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Bibliotheksdienst Heft 8/9, 96

Geisteswissenschaftliche Fachinformationen
im Internet
Ein Bericht aus der Praxis1)

Beate Tröger

A. Vorüberlegungen: die Theorie

In der Deutschen Universitätszeitung vom 19. April 1996 beschreibt der Philosoph Markus Brach die seines Erachtens schlecht funktionierende Ehe zwischen großen Teilen der Kultur- und Geisteswissenschaften und dem sogenannten "technischen Fortschritt": keine produktive Gemeinsamkeit zwischen beiden sei zu konstatieren, sondern auf seiten der seit Dilthey so wohltönend Geisteswissenschaften genannten Bereiche allenfalls eine kritisch-nörgelnde Zwangsgemeinschaft mit genuin (fortschritts-)kritischem Blick und möglichstem Aus-dem-Weg-Gehen. Besonders im Kontext der weltweiten Datenvernetzung sei festzustellen, daß, während in den Naturwissenschaften längst schon mit virtuellen Labors experimentiert werde, in denen Wissenschaftler aus verschiedenen Kontinenten zeitgleich an Experimenten arbeiteten, der PC in vielen Seminaren der Geisteswissenschaften bestenfalls als probater Ersatz für die Schreibmaschine gelte. "In den Labors und Instituten der Naturwissenschaften (lenkt) das weltumspannende Internet und World-Wide-Web die Kommunikation der 'Gemeinschaft der Wissenschaftler' in neue Bahnen", derweil "die Geistes- und Kulturwissenschaftler die reine Existenz des Computers oftmals noch als Herausforderung der modernen Zeiten ansehen, über deren Nutzen trefflich gestritten werden kann"2), stichelt Brach und fordert drängend eine veränderte Kommunikations- und Publikationspraxis, einen Paradigmenwechsel im wissenschaftskommunikativen Selbstverständnis der einschlägigen Disziplinen.

Diese grundsätzliche Einschätzung einer eher technik-distanzierten Haltung geisteswissenschaftlicher Forschung und Lehre ist nicht neu3), und zu Recht verweisen auch durchaus innovationsaufgeschlossene Autoren auf strukturelle Probleme gerade im EDV-orientierten Kontext, die den Zugang für einen zögernd Kontaktsuchenden mit geisteswissenschaftlicher Herkunft drastisch erschweren. So beklagt etwa Helmut Schanze, "Netze, auch Internet bzw. WIN, sind zuerst technisch und für Techniker entwickelt worden. Die Nutzeroberflächen sind zum Beispiel bis heute von einer (sprachlichen) Unzulänglichkeit, die an die Geheimhaltungspraktiken von Fust und Schöffer in Mainz Anno 1480 erinnern mögen."4)

Dieses Urteil kann vermutlich mit der zunehmenden Verbreitung von graphisch gestalteten Internet-Navigationshilfen5) relativiert werden - ein wesentlich grundlegenderer Zusammenhang jedoch bleibt als Zugangshemmnis des im Englischen ´Computing in the Humanities´ genannten Bereiches bestehen: der Computer-Neuling (aber vielfach auch der EDV-versierte Wissenschaftler) vermag sich im Dickicht des Internet-Dschungels oft kaum allein zurechtzufinden, er gibt sein Stöbern nach qualitativ hochwertigen, sprich: wissenschaftlich relevanten Informationen im Heuhaufen des weltweiten Netzes unter Umständen recht bald wieder genervt auf und tritt ein in den großen Chor geisteswissenschaftlicher Technik- und vor allem Internet-Kritiker. Ohne an dieser Stelle kritischen Bemerkungen bezogen auf das Internet und seine gesellschaftlichen Bedingtheiten und Folgen im Wege stehen zu wollen, scheint hier doch eine Chance zu liegen, die bestehenden wissenschaftlich-qualitativen und wissenschaftlich-kommunikativen Möglichkeiten des Netzes in das Blickfeld der Geisteswissenschaftler zu rücken, um ihnen bei der Evaluierung ihres sozusagen a priori gebildeten Urteils - und damit bei der wissenschaftlichen Nutzung einer wichtigen Informationsquelle - behilflich zu sein.

In diesem Kontext sind gerade die Bibliotheken als genuine Informationsvermittler gefordert. Zu Recht diagnostiziert Jürgen Bunzel (DFG): "Der Nachweis von Internet-Ressourcen in den Bibliothekssystemen wird zukünftig ebenso zu den unverzichtbaren Aufgaben der Bibliotheken gehören wie der direkte Zugriff von der Katalogdatenbank auf Internet-Dokumente selbst."6) Ein solcher Nachweis kann jedoch nur dann die hier beschriebenen Ziele einer Zugangshilfe und Vorstrukturierung des Internets für die geisteswissenschaftlichen Disziplinen erfüllen, wenn die je enthaltenen Informationen nicht nur gesammelt und formal 'katalogisiert' werden (von allen Problemen der stabilen Verzeichnung eines an sich instabilen Mediums und den unter Umständen, d. h. bei wissenschaftlicher Relevanz entsprechend anzuwendenden Sicherungsverfahren einmal abgesehen7) ), sondern wenn die gefundenen Ressourcen im Netz vor allem auch inhaltlich erschlossen und zugriffsbereit gemacht werden. Andere positive Aspekte der elektronischen weltweiten Datenverfügbarkeit und ihrer bibliothekarischen Sichtung mögen hinzutreten8) - aus der Sicht der (Geistes-) Wissenschaftler jedoch ist gerade diese inhaltliche Sammlung, diese inhaltsbezogene Navigationshilfe ein entscheidendes Kriterium möglicher Internet-Nutzung. Dabei ist der aktive, der seit Jahren forschende Wissenschaftler ebenso anzusprechen wie der angehende, der zukünftige Wissenschaftler, die Professorin ebenso wie die Studentin - beide bedürfen unter Umständen eines fachwissenschaftsbezogenen An-die-Hand-Nehmens im Daten-Dschungel, beiden hilft ein je spezifisch modifiziertes Relevanz-Leit-System im Chaos des Internets.

An dieser Stelle setzen die Überlegungen ein, die - initiiert durch und eingebunden in die Arbeit eines nordrhein-westfalenweit geplanten Informationssystems aller wissenschaftlichen Fächer9) - an der Universitätsbibliothek Dortmund längerfristig zur Entwicklung einer sogenannten Clearinghouse-Struktur im Datennetz beitragen sollen.

"Das Clearinghouse-Konzept", so führt Diann Rusch-Feja aus, "beruht auf der Definition eines spezifischen Forschungsschwerpunktes und auf der Lokalisierung aller im Netz verfügbaren einschlägigen Informationsquellen für diesen Schwerpunkt."10) Ziel ist dabei nicht eine bloße Duplizierung von Informationen, die an anderer Stelle bereits erhältlich sind, "sondern eine Bündelung verteilter Informationen durch Verknüpfungen, die einen direkten Zugriff auf diese Quellen ermöglichen."11)

Einer solchen Idee liegt also das Prinzip zugrunde, relevante - und zwar überprüft wissenschaftlich relevante - Ressourcen im Internet gesammelt, inhaltlich durchstrukturiert und unter einer benutzerfreundlichen Zugriffsoberfläche möglichst einfach erreichbar den Bedürfnissen auch des nicht so EDV-versierten Nutzers anzubieten. Mehrere Bedingungsfaktoren sind dabei zu berücksichtigen: das Nutzerinteresse der anzusprechenden Klientel ist inhaltliche Basis der Sammlung, das dieser Zielgruppe zugeschriebene Datenmaterial muß laufend aktualisiert werden und schließlich muß die Sammlung mit explizitem Mut zum Heraushalten des dem qualitativen Maßstab nicht Genügenden erfolgen, um einer Relevanzüberprüfung tatsächlich standzuhalten.

Gerade auch diese Kriterien umzusetzen ist ausdrückliches Ziel der Dortmunder Fachinformationsseiten. Projektartig für die Erziehungswissenschaften und die Sonderpädagogik wird hier ein entsprechendes Konzept zur Entwicklung und Gestaltung von Internet-Seiten durchgeführt - nicht zuletzt mit bewußtem Blick auf die bisher zum Teil vorhandene 'netzspezifische' Abstinenz der geisteswissenschaftlichen Zielgruppe. Bei der praktischen Umsetzung solcher Wunschbereiche jedoch ergab sich als Ausgangspunkt der Realisierung zunächst noch eine erste Hürde, eine informationsvermittlungsbezogene Grundsatzfrage, die es vor aller Praxis zu beantworten galt: für wen genau sollte das fachwissenschaftliche Angebot erfolgen - mit welchen konkreten Inhalten - und in welcher Form präsentiert und publiziert sich dieses Angebot?

Die Frage nach der Zielgruppe, nach den potentiellen Nutzern von Fachinformationsseiten führte in Dortmund zu einer vielschichtigen Klientel-Bestimmung. Dies ist nicht zuletzt bedingt durch die Tatsache, daß die Internet-Angebote auf dem Server einer Universitätsbibliothek liegen, nicht bei einer reinen Forschungseinrichtung und nicht in einem reinen Lehr-Bereich. Damit ist eine relative Heterogenität der Rezipienten gegeben - und zwar hinsichtlich des vorauszusetzenden fachwissenschaftlichen Kenntnisstandes, aber natürlich auch im Blick auf das Vorwissen der Erziehungswissenschaftler und Sonderpädagogen über das hier zu nutzende Medium (wobei diese beiden Faktoren keineswegs korrelieren müssen). Dies bedeutet, es war auszugehen von einer Klientel, die den Studienanfänger ebenso umgreift wie die Professorin mit 30-jähriger fachwissenschaftlicher Erfahrung, den Internet-Anfänger ebenso wie die versierte Datentechnikerin.

Auf der anderen Seite definiert sich die Zielgruppe über ihr Nutzungsinteresse (das von dem gerade beschriebenen Faktor 'Vorwissen' zu trennen ein rein theoretisches Hilfskonstrukt der Konzeption von Fachinformationsseiten ist). Auch hier mußte eine Mehrschichtigkeit des Interesses diagnostiziert werden: neben dem Informationsbedarf bezogen auf die Ressourcen, die die Dortmunder Universitätsbibliothek quasi vor Ort zu bieten hat, gilt der begehrliche Blick auch den Ressourcen, die weltweit in das Internet eingespeist und in Dortmund gelesen werden wollen - bereits ausgewählt, strukturiert und evaluiert.

In dieses Koordinatensystem unterschiedlicher Interessenlagen bindet sich folgerichtig die genauere Frage nach dem Gegenstand, dem spezifischen Inhalt von Fachinformationsseiten: sollte den heterogenen Interessenlagen der potentiellen Nutzer Rechnung getragen werden, mußten die Inhalte eine entsprechend breitgefächerte Struktur aufweisen - ohne dabei diktatorisch-didaktisch bestimmte Näherungswege vorzugeben oder gar hohe Zugangsanforderungen hinsichtlich des medienspezifischen Kenntnisstandes der Nutzer zu verlangen. Das heißt, es sind verschiedene Informationen bereitzuhalten: das Angebot eines Clearinghouses, einer virtuellen Bibliothek, die dem Wissenschaftler pädagogische und sonderpädagogische Ressourcen im Netz aufarbeitet und zur Verfügung stellt, tritt neben Grundlageninformationen über Konzeption und Angebote der realen Bibliothek in Dortmund für den an einer 'Hausnutzung' Interessierten ebenso wie neben Basishilfen bei der Literatursuche etwa in Form bibliographischer Tips für den studentischen Einsteiger.

Eine in diesem Sinne differenzierte Angebotsstruktur verlangte nach einem dem differenzierten System Rechnung tragenden Darbietungskonzept - das dabei die Einfachheit der Arbeit mit ihm nicht verliert. Dem Nutzer muß entsprechend sehr früh die Möglichkeit eingeräumt werden, sich gemäß seiner spezifischen Interessenlage die für ihn relevanten Informationen auszuwählen, ohne diese Auswahl durch einen Verlust an Orientierung im System zu erkaufen. Dies bedeutet, daß es ein Hypertextverfahren zu entwickeln galt, das sehr weit oben, sehr früh bereits die verschiedenen Informationsstrukturen transparent macht und so Links präsentiert, die eine leicht zu handhabende und zugleich tatsächlich bedürfnisspezifische Auswahl ermöglichen. Eindeutige Termini sind damit ebenso gefordert wie klare Linien des Aufbaus.

B. Ausarbeitung: Die Umsetzung in die Praxis

Beim Einstieg in die Dortmunder Fachseiten von der Homepage der Universitätsbibliothek oder von der ersten Internet-Seite an den Benutzerarbeitsplätzen aus gelangt man zunächst auf die Hauptseite "Erziehung und Bildung, Sondererziehung und Rehabilitation". (URL: http://www.ub.uni-dortmund.de/Fachinformation/Erziehung/1.htm)

(Anmerkung: Alle folgend genannten Internet-Seiten finden Sie als Folgeseiten unter der o.g. URL)

Sie bietet neben der Überschrift keinen weiteren Erklärungs-Text, sondern nur eine auf einem Bildschirm erscheinende Liste von sechs Links. Eine solche Struktur ist an dieser Stelle eine Art prinzipieller Entscheidung für die Übersichtlichkeit, für die knappe, präzise Information und gegen eine nähere, aber sich über mehrere Bildschirmseiten hinziehende Detailbeschreibung etwa dessen, was sich hinter den einzelnen Links verbirgt (solche Details öffnen sich dann allerdings sofort beim entsprechenden Anklicken der Einzelaspekte).

Die ersten fünf dieser Links lassen sich in zwei grobe Ausrichtungslinien differenzieren mit einer Art Grauzone zwischen ihnen (aus dieser Dualität heraus fällt der sechste Link, der einen direkten Zugang zu den universitären Fachbereichen bietet).

1. Ausgehend von der mehrschichtig zu beantwortenden Frage der Rezipienten-Zielgruppe bieten sich dem Nutzer auf der einen Seite Strukturen an, die ihm den Zugang zur sowie den konkreten Gang durch die reale Dortmunder Bibliothek erleichert und effektivieren.

Dabei wird zunächst eine grundsätzliche Beschreibung der erziehungswissenschaftlichen Ressourcen in der UB zur Auswahl präsentiert.

Für Interessierte ist hier die Möglichkeit, sich über die historische Entwicklung der Bestände zu informieren - es ist an einer Universitätsbibliothek, deren zugehörige Universität gemeinhin im Land eher den Ruf einer technischen Hochschule hat, ja keineswegs selbstverständlich, einen so großen und differenzierten erziehungswissenschaftlichen und sonderpädagogischen Fundus aufzuweisen.

Ein weiterer Link bietet die Orientierung über die aktuellen Schwerpunkte der Literatur- und Medienauswahl sowie über die Breite des entsprechenden Angebotes.

Hier wurde bewußt die Textform als Genre gewählt, um für die Benutzer die Akzentsetzungen der Dortmunder Ressourcen innerhalb der zu beschreibenden Textwissenschaften Pädagogik und Sonderpädagogik zu präsentieren. An die erste Stelle der Auflistung ist die virtuelle Bibliothek, die Internet-Sammlung selbst getreten, dann kommen die bislang noch klassischeren Bibliotheksmedien mit ihren je existierenden inhaltlichen Schwerpunkten.

Am Ende der Seite wird der Direktzugriff auf den Katalog angeboten.

Wem dies zu schnell geht oder wer andere Basis-Informationen sucht, kann spezifische Hilfestellungen über den Link "Benutzungshilfen" einfordern.

Hinter diesem Link verbirgt sich ein weiteres Auswahlmenü, mit dem pragmatische Informationen 'für den täglichen Bedarf' ermittelt werden können. So sind hier z. B. die Anmeldemodalitäten und Termine des laufenden Semesters für fachspezifische Datenbank-Einführungen (ich erinnere an den Neuling in Wissenschaft und/oder EDV) abrufbar. Gleichzeitig sollte ein unmittelbarer Ansprech-Modus etwa für Rückfragen ermöglicht werden: neben dem eigentlichen Link "Ansprechpartnerinnen" gibt es auf jeder Seite eine direkt aufzuklickende voradressierte Mail-Maske der sich als Gesprächspartner anbietenden Personen.

Ähnlich pragmatisch motiviert ist die Anbindung der Kataloge.

Auch hier gibt es konkret benutzungsbezogene Hinweise (etwa die für den Großbereich Erziehung relevanten Signaturengruppen) unter "Erklärungen", aber auch einen Direktzugang für die Suche desjenigen, der weiß, wo er was finden kann.

Eher an den wissenschaftlichen Einsteiger wenden sich die Tips zur bibliographischen Literatursuche.

Sie präsentieren Suchhinweise grundsätzlicher Art über mögliche Suchstrategien. Gezeigt wird zunächst zusammenhängend in einem Fließtext, welcher Medien man sich bei Literaturrecherchen überhaupt bedienen kann, um dann die Differenzierung via Link anzubieten.

Entscheidet sich der Benutzer etwa für den Auswahlbereich "Bibliographische Printmedien", erfährt er durch Anklicken in tabellarischer Form die wichtigsten Bibliographien, ihre medialen Umsetzungsformen (CD-ROM, Online) und darüber hinaus ihren realen Standort in der UB Dortmund.

2. Neben solche konkret-pragmatisch orientierten Hilfestellungen tritt auf der anderen Seite im Sinne der erwähnten zweiten Hauptgruppe der Links die eigentliche Erschließung von Internet-Ressourcen.

Der Nutzer kann sich vom Einstiegsbildschirm der Fachinformationsseiten aus für den unmittelbaren Zugriff auf sie entscheiden, wird aber mit dieser Entscheidung nicht fallengelassen in das Dunkel des Netzes, sondern erfährt ein Angebot vorstrukturierter Suchansatz-Punkte.

Angesteuertes Ziel ist hier das angesprochene Clearinghouse: die systematische Auswahl, Evaluierung und inhaltliche Aufbereitung fachwissenschaftlich relevanter Informationen. Die Dortmunder Fachinformationsseiten können entsprechend zunächst nur im Sinne eines ersten Schrittes auf dem Weg dorthin gelten: als Versuchsstruktur gewählt wurde die scheinbar am leichtesten zu handhabende Systematisierung im Sinne einer Art 'Form-Schlagwort', d. h. im Sinne des Modus der bearbeiteten Informationsquelle.

Doch selbst diese vergleichsweise unproblematische Systematik stellt sich bei näherem Hinsehen als Irrlicht vorgegaukelter Problemlosigkeit heraus.

Faßt man etwa Organisationen mit einem oft selbsterklärenden und damit entsprechend relativ eindeutigen Titel (der Name einer Einrichtung wie das "Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie" ist für die meisten ja mit - allerdings im Zweifelsfall recht unterschiedlichen - Konnotationen besetzt) unter die Anbindungs-Kategorie "Organisationen", so ergibt sich bei aller Eindeutigkeit der einzelnen Eintragungen sehr schnell die Frage ihrer auf die gesamte Seite bezogenen Gliederung, ihrer Position den anderen Verzeichnungen gegenüber.

Ordnete man etwa formal-alphabetisch, stellen sich für den Rezipienten entsprechend alle Probleme eines Formalkatalogs - vor allen Dingen die vorausgesetzte Kenntnis des genauen Namens. Hinzu kommt die Frage der Abkürzungen: soll man sich an die RSWK-Regel der Gebräuchlichkeit halten? Oder arbeitet man mit Verweisungen? Oder systematisiert man doch lieber inhaltlich - und wenn ja, nach welcher Systematik?

Die auf den Dortmunder Seiten gewählte Interims-Lösung ist eine 'politisch-topographische' Gliederung: am Beginn der Liste steht das Bundesministerium vor den bundesweiten "freien" Einrichtungen, dann folgen Landeseinrichtungen staatlicher und freier Art, schließlich Einzeleinrichtungen wie das Oberstufenkolleg Bielefeld.

Unabhängig von solcher Systematik-Entscheidung bleibt dabei jedoch notwendiges Element bis hin zur Realisierung eines letztlich als Zielkonzeption anzusteuernden tatsächlichen Browsings, die gewählten Gliederungen in jedem Fall transparent zu machen.

Aber die Frage der Ordnung ist nur eines der entstehenden Probleme von Internet-Fachinformationsseiten - betrachtet man etwa die Kategorie "Bibliotheken und Archive", zeigt sich ein weiterer neuralgischer Punkt.

Auch hier scheint der Name der Einrichtungen oft selbsterklärend und entsprechend eindeutig, für eine Gliederung nach Art der erfaßten Informationstypen also leicht handhabbar. Die "Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung" etwa macht auf den ersten Blick keine vom oben angesprochenen inner-kategorial ordnenden Grundsatzaspekt abgesehenen Schwierigkeiten: "Bibliothek" setzt den allgemeinen Ordnungspunkt und bestimmt damit die Seitenzugehörigkeit, der Name der Einrichtung bestimmt die inhaltliche Erfassung - der Kundige assoziiert zu Recht bei dem Begriff Bildungsgeschichte sofort Pädagogik und Philosophiegeschichte, da beide Bereiche bis weit in das 19. Jahrhundert hinein eine enge Verbindung eingehen.

Keineswegs selbstverständlich allerdings ist diese Assoziation für den wissenschaftlichen Neuling, der sich disziplinengeschichtlich erst orientieren und informieren muß. Doch selbst der erfahrene Wissenschaftler kann nicht assoziieren, daß sich in dieser Bibliothek der Bildungsgeschichte nicht nur das im Titel Angepriesene verbirgt, sondern auch eine der größten Spezial-Sammlungen über Hör- und Sprachbehinderung in Europa.

Notwendig wird also eine Annotation, die die genaueren Strukturen der aufgenommenen Ressourcen beschreibt und darüber such- und auffindbar macht - eine Notwendigkeit, die sich spätestens bei der Sammlung elektronischer Publikationen und Verzeichnisse als unübersehbar erweist. Allerspätestens hier stellt sich die Gretchenfrage: wie halten wir es denn mit Systematik und Klassifikation? - auch, um ein tatsächliches Browsing in der Zusammenstellung zu ermöglichen.

Dabei besteht für die Erziehungswissenschaften das Problem, keinen umfassend verwendeten und allgemein anerkannten Fach-Thesaurus bzw. keine entsprechende Fach-Systematik zu besitzen wie manche andere Fächer. Einheitliche Lösungen sind an dieser Stelle aber auf jeden Fall anzustreben: hier besteht also noch großer Handlungsbedarf.

Als die eigenen Quellen ebenso wie die eigenen Möglichkeiten erweiterndes Angebot findet der Rezipient am Ende der Suchangebote externe Suchdienste, wobei die erziehungswissenschaftlich vielversprechendsten herausgehoben sind - im Blick auf den nicht so erfahrenen Internet-Nutzer können sich hier Hilfestellungen sowie eine Beispiel-Recherche anbinden.

C. Die Weiterentwicklung

Es ist an dieser Stelle müßig darauf hinzuweisen, daß Internet-Seiten sich in einem ständigen Prozeß befinden und (zumindest mit) von der Dynamik ihres Trägermediums leben. Zu betonen bleibt allenfalls, daß die angesprochenen Probleme lediglich eine kleine Auswahl dessen zeigen, was sich an neuralgischen Punkten innerhalb eines solchen Versuchs der Erfassung und Erschließung geisteswissenschaftlicher Ressourcen im Netz ausmachen läßt.

Die Dortmunder Fachinformationsseiten "Erziehung und Bildung, Sondererziehung und Rehabilitation" kennzeichnen entsprechend auf dem steinigen Weg zu einem tatsächlichen Clearinghouse nur die ersten Schritte im Sinne eines learning by doing - wie es sich ihrem pädagogischen Thema geziemt. Als noch zu lösende Aufgabe steht etwa ein erneutes Eintreten in die Diskussion um Seiten-Inhalte im Blick auf das Zur-Verfügung-Stellen universitätseigener Ressourcen für den Zugriff von außen an. Nicht zuletzt solche Inhaltsentscheidungen werden zu einer in Zukunft zunehmend nach Lösung drängenden Frage internetorientierter Bibliothekspolitik werden, bedenkt man etwa die wachsende Flut von Diplomarbeiten und Dissertationen, für deren digitale Speicherung verbunden mit der Möglichkeit des Publishing on demand das Netz ein sehr interessantes Medium darstellt. Dabei wie im gesamten Kontext jedoch muß die Kooperation, muß die Einbindung einzelner bibliotheksspezifischer Aktivitäten in überregionale Projekte anzustrebendes Ziel sein, sollen singuläre Konzeptionen tatsächliche einheitliche Nutzbarkeit erreichen: nur ein solcher Blick auf das Ganze kann letztlich vor den Fängen kleinschrittiger Provinzialität bewahren und verhindern, daß Fachinformationsseiten sich in einer fast nietzscheanisch anmutenden ewigen Wiederkehr des Gleichen auf allen Servern verstricken.

Anmerkungen:

1) Der Text ist die erweiterte und aktualisierte Fassung eines Vortrags, gehalten während der 1. Inetbib-Tagung: Weiter auf dem Weg zur virtuellen Bibliothek!, 11. - 13. März 1996, Dortmund

2) Brach, Markus: Nagen am Ende der Wurst; in: DUZ - Deutsche Universitätszeitung 8/1996, S. 16.

3) Vgl. z.B. Krammer, Manfred: Geisteswissenschaftler und Internet; in: Internet und Bibliotheken, Entwicklung - Praxis - Herausforderungen; hg. v. Helmut Jüngling; Köln: Greven, 1995.

4) Schanze, Helmut: Was kann ein Geisteswissenschaftler mit einem Informationsnetz anfangen? Vorüberlegungen zu einer Nutzungstheorie eines "Neuen Mediums"; in: Internet und Bibliotheken, Entwicklung - Praxis - Herausforderungen; hg. v. Helmut Jüngling; Köln: Greven, 1995.

5) Etwa Mosaic und heute vor allem Netscape.

6) Bunzel, Jürgen, Deutsche Forschungsgemeinschaft Bonn - Bad Godesberg: Die Analyse der DFG zur Situation im Bibliothekswesen und künftigen Anforderungen an die Bibliothekssysteme; DMV-Workshop, Osnabrück 20. Juni 1995, S. 9.

7) In Dortmund wird dieses Problem zu lösen versucht durch die je ressourcenspezifische Entscheidung, die sicherungswürdig erscheinenden Daten auf den eigenen Server zu laden und dort dauerhaft zu archivieren.

8) Finanzielle Strukturen, Service-Erleichterungen wie etwa Lieferbeschleunigung bei Literaturbestellung, auch scheinbar profane Platzprobleme listen zum Beispiel Martin Grötschel und Joachim Lügger unter der Überschrift "Wissenschaftliche Kommunikation am Wendepunkt" auf: vgl. Grötschel, Martin / Lügger, Joachim: Wissenschaftliche Kommunikation am Wendepunkt - Bibliotheken im Zeitalter globaler elektronischer Netze; in: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 42 (1995), Heft 3, S. 297.

9) IBIS - Internetbasiertes Informationssysystem - vgl. hierzu etwa ProLibris 1/1996, S. 34-39 und ProLibris 2/1996, S. 69.

10) Rusch-Feja, Diann: Ein 'Clearinghouse'-Konzept für Fachinformationen aus dem Internet oder wie man aus dem Chaos sinnvolle Informationsvermittlung betreibt; in: ABI-Technik 16 (1996), Nr. 2, S. 145.

11) Rusch-Feja 1996, a.a.O., S. 146.


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