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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 4, 99

Bestandsverzeichnis einer Kartensammlung im Internet

Wolfgang Crom

Zur Situation der Regelwerke für Karten

Die Verzeichnung kartographischer Materialien in Bibliothekskatalogen ist seit jeher problematisch. Bereits die Anlage VI der Preußischen Instruktionen, die der zweiten Ausgabe in der Fassung von 1908 zum ersten Mal beigegeben wurde, war heftiger Kritik ausgesetzt. So wurden schon früh die mangelnde Berücksichtigung der Besonderheiten historischer Karten ebenso wie das Fehlen von Hinweisen zur Verzeichnung von Kartenwerken, die seit einigen Jahrzehnten mehr und mehr an Bedeutung in der amtlichen Kartographie gewannen, beanstandet. Die angestrebten Revisionen der Anlage VI zogen sich jedoch so lange hin, daß weitere Überlegungen aufgegeben wurden, als das neue Regelwerk RAK, und somit auch RAK-Karten als Reaktion auf die internationale Standardisierung im Katalogisierungsbereich in Aussicht gestellt wurden.

Die entscheidende Neuerung im nun gültigen Regelwerk für kartographische Materialien ist die generelle Verzeichnung aller Karten unter dem Hauptsachtitel. Wenn dies auch zunächst als dem besonderen Sammelgut sehr entgegenkommend betrachtet wird, bleibt es dennoch eine Regelung, die in erster Linie von Katalogprinzipien ausgeht. Deswegen wird für Karten immer wieder gefordert, daß sie vor allem in Regional- und/oder Sachkatalogen nachzuweisen sind. Doch gerade die Einführung der RSWK bringt erneut viele Probleme für Karten mit sich, da ursprünglich lediglich die Formschlagwörter Atlas, Karte, Plan, und Stadtplan vorgesehen waren. Neu hinzugekommen sind inzwischen die Formschlagwörter Altkarte und Weltkarte. Selbst gängige Begriffe wie Geologische Karte, Geomorphologische Karte, Straßenkarte oder Topographische Karte bleiben im Sinne des Regelwerkes zu umschreiben. Außerdem ist die exakte geographische Zuordnung des Karteninhalts oftmals problematisch, insbesondere bei historischen Territorien. Deswegen ist das Beratungsgespräch nach wie vor wichtigster Bestandteil bei der Betreuung von Kartensammlungen und deren Benutzer. Die Erfahrungen hierbei zeigen, daß die Fragestellung der Benutzer nicht ohne weiteres in die Fragestruktur für Bibliothekskataloge umgesetzt werden kann, zumindest nicht von ihm selbst. Geographische und thematische Termini werden aber nicht nur in Unkenntnis der Ansetzungsformen oft unpräzise gefaßt, so daß nach einfachen Formen gesucht werden muß, um hier Abhilfe zu schaffen.

Jeder, der seit seiner Schulzeit mit Atlanten gearbeitet hat, weiß die im Einband befindlichen Kartenübersichten als ersten Sucheinstieg zu schätzen. Die visuelle Wahrnehmung ist nach wie vor ein wichtiges Kriterium bei der geographischen Orientierung. Leider lassen sich graphische Hilfsmittel aber nicht in einem Bibliothekskatalog verwirklichen. Die Kartensammler haben sich bisweilen mit der Erstellung von Kartenübersichten und Indexblättern der Kartenwerke beholfen und diese in den Sammlungen für die Benutzung zugänglich gemacht, um dem Benutzer eine schnelle Orientierung zu ermöglichen.

Das Internet-Projekt

In der Kartensammlung der Württembergischen Landesbibliothek ist diesbezüglich die Frage aufgeworfen worden, inwieweit das Internet, das zunehmend an Bedeutung als Informationsmedium gewinnt, ergänzende Suchmöglichkeiten zu den bibliothekarischen Katalogen für den Benutzer bereitstellen kann. Dabei wurde das Augenmerk auf die Einbindung von Graphiken gerichtet, um vor allem die Darstellung der Indexblätter für die Kartenwerke einsetzen zu können. Ausgehend von den häufigsten Anfragen wurden als wichtigste Kriterien der regionale Bezug, der Zeitraum und das Thema hervorgehoben. Daraus ergab sich die Idee der Anlage von Listen, also für bestimmte Fragestellungen angefertigte Zusammenstellungen. Der Anfang lag gemäß des Bestandsschwerpunktes bei den Karten zu Südwest-Deutschland und bei häufig frequentierten Beständen.

Bei dem beschrittenen Weg der Listen und Übersichten ist jeweils die Frage zu klären, welche Suchstrategie zu einem Bestandsverzeichnis angewandt werden soll. Die Auswahl der Präsentationsform richtet sich nach Fragestellung und Inhalt. Dabei ist auch nicht in jedem Fall eine regelkonforme Titelaufnahme notwendig, sondern es reichen oftmals kryptische Angaben für eine gezielte Suche vollkommen aus. Einfache Überschriften der Listen können dabei den Zweck eines Regional- und/oder Sachkatalogs übernehmen. Grundsätzlich aber sind alle Verzeichnisse in ein vorgegebenes Schema eingebunden, das den Benutzer auf die Suche im Kartenbestand der Württembergischen Landesbibliothek hinweist und ihm die Navigation erleichtern soll. Ausgangspunkt ist die Startseite für den Kartenbestand unter der URL: <http://www.wlb-stuttgart.de/~www/referate/kartograph/bestand.htm>

Übersichtslisten

Anhand einiger ausgesuchter Themen soll das Spektrum der Verzeichnisse dargestellt werden. Für Übersichskarten einer Region wurden Listen in chronologischer Folge zusammengestellt. Beispielsweise enthält die Liste "Bodensee Umgebungskarten" 18 Einzelblätter. Die Titelanzeigen enthalten als weitere Angaben den Maßstab und den Herausgeber (Abb. 1). Die Umgebungskarten Schweizer Orte sind dagegen alphabetisch nach den Ortsnamen sortiert, wobei dieser hervorgehoben ist (Abb. 2). Die Titelbeschreibungen enthalten zusätzlich Informationen zu Höhenlinien, Schummerung oder Schraffen, zur Kartengröße und gegebenenfalls zu Farbigkeit oder Aufbewahrungszustand.

Territorial- und Verwaltungskarten sind in erster Linie zeitlich gebunden. So gliedern sich beispielsweise die Kreiskarten Baden-Württembergs nach dem Zeitpunkt der kommunalen Neugliederung zum Jahreswechsel 1972 / 1973. Von beiden alphabetischen Listen erfolgt eine direkte Verbindung zur jeweils anderen, denn es ist davon auszugehen, daß die zeitgeschichtlichen Daten der Verwaltungsreform und dessen Auswirkungen auf die Namensgebung der Landkreise nicht allen geläufig sind. Da hier eine Verwaltungskarte eines Kreises im Vordergrund der Recherche steht, wurde auf die Maßstabsangabe im Detail verzichtet und stattdessen eine pauschale Angabe in der Überschrift eingefügt, was einer besseren Übersicht der Listen zugute kommt.
[http://www.wlb-stuttgart.de/~www/referate/kartograph/bwkrb72.htm]
[http://www.wlb-stuttgart.de/~www/referate/kartograph/bwkra73.htm]

Stadtpläne

In ähnlich einfacher Form und mit minimaler Information sind die Stadtpläne suchbar gemacht worden. Für den jeweils bestimmten Raum dient hier lediglich das Ortsalphabet als Suchkriterium. Hinter dem Ortsnamen finden sich dann ausschließlich die Angaben der Erscheinungsjahre. Maßstabsangaben wurden absichtlich ausgelassen, da sie bei Stadtplänen bekanntlich zwischen 1:12.000 und 1:20.000 liegen. Dafür bekommt der Benutzer allerdings schnell den gewünschten Überblick für eine chronologische Sicht der Stadtentwicklung präsentiert (Abb. 3). Derzeit liegen Listen für Baden-Württemberg, Deutschland (Orte > 50.000 Einwohner ohne Baden-Württemberg), Europa (ohne Deutschland) und der Schweiz vor.

Kartenwerke

Nun bietet das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten auch die Einbindung von Graphiken. Diesen Vorteil hat sich die Kartensammlung der WLB zunutze gemacht und damit begonnen, verweis-sensitive Indexblätter für Kartenwerke zu erstellen. Am Beispiel der Kartenwerke 1:50.000 Baden-Württembergs wird das Prinzip veranschaulicht. Nach Aufruf der Kartenserie erfolgt die Anzeige des Indexblattes (Abb. 4). Von hier aus kann nun jede einzelne Kartennummer des Blattschnittes durch anklicken aufgerufen werden. Daraufhin wird die dazugehörige Liste exakt an der Stelle aufgerufen, an der nun sämtliche vorhandenen Ausgaben der angeklickten Blattnummer aufgeführt sind (Abb. 5). Beziehungsweise ist hier gegebenenfalls auch die Information zu finden, daß keine Ausgabe des gewünschten Blattes in der Sammlung vorhanden ist. Die Angabe eines Nichtbestandes dürfte für den Benutzer nicht uninteressant sein. Andererseits wird bei dieser Form der Suche und Präsentation auch das Problem der Namensänderung bei einzelnen Blättern ohne Verweisungen umgangen, wobei aber der alte Name bei der heutigen Schreibweise in Klammern angegeben wird.

Die orohydrographische Ausgabe der Topographischen Karte 1:50.000 von Baden-Württemberg ist abweichend vom Regelwerk als eigenständiges Kartenwerk aufgenommen worden und wird nicht als dazugehörige Ausgabenbezeichung geführt. Somit ist hier die thematische Bedeutung des Inhalts hervorgehoben. Ohnehin hat eine einmal eingerichtete Graphik mit dem dazugehörigen Verweisungsapparat den Vorteil der Mehrfachnutzung, lediglich Teile der Bezeichnung der Zieldateien sind zu ändern. Auf der Grundlage des Indexblattes für Baden-Württemberg 1:50.000 sind inzwischen vier verschiedene Kartenwerke eingerichtet:

Wenn man im bibliothekarischen Jargon bleibt, könnten die Überschriften zu den Indexblättern sowie zu den dazugehörigen Bestandslisten quasi als vereinfachte Reihengrundaufnahme verstanden werden. Obwohl hier nicht der exakte Titel mit der Herausgeberangabe steht, sondern sich die Informationen auf die geographische Angabe, das Thema und den Maßstab reduzieren, sind damit dennoch alle wesentlichen Informationen zum Grundwerk für die Benutzer gegeben, um sich zurechtzufinden. Die einzelnen Blätter in der Bestandsliste sind dann fortlaufend nach Blattnummern sortiert und nach ihren Erscheinungsjahren bzw. bei der Topographischen Karte auch nach ihren Ausgaben (z. B. mit Wanderwegen) aufgeführt. Auch wenn eine bestimmte Blattnummer über das Indexblatt aufgerufen worden ist, gewährt die Bestandsliste dennoch einen Überblick über den Gesamtbestand des Kartenwerkes.

Schluß

Die Kartensammlung der Württembergischen Landesbibliothek bietet mit seinem durchaus unkonventionellen Bestandsverzeichnis im Internet ein zusätzliches Hilfsinstrument an, das dem Benutzer eine leichte Suche und Orientierung im Sammlungsbestand erlaubt. Es ist keineswegs daran gedacht, den eigentlichen Katalog abzulösen, weshalb auch bewußt der Begriff "Bestandsverzeichnis" gewählt wurde. Schließlich sind bei anders gerichteten Anfragen durchaus komplette Titelaufnahmen notwendig, so z. B. bei bestimmten Stadtplantypen, ob es sich um einen Innenstadtplan handelt oder ob Aufrisse eingezeichnet sind. Außderdem enthält das Bestandsverzeichnis keine Signaturen, da der Benutzer selbst keinen Zutritt zu den Kartenschränken bekommt. Vielmehr ist es als Einstiegsinstrument gedacht, wobei eine Verknüpfung mit den regelkonformenen Titelaufnahmen einer Datenbank durchaus denkbar wäre und für die Zukunft projektiert werden kann.


Stand: 08.04.99
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