1. Regelungsbedarf
Mit der Einrichtung von EDV-Arbeitsplätzen für die Nutzung von Internetdiensten und Multimedia eröffnen die Bibliotheken ihren Kunden neue Dimensionen der Literatur- und Informationsbeschaffung: Die Benutzer können weltweit in elektronischen Katalogen nach Büchern suchen, in bibliographischen Datenbanken recherchieren, Literatur elektronisch ordern, Adressen von Firmen oder Institutionen ermitteln, gefundene Informationen ausdrucken oder zur weiteren individuellen Bearbeitung kopieren.
Die Bereitstellung solcher neuer Arbeitsplätze wird von den meisten Bibliotheken inzwischen als eine Möglichkeit genutzt, ihr Dienstleistungsangebot zu erweitern und sich ein neues Image als Informations- und Lernzentrum zu schaffen.
Dabei ergeben sich sowohl in Öffentlichen als auch in wissenschaftlichen Bibliotheken neue Regelungsanforderungen in den
Die technische Komplexität der Arbeitsplätze erhöht die Gefahr einer Störung durch die Benutzer, wenn Grundkenntnisse in der Handhabung eines PC nicht vorhanden sind oder wenn die EDV-Geräte bewußt von "Freaks" manipuliert werden. Die Beseitigung solcher technischer Störungen kann mit beträchtlichem personellem Aufwand verbunden sein.
Aus einer technischen Störung kann ein Rechtsstreit resultieren, der sich auf die Schuld- und Haftungsfragen bezieht. Die Einhaltung straf- und zivilrechtlicher Vorschriften wird aber auch durch die Möglichkeiten des weltweiten Zugriffs auf Informationen und Dienstleistungsangebote sowie die EDV-technischen Optionen der Weiterbearbeitung von Informationen und Programmen erschwert. Regreßforderungen gegen eine Bibliothek könnten beträchtlich sein.
Knappe Finanzmittel erschweren in Verbindung mit technischen sowie rechtlichen Anforderungen die Befriedigung der Benutzerbedürfnisse nach EDV-Arbeitsplätzen. Sie erfordern die Entwicklung neuer Nutzungsverfahren für diesen Bereich.
Von zentraler Bedeutung für eine Bibliothek bei der Bereitstellung von Benutzerarbeitsplätzen für die Internetnutzung ist die Absicherung gegen zivil- und strafrechtliche Verfahren. Dabei muß sich die Bibliothek bewußt sein, daß sie in ein Rechtsverhältnis zwischen 3 Personen eintritt, was in folgender Graphik verdeutlicht wird.
Die Bibliothek stellt hier einen PC mit Internetanschluß zur Verfügung, über den ein Bibliotheksbenutzer als Nachfrager die Ware bzw. Dienste eines Internetanbieters nutzen kann.
Ziel der Bibliothek ist dabei, daß sowohl der Benutzer als auch der Internetanbieter keine Haftungs- oder Zahlungsansprüche gegen die Bibliothek stellen kann. Dies wird in der Graphik durch die beiden Querstriche auf den Pfeilen zwischen Bibliothek und Internetanbieter bzw. Bibliothek und Bibliotheksnutzer symbolisiert.
Der Schwerpunkt der Regelung wird deshalb im Bereich der allgemeinen rechtlichen Regelungen liegen. Darüber hinaus ergeben sich weitere Regelungserfordernisse aus den technischen Gegebenheiten und allgemeinen Nutzungsengpässen.
2. Regelungskomplexe
Eine auf die elektronischen Medien und die Internetnutzung bezogene
Benutzungregelung sollte folgende Regelungskomplexe beinhalten:
2. Haftungsausschluß der Bibliothek gegenüber dem Benutzer bezüglich
Wichtig ist ebenfalls der Komplex 4, mit dem sich eine Bibliothek gegen strafrechtliche Verfolgungen, die aus dem Verhalten einzelner Benutzer resultieren können, weitgehend absichern kann. Insbesondere Öffentliche Bibliotheken müssen die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes in ihre Regelungen aufnehmen, ein Aspekt, der allerdings ebenso bei allgemein zugänglichen Internetarbeitplätzen an wissenschaftlichen Bibliotheken (Universitätsbibliotheken) zu berücksichtigen ist.
Im Mittelpunkt der Regelungskomplexe 5 bis 8 stehen die konkreten Benutzungsmodalitäten bzw. die technischen und organisatorischen Aspekte der Verhältnisse von Benutzern zur Bibliothek sowie Benutzer zu Benutzer. Sie wirken sich im Bibliotheksalltag viel stärker als die anderen Regelungskomplexe aus. Technische Störungen an einzelnen EDV-Arbeitsplätzen sowie Konflikte um die meist nur begrenzte Zahl von zur Verfügung stehenden Arbeitsplätzen können leicht auftreten und bedürfen entsprechender Regelungen, z.B. durch Reservierungslisten. Verbindliche Vorgaben zur Regelung dieser Komplexe sind sowohl hinsichtlich ihrer juristischen Form (Teil der Benutzungsordnung, Ergänzung zur Benutzungsordnung, Hinweise) als auch bezüglich ihrer Inhalte nicht sinnvoll. Vorrangig ist die Funktion und die institutionelle Stellung einer Bibliothek zu berücksichtigen. So muß eine Stadtbibliothek eine allgemeine private Nutzung zulassen, während eine solche Nutzung bei den wissenschaftlichen Bibliotheken in den meisten Fällen ausgeschlossen wird. Dabei werden die Öffentlichen Bibliotheken i. d. R. die Übernachfrage durch Gebühren und spezielle Reservierungsverfahren bewältigen.
Die Regelungen können sowohl in einer umfassenden Benutzungsordnung integriert als auch als Ergänzung zur Benutzungsordnung formuliert werden. Der Vorteil einer Ergänzung liegt in der leichteren Anpassung an die schnellen technischen Entwicklungen. Allerdings sollte diese Form der Regelung durch eine entsprechend allgemein gefaßte Regelung in der Benutzungsordnung angebunden werden, z. B. "Die Benutzung der EDV-Arbeitsplätze wird in ergänzenden Benutzungshinweisen geregelt".
3. Eine Analyse von Benutzungsregelungen
Auf der Grundlage der Regelungskomplexe wurde eine Analyse von Benutzungsregelungen von 16 Bibliotheken durchgeführt. Dabei zeigte es sich, daß unabhängig von dem Bibliothekstyp beträchtliche Regelungslücken bei fast allen Benutzungsregelungen bestehen.
In der folgenden Tabelle wird - differenziert nach wissenschaftlichen Bibliotheken (WB), Öffentlichen Bibliotheken (ÖB) und Instituts-/Fachhochschulbibliotheken (IB) - die Häufigkeit von Regelungslücken erfaßt.
Regelungskomplex |
|
|
|
|
1. Haftungsausschluß gegen Informationsanbieter | ||||
|
3
|
3
|
2
|
8
|
|
1
|
5
|
3
|
9
|
2. Haftungsausschluß gegen Benutzer | ||||
|
3
|
2
|
3
|
9
|
|
4
|
3
|
3
|
10
|
|
5
|
2
|
4
|
11
|
3. Gewährleistungsausschluß gegen Benutzer | ||||
|
5
|
3
|
4
|
12
|
|
6
|
1
|
4
|
11
|
4. Gesetzliche Nutzungseinschränkungen gegen Benutzer | ||||
|
4
|
2
|
4
|
10
|
|
6
|
5
|
4
|
15
|
|
3
|
4
|
4
|
11
|
|
6
|
2
|
4
|
12
|
5. Bibliotheksbezogene Benutzerhaftung | ||||
|
3
|
3
|
2
|
8
|
|
7
|
4
|
3
|
14
|
6. Technische Nutzungseinschränkungen | ||||
|
2
|
2
|
1
|
5
|
|
6
|
5
|
2
|
13
|
|
5
|
1
|
2
|
8
|
|
7
|
3
|
4
|
14
|
7. Organisatorische Nutzungsregelungen | ||||
|
2
|
2
|
3
|
7
|
|
1
|
4
|
4
|
9
|
|
5
|
4
|
3
|
12
|
|
4
|
0
|
3
|
7
|
8. Zustimmung und Sanktionshinweise | ||||
|
6
|
3
|
2
|
11
|
|
4
|
5
|
2
|
11
|
|
4
|
5
|
3
|
12
|
Summe der Lücken |
104
|
70
|
73
|
247
|
Durchschnittliche Regelungslücken pro Bibliothek |
15
|
14
|
18
|
15
|
Bedenkenswert sind die Regelungslücken vieler Bibliotheken in den ersten beiden Komplexen. So weisen 8 Bibliotheken nicht auf die Einhaltung des Urheberrechts hin. Alle Öffentlichen Bibliotheken haben keinen Haftungsausschluß der Bibliothek bei einem Vertrag zwischen Benutzer und Internetanbieter aufgenommen. Auch die Regelungen der fünf wissenschaftlichen Bibliotheken enthalten nicht den Haftungsausschluß gegenüber den Benutzern bei Schäden durch ungeschützten Datenverkehr im Internet. Zehn Bibliotheken versäumen es ebenfalls, etwaige Schäden an Informationsträgern und Dateien, die bei einer Benutzung auftreten können, in ihre Benutzungsregelungen aufzunehmen.
Die meisten Regelungslücken bestehen bei den Institutsbibliotheken mit durchschnittlich 18 Lücken je Bibliothek. Dies ist in gewisser Weise verständlich, da hier durch den beschränkten Kreis der potentiellen Benutzer und die enge wissenschaftliche Zielsetzung der geringste Regelungsbedarf vorliegt. So bleiben die gesamten Komplexe 3 und 4, der Gewährleistungsausschluß für Leistungen und gesetzliche Nutzungseinschränkungen bei den Instituts-/Fachhochschulbibliotheken unberücksichtigt.
Im Gegensatz hierzu sind die wenigsten Regelungslücken bei den Öffentlichen Bibliotheken mit durchschnittlich 14 Lücken je Bibliothek anzutreffen. Die Öffnung der Bibliotheken für alle Bevölkerungskreise und die an Öffentlichen Bibliotheken erhobenen Gebühren erfordern einen Gewährleistungsausschluß bezüglich der Verfügbarkeit von Informationen im Komplex 3 und den Hinweis auf den unzureichenden Datenschutz im Komplex 2. Nur eine bzw. zwei Öffentliche Bibliotheken haben sich in ihrer Benutzungsregelung mit diesen Fragen nicht befaßt.
Die meisten Regelungslücken bestehen bei den wissenschaftlichen Bibliotheken in den Komplexen 3 und 4, die sich mit dem Gewährleistungsausschluß und Nutzungseinschränkungen befassen. So wird die Einhaltung des Jugendschutzes in der Benutzungsregelung nur einer Bibliothek erfaßt. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, da an vielen großen wissenschaftlichen Bibliotheken Internetarbeitsplätze allgemein zugänglich sind und auch Jugendliche z.B. pornographische Informationen aufrufen können.
4. Orientierungsmuster für Benutzungsregelungen
Auf der Grundlage der hier vorgestellten Regelungskomplexe wurde ein "Muster für ergänzende Benutzungsregelungen für EDV-Arbeitsplätze an Bibliotheken" erarbeitet, das auf folgenden Prinzipen basiert:
Mit der Umfassendheit sollen möglichst alle potentiellen Streitigkeiten zwischen der Bibliothek und ihren Kunden sowie den Informationsanbietern geregelt werden. Trotz dieser Umfassendheit soll das Regelwerk allerdings auch noch übersichtlich bleiben, also durch Überschriften strukturiert und nicht zu lang werden.
Um die Rechtssicherheit der Regelung zu gewährleisten, sollte auf die entsprechenden Gesetze hingewiesen werden. Formal genügt hier zwar ein pauschaler Hinweis auf "gesetzliche Regelungen", unter dem Aspekt einer "benutzerfreundlichen Bibliothek" ist jedoch eine Benennung zumindest der wichtigsten Gesetze, wie des Jugendschutzgesetzes, zu empfehlen.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Handhabbarkeit der Regelungen. Sie sollten insbesondere im Bereich der Sanktionsverfahren eindeutig formuliert und somit auch bei knapper Personalbesetzung ohne größere zeitliche Verzögerung umsetzbar sein.
Diese Prinzipien wurde bei dem folgenden "Muster für ergänzende Benutzungsregelungen für EDV-Arbeitsplätze an Bibliotheken" so weit wie möglich berücksichtigt. Mit diesem Muster sollte ein Orientierungsraster und keine Standardregelung entwickelt werden, die die Anforderungen aller Bibliotheken erfüllt. Selbstverständlich muß jede Bibliothek die konkrete Regelung auf ihre organisatorischen, personellen, technischen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen abstimmen.