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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 97

Internet für Bibliothekskunden

Ein Erfahrungsbericht

Michael Krämer

Im Februar 1996 startete die Computerbibliothek Paderborn (ComBi) ein Projekt, mit dem den Kunden der Bibliothek Zugangsmöglichkeiten für private Zwecke zum Internet eröffnet werden sollten. Ermöglicht wurde dieses Projekt durch die Unterstützung des Vereins "Privates Internet Ostwestfalen-Lippe e.V." (PriOWL), der für uns als Provider auftritt.

Zu diesem Zweck wurden die sechs vorhandenen öffentlichen PC-Arbeitsplätze der ComBi vernetzt und an einen Linux-Server in der ComBi angeschlossen. Uber eine Standleitung und 28800er Modems wurde die Verbindung zum Provider (PriOWL) hergestellt.

Das Angebot für die Kunden der ComBi ist wie folgt definiert:

Persönlicher Internet-Account für die Dauer des Projektes. Jeder Nutzer hat ein eigenes Paßwort und im Rahmen der Öffnungszeiten der ComBi folgende Möglichkeiten:

Zum Schnuppern wurden zwei Gastpaßwörter mit eingeschränkter Funktionalität eingerichtet. Als Gast kann man keine E-Mails versenden oder Downloads vornehmen. Der Anteil solcher Gastnutzung liegt bei etwa 15 %. In der Regel meldet sich so ein Gast nach einigen Sitzungen persönlich an.

Die Gebühren für die ComBi-Nutzer liegen bei 1,50 DM/Std. Für den Ausdruck wird eine Druckergebühr von 2,- DM/30 Seiten Laserdruck erhoben. Bedingt durch die vorhandenen PC-Arbeitsplätze und das Sponsoring durch PriOWL kann in der ComBi durchaus kostendeckend gearbeitet werden, was die laufenden Ausgaben anbelangt.

Als Mindestalter für den Internet-Zugang werden in der ComBi 14 Jahre angesetzt. Jugendliche unter 18 Jahren benötigen die Einwilligung der Erziehungsberechtigten. Kunde und Bibliothek schließen einen Nutzungsvertrag, in dem die Rechte und Pflichten des Kunden festgelegt sind. Darüber hinaus ist für die Internet-Anmeldung ein gültiger Leserausweis der Stadtbibliothek Paderborn obligatorisch.

Jeder neue Internet-User erhält bei Anmeldung eine Kurzeinweisung in das System. Sie dauert in der Regel 15 bis 20 Minuten.

Derzeit ist die 200-Marke bei den eingeschriebenen Internet-Usern weit überschritten, Tendenz steigend. Der älteste User ist 56, der jüngste 14 Jahre alt. Gestrichen wurden bisher etwa 20 Accounts: Einer wegen Verstoßes gegen die Netzwerkregeln, die anderen haben sich abgemeldet, z. T. wegen Ortswechsels oder weil sie nach einer Testphase in der ComBi die Technik zu Hause bequemer einsetzen wollen.

Die Auswertung der Altersstruktur aller eingeschriebenen Nutzer ergibt folgendes Bild:

Der Frauenanteil bei der Internet-Nutzung beträgt 15 %, Tendenz steigend.

Im Mai 1996, drei Monate nach Einrichtung der Internet-Plätze wurde eine Kundenbefragung gestartet. Verteilt wurden die Fragebögen an den PC-Arbeitsplätzen im Zeitraum Mai bis November. Dabei wurden nur Personen befragt, die ein eigenes Paßwort hatten und mindestens drei Wochen zum Kundenstamm zählten. Abgegeben wurden 34 Fragebögen (bei 125 eingetragenen Benutzern für das Internet: Stand November 1996).

55 % der Befragten gaben an, 1 bis 2 Stunden pro Woche das Angebot zu nutzen. 20 % gaben eine Nutzung von 3 bis 4 Stunden/Woche an, 20 % waren 5 bis 6 Stunden da und 5 % gaben 10 bis 12 Stunden an.

Die Marathonnutzer bestanden aus einem Teenagerclub, der den Online-Chat entdeckt hatte. Sie sind Dauerkunden geworden. Ihre Verweildauer hat sich jedoch auf ein durchschnittliches Maß von 2 bis 3 Stunden/Woche eingependelt.

Die Art der Nutzung bei Jugendlichen und Erwachsenen ist durchaus unterschiedlich:

Jugendliche werden eher Dauernutzer. Sie betrachten das Internet-Angebot als Erweiterung ihrer Freizeitaktivitäten. Online-Chat, Websurfen und Downloads stehen hier im Vordergrund.

Erwachsene nutzen die Möglichkeiten der ComBi-Plätze für gezielte und oft zeitlich begrenzte Aktivitäten. E-Mail-Kontakte, Jobsuche per Internet, Downloads von Software-Upgrades und natürlich das Erlernen der Technik für berufliche Zwecke oder privat. Nutzer, die ihren Account in der ComBi abmelden, begründen dies häufig damit, daß sie sich jetzt mit der Technik zurechtfinden und zu Hause loslegen wollen.

Auf die Frage, welche Dienste des Internet genutzt werden (Mehrfachnennungen waren hier möglich) antworteten 67 % mit WorldWideWeb. Zum einen ist das WWW unser Einstiegspunkt für die Internet-Nutzung. Zum anderen manifestiert sich hier das weit verbreitete Mißverständnis, nach dem WWW und Internet identisch sind. 35 % nannten als Anwendung E-Mall: 30 % waren dem Online-Chat zugetan, während 20 % die Möglichkeit der Downloads vorteilhaft fanden.

Auf die Frage, ob alternative Internet-Zugänge genutzt werden, antworteten 55 % mit nein, 26 % nannten kommerzielle Provider, 8 % hatten schon mal ein Internet-Café besucht, 6 % gaben die Universität an, und 5 % machten dazu keine Angabe.

Wie unsere Kunden auf das Angebot "lnternet in der Bibliothek" aufmerksam wurden, zeigt die folgende Tabelle:

Verwandte/Freunde/Bekannte41 %
Zufall 9 %
Aushang/Mitarbeiter der Bibliothek/Führung38 %
Zeitung 9 %
keine Angabe 3 %

Aufschlußreich ist auch die Tabelle zu der Frage, welche anderen Angebote der ComBi außerdem genutzt werden: (auch hier gab es Mehrfachnennungen)

Ausleihe von Medien allgemein82 %
Bücher38 %
Software29 %
Zeitschriften15 %
Bibliothek insgesamt11 %
keine38 %

38 % der Befragten gaben an, die Bibliothek explizit zur Internet-Nutzung zu besuchen!

Der Abschlußpunkt forderte auf, Anregungen und Kritik zu formulieren:
5 Benutzer hätten gern ein anderes Betriebsystem zur Verfügung, nämlich das vertraute Windows. 2 mal wurden die Technik allgemein beanstandet, 11 mal erhielten wir ein dickes Lob, und 16 Benutzer äußerten sich zu diesem Punkt überhaupt nicht.

Ein gewichtiger Grund für den großen Anklang des Projekts bei unseren Kunden sind sicherlich die niedrigen Gebühren. Außerdem hat man in der ComBii immer die Möglichkeit, sich mit anderen Leuten zu unterhalten oder das Personal um Hilfe zu bitten, wenn etwas schief gegangen ist. Zu Hause würde man die Hotline anrufen. Dieser oft frustrierende Akt ist hier nicht nötig. Die ComBi ist die Hotline.

Parallel zum Projekt "lnternet in der ComBi" hat sich in der Stadt ein Bürgernetz-Verein entwickelt (bowle). Dieser Verein hat sich zum Ziel gesetzt, den Normalbürger über das Internet zu informieren und einfache und kostengünstige Zugangsmöglichkeiten zum Netz zu bieten. Weil dieses Konzept vorzüglich mit den Zielen der ComBi harmoniert, ist es naheliegend, daß der Verein in der ComBi seine Vereinstreffen hat. Aus dieser Zusammenarbeit haben sich bereits zehn größere Informationsveranstaltungen zum Thema Internet ergeben. Weitere sind geplant.

Perspektiven

Im Zuge des Projekts war es der ComBi möglich, auch eigene Angebote als HTML-Seite im Netz zu präsentieren:

Diese kleine Auswahl bildet nur den Anfang, ist sozusagen nur die Fingerübung in der ComBi. Die Möglichkeit, ein Informationsangebot für Leser per Internet zu erstellen, ist schier unbegrenzt und auch für alle anderen Kabinette der Bibliothek interessant. Zentrale Info-Terminals und speziell für die verschiedenen Kabinette zusammengestellte Informationsangebote sind denkbar. An oberster Stelle meiner persönlichen Wunschliste steht natürlich der OPAC mit der Möglichkeit, Verlängerungen vorzunehmen, Bestellungen abzugeben oder auch Leserwünsche! Leichter zu realisieren sind Link-Sammlungen auf der Homepage: OPACs der Universitäten

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Auf diese Weise könnte jede Abteilung ein Info-Terminal aufstellen, und zwar mit freiem und kostenlosem Zugang für jedermann. An diesen reinen Info-Terminals haben die Kunden keine Möglichkeit, Disketten zu beschreiben oder Inhalte auszudrucken. Dafür ist man in der entsprechenden Abteilung - z. B. der ComBi - dann besser aufgehoben.

Jede Abteilung könnte die Bibliotheks-Homepage modifizieren und so Angebote für ihre spezifische Kundschaft in den Vordergrund stellen.

Ausdrucke oder Downloads könnten Leser beim Beratungsdienst bestellen. Genauso ist es denkbar, daß der zuständige Lektor in Zukunft Brokingdienste für seine Kunden anbietet.

Nutzungsstatistik 1996
AnwendungenAnzahl
Stunden
Nutzung, Anteilig
%
Jan.Feb.MärzAprilMaiJuniJuliAug.Sep.Okt.Nov.Dez.
Textverarbeitung171934,0114419422417416716388115102129118101
Grafische DV59811,83872622223354476264555670
Scanner96519,0982152789494465310261627566
Tabellenkalkulation1172,311410131810168421084
Internet130025,7200414211910312671159255174210
Sonstige: Beratung; Lernen; Spiele3557,02264244171219323448243621

Nutzungsstatistik 1997
AnwendungenAnzahl
Stunden
Nutzung,Anteilig %JanuarFebruarMärzAprilMaiJuniJuli
Textverarbeitung70718,83110112104120987885
Grafische DV3429,1173653432426234
Scanner56415,02941059198965030
Tabellenkalkulation381,01141280040
Internet197252,52255254248356251270338
Sonstige: Beratung; Lernen; Spiele1323,5217262418151220

Der Fragebogen für die Kunden hatte 8 Punkte:
1: Wie oft nutzen Sie den Internetzugang durchschnittlich pro Woche (Anzahl Stunden)?
2: Welche Dienste nehmen Sie vorwiegend in Anspruch?
3: Welche Dienste nutzen Sie bislang überhaupt nicht?
4: Nutzen Sie noch andere Zugangsmöglichkeiten zum Internet außerhalb der ComBi?
5: Alter: männlich? weiblich?
6: Wie sind Sie auf den Internetzugang in der ComBi aufmerksam geworden?
7: Welche Angebote der ComBi nutzen Sie außerdem?
8: Hier ist Platz für Anregungen und Kritik.


Stand: 04.09.97
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