Publikationen Hierarchiestufe höher Vorherige Seite

BIBLIOTHEKSDIENST Heft 1, 99

Rechtskommission des DBI

Herbstsitzung 1998

Regina Elias

Am 28. Oktober 1998 tagte die Rechtskommission in Berlin. Sie beschäftigte sich mit folgenden Themen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

Die Rechtskommission hat hierzu im Auftrag der BDB eine Stellungnahme in Form von Änderungsvorschlägen abgegeben, die mit den Bibliotheksverbänden anderer EU-Mitgliedstaaten und EBLIDA abgestimmt wurden. Bei einer Anhörung im Bundesjustizministerium wurde deutlich, daß sich dieses abgestimmte Verhalten durchaus positiv für die Interessen der Bibliotheksseite ausgewirkt hat - es kann erwartet werden, daß der Richtlinienvorschlag nicht in der im Moment vorliegenden (und für die Bibliotheken ungünstigen) Form verabschiedet wird. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, daß gegen die EU-weite Einführung einer pauschalen Vergütung für Bibliotheksnutzungen - ähnlich der Kopierabgabe bzw. der Bibliothekstantieme - erhebliche Vorbehalte in den meisten Mitgliedstaaten (und generell auf der Verlegerseite) bestehen.

Im nächsten Jahr wird der modifizierte EU-Richtlinienvorschlag vorgelegt. Um die Politiker für die Belange der Bibliotheken zu aktivieren, wurde ein entsprechender Brief - unterzeichnet von BDB und DBV und unter Beilage der unter dem Titel "Elektronische Information und Urheberrecht" von BDB und DBI zusammengestellten Leitsätze (veröffentlicht im Bibliotheksdienst 32(1998), Heft 9) - u.a. allen Bundestagsabgeordneten zugeleitet.

BMJ-Diskussionsentwurf eines 5. Gesetzes zur Änderung des Urheberrechts:

Der Entwurf soll die

Die Kommission sieht die größte Gefahr im § 15 (3) des Entwurfs, der den bisherigen Öffentlichkeitsbegriff für alle Medien (auch für körperliche, nicht nur für elektronische) abschafft und ihn durch einen neuen Öffentlichkeitsbegriff ersetzt. Angebote in der Bibliothek sind danach immer als öffentliche (und damit vergütungspflichtige) Wiedergabe einzustufen. Damit würde auch die Präsenznutzung in Bibliotheken, die bisher durch § 27 UrhG nicht erfaßt ist, vergütungspflichtig. Die Rechtskommission hält den Diskussionsentwurf für verfehlt, da er über die Intentionen der WIPO-Verträge und des EU-Richtlinienvorschlages hinausgeht (die dortige Beschränkung auf digitale Medien entfällt im Entwurf). Eine Folge könnte darin bestehen, zukünftig alle in Bibliotheken vorhandenen Medien mit einer Abgabe zu belegen (also ihre Wiedergabe vergütungspflichtig zu machen), da nach dem Diskussionsentwurf alle in Bibliotheken vorhandenen Medien öffentlich angeboten werden.

In einer Stellungnahme an das BMJ hat die Rechtskommission auf die im Diskussionsentwurf liegende Gefahr für die Tätigkeit der Bibliotheken ausführlich hingewiesen.

Unbefugte E-Mail-Bestellung

Die Kommission wurde nach der Rechtslage bei folgendem Sachverhalt gefragt: Während einer Internet-Fortbildungsveranstaltung in einer Bibliothek bestellt eine Teilnehmerin bei einem Archiv eine Biographie unter der E-Mail-Adresse der Bibliothek. Diese erhält daraufhin sowohl die entsprechenden Daten zugesandt als auch die dazugehörige Rechnung. Muß die Bibliothek die Bibliographie abnehmen und die Rechnung bezahlen? Die Kommission ist folgender Auffassung: Generell ist eine E-Mail-Bestellung zu unsicher, als daß daraus ein Vertragsschluß abgeleitet werden könnte - es sei denn, daß der Geschäftsverkehr der Bibliothek mit dem Lieferanten (hier dem Archiv) üblicherweise in dieser Art stattfindet: dann würde der Vertrauensschutz greifen. Es ist zu vermuten, daß die Bibliothek beim Archiv normalerweise nicht in dieser Form bestellt - das Archiv kann sich also nicht auf eine Anscheinsvollmacht berufen; es hätte sich vergewissern müssen, daß die Bibliothek tatsächlich die Bestellung ausgelöst hat und kann die Willenserklärung nicht der Bibliothek zurechnen: das Risiko, eine solche Bestellform zu akzeptieren, liegt beim Archiv. Als Folge ist davon auszugehen, daß ein Vertrag zwischen der Bibliothek und dem Archiv nicht zustandegekommen ist - die Bibliothek braucht weder die Bibliographie abzunehmen noch die Rechnung zu bezahlen, sie kann die Annnahme verweigern.

Weitere Themen

Durch die Kommission wurde ein Mustervertrag für ehrenamtlich Tätige (nebst Erläuterungen) erarbeit, der gleichlautend im Bibliotheksdienst und in einer DBV-Broschüre zum Thema "Ehrenamt" veröffentlicht werden soll.

Für die öffentliche Sitzung der Kommission auf dem 89. Deutschen Bibliothekartag wurden folgende Themen gemeldet:

Die GEMA verfolgt ihre Absicht, Zahlungen für Multimedia-Arbeitsplätze (d.h. für CD-ROM-fähige PC) einzufordern, weiter. Sie beruft sich dabei auf das Schallplatten-Espresso-Urteil des Landgerichts Berlin vom 29.3.1967 sowie die BGH-Entscheidungen über Altenwohnheime I und II (BGH-Urteil vom 12.7.74: veröffentlicht in NJW 1974 S. 1872; BGH-Urteil vom 12.12.91: veröffentlicht in ZUM 1992 S. 200). Die Kommission wird in Ergänzung des bereits im Bibliotheksdienst (32 (1998), Heft 5) unter dem Titel "GEMA-Abgaben für Multimedia-Arbeitsplätze" erschienenen Hinweises eine allgemeine Stellungnahme zu dieser Problematik veröffentlichen.

Die KMK-ad hoc-AG "Pflichtexemplarrecht" hatte auf ihrer ersten Sitzung einen Koordinierungsbedarf innerhalb der Kultusministerkonferenz bezüglich der Einbeziehung elektronischer Medien in das Pflichtexemplarrecht festgestellt - nach einer Umfrage haben bisher nur die Länder Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt die Abgabe von elektronischen Medien (physische elektronische Medien) in ihren Pflichtexemplargesetzen geregelt. Die Kommission hält jedoch eine Pflichtexemplarregelung für alle Medien (auch für Rundfunk- und Fernsehsendungen sowie digitale Medien) für notwendig. Sie ist der Ansicht, daß diese Problematik ein Thema des Bibliothekskongresses im Jahr 2000 sein sollte und wird das Thema "Pflichtexemplar in der Informationsgesellschaft" direkt über die BDB anmelden.

Der Deutsche Kulturrat hat seine Stellungnahme zum Urheber- und Leistungsschutzrecht in der Informationsgesellschaft verabschiedet. Darin haben auch die Vorstellungen der Rechtskommission Eingang gefunden.

Die Kommission hat in einem Schreiben Frau Prof. Dr. Däubler-Gmelin zu ihrer Berufung zur Bundesministerin der Justiz gratuliert und ihre Unterstützung bei allen das Bibliothekswesen betreffenden Fragen angeboten; in ihrer Antwort bedankt sich die Bundesministerin für die Bereitschaft der Kommission, sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen und zu beraten.

Der Südwest-Verbund möchte seine Katalogisate durch die Aufnahme persönlicher Angaben über die Autoren (wie z.B. in Amerika üblich) international austauschbar gestalten. Er fragt deshalb bei der Rechtskommission an, ob gegen eine entsprechende Änderung der RAK-Regeln (also die Individualisierung personenbezogener Daten) datenschutzrechtliche Bedenken bestehen. Die DBI-Rechtskommission hat hinsichtlich der Individualisierung von Personennamen keine bundesdatenschutzrechtlichen Bedenken.


Stand: 08.01.99
Seitenanfang