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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 97

Internet für Benutzer in Öffentlichen Bibliotheken

Das Kölner Konzept

Frank Daniel

Internet-Einsatz

Das Internet wird in der StadtBibliothek Köln seit Mitte 1994 genutzt. Nachdem zunächst zu internen Testzwecken ein Einzelzugang über Compuserve bestand, wurden Mitte 1995 mehrere Personalzugänge für Schulungen und Informationsrecherchen geschaffen. Seit Februar 1996 werden außerdem an drei speziell dafür eingerichteten Workstations öffentliche Internet-Zugänge per Standleitung angeboten. Im Juni 1996 wurde der bibliothekseigene Webserver (http://www.stbib-koeln.de) freigegeben. Seit April dieses Jahres ist die StadtBibliothek Köln zusätzlich in einem Stadtinformationssystem vertreten. Es ist in einem Europaprojekt entstanden und sowohl im Internet (http://www.koeln-dali.de) als auch an öffentlichen Informationssäulen zugänglich. Alle Abteilungen wie Direktion, Fernleihe, Ausleihverbuchung, Recherchedienst etc. sind per E-Mail für Nutzeranfragen und -wünsche erreichbar (z.B. infodienst@stib-koeln.de). Im folgenden sollen jedoch nur Fragen zu den öffentlichen Internet-Zugängen behandelt werden.

Technik

Netz
Die Netzanbindung gestaltet sich ab Sommer 1997 wie folgt: Standleitungen à 2mb zur Zentralbibliothek und zur Medienbibliothek, mit garantiertem 64kb-Zugang zum Internet, 2mb-Zugriff auf den Proxy-Server und Anschluß an das Intranet der Stadtverwaltung. Provider ist die stadtnahe NetCologne GmbH.

Die Auflagen der Kölner Stadtverwaltung verlangen ein separates LAN zusätzlich zum hausinternen Bürokommunikationsnetz und zum Netz der Bibliothekssoftware ALS. Dieses LAN besteht zur Zeit aus:

Die Verkabelung ist großzügig angelegt, so daß weitere Workstations ohne Probleme eingerichtet werden können.

Zusätzlich zu den drei öffentlichen Workstations der Zentralbibliothek wurde eine weitere Leitung mit drei weiteren Benutzerzugängen in der neu eingerichteten Medienbibliothek geschaltet.

Hardware
Die Workstations sind Pentium-75 PCs mit Betriebssystem Windows 95, 16 MB RAM und 15"-Monitoren. Ein zentraler Netzwerk-Drucker ist angeschlossen (Entgelt: 0,50 pro Seite).

Softwareausstattung
WWW-Browser (Netscape 2.1), Telnet-Client, Übersetzungssoftware, Dateisplitter, Filtersoftware Surfwatch, PDF-Treiber (macht es möglich, den gesamten Inhalt von WWW-Seiten inclusive Grafiken als PDF-Datei zu speichern)

Absicherung der Workstations gegen unbefugte Nutzung oder Mißbrauch
Da Browsersoftware ursprünglich für den Privatnutzer am Heim-PC entwickelt wurde, ist der Einsatz an öffentlichen Terminals problematisch. Auch unter Windows 95 gibt es Möglichkeiten, dauerhafte Modifikationen an der Installation vorzunehmen - seien sie nun bösartiger Art oder zufällig entstanden. Die EDV-Abteilung der StadtBibliothek Köln hat deshalb eine Absicherungs- und Backup-Lösung entwickelt - sowohl für Windows 95 als auch für Windows 3.1. Sie kann auf unserer Profi-Seite (http://www.stbib-koeln.de/profi/) als Textfile abgerufen werden.

Nutzungsregeln

Für Bibliotheksbesucher zugänglich sind folgende Internet-Dienste:

Vor der Nutzung muß sich der Besucher per Unterschrift und mit Angabe seiner Mitgliedsausweisnummer in einer Liste einen Termin reservieren. Termine werden stündlich oder halbstündlich vergeben. Die Listen liegen in einem Ordner nach Wochentagen geordnet unweit der Arbeitsplätze aus.

Bei Erscheinen wird eine zweite Unterschrift geleistet, mit der die Wahrnehmung des Termins bestätigt wird und die "Vorläufigen Benutzungshinweise" anerkannt werden. Diese Hinweise haben zwar Satzungscharakter, der Rat der Stadt muß sie aber nicht genehmigen. Änderungen, die sich im Laufe der Zeit auf Basis der gemachten Erfahrungen ergeben, können auf diese Weise schnell vorgenommen werden.

Die wichtigsten Regelungen lauten also:
Die Nutzung ist abgesehen vom Ausdrucken oder Abspeichern kostenlos. Voraussetzung ist lediglich ein gültiger Mitglieds- oder Tagesausweis. Diese Regelung wurde nach längerer Diskussion beibehalten, obwohl ein Entgelt sicher auch ein Steuerungsmechanismus wäre und jene abhalten würde, die nur in die Bibliothek kommen, weil es billiger ist, als den eigenen Anschluß zu Hause zu nutzen. Aber auch das restliche Informationsangebot der Bibliothek ist - vom Jahresentgelt abgesehen - kostenlos zugänglich. Und schließlich kosten auch Regale und Räume Geld.

Minderjährige sind zugelassen - eine wichtige Zielgruppe, die verstärkt den Umgang mit neuen Medien lernen muß, wäre sonst ausgeschlossen. Die Zustimmung des Erziehungsberechtigten ist dafür notwendig. Sie wird auf den Anmeldeformularen der Bibliothek abgefragt und durch einen roten @-Aufkleber auf dem Ausweis kenntlich gemacht.

Für Erziehungsberechtigte gibt es das spezielle Informationsblatt "Was sind externe elektronische Dienste?", das die grundsätzlichen Merkmale eines solchen Angebots im Unterschied zum sonstigen Bibliotheksbestand erläutert und vor allem für Eltern gedacht ist, die das Internet nicht kennen (abrufbar unter http://www.stbib-koeln.de/profi/).

Downloading kostet DM 5,- für eine Datenmenge bis zum Umfang einer Diskette. Mitgebrachte Disketten dürfen nicht verwendet werden.

Ausdrucken kostet DM 0,50 pro Seite.

Voranmeldung über die Anmeldeliste ist dringend zu empfehlen.

Die "Benutzungshinweise" (abrufbar unter http://www.stbib-koeln.de/profi/) müssen vor der Sitzung durch Unterschrift auf der Anmeldeliste anerkannt werden.

Um den Kreis der potentiellen Nutzer möglichst groß zu halten, gilt ein Zeitlimit von maximal zwei Stunden pro Woche - allerdings nicht mehr als ein Termin pro Tag.

Erfahrungen

Nutzererwartungen
Die Bibliothek wird "von Surfern überrannt" , wie der Kölner Stadt-Anzeiger schrieb. Aus diesem Grund ist die Maximalzeit pro Person und Woche reduziert worden. Der Kampf um die Plätze ist so groß, daß die Bibliotheksuhr als maßgeblich angeben werden mußte, damit Streitigkeiten wegen Uhrzeitdifferenzen, die manchmal nur wenige Minuten betrugen, vermieden werden. Die Listen sind meist 7 bis 10 Tage im voraus ausgebucht, zumindest was die stündlichen Termine betrifft.

Auch aus technischer Sicht gibt es große Benutzeranforderungen. Benutzer wollen möglichst alle verfügbaren Inhalte abrufen können (auch in anderen Sprachen oder Datenformaten wie 3D-Bilder, Videos etc.), wollen ausdrucken, abspeichern und Material mit nach Hause nehmen können.

Die dafür eingesetzte Zusatzsoftware umfaßt diverse Viewer (Video, 3D, PDF), Übersetzungssoftware, PDF-Druckertreiber, Entpacker und Dateisplitter (zum Mitnehmen von Dateien, die größer als 1,44 MB sind)

Hilfestellungen
Das Wissensgefälle zwischen Profis, die mehr wissen als die meisten Bibliotheksangestellten, und absolut hilflosen Erstbenutzern ist unvorstellbar groß. Viele Neulinge stellen sich das Internet als moderne Variante des Videotexts vor. Sie wollen "einfach mal ins Internet gucken" und erwarten vorgegebene Menüs. "Yahoo" u.ä. wird nach dem ersten Schock dann sehr dankbar als "Inhaltsverzeichnis" benutzt. Ein weiteres Problem: Für viele - vor allem ältere - Besucher ist das Internet der Grund, sich erstmals mit einem PC auseinanderzusetzen...

Es wird versucht, auf mehrere Arten Abhilfe zu schaffen:

Problem der "unerwünschten" Sites
Seiten mit rassistischen, pornographischen, gewaltverherrlichenden u.ä. Inhalten dürfen nicht aufgerufen werden. Ganz verhindern kann man dies nicht, das hat die Erfahrung gezeigt. Aber es ist doch soweit im Rahmen zu halten, daß solche Seiten kein ernsthaftes Problem darstellen. Die StadtBibliothek Köln setzt auf einen Mix aus technischen, juristischen, psychologischen und sozialen Maßnahmen: Weitere Vorhaben

Neue Browsersoftware
Einsatz des MS Internet Explorer, der mit dem (kostenlosen) Administration Kit so eingestellt werden kann, daß kaum noch Benutzermanipulationen möglich sind (Realisierung: August 1997).

Mehr Schulungen
Erweiterte Schulungen, die vor allem die Informationssuche zum Thema haben (Realisierung: Spätsommer 1997).

Integrierte Benutzerarbeitsplätze
In der neuen Medienbibliothek finden Besucher eine Arbeitsumgebung vor, die verschiedene Zugänge und Anwendungen integriert. Zugriff auf CD-ROM-Datenbanken, Multimedia-Anwendungen und - an mindestens drei Rechnern - Internet sowie Software zur Weiterbearbeitung von Rechercheergebnissen.

Arbeitsplatzrechner mit Textverarbeitung und Grafikprogrammen können allerdings nicht so abgesichert werden wie reine CD-ROM- oder Internet-Rechner. Oft ist es ja keine Willkür, sondern Unkenntnis, aus der heraus Veränderungen vorgenommen werden. Aus diesen Gründen bleiben die Arbeitsplatzrechner von den Rechercherechnern vorerst getrennt.

Als Benutzeroberfläche wird eine lokale HTML-Oberfläche unter Mosaic 3.0 getestet. Mosaic bietet für diesen Zweck einen hervorragenden Kiosk- bzw. Präsentationsmodus. Benötigt wird außerdem das Programm 'Launcher', das den Aufruf eines Programms aus dem Browser heraus ermöglicht. Für jedes aufzurufende Programm wird auf eine separate Datei gelinkt, die wiederum auf die Datei Launcher.ini verweist, von der aus der jeweilige Programmaufruf erfolgt.

Bei der Verwendung als Benutzeroberfläche zur CD-ROM-Auswahl zeigt sich allerdings ein Problem. Erfahrene PC-Nutzer sind es gewöhnt, Programme durch einen Doppelklick zu aktivieren. In einem Internet-Browser wie Mosaic werden Links aber nur durch einmaliges Klicken aufgerufen. Durch einen Doppelklick wird die CD-ROM unbeabsichtigterweise zweimal gestartet, was unter Umständen zu Fehlermeldungen führt.

Internet an den Auskunftsplätzen
In allen anderen Fachetagen der Zentralbibliothek werden an den Auskunftsplätzen weitere Internet-Personalzugänge eingerichtet (Realisierung: 3. Quartal 1997).

Benutzerworkstations für Kurzrecherchen
Die jetzigen Benutzerrechner sind weitestgehend durch reservierte Termine belegt. Es hat sich gezeigt, daß zusätzliche Zugänge für die Klärung von Sachfragen notwendig sind. Das Benutzerinteresse richtet sich hier nicht auf das Medium als solches, sondern spezifische WWW-Seiten oder der nordrhein-westfälische Gesamtkatalog werden als Informationsquelle benötigt. Aus diesem Grund wird in jeder Etage zusätzlich ein reiner Benutzerrechner in der Nähe des Auskunftsplatzes installiert (Realisierung: Herbst 1997).

Was zu bedenken ist
Ein normaler PC, zum Publikum hingedreht, reicht als Internet-Zugang nicht aus.

Nicht nur die Technik, auch viele organisatorische Regelungen müssen bedacht werden.

Die meisten Nutzer finden ihre Bücher im Regal selbständig, der Umgang mit dem Medium Internet ist für viele aber keineswegs selbstverständlich und bringt viele Fragen mit sich.

Geschultes Personal - sowohl technisch wie auch recherchemäßig - ist eine wichtige Voraussetzung.

Kleinere Einrichtungen werden bei der Einführung hinsichtlich Knowhow und Finanzierung sicher auf Hilfe von außen angewiesen sein (Stadtverwaltung, Vereine, bibliothekarische Institutionen...)

aber: Es herrscht ein großer Bedarf. Wenn man es denn richtig macht, kann eine Bibliothek sich bei Bürgern und Verwaltung mit diesem Angebot sehr gut profilieren.


Stand: 04.09.97
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