahl von Nutzern sinnvoll, die erstens bereit sind, die schnelle Online-Verfügbarkeit mit einem um das vierfache höheren Preis (zu JASON) zu bezahlen und die zweitens in der Lage sind, dies mit einer Kreditkarte zu tun.
  • Das "traditionelle Abonnement" ist bei einer sehr hohen Nachfrage nach einer lokal nicht verfügbaren Zeitschrift eine Alternative zu Subito und JASON, über die im Einzelfall mit weitergehenden Analysen sinnvoll nachgedacht werden sollte.
  • Das "generalisierte Abonnement" schafft einen sehr großen Kundennutzen, stellt aber neue Anforderungen an das gezielte Management des Aufbaus "virtueller Bestände" und verlangt viel Fingerspitzengefühl bei der Handhabung der TANs. Der scheinbare Preisvorteil wird nur bei einem zielsetzungsgerechten Einsatz der TANs zu einem tatsächlichen.
  • Je nach Höhe der IPL (Stichwort: Prohibitiv-Preis) ist unabhängig von den einzelnen Optionen mit ihren "variablen" Gebührenelementen eine Teilnahme an derartigen Kostenmodellen aufgrund günstigerer und ähnlich kundenfreundlicher Alternativen abzulehnen.
  • Es ist zu erwarten, daß mit PEAK der Startschuß zu weiteren Preisdifferenzierungen und -bündelungen bzw. Entbündelungen gegeben wurde. Ähnlich wie auf dem Telekommunikationsmarkt ist mit in der Summe günstigeren und kundenorientierteren Konditionen zu rechnen (siehe z.B. das "generalisierte Abonnement"), allerdings einhergehend mit einer steigenden Intransparenz aufgrund der Angebotsvielfalt einerseits und der facettenreichen Preismodelle andererseits.

Die angestellten Überlegungen können nur die Funktion einer "Richtschnur" haben und aufzeigen, welche Analysen, Gedankenspiele und Szenarien an- und aufgestellt werden müssen, um über die Integration neuer Angebote in den bestehenden Dienstleistungskanon zu entscheiden.

Literatur

Altobelli, Claudia Fantapié (1992): Preisdifferenzierung, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium (WiSt), 1992, Heft 1, S. 2 - 8.

Bauer, Hans H.; Herrmann, Andreas (1996): Ein Ansatz zur Preisbündelung auf der Basis der "prospect"-Theorie, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 1996, Heft 7/8, S. 675 - 694.

Bauer, Hans H.; Herrmann, Andreas; Jung, Sabine (1996): Wettbewerbsvorteile durch Preisbündelung, in: Marktforschung & Management, 1996, Heft 3, S. 85 - 88.

Berg, Heinz-Peter; Schäffler, Hildegard; Schröter, Madeleine (1999): Elektronische Zeitschriften in der überregionalen Literaturversorgung, in: BIBLIOTHEKSDIENST, 1999, Heft 4, S. 608 - 613.

Ceynowa, Klaus (1998): Von der Kostenverwaltung zum Kostenmanagement. Überlegungen zum Steuerungspotential einer Kostenrechnung für Hochschulbibliotheken, in: BIBLIOTHEKSDIENST, 1998, S. 263 - 287.

Faßnacht, Martin (1997): Preisdifferenzierung. Begriff und Umsetzung, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium (WiSt), 1997, Heft 4, S. 183 - 187.

Karlowitsch, Martin (1999): Gemeinkostentransparenz in der ULB Düsseldorf mit einer prozeßorientierten Kostenrechnung, in: Niggemann, Elisabeth et al. (Hrsg.), Controlling und Marketing in wissenschaftlichen Bibliotheken (COMBI), Bd. 2, Zwischenergebnisse und Arbeitsmaterialien, Berlin, 1999, dbi-materialien Nr. 186, S. 85 - 125.

Karlowitsch, Martin; Müller, Uta; Vierschilling, Nicole (1998): Einführung eines elektronischen Dokumentlieferdienstes als "Komplementärdienstleistung" zur klassischen Fernleihe, in: Niggemann, Elisabeth et al. (Hrsg.), Controlling und Marketing in wissenschaftlichen Bibliotheken (COMBI), Bd. 1, Zwischenergebnisse und Arbeitsmaterialien, Berlin, 1998, dbi-materialien Nr. 177, S. 114 - 164.

MacKie-Mason, Jeffrey K.; Jankovich, Alexandra L. L. (1997): PEAK: Electronic Access to Knowledge, in: Library Acquisitions: Practice and Theory, 1997, Heft 3, S. 281 - 296.

Makoski, Roman (1998). Zeitschriftennutzungsanalysen, in: Niggemann, Elisabeth et al. (Hrsg.), Controlling und Marketing in wissenschaftlichen Bibliotheken (COMBI), Bd. 1, Zwischenergebnisse und Arbeitsmaterialien, Berlin, 1998, dbi-materialien Nr. 177, S. 164 - 178.

Simon, Hermann (1992): Preisbündelung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1992, Heft 11, S. 1213 - 1235.

 

1) Vgl. zu diesem Projekt Berg, H.-P.; Schäffler, H.; Schröter, M. (1999), S. 612.

2) Einführend zu PEAK vgl. MacKie-Mason, J. K.; Jankovich, A. L. L. (1997), S. 281 ff.

3) Vgl. Altobelli, C. F. (1992), S. 2.

4) Die Preis-Absatz-Funktion muß nicht zwangsläufig einen linearen Verlauf haben. Diese Darstellung erfolgt hier lediglich, um die Aussage der Abbildung möglichst einfach zu halten.

5) Vgl. Faßnacht, M. (1997), S. 184 ff.

6) Vgl. Bauer, H. H.; Herrmann, A.; Jung, S. (1996), S. 85.

7) Vgl. im folgenden Bauer, H. H.; Herrmann, A.; Jung, S. (1996), S. 85 ff. sowie Simon, H. (1992), S. 1218 ff. und Bauer H. H., Herrmann, A. (1996), S. 675 ff.

8) Das Beispiel wurde entnommen aus Bauer, H. H.; Herrmann, A.; Jung, S. (1996), S. 86.

9) Als Umrechnungskurs in allen folgenden Beispielrechnungen wurde der aktuelle $-DM-Kurs vom 8.7.1999 verwendet. Hier entsprach 1 US-Dollar 1,9197 DM.

10) Vgl. zur Konzeption einer Kostenrechnung für Bibliotheken bspw. Ceynowa, K. (1998), S. 263 ff. oder Karlowitsch, M. (1999), S. 85 ff.

11) Zu alternativen Formen der Zeitschriften-Nutzungsanalysen vgl. Makoski, R. (1998), S. 164 ff.

12) Vgl. Karlowitsch, M.; Müller, U.; Vierschilling, N. (1998), S. 118 ff.


Stand: 06.08.99
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