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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 2, 99

Fundraising für Hochschulbibliotheken und Hochschularchive

Fachtagung in Potsdam

Marion Schmidt

"Woher nehmen, wenn nicht stehlen?" ist die finanzpolitische Kardinalfrage in öffentlich finanzierten Einrichtungen, die entgegen allen Sparauflagen ihre Angebote modernisieren und erweitern möchten. Als Antwort fallen oft die Zauberwörter Sponsoring und Fundraising. Doch weiß man inzwischen, daß das fehlende Geld oder die benötigten Sachmittel nicht mit zwei Spendenbittbriefen und drei Telefonaten zu erhalten sind. Fundraising selbst ist nämlich nicht Zauberei, sondern harte Arbeit und bedeutet vor allem systematisch vor- und nachbereitete Geld- oder Kapitalbeschaffung. Strategien und Aufwand für diese außerplanmäßige Finanzierungsform wurden in Bibliothekskreisen schon thematisiert1). Besonders in Öffentlichen Bibliotheken wird es immer selbstverständlicher, für besondere Vorhaben, die über die öffentlich finanzierte Grundversorgung hinausgehen, ergänzende Sponsormittel einzuwerben. Doch auch im wissenschaftlichen Bibliothekswesen und in den Archiven werden Sinn und Nutzen des Fundraising nicht mehr nur diskutiert, sondern ebenfalls schon erfolgreich angewendet. Für diese Zielgruppe führte die Fachhochschule Potsdam am 13. November 1998 eine Tagung durch, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowohl spezifisches Methodenwissen als auch schon vorhandenes Erfahrungswissen vorstellte. Vorbereitet und organisiert wurde die Veranstaltung von Professor Dagmar Jank und Studierenden des Fachbereichs Archiv-Bibliothek-Dokumentation, dessen prinzipiell spartenübergreifendes Selbstverständnis diesmal ausnahmsweise auf die wissenschaftlichen Bibliotheken und Archive eingeschränkt wurde, um den dort vorhandenen Kenntnissen und Handlungsgrundlagen besser entsprechen zu können.

Die Einführung von Dagmar Giesecke (FH Potsdam) definierte den thematischen Rahmen der Tagung: Fundraising als systematische Mittelbeschaffung bei Unternehmen, Privatpersonen, Stiftungen und Förderinstitutionen basiere auf Öffentlichkeitsarbeit, sei eng verbunden mit systematischer Kommunikation und Management und bedürfe einer zielgerichteten Planung und Steuerung. Vor allem in dieser Hinsicht bestünde in deutschen Kultureinrichtungen - zu denen Bibliotheken und Archive nun einmal zählen - noch erheblicher Nachholbedarf. Während sich zum Beispiel in den USA, die allenthalben als Vorbild für erfolgreiches Sponsoring herbeizitiert werden, die erforderlichen Strategien sehr praxis- und erfahrungsbezogen entwickelten, sei das Thema in Deutschland eher theoretisch besetzt - es fehlten sowohl die breite Erfahrungsgrundlage als auch der pragmatische Mutwille, institutionelle Interessen offensiv mit privaten Fördermitteln zusammenzuführen. Ziel der Tagung sei es deshalb, den bislang eher unöffentlich agierenden Archiven und den Hochschulbibliotheken wichtige Grundlagen zu präsentieren und mit reflektierten Erfahrungen Mut zu machen, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen.

Dieser Programmatik folgend befaßten sich die beiden ersten Vorträge mit Strategien und Rechtsbedingungen des Fundraising. Detlef Luthe, Sozialwissenschaftler und freiberuflicher Unternehmensberater für Sozialeinrichtungen, schilderte den Fundraising-Prozeß als beziehungsorientierte Handlungsstrategie, die seiner Ansicht nach auch gegenüber den regulären öffentlichen Geldgebern funktioniere. Voraussetzung sei ein relativ stabiles Selbstbewußtsein und ein möglichst konsensfähiges Selbstbild, das von allen Organisationsmitgliedern getragen wird, damit letztlich jeder seinen Beitrag zum Fundraising-Prozeß leisten könne. Allerdings müsse sich die Finanzquellen suchende Einrichtung schon im Vorfeld von der hemmenden Bittsteller-Rolle emanzipieren, um als gleichberechtigter Anbieter förderungswürdiger Dienstleistungen auftreten zu können, weil nur so eine ausgewogene, gleichberechtigte Beziehung zum potentiellen Sponsor herstellbar sei. Luthes Strategie für erfolgversprechendes Fundraising beginnt deshalb mit einer organisatorischen Selbstvergewisserung, in der Leistungsfähigkeit, Projektideen, Handlungsstrategien, erreichbare Instrumente und erreichbare Zielgruppen analysiert und gewichtet werden. Öffentlichkeitsarbeit nach innen und außen, Leitbildentwicklung und Finanztransparenz sind wichtige Voraussetzungen; kontinuierliche Kontaktpflege auch nach dem ersten Kooperationsprojekt festigt die erreichte Beziehung und erleichtert neue Vorhaben. Doch nicht nur formale Managementtechniken gehören laut Luthe zum beziehungsorientierten Fundraising. Auch persönliche Qualitäten wie die unverzichtbare Frustrationsbereitschaft und Hartnäckigkeit dürften nicht fehlen. "Das häufigste Wort beim Fundraising heißt 'Nein'." - Diese Zurückweisung muß verkraftet werden, um statt zur Resignation zu verdoppeltem Engagement zu führen, damit die erbrachten Vorleistungen nicht verloren gehen. Einrichtungen, die Fundraising als dauerhafte Beziehungsarbeit einführen und die ihr Personal auf diese Aufgabe vorbereiten möchten, bietet Detlef Luthe auch Schulungen an. Mutwillige Einzelaktivisten können sich auch schon mit seinem Buch in die Materie des systematischen Fundraising einarbeiten.2)

Der zweite Grundlagenvortrag zu den Rechtsfragen des Sponsoring schien auf den ersten Blick zum bewährten Programm zu gehören: Schon 1997 hatte Gabriele Beger auf der Sponsoring-Tagung der Freien Universität Berlin und des DBI zu diesem Thema referiert.3) Doch sind die administrativen und legislativen Formalien, die den Kontakt zwischen privatem Geldgeber und öffentlichem Imagegeber umranken, so verzwickt und verzweigt, daß sie immer wieder erinnert werden müssen. Außerdem bietet unser Rechtssystem immer neue Vorschriften und Auslegungen, so daß die Informationszufuhr gar nicht abreißen darf. Wenn die Erklärungen und praktischen Hinweise dann auch noch so lebendig und praxisnah wie von Gabriele Beger dargestellt werden, ist es tatsächlich erhellend, sich mit den rechtlichen und steuerrechtlichen Aspekten des Sponsoring zu befassen. Zugleich ist es erfreulich und beruhigend, die Kompetenz der Referentin mitten im Bibliothekswesen zu wissen. Besonders erwähnens- und merkenswert sind ihre Hinweise zum Umgang mit den beteiligten Behörden: Auch Beger plädiert wie Luthe für größtmögliche Transparenz und offene Kommunikation auch gegenüber den Mitarbeitern der Finanzämter und der vorgesetzten Behörden, um durch frühzeitige Abstimmungen und Absprachen zu verhindern, daß mühsam erarbeitete Förderverträge wegen administrativer und finanzrechtlicher Ungenauigkeiten gekippt werden müssen. Als Literaturtip verwies Gabriele Beger auf einen kürzlich erschienenen Aufsatz, der die für wissenschaftliche Bibliotheken relevanten steuerrechtlichen Aspekte des Sponsoring umfassend darlege4).

Die folgenden Redner berichteten von Fundraising-Projekten ihrer Institutionen und reflektierten sehr genau die Voraussetzungen wie auch die Risiken und Nebenwirkungen der ergänzenden Mittelbeschaffung. Clemens Rehm vom Generallandesarchiv Karlsruhe sprach gar von einer "Sponsoringfalle", in die kulturelle Einrichtungen geraten könnten, wenn sie ihr eigenes Leistungsprofil nicht deutlich genug definiert und positioniert hätten. Um den intendierten Imagegewinn zu erreichen, würden Sponsoren immer wieder versuchen, direkt oder indirekt Einfluß zu nehmen auf die Tätigkeit und das Erscheinungsbild ihres geförderten Partners. Doch schlimmer noch sei es, wenn finanzschwache Einrichtungen die mögliche Einflußnahme antizipieren, um als förderungswürdig anerkannt zu werden. Im schlimmsten Fall käme es dann zu einer extern veranlaßten Schwerpunktverschiebung in der Dienstleistungsentwicklung und einer Verzerrung des institutionellen Auftrages. Selbst wenn bibliothekspolitisch unumstritten sei, daß Sponsormittel immer nur für ergänzende Leistungsangebote zu akquirieren seien und keine Auswirkungen auf den Regeletat haben dürften, könne die Sponsoringfalle nur schwer umgangen werden. "Wer das Geld hat, bestimmt die Struktur der kollektiven Erinnerung", sagte Rehm und berührte damit einen wunden Punkt öffentlicher Haushaltspolitik, die das gesellschaftliche Interesse an bibliothekarisch und archivalisch gesicherter Kulturtradition nicht immer ausreichend signalisiert. Um die beschriebene Sponsoringfalle zu umgehen, schlägt Rehm die Gründung eines Fördervereins vor, der als eigenständige juristische Person ohne materielles Eigeninteresse zwischen Geldgeber und zu fördernden Einrichtung vermitteln könne. So könne ein Verein kommerzielle Einflußnahme abbremsen; außerdem sind seine Planungszeiträume flexibler als die öffentlich finanzierter Einrichtungen, er kann Zweckbindungen zugewiesener Mittel mildern, ist politisch handlungsfähig, darf fallweise parteilich sein, kann Konkurrenzen überbrücken oder konstruktiv ausnutzen und kann den finanzkräftigen Freunden mehr Exklusivität und Gruppenidentifikation bieten als eine öffentliche Kultureinrichtung. Dieses Plädoyer ergänzt die Empfehlungen Begers, die schon auf die steuerrechtlichen Vorteile eines gemeinnützigen Förderkreises hingewiesen hatte.

Der zweite Vortrag zur Fundraising-Praxis im Archivwesen enthielt viele Beispiele für selbstorganisierte Mittelbeschaffung; Dieter Speck berichtete sehr anschaulich vom kleinen Archiv der Universität Freiburg, das sich mit enormen Planungs- und Steuerungsaufwand sowohl personell als auch räumlich vervielfachen konnte. Speck bewies überzeugend, daß es weniger auf kurzfristige Geldbeschaffung als vielmehr auf langfristiges "friendraising" ankommt, wenn sich eine Einrichtung anhand ergänzender Unterstützungen stabilisieren oder gar vergrößern will. Anknüpfungs- und Treffpunkt bietet in Freiburg ein "Archivshop", der mit dem Image des grauen versteckten Dokumentenlagers bricht und die öffentliche Werbung um neue Förderer bereichert.

Was das Universitätsarchiv in Freiburg im Kleinen leistet, führt die Universitätsbibliothek Graz in professionellem, nahezu globalen (WWW-)Maßstab durch: die Vermarktung von Produkten, die aus dem eigenen Bestand entwickelt werden können. Hans Zotter, österreichischer Fachmann für das alte Buch, führte die Internet-Präsentation der Handschriftenbestände der UB Graz vor und die Edition von retrievalfähigen CD-ROMS mit wunderschönen mittelalterlichen Zeichnungen und Buchtiteln. Zotter konstatierte mit österreichischer Nonchalance, daß der Unterhaltsträger den Bibliotheken zwar einen hochkarätigen Auftrag erteilt, diesen aber nie angemessen dotiert habe. Diese Diskrepanz erlaube und erfordere es geradezu, das bisherige Aufgabenprofil soweit neu zu interpretieren, daß auch marktfähige Angebote erbracht werden können. Wenn schon das Berufsbild des Bibliothekars sich gerade wandele, könne es auch neue Berufsfelder integrieren, die rentablere Arbeiten einschlössen.

Die naheliegende Kontroverse zwischen den angerissenen Positionen - Kommerzialisierung oder Wahrung des traditionellen Berufsethos - konnte leider nicht ausdiskutiert werden, weil schon der nächste Auslandsbericht folgte: Graham Jefcoate stellte die Aktivitäten des British Library Research and Innovation Centre vor, mit denen diese zentrale Infrastruktureinrichtung unter anderem die Fundraising-Bemühungen der britischen Bibliothekare und Archivare unterstützt. So wurde 1997 der Sachstand des Fundraising in Bibliotheken und Archiven erhoben und ein umfassender Bericht über Anlässe, Quellen, Zugangswege, Organisationsformen publiziert, der jetzt Grundlage von Fortbildungen und Einzelberatungen ist. Zu den Voraussetzungen gelingender Mittelacquise gehört laut Jefcoate die eigene Vorleistung: "It takes money to get money". Zumindest aber müssen personelle Kapazitäten freigestellt werden, um den Fundraising-Prozeß planen, steuern und dokumentieren zu können. Die britische Bilanz beeindruckte vor allem in der Breite der Aktionsmöglichkeiten, die Bibliotheken und Archiven erfolgreich ausprobiert haben.

Aus der Schweiz berichtete Rainer Diederichs, daß von 16 befragten Bibliotheken nur sechs in den vergangenen 20 Jahren überhaupt schon mal mit Sponsoring zu tun gehabt hätten. Die geringen Erfahrungen führte er auf den geringeren Leidens- und Handlungsdruck zurück. Doch dann schilderte Diederichs die Sponsoring-Aktivitäten, die 1986 einem Erweiterungsbau und 1994 einem Neubau der Zentralbibliothek Zürich vorausgingen, und die nahezu alle denkbaren Aktionsformen und -möglichkeiten umfaßten, die während der Tagung schon erwähnt worden waren, nur daß sie diesmal auf ein Projekt focussiert waren. Jedoch: "Bevor man mit Fundraising beginnt, muß die Öffentlichkeitsarbeit einen Vorlauf haben". Mit seiner 16jährigen Berufspraxis als PR-Mann der Zentralbibliothek Zürich kann sich Diederichs diesem Anspruch getrost stellen. Seine Sponsoring-Bilanz belegte, wieviel Public Relations-Kenntnisse für erfolgreiches Fundraising erforderlich sind: Werbemittel müssen konzeptionell auf die intendierten Zielgruppen abgestimmt werden, persönliche Kontakte müssen gepflegt und ausgebaut werden, für die Sponsoren müssen Sonderaktionen als Gegenleistung konzipiert und durchgeführt werden, Spendenlisten müssen zusammengestellt und bearbeitet werden, Presseberichte müssen mit Informations- und Bildmaterial vorbereitet werden. Auch wenn der Förderverein einen Teil der erforderlichen Aktivitäten übernehmen kann, bleibt für die Bibliothek selbst genug zu tun, zum Beispiel die "Inszenierung des publizistischen Auftretens", mit der die Förderer öffentlich geehrt und Nachahmer motiviert werden sollen. Außer durch exakt kalkulierte Pressearbeit erhalten die Förderer der Zürcher Zentralbibliothek eine weitere effektvolle Würdigung: "Donatoren-Tafeln" aus rotem Marmor, die im Foyer angebracht werden, repräsentieren die Förderleistung und damit die öffentliche Wertschätzung der Bibliothek. Diederichs zufolge seien besonders die Schenkungen von Professoren und literarischen Größen ein guter Gradmesser der Popularität. Zwar kommen der Kanton und die Stadt Zürich für die Grundfinanzierung der Bibliothek auf, doch die Prosperität der Bibliothek beruhe darauf, daß die Bevölkerung ihre älteste Kulturinstitution regelmäßig mit Finanz- und Sachmitteln beschenkt. Kontinuierliche Public Relations sorgten dafür, daß das positive Image der Bibliothek auch weiterhin diese Zuwendungen gewährleiste.

Im letzten Beitrag des Tages wurden die Sponsoring-Aktivitäten der Bibliotheken aus Unternehmersicht gefordert: Robert Drblik, ein smarter Jungunternehmer aus Berlin, stellte sein Werbesystem vor, an dem Bibliotheken als Verteilstationen für Werbepostkarten mitwirken und damit den kommerziellen Unternehmen tatsächlich konkreten Marketingnutzen bieten. Sofern die Bibliotheken die erzielten 7 Pfennig je ausgegebener Postkarte nicht mit den dafür eingesetzten Personalkosten verrechnen, können sie sich auch noch Einnahmen gutschreiben. Für die beworbenen Unternehmen und die vermittelnde Werbefirma wird die Wirtschaftlichkeitsprüfung sicherlich positiv ausfallen. In einigen Bibliotheken läuft das Projekt noch; eine Evaluation konnte Drblik noch nicht vorlegen.

Die Gesamtbilanz der Tagung war jedoch positiv. Auch wissenschaftliche Bibliotheken und Archive stellen sich der Kommerzialisierung des Kulturbetriebs, erschließen sich neue Finanzquellen und reflektieren die neuen Spielregeln, die eigentlich aber schon immer bestimmend waren: Qualität hat ihren Preis, Leistung macht sich bezahlt, und Wertschätzung läßt sich berechnen. Wie sagte Dieter Speck aus Freiburg, ein amerikanisches Finanzgenie zitierend: "Man muß dem Geld nicht hinterherrennen, sondern muß ihm entgegengehen". Die Einzelschritte sind bekannt, die Richtung ist vorgegeben; nun gilt es, sich auf den Weg zu machen. Die Publikation zur Tagung, die noch in diesem Jahr erscheinen soll, bietet sich als Kompaß und Proviant für diese neue Entwicklung des Bibliothekswesens an.

1) Vgl. Sponsoring für Bibliotheken. Hg. von Rolf Busch, Berlin 1997 (dbi-materialien 164)

2) Luthe, Detlef: Fundraising als beziehungsorientiertes Marketing. Augsburg 1998

3) Vgl. Beger, Gabriele: Rechtsfragen beim Sponsoring für Bibliotheken. In: Sponsoring für Bibliotheken. Hg. von Rolf Busch, Berlin 1997 (dbi-materialien 164), S. 57-62

4) Vgl. Dörpinghaus, Hermann Josef: Sponsoring für wissenschaftliche Bibliotheken in öffentlicher Trägerschaft. Steuerrechtliche Aspekte. In: ZfBB 45(1998)3, S. 279-294


Stand: 10.02.99
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