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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 1, 98

Die Einführung von SUBITO aus der Sicht einer Spezialbibliothek in der pharmazeutischen Industrie


Peter Stadler, Martin Thomas

SUBITO.1, der neue gemeinsame Dokumentlieferdienst der deutschen Bibliotheken, wurde im Oktober 1997 eingeführt. Nach relativ kurzer Zeit (Oktober 1994 - Oktober 1997) geht ein Vorhaben in Produktion, das als Bund-Länder-Initiative zur Beschleunigung der Literatur- und Informationsdienste entstand. Das Deutsche Bibliotheksinstitut und eine Reihe führender wissenschaftlicher Bibliotheken anerkennen die modernen Herausforderungen, stellen sich mit Technik, Infrastruktur und Service auf neue Anforderungen ein und sind bereit, als SUBITO-Lieferbibliotheken zu agieren.

Die folgende Betrachtung basiert auf den schriftlichen Unterlagen zu SUBITO.1 und auf den Präsentationen, die zu SUBITO.1 am 24. September 1997 in Konstanz und am 7. Oktober 1997 in Mainz anläßlich der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB) gehalten wurden. Verglichen werden sollen der derzeitige Standard bei Boehringer Mannheim (BM) und das SUBITO.1-Angebot.

Neu an SUBITO.1 ist:

Generelles Ziel der Literaturversorgung

Das Ziel, nicht nur von SUBITO.1, sondern jeder bibliothekarischen Literaturversorgung ist es, die Literatur (hier im Sinne von Volltexten) zur rechten Zeit am rechten Ort zu haben. Aus unserer Sicht ist dazu eine Kombination des Just in Case-Prinzips (Vorhalten von Dokumenten für potentielle Nutzer) und der Dienstleistung Just in Time (kurzfristige Bereitstellung nicht vorhandener Dokumente auf Bestellung) notwendig.

Zielgruppen

Selbstverständlich unterscheidet sich die Zielgruppe einer Spezialbibliothek der Pharmaindustrie von den SUBITO.1-Zielgruppen. Während sich die Spezialbibliothek an Firmenmitarbeiter wendet, die Literatur zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen der Wertschöpfungskette brauchen, richtet sich SUBITO.1 an Privatpersonen, Studenten, Hochschulangehörige, Schüler und Auszubildende; diese sind als Nutzergruppe 1 definiert. Alle anderen Interessenten und das Ausland gelten als Nutzergruppe 2.

Regelfälle

Wie sieht nun der Regelfall aus, an dem der aktuelle Literaturbedarf bei beiden Richtungen zu Tage tritt? Der Mitarbeiter eines Unternehmens wendet sich an seine IuD-Abteilung/Bibliothek und läßt sich eine Sachrecherche machen oder sucht sich die für ihn relevante Literatur selbst aus den innerhalb der Firma allgemein zugänglichen Datenbanken heraus. Im Falle der SUBITO.1-Nutzergruppe 1 recherchiert der Interessent selbst, sei es im Internet, in Datenbanken oder in seiner Bibliothek. Natürlich kann er sich auch an seinen Fachreferenten wenden oder sich beraten lassen.

Ein Leistungsvergleich zwischen dem Industriestandard und SUBITO.1 ist notwendig, um den Status und eventuellen Handlungsbedarf zu ermitteln.

Leistungsvergleich

IndustriestandardSUBITO.1 Angebot
1Unbürokratische Annahme aller Literaturwünsche in jedem beliebigen Format: Fax, Papiernotiz, E-Mail, Kopie der ZitatstelleNur elektronische Bestellungen, die der Interessent am eigenen PC mit Internet -Anschluß oder am Internet-PC seiner Bibliothek bearbeitet
2Bearbeitung aller Volltext-Wünsche aus Zeitschriften, Serien, Zeitungen, KongreßschriftenVorerst nur Aufsätze aus Periodica, die in der ZDB nachgewiesen sind
3Ausleihe rückgabepflichtiger BücherNoch nicht im Angebot von SUBITO.1
4Bibliographische Klärung schwieriger oder unvollständiger Zitate mittels Datenbankoder Internet-RechercheKlärt der Interessent ggf. in Absprache mit seiner Bibliothek selbst
5Trennung nach Eigenbesitz und FremdbesitzKlärt der Interessent in Absprache mit seiner Bibliothek selbst
6Ermittlung einer Bibliothek, die die gewünschte Literatur besitzt, durch Recherche in der ZDBSUBITO-Lieferbibliothek ermittelt der Interessent durch Recherche in der ZDB selbst
7Bestellung der Volltexte durch Online Ordering bei Host DBI-Link oder anderen Suppliern mit Signaturangabe (= "qualifizierte Bestellung" lt. SUBITO)Bestellt der Interessent selbst in Form einer "qualifizierten Bestellung"
8Bei Eilfällen Fax-Bestellung mit Fax-Lieferung an die Fax-Adresse des BM-Mitarbeiters oder telefonische BestellungSUBITO-Nutzer kann wählen zwischen
  • Normaldienst
  • Eildienst
  • 9Annahme von E-Mail-Lieferungen ist in Erprobung. Problem ist die noch nicht flächendeckend in den BM-Abteilungen vorhandene Software zum Auspacken und schnellen Ausdrucken von E-Mail-DateienSUBITO.1-Benutzer muß selbst die Voraussetzungen schaffen
    10Erledigungszeit:
    normal ca. 8 Werktage
    Eilfall: 3 Werktage
    Super-Eilfall: Fax-Lieferung am gleichen Tag oder Folgetag
    Bei Verzögerung schriftliche Information
    Bearbeitungszeit:
  • Normaldienst 3 Werktage außer Samstag
  • Eildienst 1 Werktag außer Samstag
    Bei Lieferverhinderung Rückmeldung per E-Mail
  • 11Überwachung der Bestellung bis zur Lieferung, ggf. NeubestellungSUBITO.1-Nutzer überwacht selbst
    12Bearbeitung von "Rejected-Fällen" durch Neubestellunggibt es bei SUBITO.1 nicht
    13Annahme der Lieferung und Weiterleitung an den Mitarbeiter per HauspostSUBITO.1-Nutzer erhält seine Lieferung:
  • elektronisch über Filetransfer (FTP)
  • elektronisch über E-Mail
  • per Fax
  • per Post (zusätzliche Kosten)
  • Per Selbstabholung bei Lieferbibliothek
  • 14Bezahlung der Rechnung mit der Kostenstelle des Mitarbeiters zu den SUBITO.1-Preisen für die Industrie
    (= SUBITO.1-Nutzergruppe 2)
    SUBITO.1-Nutzer (Privatpersonen, Studenten, Hochschulangehörige, Schüler etc.) zahlen selbst
    (=SUBITO.1 Nutzergruppe 1)

    Ergebnis

    SUBITO.1 ist ein längst überfälliger, nichtsdestoweniger großer Fortschritt für die Literaturversorgung der deutschen Öffentlichkeit.

    SUBITO.1 fördert die Nutzung elektronischer Medien, da die Lieferung per Filetransfer als einzige kostenfrei ist. Für die Lieferung per Post hat der Kunde die Portogebühren zu tragen.

    In den öffentlichen Bibliotheken werden neue, zeitgemäße Formen der Zahlungsabwicklung etabliert (Kreditkarte etc.). Die Bibliotheken können zumindest Teile der Erlöse aus SUBITO.1 für eigene Projekte einsetzen.

    Für Spezialbibliotheken der Industrie und deren Nutzer bringt SUBITO.1 keinen entscheidenden Fortschritt. Diese Bibliotheken arbeiten schon routinemäßig auf dem Niveau, das SUBITO.1 anstrebt.

    Da die Lieferbibliotheken der Industrie und die SUBITO.1-Lieferbibliotheken zum Teil die gleichen sind, ist anzustreben, daß die SUBITO.1-Lieferzeiten auch für Industriebibliotheken gelten.

    Der einzige Zugang zu SUBITO.1 ist das Internet. Das bedeutet, daß die Bestelldaten in Bestellmasken eingegeben werden müssen. Diese Methode ist für Industriebibliotheken nicht praktikabel, da damit größere Bestellmengen bisher nicht zu bewältigen sind.

    Nachholbedarf in der Industrie besteht bei der Weiterverarbeitung von elektronischen Lieferformaten und generell bei der Erweiterung der Internet-Leitungskapazität. Hier besteht Handlungsbedarf bei Boehringer Mannheim. Die Zugänge zum Internet, das interne Leitungsnetz und die Hard- und Softwareausstattung der Mitarbeiter müssen kontinuierlich modernisiert werden.

    Literatur

    SUBITO Broschüre, DBI Berlin 1997. - http:// www.subito-doc.de

    Hirsch M.C., SUBITO - eine Initiative von Bund und Ländern zur schnellen Lieferung wissenschaftlicher Dokumente, ZfBB 42.1995, S. 31 - 43

    Ceynowa K. Toyotismus in der Bibliothek, BIBLIOTHEKSDIENST 31.1997, S. 1501 - 1516


    Stand: 19.01.98
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