Über das DBI Hierarchiestufe höher

Das Urteil

Erklärung des Direktors

Das Plenum des Wissenschaftsrates hat am 14. November 1997 in Berlin die Empfehlung beschlossen, das DBI künftig nicht mehr gemeinsam von Bund und Ländern über die Blaue Liste zu finanzieren. Das Plenum ist damit dem Votum seines Ausschusses "Blaue Liste" gefolgt, der sich mit dem DBI im Mai und September 1997 befaßte und als Ergebnis seiner Beratungen eine "wissenschaftspolitische Stellungnahme" vorlegte. Diese Beratungen fußten auf einem Bewertungsbericht, der im Mai 1997 von einer Gutachtergruppe vorgelegt wurde, die das DBI im Oktober 1996 besucht hatte. Diese Gruppe stützte ihre Untersuchungen neben den Eindrücken vor Ort auf umfangreiche Materialien, die das DBI bereits im Juni 1996 dem Wissenschaftsrat vorlegte.

Das Votum des Wissenschaftsrates hat bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DBI Empörung ausgelöst, denn nach dem bisherigen Gang des Verfahrens und den jeweils bekannten Fakten mußten wir bis zum Mai 1997 nicht mit einer derart existenzbedrohenden Beurteilung rechnen.
Wir haben drei Vorwürfe zu äußern:

  1. Der Bewertungsbericht enthält an entscheidenden Stellen Fehler, Unklarheiten und Pauschalurteile.
  2. Die wissenschaftspolitische Stellungnahme entspricht an keiner Stelle mehr dem Bewertungsbericht. Negative Aussagen wurden verstärkt, positive Einschätzungen kommen überhaupt nicht mehr zum Tragen: Das DBI ist mit seinen tatsächlich vorhandenen Leistungen und Tätigkeiten nicht mehr wiederzuerkennen.
  3. Uns ist bekannt, daß sich das Land Berlin bereits lange vor Bekanntwerden der Bewertungsergebnisse dazu entschlossen hatte, das DBI zugunsten von zwei anderen Einrichtungen zu opfern, die ihrerseits in die Blaue Liste aufgenommen werden sollen.

Bei einem solchen Gegenwind hat keine Einrichtung eine Chance, sich allein mit der Qualität ihrer Arbeit durchzusetzen. Besonders hilfreich ist es in einer solchen Situation, wenn in dem Gutachten für eine andere Institution wichtige Aufgaben des DBI bereits dieser Institution zugeordnet werden, obwohl zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Gutachtens (Gutachten für die Staatsbibliothek zu Berlin vom 10.9.1997) noch nicht einmal das Votum des Ausschusses Blaue Liste des Wissenschaftsrats bekannt war.

Was wird dem DBI nun hauptsächlich vorgeworfen?
Die Gutachter konstatieren 1. ein Defizit bei den Entwicklungsaufgaben, 2. zu wenig Service für die wissenschaftlichen Bibliotheken und 3. zu intensive Betreuung der Öffentlichen Bibliotheken.

Zum ersten Kritikpunkt:
Das DBI hat an zentraler Stelle seiner Papiere für den Wissenschaftsrat hierzu ausgeführt: "Ab 1991 standen die Aufgaben der deutsch-deutschen Vereinigung im Vordergrund der Tätigkeiten; eine größere Veränderung sowohl beim Nutzerkreis als auch bei den zu behandelnden Themen hat es in der Geschichte des Instituts nicht gegeben. Der Schwerpunkt verlagerte sich in diesen Jahren zum Service hin, denn konkrete Hilfen, Beratung, Gutachten, Aufbauarbeiten waren besonders gefordert. Das Institut bemüht sich seit 1995, den Anteil der Entwicklungsaufgaben an den Gesamtaufgaben wieder zu erhöhen."
Eine eindeutige, plausible und politisch klare Aussage, und doch - sie ist an keiner Stelle im Gutachten gewürdigt worden. Die enormen Aufbauleistungen im DBI und im gesamten Bibliothekswesen haben nicht nur keine Würdigung gefunden, sie schlagen an entscheidender Stelle gegen das Institut zurück!
Ein weiterer Einwand gegen die Gutachter: Entwicklung wird von ihnen unter ausschließlich technischen Aspekten gesehen.
Daß die Technik wie oben ausgeführt der wirtschaftlichen, rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen bedarf, ist von ihnen vernachlässigt worden, konsequent sind dann auch die hervorragenden Leistungen des DBI auf diesem Gebiet nicht berücksichtigt worden.

Zum zweiten Kritikpunkt:
Nach Bekanntwerden des Bewertungsberichts haben sich spontan sechzehn Direktorinnen und Direktoren der wichtigsten deutschen Universalbibliotheken in einem Schreiben an den Wissenschaftsrat zu Wort gemeldet und den Nutzen sowie die Bedeutung seiner Dienstleistungen gerade für die wissenschaftlichen Bibliotheken im Lande betont. Sie sprechen sich unmißverständlich und ohne Einschränkung für das weitere Bestehen des Instituts aus. Wer hat hier größeres Gewicht - Gutachter oder Nutzer des Instituts?

Zum dritten Kritikpunkt:
Diesen muß das DBI wie einen Schlag ins Gesicht empfunden haben, denn im Bewertungsbericht des Wissenschaftsrates aus dem Jahre 1989 wird das Institut aufgefordert, die Dienstleistungen für die Öffentlichen Bibliotheken entscheidend zu verstärken und den Personaleinsatz auf diesem Gebiet nachhaltig zu erhöhen.
Dieser Empfehlung ist das DBI konsequent gefolgt mit dem Ergebnis, daß genau dieser Punkt zu seinem möglichen Untergang beitragen kann.

Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates werden eine weitere Finanzierung über die Blaue Liste nur schwer möglich machen. Sie bedeuten aber nicht, daß das DBI zu schließen sei. Der Weg ist offen für Lösungen, bei denen die Kernaufgaben des Instituts in anderer Struktur und anderer Finanzierung sowie anderer Trägerschaft fortgeführt werden können. Allerdings muß hart dafür gekämpft werden, daß die in der wissenschaftspolitischen Stellungnahme enthaltene Verteilung der DBI-Aufgaben an eine beliebige Zahl von anderen Trägern (welchen?) verhindert wird. Wie heißt es sinngemäß in der Begründung zum DBI-Gesetz von 1978?:

Das DBI wird gegründet, um die zersplitterten Kapazitäten und Kompetenzen im deutschen Bibliothekswesen an einer Stelle zu bündeln.

Wir dürfen deshalb mit zukünftigen Lösungen nicht hinter den Erkenntnisstand von 1978 zurückfallen. Auch darf es keinesfalls zu einer Trennung zwischen Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken kommen.

Bund und Länder richten zur Zeit eine Arbeitsgruppe ein, die sich mit der Zukunft der zentralen Aufgaben beschäftigen wird. Auch der Deutsche Bibliotheksverband wird seine Vorstellungen entwickeln. Beteiligen Sie sich an diesem Prozeß mit Anregungen und Kritik und geben Sie uns Rückhalt, um unsere Arbeit im DBI in den nächsten Jahren weiter mit Erfolg leisten zu können. Die Finanzierung des DBI ist mindestens für 1998 und 1999 gesichert; Zeit genug für die Entwicklung zukunftssicherer Konzepte, wenn wir diese Zeit auch nutzen.

Wir haben uns deshalb entschlossen, alle Dokumente, die zur Einschätzung der jetzigen Situation wichtig sind, im Wortlaut - zum Teil versehen mit unseren Anmerkungen - sowohl im Internet als auch in gedruckter Form zu veröffentlichen.

Machen Sie sich selbst ein Bild!

Günter Beyersdorff


Stand: 24.11.1997