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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 1, 98

Outsourcing im Erwerbungsbereich

Ergebnisse einer Round-table-Diskussion

Ulla Usemann-Keller

Ende September fand im DBI eine Diskussion zwischen Firmenvertretern, Erwerbungsbibliothekaren und Vertretern der Kommission des DBI für Erwerbung und Bestandsentwicklung über Möglichkeiten und Grenzen von Outsourcing statt.

Die Gesprächsrunde sollte zunächst der Klärung der Voraussetzungen, der Definitionen und Zuständigkeiten dienen.

Die Verlagerung von Arbeitsvorgängen von Bibliotheken auf Lieferanten erfordert die Definition oder Beschreibung dieser Arbeitsschritte und damit verbundener Leistungen. Daraus lassen sich die Kostenfaktoren entwickeln. Für Bibliotheken ist die Kostenrechnung erschwert, weil Ermittlungen der Arbeitsplatzkosten im öffentlichen Dienst bislang nicht üblich waren und in Bibliotheken in den seltensten Fällen vorliegen. Bibliotheken werden meist durch personelle Engpässe gezwungen, über Fremdleistungen nachzudenken.

Die bibliothekarische Analyse von Outsourcing-Bestrebungen ist zunächst unabhängig vom Bezug von Monographien oder Zeitschriften.

Es gilt:

Danach lassen sich "Wünsche" erkennen, für deren Erfüllung weitere Überlegungen erforderlich sind Nach diesen innerbetrieblichen Klärungen und Analysen folgen die Verhandlungen mit den Lieferanten. Und spätestens hier trennen sich die Betrachtungen und Verhandlungsgegenstände in den Bereich Zeitschriftenbezug und Monographienerwerbung.

Vor allem wenn es sich um längerfristige Vergabe von Arbeitsschritten handelt, sind in die betrieblichen Reorganisationen die Personalvertretungen einzubeziehen. Alle Service-Leistungen sind in den als solche definierten Testphasen von beiden Partnern intensiv zu prüfen, um Mißverständnisse aufzudecken und Unklarheiten vorvertraglich zu regeln.

Um den Ad-hoc-Erwerb von Dienstleistungen, der häufig auf Personalmangel und ungleichmäßig freigegebenen Etatmitteln basiert, gezielt organisieren zu können, müssen Analysen und Vorklärungen vor dem "Notfall" erfolgen. Die Leistungskontrolle sollte den Einspar- bzw. Ersatzeffekt nicht aushebeln, d. h. daß bereits im Vorfeld ein Minimum an Kontrollmechanismen festgelegt sein muß, um die Effizienz zu garantieren.

Für den Zeitschriftenbezug kommt eine spontane Lösung - wie sie für Monographien möglich sein kann - nicht in Frage. Veränderungen im Zeitschriftengeschäft vorzunehmen, muß folglich ausreichend überlegt werden, um den erwünschten Einspareffekt zu erzielen.

Neue Dienstleistungen mit bestehenden Lieferanten auszuhandeln, dürfte vermutlich weniger Irritationen bringen als Verlagerung von Abonnements auf neue Lieferanten wegen eines gewünschten Dienstleistungsspektrums.

Da sich das Zeitschriftengeschäft ohnehin auf wenige Agenturen konzentriert hat, entwickelte sich hier ein entsprechendes Know-how. Dieses den Bibliotheken anzubieten, brachte beiden Seiten - also Kunden und Lieferanten - Verfahrenserleichterungen.

Diese Angebote stehen in einem direkten Zusammenhang mit dem Kostenumfang der Zeitschriftenpakete, d. h. Art und Umfang der Abonnements, Zahl der Lieferanten, technische Voraussetzungen u. a. bestimmen das Leistungsspektrum bis hin zu maßgeschneiderten Lieferangeboten.

Für die reibungslose Geschäftsabwicklung mit den Zeitschriftenagenturen/-lieferanten gilt es, im Vorfeld Begriffe zu klären und Leistungsprofile zu definieren.

Im komplizierten Zeitschriftengeschäft ist folgenden Gesichtspunkten Rechnung zu tragen:

Bei großen Bibliotheken mit einem sehr hohen Heft-Eingang pro Tag wird die Präzision der Lieferleistung erste Priorität haben müssen.

Dem Umfang des Zeitschriftenpaketes (Titelumfang) und dem des Lieferpaketes (Outsourcing-Arbeiten) werden die verhandelbaren Gesamt- oder Paketkosten entsprechen.

Im Monographienbereich lassen sich einzelne Arbeitsvorgänge temporär oder auf Dauer verlagern. Dazu können zählen:

Um Mißverständnissen vorzubeugen: die Auswahl der anzuschaffenden Literatur bleibt "hoheitliche" Aufgabe der erwerbenden Bibliothek.

Mit den Lieferanten werden die Modalitäten der Lieferleistungen ausgehandelt. Es können verschiedene organisatorische Wege beschritten werden.

Im Monographiengeschäft werden Dienstleistungskosten häufig noch mit dem Auftragsvolumen kompensiert; diese Chance sollte von Bibliotheken als Testanreiz genutzt werden. Allerdings wird es schwierig, vor allem für große Bibliotheken mit differenzierten Sammelschwerpunkten, deshalb die Konzentrationen auf wenige Lieferanten vorzunehmen. Bibliothekslieferanten bieten z. T. auf Grund ihrer Spezialisierung unterschiedliche Dienstleistungen an, die Bibliotheken bereits als gewohnten Service nutzen wie Darüber hinaus gehen auszuhandelnde "Bearbeitungsangebote".

Wer aus welchen Gründen auch immer Dienstleistungen erwerben will, muß die Grenzen zwischen üblichem "Kundendienst" und Outsourcing kennen. Ebenso vertraut sollten Wege und Möglichkeiten sein, wie der bibliothekarische Betrieb im Stoßbetrieb "gerettet" oder langfristig optimiert werden kann. In Ein-Personen-Bibliotheken, den OPL, werden die Entscheidungs- und Handlungsstrukturen anders liegen als in den großen Bibliotheken, in denen die Entscheidungen einer Abteilung Auswirkung auf andere haben können bzw. haben. Wie bei allen großen Betriebsreorganisationen sollten auch hier die Mitarbeiter in die Analyseprozesse einbezogen werden.

Letztendlich sollten alle bibliothekarischen Überlegungen und Handlungen einer optimalen Literaturversorgung und schnellen Bereitstellung und nicht nur der Auffüllung der Magazine verpflichtet sein.

Inzwischen werden in einigen Bibliotheken verschiedene Modelle von Outsourcing bereits erprobt. Die BSB München hat für ihre spezifischen Bedürfnisse passende Lösungen zusammen mit den Lieferanten entwickelt und seit einigen Monaten erfolgreich angewandt. Sie stellte diese Einsatzvarianten im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung am 18. Dezember in München vor.


Stand: 19.01.98
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