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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 4, 99

Die privatwirtschaftlichen Kunden der ETH-Bibliothek Zürich

Neue Erkenntnisse über ein wichtiges Kundensegment

Ergebnisse einer Umfrage vom Frühjahr 1998

Hanspeter Schwarz

Einleitung

Die ETH-Bibliothek (Bibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich) als größte technisch-naturwissenschaftliche Bibliothek der Schweiz übt zwei Hauptfunktionen aus. In ihrer lokalen Funktion ist sie die Hauptbibliothek der ETH Zürich (Schwergewicht auf Ingenieurwesen und Naturwissenschaften, inkl. Mathematik, Informatik und Architektur, 11.700 Studierende, ca. 90 Institute). Einerseits ergänzt sie die Fachbereichs- und Institutsbibliotheken. Andererseits stellt sie Bestände und Dienstleistungen zur Verfügung, für die sie weder an der ETH Zürich noch sonstwo in der Schweiz Konkurrenz hat. Der Anteil der lokalen Funktion am Total aller Benutzungen beläuft sich auf ca. 60 %.

In ihrer nationalen Funktion beliefert die ETH-Bibliothek seit Jahrzehnten auch Kunden außerhalb der ETH Zürich, nämlich drei zum ETH-Bereich gehörende große Forschungsanstalten, die ETH Lausanne und die anderen Schweizer Universitäten, die Fachhochschulen, eine große Zahl von Unternehmungen der Privatwirtschaft, zahlreiche Ämter von Bund, Kantonen und Städten, sowie alle Privatpersonen mit einem Interesse an ihren Beständen und Dienstleistungen (die ETH-Bibliothek ist eine öffentliche Bibliothek). Hinzu kommen in geringem Umfang Lieferungen an eine internationale Kundschaft. Diese nationale Funktion nimmt ca. 40 % des Totals aller Benutzungen ein. Davon entfällt rund die Hälfte auf die schweizerischen Privatunternehmungen.

Die bisherige Haltung der ETH-Bibliothek gegenüber den Kunden außerhalb der ETH Zürich war gekennzeichnet durch eine merkwürdige Kombination von Passivität (Abwarten, bis die Bestellungen "von allein" eintreffen, ungenügende Information der potentiellen und tatsächlichen Kunden) und höchster Aktivität bei der Ausführung der Bestellungen (kürzeste Lieferfristen, hohe Zuverlässigkeit und Kundenfreundlichkeit, günstige Preise).

Angesichts des stark gestiegenen Anteils der Benutzungen durch die externen Kunden ist eine passive Haltung nicht mehr akzeptabel. Im Rahmen des geplanten Ausbaus des Marketings wurde deshalb eine Reihe von Maßnahmen ins Auge gefaßt:

Eine umfassende Analyse der potentiellen und der bestehenden externen Kunden hat hierfür die Grundlagen zu erbringen.

In einer ersten Phase geht es um die Beziehungen zwischen der ETH-Bibliothek und der Privatwirtschaft. Hier ist das Informationsdefizit besonders ausgeprägt, und zwar auf Gegenseitigkeit.

Von den seit Jahren ablaufenden Umwälzungen in der Privatwirtschaft war und ist immer auch die Informations- und Literaturversorgung betroffen. Diese Vorgänge können stichwortartig wie folgt charakterisiert werden: Zum Teil Beseitigung, zum Teil massive Reduktion der Firmenbibliotheken, starker Abbau beim Bibliothekspersonal, entweder Dezentralisierung von Literatursuche und -bestellung und dabei Verlagerung auf die Ebene der einzelnen Firmenmitarbeiter/innen, oder Bildung von zentralen Information Centers mit wenig, dafür aber besonders qualifiziertem Personal, welches Datenbank- und Patentrecherchen ausführt und die Literaturbeschaffung aus externen Quellen abwickelt.

Diese Umwälzungen liefen parallel zum Aufkommen der elektronisch verfügbaren Information (und waren teilweise auch eine Folge davon). Die ETH-Bibliothek erhielt von den firmenintern im verborgenen ablaufenden Entwicklungen nicht im erforderlichem Umfang Kenntnis, befaßte sich aber auch lange Zeit nicht intensiv damit. Auf die Dauer war diese "Halbinformation" unbefriedigend. Es entstand zunehmend die Gefahr, daß die ETH-Bibliothek ihre Dienstleistungen eines Tages an den Bedürfnissen der Kunden vorbei anbieten würde. Intensive Untersuchungen der Situation waren deshalb unabdingbar geworden.

Die laufende Analyse der potentiellen und tatsächlichen externen Kunden weist nun drei Hauptlinien auf:

Alle drei Teilprojekte laufen parallel, und zwar so, daß vorläufige Ergebnisse des einen Teilprojektes die Grundlage für andere Projektschritte bilden. So wurde z. B. die Umfrage im Frühjahr 1998 durchgeführt, als die für den Versand erforderliche Adreßdatei bereits zu einem großen Anteil erstellt war. Die erste Grobauswertung der Umfrage lieferte dann wichtige "Vorausinformationen" für die Interviews. Für das ganze Projekt war während des Jahres 1998 eine Person full-time eingesetzt. Ab Anfang 1999 erfolgte eine Reduktion des Aufwandes auf ein Drittel einer Personalstelle.

Die Umfrage unter den potentiellen externen Kunden
Methodik

Das Hauptziel der Umfrage bestand darin, mittels weniger Fragen einen breiten Überblick über die aktuelle Situation zu erhalten. Gleichzeitig wurden folgende Nebenziele verfolgt: Sensibilisierung der Adressaten für die ETH-Bibliothek und ihre Dienstleistungen, Versand von Informationsmaterial (nicht Werbematerial) zusammen mit dem Fragebogen, Initialisierung der Kommunikation zwischen der ETH-Bibliothek und den interessierten Kunden.

Der Fragebogen entstand auf der Basis der Erkenntnisse, wie sie alle Lehrbücher über Marktforschung enthalten. Nach der Überprüfung des Fragebogens durch ein ETH-Institut, welches Erfahrung mit Umfragen aufweist, erfolgte eine gründliche Überarbeitung. Der Fragebogen wurde in einer deutschen und einer französischen Version hergestellt. Er umfaßte sechs geschlossene Fragen (darunter eine zweigeteilte), zum Teil mit mehreren vorgegebenen Varianten von Antworten, sowie verschiedenen Möglichkeiten für nicht vorgegebene Antwortvarianten und für ergänzende Bemerkungen, darunter ein spezifisches Feld für Kommentare, Anregungen, Kritik, Ideen und Vorschlägen. Diesen qualitativen Elementen wurde in der Umfrage denn auch ebenso großes Gewicht beigemessen wie den quantitativen.

Für den Versand wurde auf die gleichzeitig im Aufbau begriffene Adreßdatei der potentiellen Kunden der ETH-Bibliothek zurückgegriffen. Sie umfaßte damals den weitaus größten Teil der in Frage kommenden Industrieunternehmungen, aber nur einen kleinen Teil der Architektur- und Ingenieurbüros.

Angestrebt wurde eine Datei, welche bezüglich Vollständigkeit, Aktualität und Genauigkeit höchsten Ansprüchen genügt. Auf den Ankauf von Adressen wurde verzichtet, und zwar aus folgenden Gründen: Keine umfassende Übereinstimmung mit den definierten Auswahlkriterien der zu erstellenden Datei (dies hätte einen großen Anpassungsaufwand erfordert), unzuverlässige Vollständigkeit, Aktualität und Genauigkeit, wiederholte Bezahlung für die wiederholte Nutzung der Adressen. Letzteres war ein Problem, weil die Adreßdatei für den periodischen Versand von Informationen (Newsletter) und für künftige Umfragen genutzt werden soll. Folglich wurde die Adreßdatei aus eigenen Kräften aufgebaut.

Die Datei erstreckt sich über die ganze Schweiz und über alle Unternehmungen, Institutionen und Organisationen, in denen Ingenieure und/oder Naturwissenschafter tätig sind, in denen F&E betrieben wird oder die Produktion bezüglich Einrichtungen und Verfahren auf sehr anspruchsvollem Niveau erfolgt.

Die Adressen stammten aus zwei Hauptquellen. Zum einen wurde das Verzeichnis der Schweizerischen Handelsregister-Einträge durchgearbeitet, zum andern konnten bestimmte Unternehmungen, v.a. die Architektur- und Ingenieurbüros sowie die Laboratorien, leicht dem elektronischen Telefonbuch entnommen werden. Die laufende Lektüre von Wirtschaftszeitungen und

-zeitschriften erbrachte weitere Namen von Unternehmungen. Die breiten Kenntnisse des Autors über die schweizerische "Industrielandschaft" erleichterte die Selektion wesentlich.

Für den Versand wurden in reduziertem Rahmen die Methoden des Direktmarketings angewandt. Dem Fragebogen wurde ein Begleitbrief - je nachdem in deutscher oder französischer Sprache - mitgegeben, in welchem die Unternehmer, Leiter von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, Firmenbibliothekare und die Laborleiter angesprochen wurden. Hinter diesem Spektrum stand die Hoffnung, daß die Sendung auch in großen Unternehmungen, deren interne Strukturen von außen nicht zu erkennen sind, zu einer geeigneten Person gelangen möge. Beigefügt wurde ein adressierter und frankierter Briefumschlag für die Rückantwort, ein Informationsblatt über die Internet-Angebote der ETH-Bibliothek sowie ein im Herbst 1997 erschienener Zeitungsartikel über die Dienstleistungen der ETH-Bibliothek zugunsten der Privatwirtschaft. Auf diese Weise signalisierte die ETH-Bibliothek den Empfängern, daß sie nicht nur von diesen etwas haben möchte (nämlich den ausgefüllten Fragebogen), sondern ihnen auch etwas bieten möchte (in Form von nützlicher, hilfreicher Information). Nicht vergessen wurde der Hinweis auf dem Begleitbrief, daß die Daten vertraulich behandelt, die Adressen nicht weitergegeben und die Fragebogen nach der Auswertung vernichtet werden.

Es wurden total 8.736 Fragebogen versandt (5.220 in der Deutschschweiz und 3.516 in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz). Der Versand erfolgte im Frühjahr 1998; die Rücksendefrist dauerte bis zum Sommer.

Ergebnisse
Allgemeine Ergebnisse

Wenn auch die Mehrzahl der zurückkehrenden Fragebogen termingerecht eintraf, gab es erwartungsgemäß nicht wenige "Nachzügler" mit monatelanger Verspätung. Die Bearbeitung der Fragebogen wurde so organisiert, daß alle verspäteten Sendungen wenigstens noch bezüglich ihrer qualitativen Informationen berücksichtigt werden konnten.

Die Rücklaufquote lag zwischen 26,5 % in der Deutschschweiz und 13,7 % in der französischsprachigen Schweiz; gesamtschweizerisch betrug sie 21,4 %. Auf den ersten Blick scheint dies wenig zu sein. Es ist jedoch ein befriedigender Rücklauf, wenn man folgendes bedenkt: Alle Unternehmungen werden dauernd von allen Seiten mit Befragungen "bombardiert". Meinungsforschungsinstitute, Doktoranden, Ämter aller Art wollen alles mögliche wissen. Die Bereitschaft, sich an nicht-amtlichen Befragungen zu beteiligen, ist deshalb vor allem in den besonders belasteten kleinen Unternehmungen gering. Die Auswahl der berücksichtigten Umfragen durch die Unternehmungen erfolgt nach von außen nicht nachvollziehbaren Kriterien.

Anhand der Grobprüfung der ersten zurückkehrenden Fragebogen zeigte sich rasch, daß mehr Unternehmungen als erwartet darauf hinwiesen, daß sie die ETH-Bibliothek und ihre Dienstleistungen nicht oder ungenügend kannten. Diesen Absendern wurden sofort in einer Nachfaßaktion Informationen darüber zugesandt, wie sie als externe Kunden sich einschreiben und die Dienstleistungen der ETH-Bibliothek "aus der Ferne" nutzen konnten.

Allgemein führte die Umfrage zu zahlreichen Neueinschreibungen von Unternehmungen. Der Versuch zur Sensibilisierung verlief somit erfolgreich. Es sieht auch so aus, daß viele Unternehmungen die Dienste der ETH-Bibliothek seit der Umfrage intensiver beanspruchen als vorher. Genaue Zahlen darüber stehen aber noch aus.

Die Auswertung der Fragebogen war von vornherein nur vorgesehen für die Schweiz als ganzes sowie für das jeweilige Total in der Deutschschweiz, in der französischsprachigen Schweiz und im Tessin. Eine weitergehende Differenzierung nach Kantonen oder nach Wirtschaftszweigen war nicht beabsichtigt, das eine mangels Bedarf, das andere mangels entsprechender Segmentierung der Adressen.

Die Auswertung der geschlossenen Fragen (Fragen, die mit JA oder NEIN zu beantworten waren) erfolgte durch eine Firma, welche auf derartige Auswertungen spezialisiert ist. Sie war auch unter den angeschriebenen Adressen und bot daraufhin sofort ihre Dienste an.

Spezifische Ergebnisse

Der Schlußbericht mit den detaillierten Ergebnissen wird als Band der neuen Schriftenreihe der ETH-Bibliothek erscheinen. Der vorliegenden Beitrag geht deshalb nicht auf alle Einzelheiten ein.

Es folgen nachstehend jeweils die Frage, die Antwort auf gesamtschweizerischem Level und deren Interpretation. In die Erklärungen fließen auch einige Erkenntnisse ein, welche der Verfasser in den Interviews (siehe oben) gewonnen hat.

Frage 1: Benötigen Sie für Ihre Tätigkeit resp. für Ihre Unternehmung technische und/oder naturwissenschaftliche Literatur/Information?

Die Frage wurden von 92,2 % der Antwortenden positiv beantwortet. 7,6 % sagten Nein, und 0,2 % äußerten keine Meinung (Antwortkategorie "Weiß nicht/keine Antwort").

Mit dieser als Einstieg gedachten Frage sollten die Gedanken der Antwortenden auf die allgemeine Thematik der Befragung gelenkt werden. Außerdem konnte kontrolliert werden, ob im großen ganzen die richtigen Unternehmungen ausgewählt wurden; dies war offensichtlich der Fall. Unter den NEIN-Sagern überwogen die reinen Produktionsunternehmungen ohne F&E oder Labors, d. h. ohne besonderen Literaturbedarf, der zweckmäßigerweise aus Bibliotheken zu decken wäre.

Frage 1a: Wenn JA: Was benötigen Sie?

Hier waren Mehrfachnennungen erlaubt.

87,1 % der Antwortenden benötigen Bücher und 86,7 % Zeitschriftenartikel in gedruckter Form. Informationen in elektronischer Form wurden von beinahe der Hälfte der Antwortenden ebenfalls genannt: 48,2 % elektronische Datenträger, 45,6 % online abfragbare Information. Weitere Antworten (in absteigender Rangfolge) entfielen auf Nachschlagewerke und Bibliographien 42,4 %, auf Landkarten 12,7 %, auf Forschungsberichte in Mikroform 9,5 %, auf wissenschaftshistorische Materialien 3,7 % und auf andere Materialien - erwähnt wurden v.a. Normen und Patente - 4,0 %.

Das Überwiegen der gedruckten Informationen stellt eine Momentaufnahme dar. Die Installation von Internet und von firmeninternen Netzwerken ist überall in vollem Gange resp. bereits abgeschlossen, und die Nutzung von Datenbanken über das jeweilige Intranet oder direkt ab CD-ROM ist besonders in den großen Unternehmungen nicht nur etwas bereits Alltägliches, sondern weiterhin im starken Vormarsch. Die Nutzung der Information in gedruckter Form hängt deshalb einerseits mit dem entsprechenden Angebot der Bibliotheken, auch der ETH-Bibliothek, zusammen, und andererseits mit der immer noch starken bequemlichkeitsbedingten Vorliebe vieler Kunden für bereits in gedruckter Form vorliegende Information.

Frage 2: Wie oft benutzen Sie die ETH-Bibliothek im Durchschnitt?

Nicht weniger als 52,0 % der Antwortenden gaben an, die ETH-Bibliothek nie zu benutzen. Das sind in erster Linie diejenigen Unternehmungen, welche gar nicht wußten, daß die ETH-Bibliothek auch für sie zugänglich ist, oder welche fälschlicherweise annahmen, man könne sie nicht "aus der Ferne" benutzen, den für viele zu weiten Weg aber ebenfalls scheuten. Unter ihnen überwogen die kleinen Unternehmungen bei weitem. Dies weist auf das gravierende Problem hin, daß es die ETH-Bibliothek bisher versäumt hat, bei ihren potentiellen externen Kunden in ausreichender Weise auf ihre Dienstleistungen hinzuweisen. Daß andererseits die ETH-Bibliothek in der kleinen Schweiz jedoch genügend bekannt sein dürfte, u. a. bei den ETH-Absolventen, so daß eine Anfrage der Interessenten immer möglich gewesen wäre, bleibe hier dahingestellt.

4 % der Antwortenden wählten die Variante "Weiß nicht/keine Antwort". Somit benutzten 44,0 % der Antwortenden die ETH-Bibliothek, nämlich 22,8 % mindestens ein Mal pro Jahr, 15,4 % mindestens ein Mal pro Monat und die übrigen 5,8 % mindestens ein Mal pro Woche.

Der hohe Anteil der seltenen Benutzer weist auf ein Problem hin: Wer die ETH-Bibliothek nur ein Mal pro Jahr benutzt, kann schwerlich genügend Know-how und Routine entwickeln im Umgang mit dem elektronischen Katalog resp. mit dem Angebot an Dienstleistungen, so daß das ungute Gefühl besteht, daß diese Kategorie von Antwortenden vielleicht nicht das Optimum aus der ETH-Bibliothek herausholt. Besonders die Unternehmungen kann das Fehlen von Information resp. der richtigen Information jedoch viel Geld kosten. Mit einem einfach handhabbaren elektronischen Katalog, mit guten Benutzeranleitungen und einer problemlos beanspruchbaren Hilfe der Informationsabteilung kann die ETH-Bibliothek zwar mithelfen bei der Problemlösung. Die Initiative muß jedoch hauptsächlich von den Kunden herkommen. Auch darüber müssen die Kunden besser informiert werden, um das Bewußtsein entsprechend zu entwickeln.

Frage 3: Welche Dienstleistungen der ETH-Bibliothek haben Sie bisher in Anspruch genommen?

Auch hier waren Mehrfachnennungen möglich.

33,0 % der Antwortenden lassen sich Bücher und/oder Zeitschriftenhefte

(-bände) in gedruckter Form und 22,2 % Photokopien per Post zusenden. 19,8 % konsultieren den elektronischen Katalog der ETH-Bibliothek über Internet und 14,9 % über Telnet (in Deutschland Datex P). 9,1 % holen sich Auskünfte und/oder Beratung. 1,9 % erhalten Duplikate von Mikrofichen und 1,3 % wissenschaftshistorische Materialien per Post zugesandt. 3,5 % der Antwortenden wählten die Variante "Andere Dienstleistungen" und meinten damit das persönliche Abholen von Büchern am Schalter, die persönliche Benutzung der Einrichtungen und Dienstleistungen am Ort, die telefonische Verlängerung von Ausleihfristen, etc.

Unter den Dienstleistungen, welche die ETH-Bibliothek den externen Kunden anbietet, ist der Postversand von Dokumenten und Kopien der "Renner". Die Katalogkonsultation am Bildschirm wird aber nur von einem Drittel der Antwortenden in Anspruch genommen. Dies weist darauf hin, daß die Mehrzahl der antwortenden Personen den Katalog nicht selber konsultiert oder die Literatur ohne Katalogkonsultation bestellt, sozusagen im vollen Vertrauen auf die guten Bestände der ETH-Bibliothek. Ob es viel oder wenig ist, wenn rund 10 % der Antwortenden die Auskunft und/oder Beratung beanspruchen, ist schwer interpretierbar. Vergleiche mit anderen Bibliotheken könnten hier aufzeigen, wo die ETH-Bibliothek und ihre externen Kunden etwa stehen.

Frage 4: Wie zufrieden sind Sie im allgemeinen mit der Qualität der Dienstleistungen der ETH-Bibliothek?

Angeboten wurde eine Skala von 6 (= sehr zufrieden) bis 1 (unzufrieden).

57,5 % beantworteten diese Frage nicht, was auch hier auf den hohen Anteil von Nicht-Kennern der ETH-Bibliothek und ihrer Dienstleistungen zurückzuführen ist.

In den Lehrbüchern über Marktforschung wird darauf hingewiesen, daß die Antworten der Befragten zur Mitte hin tendieren (mittlere Zufriedenheit), oder aber, wenn die Begeisterung vorherrscht, die Wahl auf die zweithöchste statt auf die höchste Stufe fällt ("bekanntlich ist nichts wirklich perfekt").

Von denjenigen, welche eine Note vergaben, wählten 82,5 % die Note 5 oder gar 6. Über dem Durchschnitt (Noten 4 - 6) befanden sich 96,7 % der Antwortenden. Nur gerade 3,3 % zeigten sich in unterschiedlichem Grad (Noten 3 - 1) unzufrieden mit der ETH-Bibliothek. Dieses sehr schmeichelhafte Ergebnis belegt zwar, daß sich die ETH-Bibliothek bezüglich der Art und Qualität ihrer Dienstleistungen auf dem richtigen Weg befindet. Es wird aber die ETH-Bibliothek nicht dazu verleiten, auf den Lorbeeren auszuruhen. Die nächste Frage und die Antworten darauf weisen in die Richtung der neuen Entwicklungen.

Frage 5: Die ETH-Bibliothek entwickelt momentan neue elektronische Dienstleistungen. An welchen davon sind Sie interessiert?

Es waren Mehrfachnennungen möglich. Zur Auswahl standen die folgenden drei Projekte:

So wie die Frage gestellt war, hätte sie, da die Antwort zu nichts verpflichtete, von allen Antwortenden bedenkenlos mit "interessiert" beantwortet werden können (man kann es sich ja heute kaum mehr leisten, an elektronischen Entwicklungen nicht interessiert zu sein). Es zeugt nun aber von der differenzierten Betrachtung und Beurteilung der Projekte durch die Antwortenden, daß sich "nur" 56-60 % an den drei Projekten interessiert zeigten. Andererseits können sich möglicherweise nicht alle Antwortenden bereits jetzt etwas Konkretes unter den Projekten vorstellen, so daß das Interesse zunehmen wird, wenn das Internet weiter verbreitet ist als heute (und dabei die Firewall-Probleme befriedigend gelöst sind) und wenn die neuen Dienstleistungen voll eingeführt sein werden.

Frage 6: Gibt es Dienstleistungen, die Sie in der ETH-Bibliothek vermissen?

Diese Frage beantworteten nur 9,1 % der Antwortenden mit JA. 44,9 % vermissen nichts, und 46,0 % enthielten sich einer konkreten Antwort (v. a. weil sie die ETH-Bibliothek noch nicht kennen).

Die Beantwortung der Frage muß im Zusammenhang mit dem Kommentarfeld gesehen werden, welches stark genutzt wurde. Hier wurden dann die vermißten Dienstleistungen konkret benannt.

Auswertung der Kommentare

Die Analyse der Begründungen für die Nicht-Benutzung der ETH-Bibliothek sowie das Zusammentragen aller Kommentare, Ideen, Kritiken und Vorschläge erbrachten eine Fülle von Hinweisen auf versteckte Erwartungen der Kunden der ETH-Bibliothek. Diese qualitativen Antworten sind mindestens so interessant wie die quantifizierbaren auf die sechs Fragen. Denn hier zeigen sich die individuellen Ansichten und Wünsche auf sehr konkrete Weise.

Die Vielfalt von Hinweisen macht es jedoch auch schwer, bestimmte Linien herauszufiltern. Einige wenige Aspekte wurden mehrfach genannt, die meisten aber nur von jeweils einem Antwortenden. Deutlich erkennbar ist das Defizit an (verläßlichen) Informationen über die Benutzbarkeit der ETH-Bibliothek bei den Kunden außerhalb der ETH Zürich. In dieser Beziehung muß die ETH-Bibliothek rasch zu einer guten Informationspolitik übergehen. Mit der bevorstehenden Publikation eines "Newsletters", der vorerst einmal an alle potentiellen externen Kunden verteilt wird, ist ein Anfang initiiert worden. Die intensivierte Öffentlichkeitsarbeit ergänzt diese Aktivitäten. Das Ziel, daß alle potentiellen externen Kunden über ausreichende Entscheidungsgrundlagen bezüglich einer Nutzung der ETH-Bibliothek und ihrer Dienstleistungen verfügen, soll noch 1999 erreicht werden.

Allgemeine Informationen der Antwortenden lassen u. a. die große Sorge erkennen, daß die ETH-Bibliothek allzu sehr zum Sparen gezwungen werden könnte.

Unter den konkret genannten vermißten Dienstleistungen finden sich kaum fundamentale Defizite. Vielmehr überwiegen Aspekte der Bequemlichkeit. Ferner spiegeln die Bemerkungen die sich aus der besonderen Situation der Antwortenden ergebenden, sehr individuellen Wünsche. Die sorgfältige Bearbeitung dieser Wünsche wird zeigen, was davon in die Realität umgesetzt werden soll bzw. kann.

Eigentliche Kritik wurde ebenfalls geäußert. Die Punkte sind von höchst unterschiedlichem, meist eher geringem Gewicht. Viele von ihnen betreffen wiederum den Komfort im allgemeinen oder Probleme im Umgang mit dem elektronischen Katalog. Vieles von dem, was kritisiert wurde, ist auch der ETH-Bibliothek als Mangel bekannt, und die Beseitigung der Mängel wird angestrebt (nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem 1999 stattfindenden Wechsel des Bibliothekssystems).

Die Kritik wurde vielfach ergänzt durch konkrete Verbesserungsvorschläge. Auch diese werden sorgfältig auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft. Wohltuend waren auch die zahlreichen lobenden und aufmunternden Bemerkungen, wohltuend deshalb, weil in einer Magazin- und Versandbibliothek die Meinung der Kunden nicht so leicht vernommen wird, und erst recht nicht von den externen Kunden.

Gesamtbeurteilung

Die Umfrage der ETH-Bibliothek vom Frühjahr 1998 darf, gesamthaft betrachtet, als Erfolg bezeichnet werden. Die eingangs geschilderten Ziele wurden erreicht. Der Erkenntnisgewinn ist groß, nicht zuletzt auch dank der vielen qualitativen Aussagen.

Nicht daß diese Umfrage nun genügen würde. Ihre Ergebnisse sind zwar, obschon es sich nur um einen Überblick handelt, so konkret und plausibel, daß eine Umsetzung in Verbesserungen direkt möglich ist. Damit aber das Gesamtbild in der angestrebten Qualität entsteht, bedarf es noch der gewichtigen Ergänzung durch die laufenden Interviews sowie durch die grundsätzlichen Analysen.

Am Ende wird die ETH-Bibliothek imstande sein, das volkswirtschaftlich sehr wichtige Segment der privatwirtschaftlichen Kunden (noch) besser als bisher mit Literatur und Information zu versorgen.


Stand: 08.04.99
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