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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 2000

Benutzungsordnungen für Internet-Plätze

Gabriele Beger

 

An die Rechtskommission des EDBI wird sehr häufig die Bitte um Durchsicht einer Benutzungsordnung für frei zugängliche Internet-Plätze herangetragen. Im Mittelpunkt der Ordnungen steht dabei meist das Bemühen, sich von der Haftung für etwaige Rechtsverletzungen durch Benutzer zu befreien. Dieser Beitrag soll eine Hilfestellung bei der Formulierung von Internet-Benutzungsordnungen bzw. -bedingungen geben. Der folgenden Untersuchung der rechtlichen Rahmenbedingungen ist als Muster die Internet-Verpflichtungserklärung beigegeben, die in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin verwendet wird. Ergänzend folgt im zweiten Teil die von einer Arbeitsgruppe der nordrhein-westfälischen Universitätsbibliotheken erarbeitete Checkliste "Internet in den Universitätsbibliotheken".

 

Legitimation zum Erlass

Einleitend sei darauf hingewiesen, dass alle Benutzungsordnungen bzw. –bedingungen - so auch für die Benutzung von Internet-Plätzen - einer Legitimation zur Inkraftsetzung bedürfen, um rechtlich verbindlich zu sein. In vielen Benutzungsordnungen der Bibliotheken befinden sich Klauseln, die die Bibliotheksleitung ermächtigen, für die Benutzung von besonderen Beständen oder Dienstleistungen selbst Regeln erlassen zu dürfen. Dies ist aber nicht der Regelfall, so dass jede Bibliothek prüfen muss, ob sie selbst befugt ist, verbindliche Bedingungen in Kraft zu setzen. Gleiches gilt bei der Einführung von Gebühren und Entgelten für die Internet-Nutzung. Diese müssen ebenfalls in die Gebühren- oder Entgeltordnung aufgenommen werden. Bibliotheken, denen es in der Benutzungsordnung gestattet ist, selbst Gebühren und Entgelte festzulegen, müssen diese durch Aushang bekannt geben. Darüber hinaus ist bei einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses darauf zu achten, dass der neue Gebührentatbestand auch in der kommunalen Abgabenordnung eine Rechtsgrundlage findet.

 

Regelungsbedarf

Des weiteren stellt sich die Frage: Was muss in einer Benutzungsordnung für Internet-Plätze eigentlich zwingend geregelt werden? Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es überhaupt keiner separaten Regelung bedarf. Das Internet-Angebot ist ein Bibliotheksangebot und unterliegt damit der jeweils geltenden Fassung der Benutzungsordnung. Erst wenn die Bibliothek bestimmte Sachverhalte geregelt wissen will, die in der Benutzungsordnung nicht enthalten sind, müssen entsprechende Regelungen geschaffen werden. Dies kann z. B. die Anmeldepflicht oder den Haftungsausschluss der Bibliothek für Schäden, die dem Benutzer durch die Nutzung der Internet-Plätze entstehen können, betreffen. Dagegen bedarf es keiner ausdrücklichen Bekanntgabe von Tatbeständen, die durch Gesetz geregelt sind, diese gelten Kraft Gesetzes für jedermann.

 

Geltendes Recht

An dieser Stelle sei deshalb ein Überblick über das geltende Recht in Bezug auf die Nutzung des Internets durch Bibliotheksbenutzer gegeben.

Das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG)1 definiert in Art. 1, § 3 (Teledienstegesetz) die Begriffe "Diensteanbieter" und "Nutzer". Danach ist eine Bibliothek Diensteanbieter im Sinne des Gesetzes, wenn sie eigene oder fremde Inhalte zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung ermöglicht. Nutzer ist jeder, der Teledienste nachfragt. § 4 bestimmt, dass der Zugang zum Internet zustimmungs- und anmeldefrei ist. Daraus ergibt sich, dass es weder beim Angebot noch bei der Nutzung eine gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtung zur Registrierung gibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass es der Bibliothek verboten ist, eine Anmeldung zu verlangen. Diese kann aus später noch erläuterten Gründen sehr nützlich sein.

Ebenfalls im Teledienstegesetz ist in § 5 die Haftung für den Inhalt in den Netzen geregelt. Danach trifft die Bibliothek grundsätzlich keine Haftung für fremden Inhalt. Sämtliche Inhalte im Internet, ausgenommen die eigene Web-Präsentation der Bibliothek, ist als fremder Inhalt zu definieren. Nach § 5 Teledienstegesetz besteht dennoch eine Haftung für fremde Inhalte, wenn die Bibliothek Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten hat und keine zumutbare Vorsorge gegen die Verbreitung getroffen wird. Hier ist mit "Kenntnis" nicht die allgemeine Kenntnis gemeint, dass sich rechtswidrige Inhalte im Internet befinden. Die Haftung tritt nur ein, wenn der Bibliothekar bei der Suche behilflich ist oder strafrechtlich relevante Ausdrucke an den Benutzer ausgibt.

Mit Art. 4 IuKDG wurde das Strafgesetzbuch geändert. Die Änderung stellt Medieninhalte allen anderen Schriften gleich (§ 11 StGB). Somit erstreckt sich das Verbreitungsverbot2 auch auf Medieninhalte. Verbreitungsverbot bedeutet, dass jede öffentliche Wiedergabe - das ist das Angebot an einen unbestimmten Personenkreis - einen Straftatbestand darstellt. Der Besitz oder das Betrachten durch eine Person stellt dagegen keine Verbreitungshandlung dar. Somit ist das Betrachten von Medieninhalten, die nach dem Strafrecht unter ein Verbreitungsverbot fallen, für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nicht rechtswidrig. Gemäß §§ 131 und § 184, Abs. 3 ist der Besitz von Schriften und Medieninhalten, die Gewaltdarstellungen oder Aufstachelung zum Rassenhass sowie sogenannte harte Pornographie zum Inhalt haben, eine mit Strafe bedrohte Handlung. Dem Besitz ist das Betrachten gleichzusetzen. Erhält ein Bibliothekar davon Kenntnis, so muss er diese Straftat zur Anzeige bringen.

Eine besondere Sorgfaltspflicht trifft die Bibliothek gegenüber Kindern und Jugendlichen.3 Minderjährig ist jeder, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Bis zu diesem Zeitpunkt legt der Gesetzgeber jedem Diensteanbieter von öffentlich zugänglichen Internet-Plätzen eine Vorsorge auf. Art. 6 ändert das Gesetz gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS), indem es auch für Medieninhalte gilt. Gemäß § 3, Abs. 1, Nr. 4 GjS haftet die Bibliothek dafür, dass Kindern und Jugendlichen der Zugang zu jugendgefährdenden Medieninhalten nicht möglich ist. Dazu hat die Bibliothek technische Vorkehrungen oder in anderer Weise Vorsorge zu treffen. Soweit durch eine technische Vorkehrung oder in anderer Weise Vorsorge getroffen wurde, ist die Bibliothek von der Haftung befreit (§ 3 Abs. 2 GjS). Das heißt: Wurde eine sogenannte Filterschutzsoftware installiert und gelingt es dennoch einem Minderjährigen, jugendgefährdende Inhalte aufzurufen, so trifft die Bibliothek keine Haftung. Andere Vorkehrungen können auch in der unmittelbaren Aufsicht bestehen. Das häufig angewandte "Master-Eye" ist ebenfalls eine technische Vorkehrung, erfüllt aber bei näherer Betrachtung nicht wortgetreu die Vorschrift, da hier erst ein Eingreifen möglich wird, wenn der Minderjährige Zugang zu jugendgefährdenden Inhalten hat. Aus rechtlicher Sicht ist die Installation einer Filterschutzsoftware deshalb besonders zu empfehlen.

Soweit Bibliotheken auch Minderjährige zur Benutzung zulassen, kann eine Anmeldepflicht vor Nutzung der Internet-Plätze eine sichere Zuordnung zu geschützten und nichtgeschützten Plätzen ermöglichen.

Bei der Vergabe von Internet-Plätzen oder der Eintragung von Gebühren werden sehr häufig personenbezogene Daten zusammen mit den aufgerufenen Seiten gespeichert und verarbeitet. Art. 2 des IuKDG betrifft das Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG). Danach ist die Speicherung von personenbezogenen Daten nur statthaft, wenn es mit Zustimmung des Betroffenen geschieht oder im Gesetz erlaubt ist. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist im Rahmen von Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten durch das TDDSG gestattet. Das Gesetz legt dem Diensteanbieter die Pflicht auf, dieses Recht nur wahrzunehmen, wenn es zur Erfüllung eines Vertragsverhältnisses erforderlich ist. Soweit eine sichere Zuordnung nach dem GjS eine Speicherung personenbezogener Daten dies erforderlich macht oder Gebühren bzw. Entgelte für die Nutzung erhoben werden, können Daten ohne Zustimmung gespeichert werden. § 6, Abs. 2 regelt die Frist zur Löschung unmittelbar nach Nutzung bzw. Begleichung der Forderungen, spätestens jedoch innerhalb von 80 Tagen bei Einzelabrechnung. Die vorsorgliche Speicherung, um etwaiges rechtswidriges Verhalten nachzuweisen, ist nicht gestattet, es sei denn, es geschieht mit Einwilligung des Betroffenen. Untersagt ist ferner eine Weitergabe der personenbezogenen Daten. Zum Zwecke der Marktforschung ist sie an den betreffenden Anbieter der Nutzung nur statthaft, wenn sie anonym erfolgt.

 

Haftungsbegrenzungen

Die Haftung für fremden Inhalt entfällt. Von der Haftung im Sinne des Gesetzes gegen die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte kann sich die Bibliothek durch Anwendung einer Filterschutzsoftware befreien. Bleibt die Haftung für Schäden, die dem Benutzer durch die Nutzung des Internet-Angebots entstehen können. Zum Beispiel können beim Herunterladen Viren übertragen werden und defekte Laufwerke können Disketten zerstören. Hier ist ein Haftungsausschluss der Bibliothek angeraten. Soweit nicht bereits in der Benutzungsordnung der Bibliothek eine Bestimmung auf den Ausschluss der Haftung "für Schäden, die durch die Benutzung der Bibliothek entstehen" hinweist, sollte dies in Benutzungsbedingungen für Internet-Plätze geschehen. Gleichzeitig sollte dem Benutzer die Haftung für Schäden, die er an den Geräten und am System verursacht, auferlegt werden. Von einer objektiven, d. h. schuldensunabhängigen Haftung, sollte jedoch aufgrund der Tatsache, dass die Nutzung innerhalb der Bibliothek vorgenommen wird, abgesehen werden. So trifft die Beweislast die Bibliothek. Hier erleichtert eine Anmeldepflicht - vor der Nutzung bestimmter Internet-Plätze - die Ermittlung des Verursachers. Eine Schadensbegrenzung kann auch durch die Auflage, dass nur in der Bibliothek erworbene Disketten verwandt werden dürfen, erreicht werden.

Viele Bibliotheken untersagen das Absenden und Empfangen von E-Mails, um nicht gegebenenfalls als Absender von strafrechtlich relevanten Mails haftbar gemacht zu werden. Diese Sorge ist unbegründet. Für Beleidigungen per Mail wird der Absender und bei moderierten Mailinglisten der Moderator haftbar gemacht. Soweit die Bibliothek keine moderierte Mailingliste anbietet, kann sie auch keine Haftung treffen.

Abschließend noch eine Bemerkung zur Behandlung von Bestellungen, die ggf. Benutzer unter der Adresse der Bibliothek aufgeben. Verträge bedürfen auch im Internet des Angebots und der Annahme. Im Streitfall muss das Zustandekommen des Vertrages bewiesen werden. Dies kann nur durch eine originäre Unterschrift eines Zuständigen der Bibliothek oder durch eine digitale Signatur4 erfolgen. Liegt beides nicht vor, so kann jede von der Bibliothek unbestellte Sendung zu Lasten des Verkäufers zurückgesandt werden, ohne dass der Bibliothek dadurch ein Schaden entsteht. Dennoch können vorsorglich – rechtlich nicht erforderlich - die Benutzer darauf hingewiesen werden, dass das Versenden von Mails nur über Drittprovider und Bestellungen nur im eigenen Namen statthaft ist.

 

Checkliste

 

MUSTER

einer Internet-Verpflichtungserklärung http://www.zlb.de/bibliothek/benutzung/internet.htm

 

1 Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz - IuKDG) vom 22.07.1997 (BGBl I Nr. 52. 1870 ff)

2 Verbreitungsverbot gemäß § 86 (Propagandamittel), § 103 (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten), § 130 (Volksverhetzung), § 130a (Anleitung zu Straftaten), § 131 (Ge-waltdarstellungen, Aufstachelung zum Rassenhass), § 166 (Be-schimpfungen), § 184 (pornographische Schriften), § 186 (Üble Nach-rede)

3 ausführlich dazu Müller, Harald: Jugendschutz und Internet. - In: BIBLIOTHEKSDIENST 33. (1999), 11, S. 1905 ff.

4 Gesetz zur digitalen Signatur (Signaturengesetz - SigG) - In: Art. 3 IuKDG. Die digitale Signatur besteht aus einem persönlichen (Siegel) und einem öffentlichen Schlüssel, die zusammen zu einem Zertifikat über die Richtigkeit und Unverfälschbarkeit der übermittelten Daten und der Unterschrift führt. Eine digitale Signatur kann bei der Deutschen Post beantragt werden.


Stand: 01.09.2000
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